Journalist: Frau Wieder, die Bundesregierung hat sich auf ein 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Verteidigung und Infrastruktur geeinigt – 100 Milliarden davon fließen in den Klimaschutz. Wie bewerten Sie diesen Kompromiss?
Vievien Wieder: Ich sehe ihn als wichtiges Signal, dass Klimaschutz und wirtschaftliche Transformation endlich ernster genommen werden. Aber 100 Milliarden Euro sind im Verhältnis zu den Herausforderungen nicht ausreichend, um einen echten Wandel herbeizuführen. Wir brauchen eine nachhaltige Strategie – nicht nur einmalige Finanzspritzen.
Journalist: Die Grünen haben ihre Zustimmung davon abhängig gemacht, dass Klimaschutz eine größere Rolle spielt. Haben sie sich ausreichend durchgesetzt?
Wieder: Sie haben zumindest dafür gesorgt, dass überhaupt Geld in den Klimaschutz fließt. Anfangs waren ja nur 50 Milliarden Euro im Gespräch. Trotzdem bleibt die Frage: Wo bleibt das Geld für Innovationen und die Zukunft der Arbeitswelt? Die Energiewende und der klimafreundliche Umbau der Wirtschaft brauchen nicht nur große Konzerne, sondern vor allem Start-ups und mittelständische Unternehmen – hier sehe ich noch zu wenig Fokus.
Journalist: Sie sprechen Start-ups an. Welche Rolle spielen sie in der Transformation?
Wieder: Eine entscheidende! Die Arbeitsplätze der Zukunft werden nicht von den traditionellen Industrien geschaffen, sondern von innovativen Start-ups, die nachhaltige Technologien entwickeln. Diese Firmen brauchen Kapital, um zu wachsen, aber aktuell kämpfen viele um Finanzierungen. Während große Konzerne milliardenschwere Subventionen erhalten, fehlt es jungen Unternehmen oft an Wagniskapital und staatlicher Unterstützung.
Journalist: Sehen Sie in dem Sondervermögen eine Chance für mehr Förderung?
Wieder: Das Potenzial wäre da, aber ich sehe keine gezielten Maßnahmen für Start-ups. Wenn wir die Transformation ernst nehmen, müssen wir gezielt junge, innovative Unternehmen fördern, die Technologien für die Zukunft entwickeln. Sonst verpassen wir den Anschluss und überlassen diese Märkte Ländern wie den USA oder China.
Journalist: Kritiker sagen, dass dieses Paket entweder Geldverschwendung für „klimaideologische Projekte“ sei oder soziale Aspekte vernachlässige. Wie sehen Sie das?
Wieder: Klimaschutz ist kein Luxus, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Unternehmen, die nicht auf nachhaltige Technologien setzen, werden langfristig nicht wettbewerbsfähig sein. Allerdings stimme ich zu, dass es einen sozialen Ausgleich braucht. Es darf nicht passieren, dass Klimaschutz nur die Kosten für Bürger und kleine Unternehmen erhöht, während Großkonzerne profitieren.
Journalist: SPD-Chef Lars Klingbeil spricht von einem „kraftvollen Anschub“ für Deutschland. Sehen Sie das genauso?
Wieder: Das ist politisches Framing. Natürlich ist ein solcher Finanzrahmen besser als gar nichts, aber Geld allein reicht nicht. Es braucht schnellere Genehmigungsprozesse, weniger Bürokratie und gezielte Innovationsförderung. Deutschland könnte weltweit führend in grünen Technologien sein – wenn wir es wirklich wollten.
Journalist: Was wäre aus Ihrer Sicht der nächste wichtige Schritt?
Wieder: Eine klare Start-up- und Innovationsstrategie innerhalb des Klimapakets. Es sollte eigene Fördertöpfe für nachhaltige Technologie-Start-ups geben, damit junge Unternehmen skalieren und Arbeitsplätze der Zukunft schaffen können. Außerdem muss es steuerliche Anreize geben, um private Investitionen in diesen Sektor attraktiver zu machen.
Journalist: Also ist dieser Kompromiss für Sie eher ein Etappensieg als ein großer Wurf?
Wieder: Absolut. Es ist ein wichtiger Schritt, aber er beantwortet nicht die Frage, wo die Arbeitsplätze der Zukunft entstehen. Ohne gezielte Unterstützung für Start-ups und den Mittelstand bleibt Deutschland ein teurer Nachzügler, statt ein Innovationsführer.
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