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  • Aktien gelten als riskant – mit diesem Irrtum leben viele Deutsche. Wer sich vor nichts ängstigt, ängstigt sich davor, um – ohne Zeit einzusetzen – neben der Börse weniger falsch zu machen.

    Ein seriöser Bewohner dieses Landes, vielleicht schon Deutscher, muss festhalten, dass Aktien als Investitionen in Deutschland ein Schattendasein führen.  Über die Stärkung der privaten Altersvorsorge wird gern gesprochen und dabei gleichzeitig die Verantwortung auf den Staat geschoben, der irgendwo hier die Mittel dafür aufzubringen hat. Dafür entrichte der Bürger durch Steuern. Mit einem Taschenrechner alter Prägung lässt sich nachvollziehen, dass die von den gleichen Bürgern aufgebrachten Steuern dafür nicht reichen können – schon gar nicht, wenn sie das 62. Lebensjahr als letztes ihres Arbeitslebens ansehen.

 

Dass der deutsche Finanzminister, Herr Schäuble – nach der Theorie von vielen Bürgern auch seriös –  ernsthaft den Ruhestand dieses Bürgers mit dem 70. Lebensjahr anstrebt, wird am liebsten nicht zur Kenntnis genommen – hätte er 69´ gesagt, wäre Nachdenken angebracht.

In der EU wird festhalten, dass die Lebenserwartung in Deutschland so stark gestiegen sei, dass mindestens das 74. Lebensjahr als Zielsetzung für den Beginn des Ruhestandes anzusehen sei. M. Macron ist Europäer und Fan der EU, aber diese Auffassung will ihm niemand zurechnen. Wie viele Jahre bleibt M. Macron noch 39´?

 

Leider beschäftigen sich ernsthafte Deutsche nicht mit dem Ernst der Demographie und verwenden in ihren Ansichten lieber vor 30 Jahren Erzähltes, das auch damals nicht stimmte.        Zur Rekapitulation die Fakten: Seit dem Jahr 1900 steigt die Lebenserwartung der Mitteleuropäer in jeder Dekade um 2 – 2 ½ Jahre. Daran haben die Kriegsjahre nichts geändert. Eine Abweichung ist in dem Dissens zwischen dieser statistischen Vorgabe und medizinischen Hochrechnungen zu sehen, aufgrund deren die abrupte Erhöhung der Lebenserwartung zeitnah zu erwarten ist (Munich RE, größte Rückversicherungsgesellschaft der Welt).

Das sollte Sorge bereiten, denn damit ist weder die Altersversorgung noch die Wohnungs-versorgung in Mitteleuropa mittelfristig zu sichern. Die Bevölkerungswanderung innerhalb der EU, bevorzugt nach Deutschland (aktuell netto ca. 200.000 p. a.) und Migranten sind in diesen Hochrechnungen als weiterer Gefahrenpunkt nicht berücksichtigt.

Die Niederlande, die Schweiz oder Großbritannien haben ein kapitalgedecktes System der Altersvorsorge mit einem erheblichen Teil auf Aktienanlagen aufgebaut. Hinzu kommt, dass hierzulande die private Altersvorsorge der Staats- und Bankenfinanzierung dient, weil der größte Anteil der Ersparnisse in Staatsanleihen und Pfandbriefen angelegt wird. Anlagen in Aktien sind zu einem unerheblichen Teil enthalten. Es wird argumentiert, dass Deutsche gegenüber Aktienanlagen negativ eingestellt seien und diese als nicht seriös betrachteten: Kurse können schwanken und Altersversorgung soll solide sein.  Das überzeugt als Risikoaversion, ist aber als Argument dagegen wenig überzeugend. Es wird übersehen, dass es für die niedrige Aktienquote bei Pensionskassen und Lebensversicherungen regulatorische Gründe gibt.
In Deutschland sind Generationen – seit den Bismarckschen Sozialreformen – gewohnt, dass sich der Staat um Krankheits- und Altersvorsorge kümmert. Dadurch hat die hiesige Bevölkerung über Jahrzehnte jegliches Interesse und Verständnis für die Geschehnisse auf den Kapitalmärkten verloren. Dies wird mit den o. b. Risiken dieser Märkte begründet, die für Spekulation, aber nicht zur Altersvorsorge geeignet seien. Das Gegenteil ist richtig: Langfristige Risiken einer diversifizierten Aktienanlage werden überschätzt – deren Vorteile unterschätzt.
Richtig ist, dass Aktienmärkte Kursschwankungen ausgesetzt sein können. Dies nimmt die breite Öffentlichkeit wahr, wenn wegen krisenhafter Erscheinungen die Aktienkurse innerhalb von wenigen Tagen um 10 oder gar 20 Prozent fallen. Auf Jahresbasis betrachtet, ist hohe Volatilität festzustellen. Seit 1954 sind in elf Jahren die Kurse des Gesamtmarktes um mehr als 10 Prozent gefallen – am stärksten 2008, als die Kurse um mehr als 35 Prozent fielen; dem steht 1954 gegenüber, als sie um 85 Prozent stiegen. In jedem Jahrzehnt kam es bisher zu einer oder zwei Krisen am Aktienmarkt. Auf die lange Frist  ist das bei für die Altersversorgung erforderlichen Zeiträumen unerheblich. Es hat in Deutschland noch nie einen dreißigjährigen Zeitraum gegeben, in dem Aktienanlagen weniger erbracht haben als langfristige Staatsanleihen. Das trifft auch für andere Staaten wie die USA zu.

 

Das bedeutet nicht automatisch, dass über mehr als 25 Jahre alle Aktienanlagen besser abschneiden als Staatsanleihen. Japan mag dafür als negatives Beispiel dienen. Dennoch ist dafür die Wahrscheinlichkeit niedrig.

Hinzu kommt die mathematische Betrachtung, dass Aktienanlagen zur Altersvorsorge in Raten erbracht werden. Jeden Monat wird meist eine in Geldwerten gleich hohe Sparleistung erbracht und am Aktienmarkt angelegt. Dadurch wird zu günstigen oder zu ungünstigen Kursen angelegt. Dasselbe gilt für den Ausstiegszeitpunkt, weil niemand sein Sparvermögen am Tag der Pensionierung vollständig abruft. In der Rentenphase werden stetig kleinere Anteile verkauft.

Insgesamt werden über i. d. R. mehr als 45 Jahre kleinere Sparbeiträge am Aktienmarkt anlegt oder veräußert. Extreme Ausschläge an den Börsen verlieren somit an Bedeutung – mathematisch als „Cost Averaging“ bezeichnet. Damit können auch extreme Ausschläge ausgeglichen werden.
Die Risiken einer Aktienanlage werden meist überschätzt, da über lange Zeiträume nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Aktienmärkte einem reinen Zufallsprozess (Random Walk) folgen. Empirische und theoretische Befunde sprechen dafür, dass es über lange Fristen ein „Mean-Reversion“ – Verhalten gibt d. h. die Tendenz zur Rückkehr zum Mittelwert. Dies ist eine der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse von Robert Shiller, Nobelpreisträger in 2013.  Längere Phasen, in denen die Aktienmärkte, gemessen an ihren Fundamentaldaten, überbewertet erscheinen, wechseln sich mit längeren Phasen einer Unterbewertung ab. Die Befunde neuerer Studien zeigen dies.

Risiken aufgrund kurzfristiger Aktienkursbewegungen dürfen nicht auf lange Frist hochgerechnet werden. Die Tendenz lässt sich in folgender Weise ausdrücken: Eine Wahrscheinlichkeit von 5 bis 10 Prozent Risiko kann nicht auf 45 Jahre hochgerechnet werden. Dies ist der Unterschied, der zum Mittelwert der Kursbewegungen begründet ist. Hinzukommt die Auswahl von Sektoren und Faktoren der Aktienauswahl, die zu steuern ist. Richtig ist, dass Geldanlagen auf Aktienmärkten mit Risiken verbunden sind. Unter einer langfristigen Perspektive sind diese Risiken geringer zu gewichten.  Die diversifizierte Anlage am Aktienmarkt stellt die einzige Möglichkeit dar, sich am Produktivvermögen, verbundenen mit meist  weltweiten Zuwächsen zu beteiligen.

 

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