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Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufsichtsprogramm nach § 180 des Strahlenschutzgesetzes und § 149 der Strahlenschutzverordnung (AVV Aufsichtsprogramm)

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Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Allgemeine Verwaltungsvorschrift
zum Aufsichtsprogramm nach § 180 des Strahlenschutzgesetzes
und § 149 der Strahlenschutzverordnung
(AVV Aufsichtsprogramm)

Vom 18. März 2022

Nach Artikel 85 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes erlässt die Bundesregierung folgende Allgemeine Verwaltungsvorschrift:

Inhaltsübersicht

1 Anwendungsbereich

2 Begriffsbestimmungen

3 Grundsätze der behördlichen Überprüfung im Rahmen von Aufsichtsprogrammen nach § 180 des Strahlenschutzgesetzes

4 Risikoorientierte Kategorisierung von Tätigkeiten, Regelintervalle und Festlegung der Überprüfungsintervalle

4.1 Risikoorientierte Kategorien und Regelintervalle der Vor-Ort-Prüfungen

4.2 Einstufungskriterien

4.2.1 Einstufungskriterien für die Festlegung der Regelintervalle

4.2.2 Optionale Kriterien für die Festlegung der Überprüfungsintervalle

4.3 Einstufung von Tätigkeiten in risikoorientierte Kategorien

4.3.1 Entscheidungsbäume für die Einstufung von Tätigkeiten in risikoorientierte Kategorien

4.3.2 Kategorisierung von Tätigkeiten, die nicht von den Entscheidungsbäumen erfasst sind

5 Inkrafttreten

6 Anhang

6.1 Beispielhafte Einstufung von Tätigkeiten in risikoorientierte Kategorien

1 Anwendungsbereich

Nach § 180 Absatz 1 Satz 1 des Strahlenschutzgesetzes (StrlSchG) ist im Rahmen der strahlenschutzrechtlichen Aufsicht bei geplanten Expositionssituationen von der zuständigen Behörde ein Programm für aufsichtliche Prüfungen einzurichten, das dem möglichen Ausmaß und der Art des mit einer Tätigkeit nach § 4 StrlSchG verbundenen Risikos Rechnung trägt (Aufsichtsprogramm). § 149 Absatz 2 und Anlage 16 der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) legen Anforderungen an die Ausgestaltung des Aufsichtsprogramms im Hinblick auf Vor-Ort-Prüfungen fest. Diese All­gemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufsichtsprogramm (AVV Aufsichtsprogramm) ist von der zuständigen Behörde bei der Einrichtung des Aufsichtsprogramms anzuwenden.

Die AVV Aufsichtsprogramm ist nach § 149 Absatz 3 StrlSchV nicht anzuwenden auf Tätigkeiten nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 6 StrlSchG. Aus den gleichen Gründen, die der Vorschrift des § 149 Absatz 3 StrlSchV zugrunde liegen, findet die AVV Aufsichtsprogramm auch keine Anwendung auf die Aufsicht über alle übrigen Tätigkeiten im Bereich der nuklearen Entsorgung sowie keine Anwendung auf den Erwerb, die Abgabe an andere, die Beförderung sowie die grenzüberschreitende Verbringung von natürlich vorkommenden radioaktiven Stoffen, die als Kernbrennstoff oder zur Erzeugung von Kernbrennstoff genutzt werden (§ 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StrlSchG). Aus den vorhergenannten Gründen findet die AVV Aufsichtsprogramm ebenfalls keine Anwendung auf die Gewinnung, Erzeugung, Lagerung, Bearbeitung, Verarbeitung, sonstige Verwendung und Beseitigung von natürlich vorkommenden radioaktiven Stoffen zur Nutzung als Kernbrennstoff oder zur Erzeugung von Kernbrennstoffen (§ 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 5 Absatz 39 Nummer 1 Buchstabe b StrlSchG). Im Bereich der nuklearen Entsorgung betrifft die Herausnahme aus dem Anwendungsbereich insbesondere die Landessammelstellen, Zwischenlager und Konditionierungseinrichtungen für sonstige radioaktive Stoffe in Form radioaktiver Abfälle (in der Regel genehmigt gemäß § 12 StrlSchG) sowie die Beförderung und grenzüberschreitende Verbringung sonstiger radioaktiver Stoffe in Form radioaktiver Abfälle (§§ 27 ff. StrlSchG).

Die AVV Aufsichtsprogramm ist auch nicht anzuwenden auf Tätigkeiten nach § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 11 StrlSchG.

Die Pflicht zur Erstellung eines Aufsichtsprogramms für geplante Expositionssituationen nach § 180 Absatz 1 StrlSchG bleibt von diesen Einschränkungen des Anwendungsbereiches der AVV unberührt.

2 Begriffsbestimmungen

Für die AVV Aufsichtsprogramm gelten folgende Begriffsbestimmungen:

2.1 Fest eingebaute Strahlenquellen: Strahlenquellen, die sich nur mit erheblichem Aufwand aus einer Vorrichtung entfernen lassen. Der Umgang kann jedoch ortsveränderlich stattfinden.

2.2 Ortsfester Umgang: Umgang mit radioaktiven Stoffen innerhalb der in der Genehmigung oder Anzeige angegebenen Umgangsorte innerhalb einer Einrichtung.

2.3 Fest installierte Röntgeneinrichtungen: Röntgeneinrichtungen, die sich nur mit erheblichem Aufwand betriebsfähig von ihrem Betriebsort deinstallieren lassen. Der Betrieb kann jedoch ortsveränderlich, z. B. in einem Fahrzeug, stattfinden.

2.4 Ortsfester Betrieb: Betrieb innerhalb der in der Genehmigung oder Anzeige angegebenen Einrichtung und nur einem Raum bzw. Betriebsort zugeordnet.

2.5 Mobiler Betrieb: Betrieb innerhalb der in der Genehmigung oder Anzeige angegebenen Einrichtung, aber dort mehreren Räumen bzw. Betriebsorten zugeordnet.

2.6 Ortsveränderlicher Betrieb: Betrieb innerhalb oder außerhalb der in der Genehmigung oder Anzeige angegebenen Einrichtung ohne feste Zuordnung des Betriebsortes.

2.7 Komplexe Diagnostik: Untersuchungsverfahren am Menschen oder Tier, das mit einer erheblichen Exposition von Personen verbunden sein kann oder an das besondere Anforderungen organisatorischer oder technischer Art bei der Durchführung gestellt werden.

2.8 Regelintervall: Mit der AVV Aufsichtsprogramm anhand der risikoorientierten Kriterien (siehe Nummer 4.3, Entscheidungsbäume) festgelegtes Intervall für Vor-Ort-Prüfungen einer Tätigkeit im Anwendungsbereich dieser AVV.

2.9 Überprüfungsintervall: Ein im Ermessen der Behörde auf Grundlage des Regelintervalls im Aufsichtsprogramm festgelegtes Intervall für Vor-Ort-Prüfungen einer Tätigkeit im Anwendungsbereich dieser AVV.

3 Grundsätze der behördlichen Überprüfung im Rahmen von Aufsichtsprogrammen nach § 180 StrlSchG

Die AVV Aufsichtsprogramm dient den zuständigen Behörden als Grundlage für die Erstellung risikoorientierter Aufsichtsprogramme nach § 180 StrlSchG, indem Tätigkeiten im Anwendungsbereich dieser AVV risikoorientierten ­Kategorien zugeordnet werden. Je nach Kategorie sind Vor-Ort-Prüfungen dieser Tätigkeiten in einem definierten Regelintervall (Kategorie I bis III) vorzusehen, es ist aufgrund eines geringen Risikos kein Regelintervall notwendig (Kategorie IV), oder es ist von der Behörde über den Zeitpunkt oder das Überprüfungsintervall einer Vor-Ort-Prüfung zu entscheiden (Kategorie V).

In dem jeweiligen risikoorientierten Aufsichtsprogramm legt die zuständige Behörde auf Grundlage des Regelintervalls das Überprüfungsintervall bzw. den Überprüfungszeitpunkt der behördlichen Aufsicht vor Ort fest. Kommt es aufgrund äußerer Umstände, die nicht mit Risikokriterien im Zusammenhang stehen, zu einer Abweichung von dem festgelegten Überprüfungsintervall, hat die zuständige Behörde dafür Sorge zu tragen, dass der Abstand zwischen den Prüfungen im Mittel dem festgelegten Überprüfungsintervall entspricht. Der Zeitpunkt der ersten Prüfung und der Inhalt der Prüfungen vor Ort sind nicht Gegenstand dieser AVV Aufsichtsprogramm. Auch die Häufigkeit und der Inhalt von Prüfungen der Behörde vorliegender Unterlagen (Prüfungen im Innendienst) sowie die Veröffentlichung einer Kurzfassung des Aufsichtsprogramms und der wichtigsten bei der Durchführung des Aufsichtsprogramms gewon­nenen Erkenntnisse seitens der zuständigen Behörde gemäß § 180 Absatz 3 StrlSchG werden hier nicht behandelt.

Die behördliche Aufsicht beinhaltet unter anderem Vor-Ort-Prüfungen, aufsichtliche Überprüfungen zu einzelnen Anforderungen des Strahlenschutzrechts (Schwerpunktprogramm), systematische Stichproben und anlassbezogene Aufsicht. Erkenntnisse von Sachverständigen aus Prüfungen nach § 88 StrlSchV oder ärztlichen oder zahnärztlichen Stellen nach § 130 StrlSchV haben keinen Einfluss auf die Zuordnung von Tätigkeiten zu risikoorientierten Kategorien und somit auf das Regelintervall, wenngleich sie bei der Festlegung des Überprüfungsintervalls berücksichtigt werden können (siehe Nummer 4.2.2).

Nach § 149 Absatz 2 Satz 4 StrlSchV kann für Tätigkeiten mit geringem Risiko von der Durchführung regelmäßiger Vor-Ort-Prüfungen abgesehen und eine andere Vorgehensweise zur Auswahl des Zeitpunktes von Vor-Ort-Prüfungen festgelegt werden. Wird in diesen Fällen von der Festlegung von Regelintervallen für Vor-Ort-Prüfungen abgesehen, so muss durch andere aufsichtliche Maßnahmen, wie Überprüfungen im Rahmen eines Schwerpunktprogramms oder durch systematische Stichproben, sichergestellt werden, dass auch für Tätigkeiten mit geringem Risiko Vor-Ort-Prüfungen durchgeführt werden. Diese Maßnahmen sind in das Aufsichtsprogramm aufzunehmen.

4 Risikoorientierte Kategorisierung von Tätigkeiten, Regelintervalle und Festlegung der Überprüfungsintervalle

4.1 Risikoorientierte Kategorien und Regelintervalle der Vor-Ort-Prüfungen

Tätigkeiten im Anwendungsbereich dieser Allgemeinen Verwaltungsvorschrift werden entsprechend ihrem Risiko eingestuft. Es werden fünf Kategorien unterschieden (siehe Tabelle 1).

Den Kategorien I bis III sind jeweils Regelintervalle für aufsichtliche Vor-Ort-Prüfungen zugewiesen. Tätigkeiten mit geringem Risiko, für die die Zuordnung eines Regelintervalls entsprechend § 149 Absatz 2 Satz 4 StrlSchV nicht erforderlich ist, sind in Kategorie IV zu erfassen. Kategorie V umfasst Fälle, die aufgrund spezifischer Tätigkeitsmerkmale oder Genehmigungsinhalte nicht den Kategorien I bis IV zuordenbar sind, beispielsweise Tätigkeiten, die nur für einen befristeten Zeitraum ausgeführt werden, wie im Falle von Beförderungen. Die Zuordnung eines Überprüfungsintervalls oder Überprüfungszeitpunktes für solche Tätigkeiten ist von der Behörde anhand der risikoorientierten Einstufungskriterien (Nummer 4.2.1) so vorzunehmen, dass Vor-Ort-Prüfungen in angemessenem Umfang unter Berücksichtigung des Risikos durchgeführt werden.

Tabelle 1: Risikoorientierte Kategorien und Regelintervalle

Kategorie Vor-Ort-Prüfung
I Regelintervall: 2 Jahre
II 4 Jahre
III 6 Jahre
IV Kein Regelintervall erforderlich nach § 149 Absatz 2 Satz 4 StrlSchV, Tätigkeit mit geringem Risiko, andere Vorgehensweise zur Auswahl des Zeitpunktes von Vor-Ort-Prüfungen
V Spezifisch festzulegendes Überprüfungsintervall oder Überprüfungszeitpunkt

Grundlage der Festlegungen der Überprüfungsintervalle durch die zuständige Behörde sind die Regelintervalle gemäß Tabelle 1. Innerhalb einer Kategorie kann auf Grundlage weitergehender Betrachtungen oder Bewertungen risikorelevanter Faktoren von den Regelintervallen abgewichen werden, um dem jeweiligen Risiko einer konkreten Tätigkeit und den Gegebenheiten im Einzelfall vor Ort Rechnung zu tragen (z. B. dem Anwendungsbereich oder einem speziellen Gerätetyp). Eine daraus resultierende Verringerung bzw. Erhöhung des Überprüfungsintervalls um jeweils ein Jahr gegenüber dem Regelintervall liegt im Ermessen der Behörde. Kriterien, anhand derer solch eine Risikobetrachtung im Einzelfall erfolgen kann, werden in Nummer 4.2.2 genannt.

4.2 Einstufungskriterien

4.2.1 Einstufungskriterien für die Festlegung der Regelintervalle

Zur Bewertung des Risikos einer Tätigkeit werden in Anlage 16 StrlSchV Kriterien festgelegt, welche im Folgenden konkretisiert werden. Diese Kriterien sind anzuwenden zur Bewertung des Risikos einer Tätigkeit und bilden die Grundlage für deren Einstufung in die Kategorien der Tabelle 1.

Höhe der zu erwartenden Exposition bei bestimmungsgemäßer Anwendung ionisierender Strahlung oder radio­aktiver Stoffe am Menschen
Höhe der zu erwartenden Exposition bei bestimmungsgemäßer Anwendung ionisierender Strahlung oder radio­aktiver Stoffe ohne zielgerichtete Exposition von Personen
Höhe der für den Umgang mit radioaktiven Stoffen genehmigten Aktivität
Risiko für Inkorporationen beim Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen
Risiko für unbeabsichtigte Expositionen
Vorhandene technische Schutzeinrichtungen zur Vermeidung unbeabsichtigter Expositionen (z. B. integrierte Abschirmung, Schutzeinrichtungen an bauartzugelassenen Geräten und Vorrichtungen)
Umfang erforderlicher organisatorischer Strahlenschutzmaßnahmen für die sichere Ausführung von Tätigkeiten
Art des Umgangs (ortsfester versus nicht ortsfester Umgang)
Art des Betriebs (ortsfester versus mobiler versus ortsveränderlicher Betrieb)
Fest eingebaute Strahlenquellen/​fest installierte Röntgeneinrichtungen
Geräteart, soweit diese risikobestimmend ist (z. B. CT, digitaler Volumentomograph, Vollschutzanlage)
Kontaminationsrisiko (z. B. Aggregatzustand oder sonstige Beschaffenheit der radioaktiven Stoffe)
Weitere risikorelevante Bedingungen bei Tätigkeiten nach § 4 Absatz 1 StrlSchG in geplanten Expositionssituationen

4.2.2 Optionale Kriterien für die Festlegung der Überprüfungsintervalle

Im Ermessen der Behörde können weitere, optionale Kriterien herangezogen werden, welche innerhalb einer Kategorie das Intervall von Vor-Ort-Prüfungen beeinflussen können. Das bedeutet, dass die Verkürzung oder Verlängerung des Überprüfungsintervalls gegenüber dem Regelintervall um bis zu einem Jahr im Ermessen der Behörde festgelegt werden kann (vgl. Nummer 4.1). Ferner kann durch Heranziehen dieser optionalen Kriterien eine Tätigkeit in begründeten Einzelfällen im Ermessen der Behörde in eine von der regelhaften Zuordnung abweichende Kategorie eingestuft werden und somit einem höheren oder niedrigeren Regelintervall unterliegen.

Beispiele für solche optionalen Kriterien sind:

Physikalische Eigenschaften der ionisierenden Strahlung, z. B. Energie, Dosisleistung
Anzahl potenziell exponierter Personen
Anzahl betriebener Röntgeneinrichtungen, Störstrahler oder Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung
Strahlenschutzorganisation (z. B. über mehrere Standorte)
Betriebshistorie (z. B. Ergebnisse der Orts- oder Personendosimetrie)
Vorfälle oder Auffälligkeiten in der Vergangenheit, auch personenbezogene
Weitere, auch örtliche Bedingungen, Einsatzbedingungen der Strahlungsquelle

Über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Maßnahmen zum Strahlenschutz

Ergebnisse zusätzlicher Prüfungen durch Sachverständige oder ärztliche oder zahnärztliche Stellen
Anwesenheit vor Ort eines Strahlenschutzbeauftragten ohne Verpflichtung beim Umgang oder Betrieb
Hinzuziehung eines Medizinphysik-Experten ohne Verpflichtung
Zusätzliche vorhandene Orts- oder Personendosimetrie
Ergebnisse der vorangegangenen Vor-Ort-Prüfung(en) sowie sonstige aufsichtliche Erkenntnisse
Potentielle Auswirkungen auf Mensch und Umwelt (z. B. bei der Radiojodtherapie in der Tierheilkunde, mögliche Ableitung von radioaktiven Stoffen mit Luft oder Wasser)
Neue Anwendungen/​Verfahren, erstmalige Aufnahme einer Tätigkeit

4.3 Einstufung von Tätigkeiten in risikoorientierte Kategorien

4.3.1 Entscheidungsbäume für die Einstufung von Tätigkeiten in risikoorientierte Kategorien

Mit den nachfolgenden Entscheidungsbäumen (Abbildungen 1 bis 3) wird ein Instrument zur Kategorisierung von Tätigkeiten im Anwendungsbereich dieser AVV Aufsichtsprogramm zur Verfügung gestellt. Die Struktur der Entscheidungsbäume ergibt sich aus den in Nummer 4.2.1 genannten Kriterien sowie den Kategorien der Nummer 4.1.

Abbildung 1: Entscheidungsbaum für den Betrieb und die Errichtung von Anlagen. Mit dem Entscheidungsbaum werden Tätigkeiten nach Paragraph 10, Paragraph 12 Absatz 1 Nummern 1 und 2 und Paragraph 17 Strahlenschutzgesetz risikoorientierten Kategorien zugeordnet. Dabei wird insbesondere der genehmigungsbedürftige Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung im Zusammenhang mit der Anwendung am Menschen von allen sonstigen Anwendungsfällen des genehmigungsbedürftigen Betriebs von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung unterschieden.

Abbildung 1:

Entscheidungsbaum für den Betrieb und die Errichtung von „Anlagen“ (§ 10, § 12 Absatz 1 Nummern 1 und 2, § 17 StrlSchG)

Abbildung 2: Entscheidungsbaum für den genehmigungsbedürftigen Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen. Mit dem Entscheidungsbaum werden Tätigkeiten nach Paragraph 12 Absatz 1 Nummer 3 und Paragraph 40 Strahlenschutzgesetz risikoorientierten Kategorien zugeordnet. Dabei wird insbesondere zwischen dem genehmigungsbedürftigen Umgang mit radioaktiven Stoffen bei der Anwendung am Menschen und dem sonstigen genehmigungsbedürftigen Umgang mit radioaktiven Stoffen unterschieden. Die Zuordnung berücksichtigt die Aktivität des genehmigten Umgangs und weitere risikobestimmende Bedingungen des Umgangs.

Abbildung 2:

Entscheidungsbaum für den genehmigungsbedürftigen Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen (§ 12 Absatz 1 Nummer 3 und § 40 StrlSchG). HRQ steht für die Aktivitätswerte der Anlage 4 Tabelle 1 Spalte 4 StrlSchV, FG steht für die Aktivitätsfreigrenzen der Anlage 4 Tabelle 1 Spalte 2 StrlSchV. Elektroneneinfang-Messsysteme (ECD) als offene radioaktive Stoffe sind bei einer genehmigten Aktivität < 104 FG und bei festem Einbau in ein Gerät (z. B. Gaschromatograph) als Kat. IV zu kategorisieren (vgl. Nummer 6.1 Tabelle).

Abbildung 3: Entscheidungsbaum für den Betrieb von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern. Mit dem Entscheidungsbaum werden Tätigkeiten nach Paragraph 12 Absatz 1 Nummern 4 und 5, Paragraph 19, Paragraph 22 Absatz 1 sowie Paragraph 26 Absatz 1 Strahlenschutzgesetz risikoorientierten Kategorien zugeordnet. Unterschieden wird hierbei insbesondere zwischen dem genehmigungs- und dem anzeigebedürftigen Betrieb von Röntgeneinrichtungen in der Humanmedizin, der Zahnmedizin, der Tierheilkunde sowie der Technik.

Abbildung 3:

Entscheidungsbaum für den Betrieb von Röntgeneinrichtungen und Störstrahlern (§ 12 Absatz 1 Nummer 4 und 5, § 19, § 22 ­Absatz 1, § 26 Absatz 1 StrlSchG)

4.3.2 Kategorisierung von Tätigkeiten, die nicht von den Entscheidungsbäumen erfasst sind

Die Vor-Ort-Prüfung von Erwerb von künstlich erzeugten radioaktiven Stoffen und von natürlich vorkommenden radioaktiven Stoffen, die auf Grund ihrer Radioaktivität genutzt werden, sowie der Abgabe dieser Stoffe erfolgt zusammen mit der zugrunde liegenden sonstigen Tätigkeit.
Die Beförderung und die grenzüberschreitende Verbringung von künstlich erzeugten radioaktiven Stoffen und von natürlich vorkommenden radioaktiven Stoffen, die auf Grund ihrer Radioaktivität genutzt werden (§ 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 StrlSchG), sind Kategorie V zuzuordnen.
Befristete Genehmigungen, bei denen die genehmigte Tätigkeit nach dem Befristungszeitraum als beendet betrachtet wird, wie z. B. Genehmigungen nach § 25 StrlSchG (Beschäftigung in fremden Anlagen oder Einrichtungen) oder § 27 StrlSchG (Beförderung sonstiger radioaktiver Stoffe), sind Kategorie V zuzuordnen.
Anwendungen radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen zum Zweck der medizinischen Forschung:
Bei genehmigungsbedürftigen Anwendungen nach § 31 StrlSchG hängt das Risikopotential insbesondere vom genauen Inhalt des Forschungsvorhabens und weniger von der Art der verwendeten Geräte ab. Bei anzeigebedürftigen Anwendungen nach § 32 StrlSchG entspricht zwar die Art der Anwendung anerkannten Standardverfahren zur Untersuchung von Menschen, es verbleiben aber die forschungsbezogenen Qualitätssicherungs- und Kommunikationspflichten. In beiden Fällen können die Risiken über diejenigen für die zugrunde liegende Genehmigung nach § 12 Absatz 1 Nummer 1, 2, 3 oder Nummer 4 bzw. Anzeige nach § 19 Absatz 1 Nummer 1 StrlSchG hinausgehen, weswegen die Tätigkeiten des Strahlenschutzverantwortlichen im Rahmen einer Genehmigung nach § 31 StrlSchG bzw. einer Anzeige nach § 32 StrlSchG der Kategorie V zugeordnet werden. Bestimmend für die Risiken können insbesondere das Ausmaß, in dem die Anwendungen von einem anerkannten Verfahren nach den Erfordernissen der medizinischen Wissenschaften abweichen, die in das Forschungsvorhaben eingeschlossenen Personen (z. B. Einschluss von minderjährigen oder nicht einwilligungsfähigen Personen), die Expositionen, die Anzahl der Anwendungen pro eingeschlossener Person, die Anzahl der eingeschlossenen Personen sowie die organisatorische Komplexität (bei Multi-Center-Studien) sein. Gegenstand der Aufsicht können die Einhaltung der Festlegungen über Art und Umfang der Strahlenanwendungen in den Genehmigungen bzw. Mitteilungen des Bundesamtes für Strahlenschutz (über die Inhalte der Anzeigen), eventuelle Genehmigungsauflagen und die Einhaltung der in der Einrichtung bestehenden spezifisch forschungsbezogenen Pflichten aus Teil 2 Kapitel 6 Abschnitt 9 StrlSchV sein. Die Aufsicht über den zur medizinischen Forschung Berechtigten, der nicht selbst Strahlenschutzverantwortlicher ist, ist nicht Gegenstand der AVV Aufsichtsprogramm und wird von der zuständigen Behörde im Einzelfall festgelegt.

Tätigkeiten mit Rückständen; Materialien

Anzeigebedürftige Arbeitsplätze mit Exposition durch natürlich vorkommende Radioaktivität nach § 56 Absatz 1 StrlSchG sind Kategorie II zuzuordnen. Externe Tätigkeiten an anzeigebedürftigen Arbeitsplätzen mit Expositionen durch natürlich vorkommende Radioaktivität nach § 59 Absatz 2 StrlSchG sind Kategorie V zuzuordnen.
Anmeldebedürftige Tätigkeiten mit Rückständen, das sind Anfall, Verwertung oder Beseitigung von Rückständen nach § 60 Absatz 1 StrlSchG, Lagerung überwachungsbedürftiger Rückstände nach § 61 Absatz 4 StrlSchG, die Entlassung von Rückständen aus der Überwachung nach § 62 Absatz 1 StrlSchG sowie die Anzeige von in der Überwachung verbleibenden Rückständen nach § 63 Absatz 1 StrlSchG sind Kategorie V zuzuordnen.
Die mitteilungsbedürftige Entfernung von Kontaminationen von Grundstücken nach § 64 Absatz 1 StrlSchG ist Kategorie V zuzuordnen.
Tätigkeiten mit sich in der Überwachung befindlichen, sonstigen Materialien nach § 65 StrlSchG sind Kategorie V zuzuordnen.
Für die Bestimmung der risikoorientierten Kategorie von Tätigkeiten, die weder in den Entscheidungsbäumen noch in dieser Nummer erfasst sind, sind die Einstufungskriterien nach Nummer 4.2.1 in Anlehnung an die Vorgehensweise in den Entscheidungsbäumen heranzuziehen.

5 Inkrafttreten

Diese Allgemeine Verwaltungsvorschrift tritt am 1. April 2022 in Kraft.

6 Anhang

6.1 Beispielhafte Einstufung von Tätigkeiten in risikoorientierte Kategorien

Die folgende Tabelle enthält Zuordnungen von Anwendungs- und Gerätearten bzw. Anmelde-, Anzeige- und Genehmigungstatbeständen aus dem StrlSchG für den Regelfall, getroffen anhand der Entscheidungsbäume (Nummer 4.3), in die in Nummer 4.1 eingeführten Kategorien. Für abweichende Anwendungsbereiche/​Verwendungen/​Geräte ist das Regelintervall für Vor-Ort-Prüfungen aus den Entscheidungsbäumen, siehe Abbildungen 1 bis 3, abzuleiten.

§ im StrlSchG Tätigkeit Anwendungsbereich/​Verwendung/​Gerät Kategorie
I II III IV V
10 Genehmigungsbedürftige Errichtung von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung X
12 Absatz 1 Nummer 1 Genehmigungsbedürftiger Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung zur Anwendung am Menschen X
12 Absatz 1 Nummer 1 Genehmigungsbedürftiger Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung in der Tierheilkunde X
12 Absatz 1 Nummer 1 Genehmigungsbedürftiger Betrieb einer von einem Schutzgehäuse umschlossenen und sich unter Normaldruck befindlichen Laserbearbeitungsmaschine mit einer maximalen Bestrahlungsstärke kleiner 1016 W/​cm2 X
12 Absatz 1 Nummer 3 Genehmigungsbedürftiger Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen bei der Anwendung am Menschen Bestrahlungsvorrichtungen zur Tele­therapie (z. B. Gamma Knife) X
Bestrahlungsvorrichtungen zur Brachytherapie X
Nuklearmedizin Therapie X
Nuklearmedizin Diagnostik X
12 Absatz 1 Nummer 3 Genehmigungsbedürftiger Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen ohne die Anwendung
am Menschen
Bohrlochmessungen X
Ein- und Ausbau sowie Lagerung von Ionisationsrauchmeldern X
Elektroneneinfang-Messsysteme (ECD)/​Gaschromatograph X
Gammaradiographie mit ortsveränder­lichem Einsatz X
Isotopensonde X
Strahler, für die keine wiederkehrende Dichtheitsprüfung erforderlich ist (unter anderem Prüfstrahler ohne Bauartzulassung (< 102 FG)) X
Radiometrische Messeinrichtung
(Dicken-, Dichte- und Füllstandsmessungen)
X
Radioaktive Schulpräparate ohne Bauartzulassung nach § 45 Absatz 1 StrlSchG X
12 Absatz 1 Nummern 4 und 19 Röntgeneinrichtungen (RöE)
Humanmedizin
(Anzeige/​Genehmigung)
C-Bogen1 (fest installiert) X
C-Bogen1 (mobil) X
Computertomographie X
Digitale Volumentomographie (DVT) X
Röntgendurchleuchtung mit erheblicher Exposition X
Mammographie, Tomosynthese (kurativ) X
RöE in kombinierten Anlagen zur Lagekontrolle (z. B. RöE im Beschleuniger) X
RöE zur Früherkennung X
RöE zur Teleradiologie X
Sonstige diagnostische RöE (z. B. DXA, Bucky-Tisch, Raster-Wandstativ) X
Therapiegerät (standardisierte Therapie) X
Therapiegerät (nicht standardisierte
Therapie)
X
RöE Zahnmedizin
(Anzeige/​Genehmigung)
Digitale Volumentomographie (DVT) X
Fernröntgengeräte X
Panoramaschichtgeräte X
Röntgengeräte mit intraoralem Bildempfänger X
RöE Tierheilkunde
(Anzeige/​Genehmigung)
Computertomographie X
Digitale Volumentomographie (DVT) X
Intervention X
Sonstige RöE (fest installiert) X
Sonstige RöE (mobil/​ortsveränderlich) X
Therapiegerät X
RöE Technik
(Anzeige/​Genehmigung)
Basis-/​Hoch-/​Vollschutzgerät X
Gepäckdurchleuchtung X
RöE in der technischen Radiographie zur Grobstrukturanalyse in der Werkstoffprüfung (ortsfest) X
RöE in der technischen Radiographie zur Grobstrukturanalyse in der Werkstoffprüfung (mobil/​ortsveränderlich) X
RöE zur Qualitätssicherung, Füllstands-/​Dickenmessung (fest installiert) X
RöE zur Qualitätssicherung (mobil/​ortsveränderlich) X
RöE zur Röntgenfluoreszenzanalyse
(fest installiert)
X
RöE zur Röntgenfluoreszenzanalyse (mobil/​ortsveränderlich) X
Röntgengeräteschrank X
Schulröntgeneinrichtung X
12 Absatz 1 Nummer 5 Genehmigungsbedürftiger Betrieb eines Störstrahlers X
17 Absatz 1 Anzeigebedürftiger Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlung in der Technik X
17 Absatz 1 Anzeigebedürftiger Betrieb einer Vollschutzanlage X
22 Absatz 1 Anzeigebedürftige Prüfung, Erprobung, Wartung und Instandsetzung von Röntgeneinrichtungen oder Störstrahlern X
25 Absatz 1 Genehmigungsbedürftige Beschäftigung in fremden Anlagen oder Einrichtungen X
26 Absatz 1 Anzeigebedürftige Beschäftigung im Zusammenhang mit dem ­Betrieb fremder Röntgeneinrichtungen oder Störstrahler X
27 Absatz 1 Genehmigungsbedürftige Beförderung sonstiger radioaktiver Stoffe x
31 Absatz 1 Genehmigungsbedürftige Anwendungen radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen zum Zweck der medizinischen Forschung x
32 Absatz 1 Anzeigebedürftige Anwendungen radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen zum Zweck der medizinischen Forschung x
40 Absatz 1 Genehmigungsbedürftiger Zusatz radioaktiver Stoffe und genehmigungsbedürftige Aktivierung
(soweit keine Umgangsgenehmigung nach § 12 Absatz 1 Nummer 3 StrlSchG erforderlich ist)
X
56 Absatz 1 Anzeigebedürftiger Arbeitsplatz mit Exposition durch natürlich vorkommende Radioaktivität X
59 Absatz 2 Externe Tätigkeit
(Anzeige Arbeitsplatz mit Exposition durch natürlich vorkommende Radioaktivität)
X
60 Absatz 1 Anfall, Verwertung oder Beseitigung von Rückständen
(Anmeldung)
X
61 Absatz 4 Anfall und Lagerung überwachungsbedürftiger Rückstände (Anmeldung) X
62 Absatz 1 Entlassung von Rückständen aus der Überwachung (Anmeldung) X
63 Absatz 1 In der Überwachung verbleibende Rückstände (Anzeige) X
64 Absatz 2 Entfernung von Kontaminationen von Grundstücken (Mitteilung) X
65 Überwachung sonstiger Materialien X
208 Absatz 3 und 4 Bauartzugelassene radioaktive Schulpräparate und Prüfstrahler (Anzeige) < 104 FG2 X

Der Bundesrat hat zugestimmt.

Berlin, den 18. März 2022

Der Bundeskanzler

Olaf Scholz

Die Bundesministerin
für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Steffi Lemke

1
soweit keine komplexe Diagnostik vorliegt.
2
Bei einer Aktivität ≥ 104 FG ist eine Einstufung entsprechend dem Entscheidungsbaum für den Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen ­(Abbildung 2) vorzunehmen.

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