Die Zinsen für das Geld am Sparbuch sind im Moment auf einem niedrigen Niveau. Auf der Suche nach höheren Zinsen stößt der Anleger immer wieder auf andere Angebote wie verbriefte (strukturierte) Verbindlichkeiten, zum Beispiel Anleihen oder Zertifikate. Diese werden sowohl von Banken als auch von anderen Emittenten, zum Beispiel Industrieunternehmen, begeben. Banken, Versicherungen und Wertpapierfirmen unterliegen dabei einer umfassenden und laufenden Aufsicht durch die FMA, andere emittierende Unternehmen werden hingegen von der FMA mangels gesetzlicher Zuständigkeit nicht beaufsichtigt.
Doch sind die Anlageformen Anleihe und Sparbuch tatsächlich gleichzusetzende Alternativen?
In diesem Beitrag soll beleuchtet werden, inwieweit die wirtschaftliche Schieflage von Anleiheemittenten (einschließlich Kreditinstituten) aufgrund der daran anknüpfenden möglichen Folgen (Gläubigerbeteiligung, Insolvenz) ein Risiko für den Anleger birgt und somit riskanter sein könnte als die Einlage auf ein Sparbuch.
Anleihen unterscheiden sich von Spareinlagen insbesondere dadurch, dass Spareinlagen bei österreichischen Banken durch die österreichische Einlagensicherung gesichert sind. Die Einlagensicherung gilt für Einlagen und Guthaben samt Zinsen auf Konten und Sparbüchern, zum Beispiel auf Girokonten, Gehalts- und Pensionskonten, Festgeldkonten und Bausparverträgen bis zu einem Betrag von 100 000 Euro pro Kreditinstitut und pro legitimiertem Einleger.
Bei Anleihen gibt es keine Einlagensicherung. Beim Kauf von Anleihen ist es deshalb besonders wichtig, dass Sie sich der Risiken, die mit Ihrer Investition einhergehen, bewusst sind und diese verstehen.
Mit dem Kauf einer Anleihe werden Sie zum Gläubiger des Unternehmens, das die Anleihe ausgibt. Ein Unternehmen nimmt mit einer Anleihe zu genau festgelegten Bedingungen Geld von Investoren auf. Dafür bekommen Sie als Investor in der Regel Zinsen. Die Höhe der Zinsen richtet sich primär nach der Bonität des Schuldners, also des Unternehmens, das die Anleihe ausgibt. Die Höhe der Zinsen sollte demnach dem Risiko, das mit der Anleihe einhergeht, entsprechen. Dieses Prinzip gilt im Übrigen für alle Finanzprodukte und Investitionsmöglichkeiten.
Ganz allgemein gilt: Je höher die Aussicht auf Ertrag, desto größer ist auch das Risiko! Höhere Zinsen bedeuten ein höheres Risiko!
Anleihen können von Banken oder von anderen Emittenten, zum Beispiel Industrieunternehmen, begeben werden. Banken gehören zu den von der FMA beaufsichtigten Unternehmen. Für andere emittierende Unternehmen, wie Industrieunternehmen, gilt das oft nur in einem eingeschränkten Maß (zB. im Rahmen der Prospektaufsicht).
Bei Anleihen von Banken und sonstigen Emittenten bestehen grundsätzlich die folgenden Risiken (Anmerkung: Eine abschließende Aufzählung ist nicht möglich, da jedes Produkt unterschiedlich ausgestaltet und damit mit unterschiedlichen Risiken behaftet sein kann):
- Kurs- und Zinsänderungsrisiko: Während der Laufzeit kann sich der Kurs der Anleihe sowohl nach oben als auch nach unten bewegen und beträchtlichen Schwankungen unterliegen. Verkäufe vor dem vereinbarten Laufzeitende können zu Abschlägen führen oder mangels Handels gar nicht möglich sein.
- Fixzinsrisiko: Das Fixzinsrisiko bezeichnet das Risiko, eine fix verzinste Anleihe bei steigenden Zinsen nur mit einem Kursabschlag verkaufen zu können. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn die fix festgelegten Zinsen für Ihre Anleihe niedriger sind als die aktuellen Zinsen am Markt.
- Währungs-/Wechselkursrisiko: Ebenso besteht bei Anleihen die Gefahr von Währungsschwankungen, wenn eine Anleihe nicht in Euro emittiert oder zurückgezahlt wird, sondern in einer anderen Währung, zum Beispiel in Schweizer Franken.
- Liquiditätsrisiko: Mit der Liquidität der Anleihe wird ihre Handelbarkeit beschrieben. Es besteht ein Risiko, dass Anleihen nicht oder nicht zum gewünschten Preis bzw. nicht im gewünschten Zeitraum verkauft werden können. Je nach Ausgestaltung der Anleihe ist Ihr Kapital oft bis zum Ende der Laufzeit gebunden und kann häufig nicht früher zurückverlangt werden.
- Insolvenzrisiko: Das Insolvenzrisiko beschreibt die Gefahr, dass der Schuldner, also das Unternehmen, das die Anleihen ausgibt, zahlungsunfähig wird. In diesem Fall können Sie Ihre Investition zum Teil oder ganz verlieren.
Bei einer Bankanleihe besteht zusätzlich das Risiko der Gläubigerbeteiligung („bail-in“). Damit ist das Risiko gemeint, im Falle der Abwicklung einer Bank als Gläubiger dieser Bank an den Verlusten beteiligt zu werden. Die Abwicklungsbehörde, in Österreich ist das die FMA, kann berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten der Bank ganz oder teilweise herabschreiben oder in Eigentumstitel der Bank (zum Beispiel Aktien) umwandeln, um die Bank damit zu stabilisieren.
Was bedeutet der Begriff „bail-in“? Wie wird ein „bail-in“ angewendet?
„Bail-in“ ist eine mögliche Maßnahme in der Abwicklung („Abwicklungsinstrument“) und bedeutet die Beteiligung von Gläubigern einer Bank an deren Verlusten. Anleger, die in Anleihen einer Bank investieren, werden zu Gläubigern der Bank. Das bedeutet, dass im Abwicklungsfall einer Bank diese Anleger am Verlust beteiligt werden können und somit womöglich ihr eingesetztes Kapital nicht oder nicht zur Gänze erhalten. Das Risiko des (Total-)Verlusts besteht aber auch bei einer Insolvenz eines Unternehmens. In diesem Zusammenhang ist auch ein wichtiges Prinzip bedeutsam, welches bei der Abwicklung einer Bank nicht verletzt werden darf: Kein Gläubiger der Bank darf wirtschaftlich schlechter behandelt werden, als dies in einem Insolvenzverfahren der Fall wäre („no creditor worse off“).
Wieso gibt es die Gläubigerbeteiligung („bail-in“)?
Als Reaktion auf die Finanzkrise und die daraus folgenden „Bankenrettungen“ durch den Staat bzw. die Steuerzahler wurden Regelungen (Richtlinie 2014/59/EU – „BRRD“, umgesetzt durch das Bundesgesetz über die Sanierung und Abwicklung von Banken („BaSAG“) und die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 – „SRM“) erlassen, um Banken geordnet abwickeln zu können. Damit soll gewährleistet werden, dass zukünftig keine Steuergelder für die Rettung verwendet werden müssen.
Wann könnte ich als Anleger (etwa als Anleiheinhaber) im Fall einer Abwicklung von einem „bail-in“ betroffen sein?
Sie könnten betroffen sein, wenn Sie Anteilsinhaber oder Gläubiger einer Bank sind. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Sie von der Bank ausgegebene Finanzinstrumente (zB Anleihen, Zertifikate, Aktien) halten oder als Guthaben bei der Bank nicht gesicherte Einlagen haben.
Ob Sie in einem konkreten Abwicklungsfall vom Abwicklungsinstrument der Gläubigerbeteiligung („bail-in“) betroffen sind, hängt von der Reichweite dieser Maßnahme in der Abwicklung und der Klassifizierung des von Ihnen gehaltenen Finanzinstrumentes ab. Bei einer Gläubigerbeteiligung werden die Gläubiger nach einer vorgegebenen Reihenfolge („Verlusttragungskaskade“) herangezogen und die Verluste gleichmäßig den berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten des gleichen Rangs zugewiesen. Eine nachfolgende Klasse wird erst herangezogen, wenn die Ansprüche der vorstehenden Klasse zur Verlusttragung nicht ausreichen. Zunächst werden die Kapitalinstrumente (etwa Aktien der Anteilsinhaber) herabgeschrieben. Reicht dieses Kapital nicht aus um die Verluste auszugleichen, werden in weiterer Folge beim „bail-in“ die Inhaber relevanter Kapitalinstrumente und dann die Gläubiger berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten der Bank zur Verlusttragung herangezogen.
Sind meine Einlagen im Fall einer Abwicklung gesichert?
Durch das System der Einlagensicherung in Österreich sind sämtliche Einlagen und Guthaben samt Zinsen auf Konten und Sparbüchern bei österreichischen Banken, zum Beispiel auf Girokonten, Gehalts- und Pensionskonten, Festgeldkonten, Sparbüchern und Bausparverträgen, gesichert. Die Höhe der Einlagensicherung beträgt 100 000 Euro,- pro Kreditinstitut und pro legitimiertem Einleger.
Einlagen im Sinne der gesetzlichen Einlagensicherung sind vom Abwicklungsinstrument der Gläubigerbeteiligung ausdrücklich ausgenommen und nehmen im Abwicklungsfall nicht an der Verlusttragung der Bank teil.
Können sonstige Finanzinstrumente (zB. Wertpapiere, Anleihen) in meinem Depot auch von einer Gläubigerbeteiligung („bail-in“) betroffen sein?
Die Finanzinstrumente, die Sie in Ihrem Depot bei einer abzuwickelnden Bank verwahren, jedoch nicht von dieser Bank ausgegeben wurden, sind von einer allfälligen Anwendung des Abwicklungsinstruments der Gläubigerbeteiligung nicht betroffen. Im Falle einer Abwicklung bleibt Ihr Eigentum an diesen Finanzinstrumenten bestehen.
Muss mich mein Berater/das Unternehmen über die „bail-in-Fähigkeit“ eines Produktes informieren?
Ein Berater hat ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse seiner Kunden zu handeln. Er hat Ihnen aktuelle, vollständige und verständliche Informationen, insbesondere auch über das potentielle Risiko einer Anwendung des Abwicklungsinstruments der Gläubigerbeteiligung, zur Verfügung zu stellen. Wesentliche Änderungen in Bezug auf relevante Informationen betreffend
das Unternehmen und seine Dienstleistungen,
die Finanzinstrumente,
den Schutz von Kundenfinanzinstrumenten und Kundengeldern und
Kosten und Nebenkosten
sind Ihnen rechtzeitig mitzuteilen.
Unternehmen, die Ihnen eigene oder von anderen Unternehmen der Gruppe begebene Finanzinstrumente anbieten, die „bail-in-fähig“ sind, müssen Ihnen zusätzliche Informationen zur Verfügung stellen. Diese Informationen müssen die Unterschiede des Finanzinstruments im Hinblick auf Ertrag, Risiko, Liquidität und das Schutzniveau im Vergleich zu Bankeinlagen aufzeigen.
Bestehende Kunden, die „bail-in-fähige“ Finanzinstrumente halten, sollten ebenso vollständige und – gegebenenfalls – aktualisierte Informationen erhalten. Dies kann zum Beispiel im Rahmen eines periodischen Berichts oder auf der Website des Unternehmens erfolgen.
Bei strukturierten Anleihen, dazu gehören zum Beispiel Zertifikate, handelt es sich um Schuldverschreibungen eines Emittenten, wobei sich die Rückzahlung oder die Verzinsung nach der Wertentwicklung eines festgelegten Basiswertes richten. Dieses sogenannte „Underlying“ kann zum Beispiel eine Aktie oder ein Index sein. Auch im Fall von strukturierten Anleihen werden Sie Gläubiger des ausgebenden Unternehmens.
Die Wertentwicklung hängt von vielen verschiedenen Parametern ab, die einander zusätzlich noch beeinflussen können. So können sich deshalb gleich mehrere Risiken auf einmal realisieren. Hier ist auf die Aufzählung der Risiken im vorherigen Abschnitt zu verweisen. Ein zusätzliches Risiko bei strukturierten Anleihen ist das Kursrisiko des Basiswertes. Damit ist das Risiko gemeint, dass sich der Kurs des Basiswertes in eine für den Anleger ungünstige Richtung entwickelt und der Anleger Verluste erleidet.
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, eine strukturierte Anleihe auszugestalten. Daher ist bei jeder strukturierten Anleihe eine genaue Prüfung der Eigenschaften und Risiken unbedingt notwendig!
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