In dem oben genannten Strafverfahren ist gegen den Verantwortlichen der Firma afendis payment solutions AG [nachfolgend: afendis], Sitz: Wettersteinstraße 9, 82049 Pullach, Anschrift Marsstraße 26, 80335 München, wegen Beihilfe zum Betrug bzw. versuchten Betrug ein seit dem 01.04.2014 rechtskräftiger Strafbefehl erlassen worden. Die afendis veranlasste auf Grund sogenannter Händlerverträge vom 17.01.2010 bis zum 14.07.2010 Lastschrifteinzüge für die Worldcom Service GmbH [nachfolgend: WCS] in Berlin und vom 01.11.2009 bis zum 11.04.2010 für die Global Mind International Ltd. [nachfolgend: Global Mind] in Essen, wobei jeweils billigend in Kauf genommen wurde, dass die den Einzügen zugrundeliegenden „Verträge“ durch die vorgenannten Unternehmen durch falsche Angaben erschlichen worden waren und ein Zahlungsanspruch infolgedessen nicht bestand. Die WCS und die Global Mind ließen durch Callcentermitarbeiter eine möglichst große Anzahl von Personen aus dem Bundesgebiet anrufen mit dem Ziel, diese zu bewegen, ihre Kontoverbindung mitzuteilen und späteren monatlichen Lastschrifteinzügen (WCS: 49,– bzw. 59,– €, Global Mind 89,95 €) nicht zu widersprechen. In beiden Fällen wurde dabei jeweils wahrheitswidrig vorgegeben, die Angerufenen hätten bereits einen Vertrag über die monatliche Eintragung in eine Vielzahl von im Internet kostenlos angebotenen Gewinnspielen abgeschlossen, der bei Zahlungspflicht hinsichtlich dreier Monatsbeiträge gekündigt werden könne. Abweichend von dieser Masche gaben die von der WCS beauftragten Callcenter in vielen Fällen auch wahrheitswidrig vor, gegen Zahlung einer Servicegebühr würden die Daten der Angerufenen in eine Sperrliste eingetragen und hierdurch weitere unerbetene Anrufe von Gewinnspielfirmen unterbunden. In allen Fällen erfolgte anschließend ein aufgezeichneter Kontrollanruf, in welchem die Callcenteragenten durch eine geschickte Gesprächsführung erreichten, dass die Aufzeichnung einen ordnungsgemäßen Vertragsschluss und die Erteilung einer Lastschrifteinzugsermächtigung durch die Angerufenen zu belegen schien. Die afendis erzielte aus den Lastschrifteinzügen eigene Erträge (vertragliche Ansprüche gegen die WCS und Global Mind bestehend aus Disagien, Lastschriftgebühren, Rücklastschriftgebühren).
Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Bielefeld führen Rückgewinnungshilfe zugunsten der Geschädigten durch. Folgende Vermögenswerte wurden auf Grund des durch Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 10.12.2013 (9 Gs 7086/13) neugefassten Arrestes des Amtsgerichts Essen vom 10.07.2013 (44 Gs 2383/13) gesichert:
Forderungen der afendis gegen die net-m privatbank 1891 AG (früher: Bankverein Werther AG); Kontostände im Januar 2014:
• | Konto 1320133710: 213.513,87 € |
• | Konto 1110133710: 118.634,40 € |
Das Amtsgericht Bielefeld hat durch Beschluss vom 05.03.2014 den Arrest bezüglich der afendis gemäß § 111i Absatz 3 Satz 1 Strafprozessordnung für die Dauer von drei Jahren aufrechterhalten. Soweit Verletzte innerhalb diese Frist nicht auf die gesicherten Vermögenswerte zugreifen, erwirbt diese grundsätzlich der Staat (§ 111i Absatz 5 Strafprozessordnung).
Verletzte, die auf die gepfändeten Guthaben zugreifen wollen, müssen wie folgt vorgehen: Sie beschaffen sich einen zivilrechtlichen Titel (Vollstreckungsbescheid, vollstreckbares Zivilurteil, dinglicher Arrest o.ä.). Auf Grund dieses Titels betreiben sie die Zwangsvollstreckung in die o.g. gesicherten Vermögenswerte. Sie beantragen dann beim Strafgericht gemäß § 111g Absatz 2 Strafprozessordnung die Zulassung der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung. Hierbei muss glaubhaft gemacht werden, dass die zivilrechtlichen Ansprüche aus der Straftat erwachsen sind.
Die gesicherten Forderungen werden voraussichtlich nicht ausreichen, um alle Verletzten zu entschädigen. Es empfiehlt sich daher, umgehend tätig zu werden.
Staatsanwaltschaft und Amtsgericht dürfen weder schriftlich noch telefonisch weitere Empfehlungen für die Durchsetzung der zivilrechtlichen Forderungen geben.
6 Js 60/11 VAM (Amtsgericht Bielefeld 36 Cs – 128/14)
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