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Landgericht Hamburg Vorlagebeschluss 318 OH 4/19 MS „Bermuda“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG

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318 OH 4/19

Beschluss

In der Sache

Musterkläger (gem. § 9 Abs. 2 KapMuG vom Hanseatischen Oberlandesgericht zu bestimmen)

– Antragsteller –

Prozessbevollmächtigte

Rechtsanwälte Jung & Schleicher, Klingelhöferstr. 4, 10785 Berlin

gegen

1) Lloyd Fonds AG, vertreten durch d. Vorstand: Klaus M. Pinter, Amelungstraße 8-10, 20354 Hamburg

– Antragsgegnerin –

2) Lloyd Treuhand GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer: Raik Czosnowski, Amelungenstraße 8-10, 20354 Hamburg

– Antragsgegnerin –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:

Rechtsanwälte Lindenpartners, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin, Gz.: 11660/19 GWA/cp/asc

beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 18 – durch den stellvertretenden Vorsitzenden Richter am Landgericht Serra-Kleineidam, die Richterin am Landgericht Wöhler und den Richter Finke am 19.11.2019:

I.

Dem Hanseatischen Oberlandesgericht werden zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG folgende Feststellungsziele vorgelegt:

Feststellungsziele des Musterverfahrensantrages:

1. Der Emissionsprospekt des Lloyd Fonds 92 ist fehlerhaft, da in diesem verschwiegen wird, dass ein Ausbau des Panama-Kanals beschlossen worden war und dass sich aus diesem erhebliche Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Fondsschiffs ergeben konnten.

2. Der Emissionsprospekt des Lloyd Fonds 92 ist fehlerhaft, da in diesem zwar auf Seite 28 darauf hingewiesen wird, dass der Trend zu größeren Schiffen anhält, aber nicht darauf hingewiesen wird, dass das Fondsschiff selbst bereits bei Prospektherausgabe bzw. Zeichnung durch den jeweiligen Anleger nicht mehr zu diesen „größeren Schiffen“ zählte und dass erhebliche Risiken für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Fondsschiffes bestanden.

3. Der Emissionsprospekt des Lloyd Fonds 92 ist fehlerhaft, da in diesem auf Seite 7, 10 und 33 erklärt wird, der Charterer des Fondsschiffs wäre mit einem Rating der Firma Dynamar von „2“ bewertet worden, während tatsächlich eine Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Charterers von der Firma Dynamar nicht vorgenommen worden war.

4. Der Emissionsprospekt des Lloyd Fonds 92 ist fehlerhaft, da in diesem nicht darauf hingewiesen wird, dass die Kommanditisten der Fondsgesellschaft mit dem Fondsschiff für Schulden des Charterers haften.

5. Der Emissionsprospekt des Lloyd Fonds 92 ist fehlerhaft, da in diesem nicht darauf hingewiesen wird, dass der Charterer des Fondsschiffs beabsichtigte, in den 3 Folgejahren eine Vielzahl neuer und im Vergleich zum Fondsschiff wesentlich größerer Schiffe in Dienst zu stellen, für die langfristige Charterverträge abgeschlossen worden waren.

6. Die Lloyd Fonds AG und die Lloyd Treuhand GmbH haften für die unter 1. bis 6. zur Feststellung beantragten Prospektfehler.

7. Die unter Ziffer 1. bis 6. aufgeführten Prospektfehler waren sowohl im Rahmen einer durch einen Anlagevermittler durchzuführenden Plausibilitätsprüfung des Emissionsprospekts als auch im Rahmen einer Prüfung desselben mit banküblichem kritischem Sachverstand erkennbar.

II.

Lebenssachverhalt

Die Antragsteller der diesem Vorlagebeschluss zugrunde liegenden Musterverfahrensanträge nehmen die Antragsgegner auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch.

Sie beteiligten sich an dem geschlossenen Fonds Lloyd Fonds 92 MS „Bermuda“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG (nachfolgend: Fondsgesellschaft) und zeichneten Beteiligungen an der Fondsgesellschaft. Grundlage des Beteiligungsangebotes war der Emissionsprospekt vom 18.06.2008.

Antragsgegner sind die Gründungskommanditisten. Die Antragsteller machen geltend, dass der Emissionsprospekt in mehrfacher Hinsicht unrichtig, unvollständig und irreführend sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung der gleichlautenden Musterverfahrensanträge Bezug genommen.

III.

Dieser Vorlagebeschluss und das Datum seiner Veröffentlichung sind gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister öffentlich bekannt zu machen

Gründe:

1.

Das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 18 – ist als Prozessgericht, bei dem der erste Musterverfahrensantrag gestellt wurde, gemäß § 6 Abs. 2 KapMuG für die Entscheidung über den Vorlagebeschluss zuständig.

2.

Die Kammer hat gemäß § 3 Abs. 4 KapMuG von der gemäß § 3 Abs. 2 KapMuG grundsätzlich vorgesehenen öffentlichen Bekanntmachung der einzelnen Musterverfahrensanträge im Klageregister abgesehen, weil die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Hanseatische Oberlandesgericht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG bereits vorliegen. Es liegen bei der Kammer 30 gleichgerichtete zulässige Musterfeststellungsanträge vor, weil in dem Verfahren zum Az. 318 O 260/18 insgesamt 30 zulässige Musterfeststellungsanträge gestellt wurden. Bei Streitgenossen auf Klägerseite zählen für die Ermittlung des erforderlichen Quorums die Anzahl der von den Streitgenossen gestellten Musterverfahrensanträge (BGHZ 176,170; KK-KapMuG/Vollkommer, 2. Aufl. 2014, § 6 Rn. 33).

Folgende Klageparteien des Verfahrens zum Az. 318 O 260/18 haben einen zulässigen Musterfeststellungsantrag gestellt:

Klagepartei zu 1

Klagepartei zu 6

Klagepartei zu 7

Klagepartei zu 9

Klagepartei zu 10

Klagepartei zu 11

Klagepartei zu 12

Klagepartei zu 13

Klagepartei zu 15

Klagepartei zu 17

Klagepartei zu 18

Klagepartei zu 19

Klagepartei zu 20

Klagepartei zu 21

Klagepartei zu 22

Klagepartei zu 23

Klagepartei zu 26

Klagepartei zu 27

Klagepartei zu 30

Klagepartei zu 31

Klagepartei zu 32

Klagepartei zu 33

Klagepartei zu 34

Klagepartei zu 35

Klagepartei zu 37

Klagepartei zu 38

Klagepartei zu 39

Klagepartei zu 42

Klagepartei zu 43

Klagepartei zu 44

3.

Die Musterverfahrensanträge sind in ihren Feststellungszielen statthaft, denn die geltend gemachten Anträge fallen in den Anwendungsbereich des § 1 KapMuG. Es werden vorliegend Schadensersatzansprüche wegen Verwendung falscher oder irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemacht, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG musterverfahrensfähig sind. Bei den Angaben aus dem Emissionsprospekt des Lloyd Fonds 92 handelt es sich um eine öffentliche Kapitalmarkinformation i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 2 KapMuG.

Nach dem insoweit zugrunde zu legenden Vortrag der Antragsteller/Kläger zu 1), 6), 7), 9), 10), 11), 12), 13), 15), 17), 18), 19), 20), 21), 22), 23), 26), 27), 30), 31), 32), 33), 34), 35), 37), 38), 39), 42), 43) und 44) ist davon auszugehen, dass diesen der Prospekt rechtzeitig vor der jeweiligen Zeichnung vorlag und damit als Mittel der schriftlichen Aufklärung verwendet wurde (vgl. BGH vom 30.04.2019 XI ZB 13/18, IX ZB 14/18 und XI ZB 15/18).

Bei der Frage, ob eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „verwendet“ wurde, handelt es sich um eine sowohl für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des KapMuG und damit für die Zulässigkeit eines Musterverfahrens als auch für die Begründetheit eines Schadensersatzanspruchs erhebliche Tatsache. In Bezug auf derartige so genannte „doppelrelevante“ Tatsachen ist der schlüssige Vortrag des Antragstellers im Rahmen der Zulässigkeit zu unterstellen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27.10.2009 – VIII ZB 42/08 – zur Rechtswegzuständigkeit gemäß § 17a GVG; Musielak/Volt, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 1 Rn. 20 m.w.N.).

Im vorliegenden Fall haben die o.g. Antragsteller vorgetragen, anlässlich der Zeichnung beraten worden zu sein. Dabei haben sie auch die als Anlagen eingereichten Zeichnungsscheine in Bezug genommen, in welchen sie eine gesonderte Erklärung unterschrieben haben, dass sie vor Zeichnung ausreichend Zeit zum Lesen des Prospektes gehabt haben. Die Antragsteller zu 37), 38), 40), 41) und 43) haben auch in Beratungsdokumentationen den Prospekterhalt bestätigt (Anlagen B 4.2. – B 4.7). Von ihren Erklärungen sind die Antragsteller nicht abgerückt. Sie haben nicht behauptet, den Prospekt nicht oder nicht rechtzeitig erhalten zu haben. Der Antragsteller zu 7) hat vielmehr im Gegenteil konkret vorgetragen, er habe den Prospekt bei einem von mehreren Beratungsgesprächen vor der Zeichnung erhalten.

4.

Die Musterverfahrensanträge sind mit ihren geltend gemachten Feststellungszielen zulässig, denn die Entscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits hängt nur noch von den Feststellungszielen ab (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG), nachdem die Kläger und die Beklagten zu 3) – Commerzbank AG – und zu 4) – Comdirekt Bank AG – Vergleiche geschlossen haben, in denen eine Klausel enthalten ist, wonach die Kläger sich im Wege eines echten Vertrages zu Gunsten Dritter auch verpflichtet haben, Ansprüche im Zusammenhang mit fehlerhaften Beratungsleistungen – der Beklagten zu 3) bzw. zu 4) – nicht gegenüber Dritten geltend zu machen. Die Beklagten zu 3) und zu 4) sind damit am Musterverfahren nicht (mehr) zu beteiligen.

5.

Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG

Serra-Kleineidam

Wöhler

Finke

Vorsitzender Richter am Landgericht

Richterin am Landgericht

Richter

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