Moderator: Herr Reime, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Am 2. Dezember 2024 wurde das Insolvenzverfahren über die WWSE Technologies GmbH eröffnet. Viele Anleger stehen nun vor der Frage, was sie konkret tun können. Können Sie zunächst kurz die aktuelle Situation zusammenfassen?
Rechtsanwalt Jens Reime: Sehr gerne. Das Amtsgericht Düsseldorf hat das Insolvenzverfahren über das Vermögen der WWSE Technologies GmbH eröffnet. Grund dafür sind Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Unternehmens. Zum Insolvenzverwalter wurde Herr Rechtsanwalt Dr. Jan-Philipp Hoos bestellt. Anleger und Gläubiger haben nun die Möglichkeit, ihre Forderungen bis zum 20. Januar 2025 beim Insolvenzverwalter anzumelden. Dies ist ein entscheidender Schritt, um im Verfahren berücksichtigt zu werden.
Moderator: Was bedeutet das konkret für Anleger? Welche Schritte sollten sie jetzt einleiten?
Rechtsanwalt Jens Reime: Anleger sollten in jedem Fall zeitnah handeln. Der erste Schritt ist die Anmeldung ihrer Forderungen beim Insolvenzverwalter. Dabei ist es wichtig, die Forderung schriftlich und formgerecht einzureichen. Die Anmeldung muss Informationen darüber enthalten, worauf sich die Forderung stützt – zum Beispiel ein Darlehensvertrag, ein Investment oder eine andere finanzielle Vereinbarung mit der WWSE Technologies GmbH. Gegebenenfalls sollte ein Anwalt hinzugezogen werden, um sicherzustellen, dass die Anmeldung korrekt und vollständig ist.
Zudem sollten Anleger prüfen, ob sie Sicherungsrechte geltend machen können, wie etwa Sicherheiten an beweglichen Sachen oder Rechten des Unternehmens. Auch dies muss dem Insolvenzverwalter mitgeteilt werden. Wer dies versäumt, könnte Ansprüche verlieren.
Moderator: Was ist, wenn Anleger ihre Unterlagen nicht vollständig haben oder nicht wissen, wie hoch ihre Forderungen genau sind?
Rechtsanwalt Jens Reime: Das ist eine Situation, die häufiger vorkommt, als man denkt. Anleger, die ihre Unterlagen nicht vollständig haben, sollten schnellstmöglich versuchen, diese zu rekonstruieren. In vielen Fällen helfen Bankunterlagen, E-Mails oder auch Kontoauszüge dabei, relevante Informationen zusammenzutragen. Wenn die genaue Höhe der Forderung unklar ist, kann diese zunächst geschätzt werden, solange der Ursprung und der Grund der Forderung nachvollziehbar dargelegt werden.
Es ist wichtig, den Anmeldezeitraum einzuhalten. Auch wenn die Unterlagen nicht vollständig sind, sollte zumindest eine vorläufige Anmeldung der Forderung erfolgen, damit die Frist gewahrt bleibt.
Moderator: Bis zum 10. Februar 2025 findet der Prüfungstermin statt, der gleichzeitig als erste Gläubigerversammlung dient. Was bedeutet das für die Anleger?
Rechtsanwalt Jens Reime: Der Prüfungstermin dient dazu, dass die Forderungen der Gläubiger im Detail geprüft und festgestellt werden. Anleger sollten diesen Termin aufmerksam verfolgen, da hier auch über den weiteren Fortgang des Verfahrens entschieden wird. In der Gläubigerversammlung können Gläubiger unter anderem Einfluss auf die Besetzung des Gläubigerausschusses und den Umgang mit der Insolvenzmasse nehmen. Es lohnt sich also, gut vorbereitet zu sein – das heißt, sich über den Stand der Dinge zu informieren und gegebenenfalls eine rechtliche Vertretung einzuschalten.
Moderator: Gibt es Chancen, dass Anleger ihr investiertes Geld zurückerhalten?
Rechtsanwalt Jens Reime: Das hängt von mehreren Faktoren ab. Entscheidend ist, wie viel Insolvenzmasse tatsächlich vorhanden ist. Die Insolvenzmasse umfasst alle Vermögenswerte des Unternehmens, die verwertet werden können, um die Gläubiger zu befriedigen. Leider ist es in solchen Verfahren oft so, dass nach Abzug der Verfahrenskosten nur ein Bruchteil der Forderungen bedient werden kann. Trotzdem ist es wichtig, Ansprüche geltend zu machen, da ohne Anmeldung kein Anspruch auf eine mögliche Ausschüttung besteht.
Anleger sollten zudem prüfen, ob es eventuell Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer oder andere Verantwortliche gibt. In manchen Fällen kann es hier Ansatzpunkte geben, wenn beispielsweise Hinweise auf unzulässige Geschäftspraktiken oder Pflichtverletzungen vorliegen.
Moderator: Welche Rolle spielt der Insolvenzverwalter in diesem Verfahren?
Rechtsanwalt Jens Reime: Der Insolvenzverwalter ist eine zentrale Figur im Verfahren. Er hat die Aufgabe, die Insolvenzmasse zu sichern, Vermögenswerte zu verwerten und die Gläubiger entsprechend ihrer Ansprüche zu befriedigen. Gleichzeitig prüft er auch, ob es Anfechtungsansprüche oder andere rechtliche Möglichkeiten gibt, die Masse zu erhöhen. Anleger sollten in jedem Fall offen mit dem Insolvenzverwalter kommunizieren und alle erforderlichen Informationen bereitstellen.
Moderator: Abschließend: Was raten Sie Anlegern, die sich von der Situation überfordert fühlen?
Rechtsanwalt Jens Reime: Mein Rat ist, nicht in Passivität zu verfallen. Ein Insolvenzverfahren ist komplex, aber wer rechtzeitig handelt, kann seine Ansprüche sichern. Wenn Unsicherheiten bestehen, empfehle ich dringend, einen Anwalt oder eine Beratungsstelle zu kontaktieren. Experten können helfen, die Forderung korrekt anzumelden und mögliche weitere Ansprüche zu prüfen. Das kann den Unterschied machen, ob ein Anleger wenigstens einen Teil seines Geldes zurückerhält oder leer ausgeht.
Moderator: Vielen Dank, Herr Reime, für Ihre hilfreichen Erläuterungen und Tipps!
Rechtsanwalt Jens Reime: Sehr gerne! Ich wünsche allen betroffenen Anlegern, dass sie trotz der schwierigen Situation einen Weg finden, ihre Interessen bestmöglich zu vertreten.
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