Altes Thema „Praxisgebühr“

Published On: Samstag, 14.12.2013By

Auch nach ihrer Abschaffung sorgt die Praxisgebühr weiter für Ärger: Uns liegen Anfragen von gesetzlich Krankenversicherten vor, die von einer Stuttgarter Rechtsanwaltskanzlei per Brief zur nachträglichen Zahlung von Praxisgebühren aufgefordert wurden.

Patienten in der Bredouille

Kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist für alle Rechnungen aus dem Jahr 2009 verschickt derzeit die Kanzlei RVR Rechtsanwälte aus Stuttgart im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg Briefe an Verbraucher, die sie als „Anhörung“ bezeichnet. Vor allem Senioren fühlen sich von diesen Zahlungserinnerungen eingeschüchtert. Doch auch abgeklärt reagierende Empfänger der Briefe kommen leicht in die Bredouille, denn in vielen Fällen haben sie die Nachweise über die korrekte Bezahlung der Praxisgebühr vor drei oder vier Jahren nicht mehr zur Hand.

Der Fall von Frau und Herrn B.

Herr B. aus dem Großraum Hamburg hat uns geschildert:

„Am 6.10.2010 wurde meine Frau kurz vor Mitternacht mit dem Notarztfahrzeug in die Klinik eingeliefert – ich folgte dem Fahrzeug und hatte wie immer mein Portemonnaie dabei. Während der Behandlung wurde ich an der Rezeption gebeten, die persönlichen Daten meiner Frau (Krankenkasse etc.) bekanntzugeben und die ‚Praxisgebühr‘ in Höhe von 10 Euro zu begleichen. Ich erinnere mich noch sehr gut an dieses einschneidende Erlebnis – ich bezahlte mit einem 20-Euro-Schein und bekam 10 Euro sowie die Quittung zurück, die ich später beim Finanzamt einreichte. Nach Erhalt und Prüfung des Steuerbescheides sowie der Rücksendung der Belege habe ich wichtige Unterlagen archiviert. Unbedeutende Belege (dazu gehörten mehrere Quittungen über Praxisgebühren) habe ich im Schredder vernichtet. Die Rechnung unserer Krankenkasse für den Krankentransport (Eigenanteil) vom 7.12.2010 haben wir am 9.12.2010 per Überweisung bezahlt.“

Nun kann Frau B. nicht mehr nachweisen, dass sie damals die Praxisgebühr bezahlt hat, da ihr Mann die inzwischen als unbedeutend betrachteten Unterlagen vernichtet hatte, nachdem sie vom Finanzamt steuermindernd anerkannt worden waren. Woher sollte Herr B. wissen, dass die Quittung über 10 Euro bezahlte Praxisgebühr drei Jahre später bestritten und dadurch doch wieder bedeutend werden sollte?

So hat Herr B. auch gleich an die KV Hamburg geschrieben, in deren Auftrag die Stuttgarter Rechtsanwälte tätig geworden sind, und der Forderung widersprochen. Die Antwort der KV:

„Sehr geehrter Herr B.,
Sie haben ein Anhörungsschreiben der Fa. RVR Rechtsanwälte erhalten. Es handelt sich bei dem Schreiben um keinen Betrugsversuch. Der Einzug der Kassengebühr ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Die Information über eine nicht bezahlte Kassengebühr erhalten wir von den behandelnden Ärzten. Selbstverständlich kann es hierbei zu Fehlern kommen. Gerade aus diesem Grunde beginnt das Verfahren mit einem Anhörungsschreiben, damit diese erkannt und korrigiert werden können. Sollten Sie also aus Ihrer Sicht unberechtigterweise ein Anhörungsschreiben erhalten haben, können wir nur empfehlen, dass Sie sich mit der Fa. RVR in Verbindung setzen und ggf. entsprechende Nachweise vorlegen – damit wäre das Verfahren für Sie erledigt.
Sie erreichen die Hotline der Fa. RVR unter der Telefonnummer: (…)
Mit freundlichen Grüßen (…)“

Nachdem die KV Hamburg inzwischen wissen müsste, dass ihre Forderung in vielen Fällen unberechtigt ist, sollte sie sich eigentlich in strittigen Fällen selbst um Aufklärung bemühen. Etwa indem sie den Arzt – oder in diesem Fall die Krankenhaus-Ambulanz – auffordert, ihre Buchhaltung noch einmal zu überprüfen und selbst nachzuweisen, dass die Praxisgebühr nicht bezahlt ist. Das ist sicher nach drei Jahren nicht so leicht, aber wenn es schon vom Patienten verlangt werden darf, sollte es von einem Krankenhaus doch eigentlich erst recht erwartet werden können.

Forderungen prüfen

Ob die jeweilige Forderung im konkreten Fall berechtigt ist, sollten Versicherte genau prüfen. Ärzte müssen nicht bezahlte Praxisgebühren auf jeden Fall vorher selbst anmahnen, bevor die Forderung von der Kassenärztlichen Vereinigung eingetrieben werden kann. Dieser Einzug rückständiger Gebühren nach so vielen Jahren ist für die meisten Versicherten nicht nachvollziehbar und ärgerlich. Selbst die Kanzlei RVR Rechtsanwälte zog in der Vergangenheit Zahlungsaufforderungen nach kritischen Anfragen zu den Behandlungsdetails bereits wieder zurück.

Die Eintreibung nicht entrichteter Praxisgebühren durch ein Inkassobüro oder einen Rechtsanwalt ist grundsätzlich nicht verboten, allerdings dürfen nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung keine Mahn- und Säumnisentgelte erhoben werden.

Wir können Patienten, die mit solchen „Anhörungen“ konfrontiert sind, nur raten,

  • die Praxisgebühr nachzuzahlen, wenn sie sie tatsächlich damals nicht entrichtet haben,
  • wenn sie bezahlt haben, die Quittung vorzulegen – wenn sie die noch haben,
  • oder aber die RVR Anwälte und die Kassenärztliche Vereinigung darauf hinzuweisen, dass sie gar keine zeitnahe Mahnung erhalten haben und die jetzige „Anhörung“ das erste ist, was sie zu diesem Vorgang erhalten (wenn es so ist).

Der Gesetzgeber hat die Praxisgebühr abgeschafft. Aber er hat nicht geregelt, dass auch der unsinnige Einzug rückständiger Gebühren gestoppt wird. So muss die KV diese Forderungen verfolgen, ob sie will oder nicht, und sich bei vielen Patienten unnötigerweise unbeliebt machen.

Immer wieder Ärger

Wir haben schon mehrfach berichtet, mit welchen Methoden die Praxisgebühr von 10 Euro, die bis Ende 2012 bei jedem Arztbesuch fällig war, Jahre später noch eingetrieben wird – von einer Stuttgarter Rechtsanwaltskanzlei im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg:

Stand vom Mittwoch, 11. Dezember 2013

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