Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Erstfassung der Richtlinie über den Personenkreis von Menschen mit Behinderung, die eine Begleitung im Krankenhaus aus medizinischen Gründen benötigen

Published On: Dienstag, 11.10.2022By

Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über die Erstfassung der
Richtlinie über den Personenkreis von Menschen mit Behinderung,
die eine Begleitung im Krankenhaus aus medizinischen Gründen benötigen

Vom 18. August 2022

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 18. August 2022 folgende Erstfassung der Richtlinie über den Personenkreis von Menschen mit Behinderung, die eine Begleitung im Krankenhaus aus medizinischen Gründen benötigen, nach § 44b Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) beschlossen:

I.

Die Erstfassung der Richtlinie des G-BA über den Personenkreis von Menschen mit Behinderung, die eine Begleitung im Krankenhaus aus medizinischen Gründen benötigen, wird wie folgt gefasst:

„Richtlinie
des Gemeinsamen Bundesausschusses
nach § 44b Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)
über den Personenkreis von Menschen mit Behinderung,
die eine Begleitung im Krankenhaus aus medizinischen Gründen benötigen
(Krankenhausbegleitungs-Richtlinie/​KHB-RL)

§ 1

Grundlagen

(1) 1Die Richtlinie bestimmt gemäß § 44b Absatz 2 SGB V Kriterien zur Abgrenzung des Personenkreises, der eine Begleitung während einer stationären Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen gemäß § 44b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a SGB V benötigt. 2Das Vorliegen dieser Kriterien ist eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld nach § 44b Absatz 1 SGB V einer bei einer stationären Krankenhausbehandlung mitaufgenommenen Begleitperson aus dem engsten persönlichen Umfeld. 3Zugleich wird das Nähere zur Feststellung des Vorliegens dieser Kriterien bestimmt.

(2) 1Der Mitaufnahme steht gemäß § 44b Absatz 1 Satz 3 SGB V die ganztägige Begleitung gleich. 2Von einer ganztägigen Begleitung ist auszugehen, wenn die Zeit der notwendigen Anwesenheit im Krankenhaus und die Zeiten der An- und Abreise insgesamt acht oder mehr Stunden umfassen.

§ 2

Medizinische Kriterien

(1) Die medizinische Notwendigkeit der Mitaufnahme einer Begleitperson muss sich aus den Erfordernissen ergeben, die in der Person der oder des stationär behandlungsbedürftigen Versicherten begründet sind.

(2) 1Die medizinische Notwendigkeit der Mitaufnahme einer Begleitperson nach dieser Richtlinie liegt vor, wenn aufgrund der vorliegenden Behinderung der oder des stationär behandlungsbedürftigen Versicherten eine Begleitung während der aktuellen Krankenhausbehandlung erforderlich ist, weil

1.
ohne Begleitperson die Krankenhausbehandlung nicht durchführbar ist,
2.
ohne Begleitperson die Behandlungsziele nicht oder nicht im erforderlichen Ausmaß erreicht werden können oder deren Erreichung erheblich gefährdet wäre,
3.
die Begleitperson in das therapeutische Konzept im Krankenhaus eingebunden werden muss oder
4.
die Begleitperson in das therapeutische Konzept für die Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus einzubeziehen ist.

2Die Kriterien für die medizinische Notwendigkeit einer Mitaufnahme nach Satz 1 werden in der Anlage dieser Richtlinie konkretisiert. 3Die medizinische Notwendigkeit der Mitaufnahme liegt vor, wenn mindestens ein Kriterium der in der Anlage genannten Fallgruppen erfüllt ist oder eine vergleichbare Schädigung oder Beeinträchtigung vorliegt.

§ 3

Feststellung und Bescheinigung der medizinischen Notwendigkeit
im Vorfeld der Krankenhausbehandlung

(1) Soweit es sich um eine planbare stationäre Krankenhausbehandlung handelt, soll die medizinische Notwendigkeit der Mitaufnahme einer Begleitperson unter Angabe mindestens eines medizinischen Kriteriums gemäß der Anlage oder einer vergleichbaren Schädigung oder Beeinträchtigung durch

1.
eine Vertragsärztin oder einen Vertragsarzt,
2.
eine Vertragszahnärztin oder einen Vertragszahnarzt oder
3.
eine Vertragspsychotherapeutin oder einen Vertragspsychotherapeuten

im Rahmen der Krankenhauseinweisung festgestellt und auf dem dafür vorgesehenen Vordruck (Verordnung von Krankenhausbehandlung) bescheinigt werden.

(2) Die medizinische Notwendigkeit der Mitaufnahme einer Begleitperson kann alternativ zu Absatz 1 auch unabhängig von einer Krankenhauseinweisung unter Angabe mindestens eines medizinischen Kriteriums gemäß der Anlage oder einer vergleichbaren Schädigung oder Beeinträchtigung durch

1.
eine Vertragsärztin oder einen Vertragsarzt,
2.
eine Vertragszahnärztin oder einen Vertragszahnarzt oder
3.
eine Vertragspsychotherapeutin oder einen Vertragspsychotherapeuten

festgestellt und gegenüber der oder dem Versicherten befristet für bis zu zwei Jahre bescheinigt werden, sofern diese nach medizinischer Einschätzung voraussichtlich mindestens für diesen Zeitraum bei der oder dem Versicherten vorliegen wird.

§ 4

Feststellung der medizinischen Notwendigkeit und Bescheinigung
gegenüber der Begleitperson durch das Krankenhaus

(1) Die medizinische Notwendigkeit der Mitaufnahme einer Begleitperson ist durch

1.
eine Krankenhausärztin oder einen Krankenhausarzt,
2.
eine Krankenhauszahnärztin oder einen Krankenhauszahnarzt oder
3.
eine Krankenhauspsychotherapeutin oder einen Krankenhauspsychotherapeuten

festzustellen; bei der Feststellung sind Bescheinigungen nach § 3 Absatz 1 oder Absatz 2 zu berücksichtigen, sofern diese vorliegen.

(2) 1Die medizinische Notwendigkeit der Mitaufnahme ist gegenüber der Begleitperson zur Vorlage bei ihrer Krankenkasse an ihrem Entlasstag abschließend sowie bei Bedarf auch vorläufig zu Beginn der Mitaufnahme oder während der Krankenhausbehandlung zu bescheinigen, sofern der zeitliche Mindestumfang gemäß § 1 Absatz 2 erfüllt ist. 2Die Bescheinigung enthält folgende Angaben:

1.
Vor- und Nachname sowie Geburtsdatum der oder des stationär behandlungsbedürftigen Versicherten,
2.
die Fallgruppe nach der Anlage, aus der sich die medizinische Notwendigkeit der Mitaufnahme ergibt; soweit sich die Feststellung nach Absatz 1 auf Schädigungen oder Beeinträchtigungen bezieht, die in der Anlage nicht benannt, aber mit den dort aufgeführten Kriterien vergleichbar sind, sind diese anzugeben,
3.
die Anwesenheitstage der Begleitperson, bei denen der zeitliche Mindestumfang gemäß § 1 Absatz 2 erfüllt ist.

(3) 1Die Begleitperson erhält darüber hinaus bei Bedarf zur Vorlage bei ihrem Arbeitgeber vom Krankenhaus an ihrem Entlasstag eine abschließende Aufenthaltsbescheinigung als Begleitperson gemäß § 44b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a SGB V. 2Die abschließende Aufenthaltsbescheinigung enthält nur die Angabe der Anwesenheitstage nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 3. 3Darüber hinaus ist der Begleitperson bei Bedarf auch zu Beginn oder während der Krankenhausbehandlung eine vorläufige Aufenthaltsbescheinigung als Begleitperson gemäß § 44b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a SGB V auszustellen.4 Auch diese Bescheinigung darf keine Angaben gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 und 2 enthalten.

Anlage

Funktionelle Schädigungen und Beeinträchtigungen der Aktivitäten auf Seiten der Patientin oder des Patienten, die sich im Krankenhaus so erheblich auswirken, dass sie die medizinische Notwendigkeit einer Begleitung im Krankenhaus nach § 44b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a SGB V begründen.

Die in diesen Fallgruppen aufgezählten Schädigungen und Beeinträchtigungen mit ihren erheblichen Auswirkungen begründen sowohl jeweils für sich alleine als auch in ihrer Kombination die medizinische Notwendigkeit der Mitaufnahme einer Begleitperson. Entsprechendes gilt auch für Schädigungen und Beeinträchtigungen, die sich in vergleichbarem Umfang auf die Krankenhausbehandlung auswirken und in dieser Anlage unter den Kriterien nicht ausdrücklich benannt sind.

Fallgruppe Kriterien
Fallgruppe 1

Begleitung zum Zweck der Verständigung

Erhebliche oder komplette Beeinträchtigung der Kommunikation, insbesondere im Bereich

1.
Kommunizieren, Sprechen, nonverbale Mitteilungen, Konversation und Gebrauch von Kommunikationsgeräten und -techniken oder
2.
der kognitiv-sprachlichen Funktion

a)
mit mangelnder Fähigkeit, die eigene Symptomatik oder Befindlichkeiten, wie Schmerzen oder Wünsche, deuten, beschreiben oder verstehen zu können oder
b)
mit mangelnder Fähigkeit, die Informationen und Anweisungen des Behandlungsteams des Krankenhauses wahrnehmen, verstehen oder umsetzen zu können.
Fallgruppe 2

Begleitung zum Zweck der Unterstützung im Umgang mit durch die Krankenhausbehandlung verbundenen Belastungssituationen, insbesondere bei fehlender Kooperations- und Mitwirkungsfähigkeit

Schädigungen globaler oder spezifischer mentaler Funktionen, die sich insbesondere in Form von

1.
motorisch geprägten Verhaltensauffälligkeiten,
2.
eigen- und fremdgefährdendem Verhalten,
3.
Abwehr oder Verweigerung pflegerischer und anderer medizinischer Maßnahmen,
4.
Wahnvorstellungen, ausgeprägten Ängsten und Zwängen,
5.
Antriebslosigkeit somatischer oder psychischer
Genese oder
6.
sozial inadäquaten Verhaltensweisen

in erheblichem Ausmaß äußern.

Fallgruppe 3

Begleitung zum Einbezug in das therapeutische Konzept während der Krankenhausbehandlung oder zur Einweisung in nach der stationären Krankenhausbehandlung weiterhin notwendige Maßnahmen

Erhebliche Schädigungen oder Beeinträchtigungen, insbesondere

1.
gemäß der Fallgruppen 1 oder 2,
2.
neuromuskuloskeletaler und bewegungsbezogener Funktionen,
3.
der Atmungsfunktionen oder
4.
der Funktion der Nahrungsaufnahme, insbesondere des Schluckens.“
II.

Die Richtlinie tritt am 1. November 2022 in Kraft.

Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 18. August 2022

Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende
Prof. Hecken

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