Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) – Eravacyclin (komplizierte intraabdominale Infektionen (cIAI))

Published On: Freitag, 17.02.2023By

Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie:
Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen
nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)
Eravacyclin
(komplizierte intraabdominale Infektionen (cIAI))

Vom 19. Januar 2023

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 19. Januar 2023 beschlossen, die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) in der Fassung vom 18. Dezember 2008/​22. Januar 2009 (BAnz. Nr. 49a vom 31. März 2009), die zuletzt durch die Bekanntmachung des Beschlusses vom 5. Januar 2023 (BAnz AT 07.02.2023 B4) geändert worden ist, wie folgt zu ändern:

I.

Die Anlage XII wird in alphabetischer Reihenfolge um den Wirkstoff Eravacyclin wie folgt ergänzt:

Eravacyclin

Anwendungsgebiet (laut Zulassung vom 20. September 2018):

Xerava wird angewendet zur Behandlung komplizierter intraabdominaler Infektionen (cIAI) bei Erwachsenen.

Die offiziellen Richtlinien für den angemessenen Gebrauch von antibakteriellen Wirkstoffen sind zu berücksichtigen.

Anwendungsgebiet des Beschlusses (Beschluss vom 19. Januar 2023):

Siehe Anwendungsgebiet laut Zulassung.

1.
Ausmaß des Zusatznutzens und Aussagekraft der Nachweise
Für das Arzneimittel Xerava mit dem Wirkstoff Eravacyclin wurde mit Beschluss vom 21. April 2022 eine Freistellung von der Verpflichtung zur Vorlage der Nachweise nach § 35a Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 und 3 SGB V erteilt, da es sich um ein Reserveantibiotikum im Sinne des § 35a Absatz 1c Satz 1 SGB V handelt. Hat der G-BA eine Freistellung für ein Reserveantibiotikum nach § 35a Absatz 1c Satz 1 SGB V beschlossen, gilt der Zusatznutzen als belegt; das Ausmaß des Zusatznutzens und seine therapeutische Bedeutung sind vom G-BA nicht zu bewerten. Bei dem Beschluss nach § 35a Absatz 3 Satz 1 SGB V hat der G-BA Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung des Reserveantibiotikums unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Resistenzsituation festzulegen.
Erwachsene mit komplizierten intraabdominalen Infektionen (cIAI)
Zusatznutzen von Eravacyclin:
Der Zusatznutzen gilt als belegt.
2.
Anzahl der Patientinnen und Patienten bzw. Abgrenzung der für die Behandlung infrage kommenden Patientengruppen
Erwachsene mit komplizierten intraabdominalen Infektionen (cIAI)
ca. 2 600 bis 6 600 Patientinnen und Patienten
3.
Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung
Hinweise zur Anwendung
Die Vorgaben der Fachinformation sind zu berücksichtigen.
Die europäische Zulassungsbehörde European Medicines Agency (EMA) stellt die Inhalte der Fachinformation zu Xerava (Wirkstoff: Eravacyclin) unter folgendem Link frei zugänglich zur Verfügung (letzter Zugriff: 5. Dezember 2022):
https:/​/​www.ema.europa.eu/​en/​documents/​product-information/​xerava-epar-product-information_​de.pdf
Die Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung von Eravacyclin gelten für die zum Stand Juli 2022 zugelassenen Anwendungsgebiete.
Eravacyclin darf nur zur Behandlung komplizierter intraabdominaler Infektionen (cIAI) bei Erwachsenen angewendet werden, wenn der Nachweis oder in Ausnahmefällen der dringende Verdacht besteht, dass die Infektion durch multiresistente Erreger der Erregerliste des RKI verursacht ist sowie nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (siehe auch Hinweise zum Erregernachweis).
Vor dem Einsatz von Eravacyclin ist mit einer/​einem Fachärztin/​Facharzt mit Zusatzbezeichnung Infektiologie, einer/​einem Fachärztin/​Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie oder einer/​einem Fachärztin/​Facharzt für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie Rücksprache zu halten. Bei Nichtverfügbarkeit der genannten Facharztgruppen zum Zeitpunkt des Einsatzes ist die Rücksprache mit einer/​einem Fachärztin/​Facharzt, die/​der angemessene Erfahrung in der Behandlung von Infektionskrankheiten mit multiresistenten Erregern hat, zu halten.
Schwere und gelegentlich tödliche Überempfindlichkeitsreaktionen sind möglich und wurden mit anderen Antibiotika der Tetracyclin-Klasse berichtet. Im Fall eines Auftretens von Überempfindlichkeitsreaktionen muss die Behandlung mit Eravacyclin sofort eingestellt und entsprechende Notfallmaßnahmen müssen eingeleitet werden.
Hinweise zum Erregernachweis
Das Reserveantibiotikum darf nur im Rahmen einer gezielten Therapie eingesetzt werden. Vor der Anwendung ist grundsätzlich der ursächliche Erreger sowie eine Erregersensibilität über eine mikrobiologische Diagnostik von geeignetem klinischem Material nachzuweisen.
Eine kalkulierte (empirische) Anwendung von Eravacyclin ohne Erregernachweis sollte nur in besonderen Ausnahmefällen erfolgen. Dazu zählen eine bekannte Resistenzproblematik in der Behandlungseinrichtung bzw. bei einer Verlegung aus einer Einrichtung mit einer bekannten Resistenzproblematik sowie bei fehlendem Therapieansprechen gegenüber einer Standardantibiotikatherapie bei einer schwerwiegenden Infektion und dringendem Verdacht, dass die Infektion durch multiresistente Erreger der Erregerliste des RKI, soweit eine Empfindlichkeit gegenüber Eravacyclin zu erwarten ist, verursacht ist. Die Probengewinnung zum Erregernachweis hat vor Therapiebeginn zu erfolgen. Die kalkulierte Therapie ist in der Regel nach maximal 72 Stunden, bei vorliegendem Antibiogramm, falls notwendig, anzupassen.
Eravacyclin darf nicht angewendet werden, sofern der Erreger eine Sensibilität gegenüber anderen Antibiotika (ohne Reservestatus) aufweist, es sei denn, andere Antibiotika können nicht angewendet werden, beispielsweise wegen Kontraindikationen oder zu erwartender schwerer Komplikationen.
Hinweise zur Durchführung
Die aktuellen Leitlinien der AWMF und medizinischen, ggf. auch internationalen Fachgesellschaften für die angemessene Anwendung von Antibiotika sind zu berücksichtigen. Des Weiteren ist auf die aufgeführten Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung von Eravacyclin in den lokal verfügbaren Behandlungsleitlinien und Regelungen der Maßnahmen zum restriktiven Antibiotikaeinsatz zu verweisen.
Die genannten Vorgaben sind im Rahmen von Regelungen der Arzneimittelkommission des Krankenhauses umzusetzen. Die Durchführung sollte insbesondere im Rahmen des hausinternen Antibiotic-Stewardship-Programms (ABS)1 erfolgen.
Die Behandlungseinrichtung oder Klinik muss eine lokale Freigaberegelung für den Einsatz von Eravacyclin in der jeweiligen Behandlungseinrichtung vorsehen.
Die Restriktionsmaßnahmen sind schriftlich zu formulieren und zu erläutern.
Die Verbrauchs- und Resistenzsurveillance gemäß § 23 Absatz 4 des Infektionsschutzgesetzes ist umzusetzen. Diese soll über die Teilnahme an den Systemen AVS (Antibiotika-Verbrauchs-Surveillance) und ARS (Antibiotika-Resistenz-Surveillance) bzw. ARVIA (ARS und AVS – Integrierte Analyse) erfolgen.
Die Meldung der Verbrauchs- und Resistenzdaten zu Eravacyclin an die genannten Systeme soll bis spätestens 1. Januar 2024 gewährleistet sein.
Bis zu einer Teilnahme an den genannten Systemen ist die Verbrauchs- und Resistenzsituation über die bestehenden Systeme zu gewährleisten.
Die Grundsätze der Antibiotika-Therapie der Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (ART) beim Robert Koch-Institut sind zu beachten (letzter Zugriff: 5. Dezember 2022):
https:/​/​www.rki.de/​DE/​Content/​Kommissionen/​ART/​Links/​Grundsaetze-der-Therapie.html
4.
Therapiekosten
Jahrestherapiekosten:
Erwachsene mit komplizierten intraabdominalen Infektionen (cIAI)

Bezeichnung der Therapie Jahrestherapiekosten/​Patientin bzw. Patient
Zu bewertendes Arzneimittel:
Eravacyclin 1 487,50 € – 4 462,50 €
Kosten nach Abzug gesetzlich vorgeschriebener Rabatte (Stand Lauer-Taxe: 1. Januar 2023)
Kosten für zusätzlich notwendige GKV-Leistungen: entfällt
Sonstige GKV-Leistungen:

Bezeichnung
der Therapie
Art der Leistung Kosten/​
Einheit
Anzahl/​
Behandlungs-
tag
Anzahl/​
Patientin bzw.
Patient/​Jahr
Kosten/​
Patientin bzw.
Patient/​Jahr
Eravacyclin Zuschlag für die Herstellung einer antibiotika- und virustatikahaltigen Infusionslösung 39 € 2 8 – 28 312 € – 1 092 €
5.
Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen gemäß § 35a Absatz 3 Satz 4 SGB V, die in einer Kombinationstherapie mit Eravacyclin eingesetzt werden können
Als Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen gemäß § 35a Absatz 3 Satz 4 SGB V werden Arzneimittel mit folgenden neuen Wirkstoffen benannt, die aufgrund der arzneimittelrechtlichen Zulassung in einer Kombinationstherapie mit Eravacyclin für komplizierte intraabdominale Infektionen (cIAI) eingesetzt werden können:
Erwachsene mit komplizierten intraabdominalen Infektionen (cIAI)
Kein in Kombinationstherapie einsetzbarer Wirkstoff, der die Voraussetzungen des § 35a Absatz 3 Satz 4 SGB V erfüllt.
II.

Der Beschluss tritt mit Wirkung vom Tag seiner Veröffentlichung auf den Internetseiten des G-BA am 19. Januar 2023 in Kraft.

Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 19. Januar 2023

Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende
Prof. Hecken

1
Siehe S3-Leitlinie Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus, Update 2018:
https:/​/​www.awmf.org/​uploads/​tx_​szleitlinien/​092-001l_​S3_​Strategien-zur-Sicherung-rationaler-Antibiotika-Anwendung-im-Krankenhaus_​2020-02.pdf

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