Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung vom 20. Juni 2023 zum planmäßigen „Mobilen Ausbilden und Lernen“

Published On: Freitag, 14.07.2023By Tags:

Bundesinstitut für Berufsbildung

Empfehlung
des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung
vom 20. Juni 2023 zum planmäßigen „Mobilen Ausbilden und Lernen“

Ausgehend vom Bedeutungszuwachs Mobilen Ausbildens und Lernens als mögliche Ergänzung der betrieblichen Ausbildung in Präsenz gibt der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) folgende Empfehlung für die betriebliche Praxis sowie die zuständigen Stellen bekannt:

Der Hauptausschuss definiert Mobiles Ausbilden und Lernen wie folgt:

Mobiles Ausbilden und Lernen ist lernortunabhängiges und lernortübergreifendes Bearbeiten von betrieblichen Aufgaben zum Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit. Dazu gehören selbstgesteuertes und selbstverant­wortetes Lernen im Kontext einer strukturierten Ausbildung durch Nutzung digitaler Lern- und Kommunikationsmittel und Informationstechnik sowie Lernen in virtuellen Lernräumen, in denen die gemeinsame Vermittlung von Ausbildungsinhalten stattfindet. In der Regel findet Mobiles Ausbilden und Lernen ohne die gleichzeitige physische Anwesenheit der Auszubildenden und des Ausbildungspersonals an einem gemeinsamen Ort statt. In der Ausgestaltung gibt es branchen-, betriebs- und berufsspezifische Unterschiede.

Grundsätzlich findet die betriebliche Ausbildung weiterhin in Präsenz statt. Aus Sicht des Hauptausschusses sind auch Formen des Mobilen Ausbildens eine gute Umsetzung einer unmittelbaren Ausbildung (vergleiche auch § 28 Absatz 2 BBiG), wenn die Kommunikation zwischen Ausbildungspersonal und den Auszubildenden sichergestellt ist (z. B. virtuell) und das Ausbildungspersonal die Lernprozesse steuert und begleitet. Hierfür muss das Ausbildungspersonal bei Bedarf qualifiziert und ein methodisch-didaktisches Konzept für den Einsatz digitaler Medien und Technologien erstellt werden. Mobiles Ausbilden kann als Ergänzung in der Berufsausbildung im Sinne der doppelten Freiwilligkeit genutzt werden: Der Betrieb kann Mobiles Ausbilden allen Auszubildenden anbieten und Auszubildende können das Angebot annehmen. Es besteht somit seitens der Auszubildenden und des Betriebes weder ein Anspruch noch eine Pflicht zum Mobilen Ausbilden.

Mobiles Ausbilden und Lernen findet unter Beachtung der rechtlichen Regelungen, insbesondere des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) statt. Die im Folgenden genannten rechtlichen Regelungen sind solche, die im Zusammenhang mit Mobilem Ausbilden häufig thematisiert werden.

Die Grundsätze für eine Eignung der Ausbildungsstätte und des Ausbildungspersonals nach den §§ 27, 28 BBiG müssen beachtet werden.

Die Pflichten der Auszubildenden nach § 13 BBiG sowie die Pflichten des Ausbildungsbetriebes nach § 14 BBiG sind einzuhalten. Der Betrieb stellt die für Mobiles Ausbilden zusätzlich erforderliche Hard- und Software für die Auszubildenden (§ 14 Absatz 1 Nummer 3 BBiG) sowie das Ausbildungspersonal zur Verfügung.

Alle weiteren gesetzlichen Regelungen sind zu beachten, z. B. die Ausbildungsberatung und die Überwachungspflicht nach § 76 BBiG durch die zuständigen Stellen, das Arbeitszeitgesetz und das Jugendarbeitsschutzgesetz sowie Regelungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

Das Mitbestimmungsrecht nach den §§ 87, 98 des Betriebsverfassungsgesetzes (und den äquivalenten Regelungen in den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder) ist zu beachten. Ob Versicherungsschutz besteht, ist im Einzelfall mit der jeweiligen Berufsgenossenschaft zu klären.

Entscheidet sich der Betrieb, in der Berufsausbildung Mobiles Ausbilden und Lernen anzubieten, so gibt der Hauptausschuss des BIBB folgende Hinweise:

Die erforderlichen Lehrmittel und Kompetenzen des Ausbildungspersonals zur Durchführung mobiler Ausbildungsphasen (unter anderem IT- und Medienkompetenz, rechtliche Kenntnisse, digitale Kollaborationskompetenz) sind vom Betrieb sicherzustellen.

Die technische Infrastruktur liegt im Verantwortungsbereich des Betriebs. Gesetzliche und betriebliche Vorschriften zum Datenschutz und zur Datensicherheit müssen bekannt sein und beachtet werden.

Das Ausbildungspersonal plant im Voraus, welche Ausbildungsinhalte mobil ausgebildet werden sollen und wie diese geeignet umgesetzt werden können (didaktisches Lehrkonzept). Es wird empfohlen, mit kleineren Lerneinheiten zu beginnen. Dabei ist Flexibilität beim Ausbildungspersonal notwendig: Planungen müssen schnell und individuell auf die Lernsituation der Auszubildenden angepasst werden können. In der Planungsphase sollten die Akteure der betrieblichen Mitbestimmung frühzeitig eingebunden werden.

Während der Probe- und Einarbeitungszeit sollte möglichst nicht mit Mobilem Ausbilden begonnen werden. In dieser Zeit sollten Analysen vorgenommen (z. B. Auszubildende individuell einschätzen und das persönliche Lernumfeld analysieren) und Vorbereitungen für das Mobile Ausbilden getroffen werden. Relevante Fragestellungen sind hier unter anderem:

Verfügen die Auszubildenden über jene persönlichen Eigenschaften (unter anderem Zuverlässigkeit, Motivation, Selbstorganisation), die es ihnen ermöglichen, übertragene Aufgaben auch beim Mobilen Ausbilden erfolgreich zu erledigen? Wie eigenständig sind die Auszubildenden? Wie gut können sie selbstgesteuert lernen? Wie können diese Kompetenzen in der Ausbildung aufgebaut und erweitert werden?
Ermöglichen die räumlichen und persönlichen Gegebenheiten ein ungestörtes Lernen und Arbeiten? Ist die technische Ausstattung (geeignete Internetverbindung, Zugriffsmöglichkeit auf Betriebsnetzwerke sowie Lern-Apps) beim Auszubildenden für Mobiles Ausbilden vorhanden? Stehen im Bedarfsfall geeignete Räumlichkeiten als Ausweichmöglichkeit für Mobiles Ausbilden zur Verfügung?

Das Ausbildungspersonal leitet und begleitet auch beim Mobilen Ausbilden die Lernprozesse, formuliert sehr klare Lernziele und kontrolliert die Lernstände.

Bei der Ausgestaltung sollten die Betriebe auf Folgendes achten:

In der Zeit Mobilen Ausbildens sollten regelmäßige persönliche Gespräche auch in Präsenz mit dem Ausbildungspersonal stattfinden. Zwischen Ausbildungspersonal und Auszubildenden muss es klare Absprachen zur Erreichbarkeit geben. Es ist vorab zu klären, welche Kommunikationswege, z. B. Telefon, Chat, E-Mail, Videokonferenzen, wie eingesetzt werden.

Auch beim Mobilen Ausbilden sind soziale Kontakte und der Teamgedanke unverzichtbar. Deshalb sollten digitale Austauschformate eingesetzt werden, die Austausch sowohl fachlicher als auch informeller Natur mit Kolleginnen und Kollegen kontinuierlich ermöglichen.

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