Es handelt sich um einen dreiteiligen Folgebeitrag.
Teil I: Hintergrund und Kuriositäten
Die Regulierung des Kapitalmarkts durch den Gesetzgeber in den letzten Jahren war nicht nur verwirrend. Sie beflügelte auch die Ausbreitung bestimmter Nischenprodukte, die – soweit in der Vergangenheit noch Gesetzeslücken bestanden – zur Vermeidung einer Prospektpflicht oder der Einordnung in spezielle Gesetze oder der Aufsicht oder eines gewerberechtlichen Erlaubnisvorbehalts entwickelt und vertrieben wurden. In dieser Nische ist die Kuriositätenquote besonders hoch.
Gehen kuriose Anlagen schief, sind die Streitbereitschaft der Geschädigten und die Präsenz der Anlageranwälte besonders groß. Denn die Vermittler und Berater könnten theoretisch auf die Summe der investierten Gelder aller ihrer Kunden haften, während jeder Kunde für sich „nur“ seinen individuellen Schaden erleidet. Nur sind in den seltensten Fällen die Finanzdienstleister im Bereich der Nischenprodukte haftpflichtversichert.
Es geht um einen Komplex, in welchem Interessen von Anlegern, Emittenten, Rechtsanwälten, Versicherungen, Insolvenzverwaltern und Medien eine Rolle spielen. Wohlgemerkt: Außer Betracht bleiben in diesem Beitrag die Schäden und Mechanismen aus denjenigen Produkten, die etwas mehr regulierte Vermögensanlagen, Investmentvermögen oder Wertpapiere darstellen. Hier gehen die Verluste in die Milliarden, z.B. im Zusammenhang mit Kommanditbeteiligungen, stillen Beteiligungen, Genussrechten und Orderschuldverschreibungen.
Kuriositätensammlung, Beispiele
Eine unselbständige Stiftung aus Berlin, die von einem Verein getragen wurde, der mit Anlagegold handeln wollte, das am Ende keines war, gab den Anlegern eine „Rückkaufsgarantie“ zum Festpreis. Dies führte zur Abwicklung durch die BaFin. Eine GmbH aus Offenbach bot Nachrangdarlehen und solche Darlehen an, die durch Briefgrundschulden besichert werden sollen, teils kombiniert, übergab jedoch die Briefe nicht. Zudem überstiegen die Grundschulden die Zeitwerte der Immobilienprojekte. Eine andere GmbH aus München verlängerte die Nachrangdarlehen einschließlich aufgelaufener Zinsen und tauschte dabei die qualifizierte Nachrangklausel aus in eine Art unqualifizierten Besinnungsaufsatz. Sie beteiligte sich als Minderheitsgesellschafterin an Projektgesellschaften und vergab dort Gesellschafterdarlehen, die den Beteiligungswert spielend überstiegen – was von einem anwaltlichen Treuhänder hätte kontrolliert werden sollen.
Ein Unternehmer aus Baden-Württemberg verkaufte Solarmodule an Anleger und pachtete sie sogleich; die Vertriebsgesellschaft nutzte später einen bekannten deutschen Namen aus der Zeit des Versandhandels. Vertragliche Voraussetzung für den Eigentumsübergang der Solarmodule an den Anleger war deren Lieferung an den italienischen Bestimmungsort, von dem der Betriebsinhaber im TV-Interview jedoch behauptet, dass es dort keine Solaranlagen gäbe. Trotzdem wurden Pachtzahlungen geleistet, die später ausblieben. Bemerkenswert ist auch die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) Berlin, die zwar per se keinen Gewinn machen darf und sich nicht öffentlich an den Kapitalmarkt wenden soll, aber Kleinanlegern (neben Genussrechten) Nachrangdarlehen anbot, die sie im Zeichnungsschein als partiarische Darlehen mit fester Verzinsung bezeichnete.
Und dann war da noch der Mann aus dem Frankenland, der behauptete, durch seine guten Beziehungen zu Vorständen bekannter deutscher Unternehmen Mitarbeiteraktien an interessiere Käufer vermitteln zu können, sogar zur Hälfte des Kurses, vor Ablauf der Haltefrist. Apropos Nürnberg – von dort stammte auch das Unternehmen, welches potemkinsche Blockheizkraftwerke vertreiben ließ, bis die Staatsanwaltschaft einschritt.
Diese Kuriositätensammlung lässt sich noch fortsetzen. Allein mit den zuvor angesprochenen Kapitalanlagen haben Anleger in Deutschland schätzungsweise 250 Millionen Euro verloren. Die Emittenten sind insolvent oder in der Krise. Rechnet man die Insolvenzen oder Krisen von parallelen Goldprodukten und vergleichbaren Nachrangdarlehen oder sog. Direktinvestments hinzu, ist der Schaden noch viel höher.
Im kommenden Teil II: Standardprozeduren von Anlegeranwälten, Haftungsrisiken
Im kommenden Teil III: Gegenargumente, Prozessstrategien
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