Ein Anleger handelt nicht grob fahrlässig, wenn er nach einer Beratung Risikohinweise im Zeichnungsschein nicht liest. Dies hat der BGH nunmehr mit Urteil vom 23.03.2017 klargestellt (BGH, Urt. v. 23.03.2017, Az:. III ZR 93/16). Die Klägerin wurde zu Kapitalanlagen beraten. Die Beraterin hatte die Beteiligungen als sicher und risikolos empfohlen. Hingegen befanden sich im Zeichnungsschein zu den Beteiligungen Hinweise auf die Risiken der Kapitalanlage. Diesen hatte die Klägerin ungelesen unterschrieben. Als die Anlage sich als verlustreich erwies, verklagte die Klägerin das Beratungsunternehmen auf Schadenersatz.
Anleger darf Berater vertrauen
Der BGH hat nunmehr klargestellt, dass ein Anleger erwarten darf, in einem Beratungsgespräch alle für die Anlageentscheidung notwendigen Informationen zu erhalten. Folglich muss der Anleger aufgrund einer persönlichen Besprechung nicht damit rechnen, dass er aus dem Text eines Zeichnungsscheins weitere Hinweise zur Kapitalanlage erhält. Ebenso ist der Anleger nicht verpflichtet, die Aussagen des Beraters anhand des vorgelegten Zeichnungsscheins zu überprüfen. Vielmehr darf der Anleger seinem Berater vertrauen. Folglich kann es dem Anleger nicht zum Vorwurf gemacht werden, er handle grob fahrlässig, wenn er den Zeichnungsschein nach der persönlichen Beratung ungelesen unterschreibt. Ein solches Verhalten erachtet der BGH gerade noch als verständlich und entschuldbar.
Anlegerverschulden nur bei deutlichen Hinweisen
Hingegen schränkt der BGH ein, dass der Anleger grob fahrlässig handeln kann, wenn der Berater den Anleger ausdrücklich auffordert, die Hinweise im Zeichnungsschein vor Unterzeichnung durchzulesen, der Anleger die erforderliche Zeit hierzu hat, die Warnhinweisen zur Kapitalanlage deutlich ins Auge springen oder der Anleger auf dem Zeichnungsschein gesonderte Warnhinweise zusätzlich unterschreiben muss.
Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (24. Senat, Az.: 24 U 156/14) hatte das der Klage stattgebende Urteil des Landgerichts Darmstadt (Az. 13 O 324/13) aufgehoben. Das Oberlandesgericht warf der Klägerin vor, unentschuldbar gegen Sorgfaltspflichten verstoßen zu haben, da sie den Zeichnungsschein und somit die Risikohinweise nicht gelesen habe. Deshalb stufte das Oberlandesgericht das Verhalten der Klägerin als grob fahrlässig nach § 199 BGB ein und sah Schadenersatzansprüche gegen das Beratungsunternehmen als verjährt an. Dem ist der BGH nunmehr entgegengetreten und stellte erneut klar, dass der beratene Anleger auch mündlichen Aussagen des Beraters vertrauen darf und diese nicht auf Richtigkeit überprüfen muss.
Quelle: RA Simon Bender von Ares Rechtsanwälte Frankfurt am Main
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