Bekanntmachung eines Feststellungsbescheides nach § 2 Absatz 5 in Verbindung mit § 48 Absatz 3 des Waffengesetzes zur waffenrechtlichen Beurteilung des Gegenstands „BÖKER PLUS UTILITY OTF“

Published On: Donnerstag, 26.09.2024By Tags:

Bundeskriminalamt

Bekanntmachung
eines Feststellungsbescheides
nach § 2 Absatz 5 in Verbindung mit § 48 Absatz 3 des Waffengesetzes
zur waffenrechtlichen Beurteilung des Gegenstands
„BÖKER PLUS UTILITY OTF“

Vom 26. August 2024

Auf Grund des § 2 Absatz 5 des Waffengesetzes (WaffG) vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), das zuletzt durch Artikel 228 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, erging am 16. Juli 2024 der folgende

Feststellungsbescheid

Gegenstand dieser Entscheidung nach § 2 Absatz 5 WaffG ist der vorgelegte Gegenstand „BÖKER PLUS UTILITY OTF“ der Firma Heinrich Böker Baumwerk GmbH Solingen.

Beschreibung:

Das BÖKER PLUS UTILITY OTF ist dem vorliegenden Antrag zufolge wie das bereits durch das BKA beurteilte „Böker Rettungswerkzeug“ (Feststellungsbescheid des Bundeskriminalamts vom 27. September 2022, Az. SO-13-5164.01-Z-543) als Rettungswerkzeug konzipiert. Die Klinge ist hierzu am vorderen Ende nach unten hakenförmig abgerundet und auf der Innenseite angeschliffen. Beispielsweise im Falle eines Unfalls soll so sichergestellt werden, dass Kleidung und Gurte zuverlässig mittels einer Zugbewegung und ohne Verletzungen des Verunfallten aufgetrennt werden können. Nach außen ist die „Hakenklinge“ nicht angeschliffen. Sie weist bis auf die Hakeninnenseite keine weitere Schärfung auf, insbesondere keine Sägezahnung. Die Klinge wird in einer Führungsschiene arretiert und kann dem Antrag nach, sobald die Schärfe nachlässt oder es zu Beschädigungen der Klinge kommt, ausgetauscht werden.

Im Ruhezustand ist die Klinge (nebst Führungsschiene) vollständig im Griff des BÖKER PLUS UTILITY OTF versenkt. Bei Betätigung eines Schiebers am Griff schnellt sie durch Federkraft nach vorne heraus. Die Arretierung erfolgt selbständig sobald der Schieber losgelassen wird. Durch eine erneute Betätigung des Schiebers lässt sich die Klinge wieder zurück in den Griff einfahren. Der Mechanismus entspricht dem eines Springmessers. Weiter besitzt das BÖKER PLUS UTILITY OTF am anderen Ende des Griffs eine gehärtete Metallspitze, die als Glasbrecher dienen soll.

Abbildung 1: „BÖKER PLUS UTILITY OTF“ in der Gesamtschau, mit ausgefahrener Klinge

Abbildung 1: „BÖKER PLUS UTILITY OTF“ in der Gesamtschau, mit ausgefahrener Klinge

Das BÖKER PLUS UTILITY OTF weist folgende Maße auf:

Gesamtlänge mit ausgefahrener Klinge: 13,5 cm
Länge Klingenhalterung mit Klinge: 4,35 cm
Klingenlänge: 0,9 cm
Klingenstärke: 0,65 mm
Gewicht: 90 g

Die waffenrechtlichen Zweifel an der Einstufung des BÖKER PLUS UTILITY OTF ergeben sich dem Antrag nach insbesondere aus der konstruktiven Gestaltung der Klinge. Diese erfüllt nicht die durch das Bundeskriminalamt für eine „Rettungswerkzeugklinge“ in den Feststellungsbescheiden mit den Aktenzeichen SO-13-5164.01-Z-543 und KT 21/​ZV 25-5164.01-Z-20/​2003 festgesetzten Kriterien. Auf Grund der Öffnungsmechanik/​-automatik sieht die Antragstellerin zudem die Gefahr, dass das BÖKER PLUS UTILITY OTF als verbotenes Springmesser eingeordnet werden könnte.

Beurteilung:

Es ist zu prüfen und zu beurteilen, ob es sich bei dem vorgelegten Gegenstand um eine Waffe im Sinne der Definitionen des § 1 Absatz 2 Nummer 2 WaffG handelt. Zudem ist zu prüfen, ob der Gegenstand den waffenrechtlichen Verboten der Anlage 2 Abschnitt 1 unterliegt. Abschließend ist zu prüfen, ob es sich um einen Gegenstand im Sinne des § 42a Absatz 1 WaffG handelt.

1.
§ 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a WaffG
Nach § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a WaffG sind Waffen tragbare Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen. Hieb- und Stoßwaffen sind Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb, Stoß, Stich, Schlag oder Wurf Verletzungen beizubringen.
2.
§ 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b WaffG
Nach § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b WaffG sind Waffen tragbare Gegenstände, die, ohne dazu bestimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, und die im Waffengesetz genannt sind.
3.
§ 2 Absatz 3 WaffG
Nach § 2 Absatz 3 WaffG ist der Umgang mit Waffen oder Munition, die in der Anlage 2 Abschnitt 1 zu diesem Gesetz genannt sind, verboten.
4.
§ 42a Absatz 1 WaffG
Es ist verboten, Anscheinswaffen, Hieb- und Stoßwaffen nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nummer 1.1 oder Messer mit einhändig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) oder feststehende Messer mit einer Klingenlänge über 12 cm zu führen.

Ergebnis der waffenrechtlichen Prüfung:

1.
Bei dem vorgelegten und oben beschriebenen „BÖKER PLUS UTILITY OTF“ handelt es sich nicht um eine Waffe gemäß § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a WaffG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nummer 1.
2.
Bei dem vorgelegten und oben beschriebenen „BÖKER PLUS UTILITY OTF“ handelt es sich nicht um eine Waffe gemäß § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b WaffG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nummer 2.
3.
Bei dem vorgelegten und oben beschriebenen „BÖKER PLUS UTILITY OTF“ handelt es sich nicht um eine verbotene Waffe gemäß der Anlage 2 zu § 2 Absatz 2 bis 4 WaffG Abschnitt 1 Nummer 1.3 und 1.4.
4.
Bei dem vorgelegten und oben beschriebenen „BÖKER PLUS UTILITY OTF“ handelt es sich nicht um einen Gegenstand im Sinne des § 42a Absatz 1 WaffG.

Begründung:

1.
Aus Sicht des Bundeskriminalamts ist die Waffeneigenschaft im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a WaffG in Verbindung mit Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nummer 1.1, insbesondere auf Grund der Herstellerangaben zur Wesensbestimmung und der objektiven Kriterien der Konstruktion, zu verneinen. Abgrenzungsmerkmale, wie beispielsweise die Klingenform und der Klingenschliff, verdeutlichen zweifelsfrei, dass das antragsgegenständliche BÖKER PLUS UTILITY OTF seinem Wesen nach nicht dazu bestimmt ist, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen. Die Gesamtschau als Rettungswerkzeug erscheint überzeugend und begründet, sie lässt nicht auf eine Verwendung typischerweise als Waffe schließen.
2.
Waffen im nichttechnischen Sinne zeichnet aus, dass sie nicht dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, aber insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise hierzu geeignet sind. Um hierbei eine sozial unangemessene Ausweitung des Geltungs­bereichs des Waffengesetzes auf bloße Alltagsgegenstände zu verhindern, sind die Waffen im nichttechnischen Sinne ausdrücklich und abschließend in Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Unterabschnitt 2 Nummer 2 aufgezählt. Hierzu zählen unter anderem Springmesser (siehe Nummer 2.1.1).
Springmesser sind Messer, deren Klingen auf Knopf- oder Hebeldruck hervorschnellen und hierdurch oder beim Loslassen der Sperrvorrichtung festgestellt werden können. Zwar verfügt das BÖKER PLUS UTILITY OTF über den beschriebenen Mechanismus, jedoch ist die „Hakenklinge“ wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung und Wirkungsweise nicht geeignet, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen. Sie ist nicht mit einer klassischen Messerklinge (eines Springmessers) gleichzusetzen und in Anlehnung an die oben genannten Feststellungsbescheide vom 28. März 2003 (Az. KT21/​ZV25-5164.01-Z-20) und vom 27. September 2022 (Az. SO-13-5164.01-Z-543) nicht als Messer, sondern als Werkzeug anzusehen.
3.
Auf Grund der Ergebnisse zu den Nummern 1 und 2 kann dem vorliegenden Objekt auf Grund der Gesetzes­systematik grundsätzlich keine Verbotseigenschaft anhaften.
4.
Auf Grund der objektiven Kriterien der Konstruktion des BÖKER PLUS UTILITY OTF ist die Hieb- und Stoßwaffeneigenschaft (wie in Nummer 1 festgestellt) zu verneinen. Zudem handelt es sich vorliegend um einen Gegenstand mit Werkzeugcharakter und nicht um ein Messer mit „klassischer Messerklinge“. Eine Einstufung als Einhand­messer ist daher nicht angezeigt.

Hinweise:

1.
Nach § 2 Absatz 5 Nummer 2 Satz 2 WaffG wurden die zuständigen Bundes- und Landesbehörden zu dem obigen Antrag angehört.
2.
Dieser Feststellungsbescheid bezieht sich auf den oben beschriebenen Gegenstand „BÖKER PLUS UTILITY OTF“ und gilt nicht für dessen Modifikationen und Nachahmungen et cetera.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Bundeskriminalamt, 65173 Wiesbaden, einzulegen.

Wiesbaden, den 26. August 2024

SO 13–5164.01-Z-558

Bundeskriminalamt

Im Auftrag
Komárek

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