Welche Auswirkungen haben Annuitätenaussetzungen von bis zu zwei Monaten (60 Tage) aufgrund der Corona-Krise auf das Kreditportfolio und die Solvenz von Banken? Führen solche Tilgungsaussetzung zu einer Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen?
Wenn ein Kredit gestundet wird, aber auf die gestundeten Beträge eine Verzinsung zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen („zum ursprünglichen Effektivzins“) vereinbart ist, wird der Schuldner nicht als ausgefallen gezählt. Eine solche Stundung bewirkt nämlich zum einen, dass der Kredit innerhalb des mitgeteilten Limits bleibt, so dass keine „überfällige wesentliche Verbindlichkeit“ nach Art. 178 (1) b) CRR entsteht. Zum anderen gilt bei einer solchen Stundung die finanzielle Verbindlichkeit des Schuldners nicht als verringert, so dass keine „krisenbedingte Restrukturierung“ nach Art. 178 (3) d) CRR vorliegt.
Hintergrund: Nach der Konkretisierung der Ausfalldefinition, die einige Institute schon umgesetzt haben und die übrigen Institute bis 31.12.2020 umsetzen werden, gilt eine finanzielle Verbindlichkeit dann als nicht wesentlich verringert, wenn der Barwert der erwarteten ausstehenden Zahlungen, gerechnet zum ursprünglichen Effektivzinssatz des Kunden, um nicht mehr als 1% sinkt. (BaFin-Rundschreiben 3/2019 (BA) in Verbindung mit EBA/GL/2016/17, Rn 51). In Ermangelung anderer Kriterien würden wir dies unabhängig vom jeweiligen Implementierungsstand des jeweiligen Instituts als Benchmark für unsere Einschätzung nehmen, ob durch die Stundung ein relevanter Barwertverlust entsteht.
Die Regelung des Art. 178 CRR gilt auch für den Prudential Backstop (Art. 47a ff. CRR) und ist auch Maßstab für den NPL Kapitalabzug. Mit anderen Worten fällt dieser Fall unter „living forbearance“ und damit nicht unter den Prudential backstop. Gleiches gilt für den EZB NPL Calendar, der für SI Anwendung findet. Etwaige Auswirkungen auf die LCR müssen beachtet werden.
Im Übrigen stehen auch die rechtsnormkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften der MaRisk einer solchen pauschalen Ratenstundung für zwei Monate nicht grundsätzlich entgegen. Insbesondere folgende Regelungen sind zu betrachten: BTO 1.2.1 regelt den Prozess der Kreditgewährung und die zur Bereitstellung eines Kredites erforderlichen Arbeitsschritte und organisatorischen Mindestanforderungen (wie die Beteiligung von Markt und Marktfolge bei risikorelevanten Engagements). BTO 1.2.4 wiederum regelt die Intensivbetreuung und hier zuvorderst die Notwendigkeit von feststehenden Kriterien, wann ein Engagement einer gesonderten Beobachtung zu unterziehen ist: Die Entwicklung dieser Kriterien und die regelmäßige Überprüfung muss außerhalb des Marktes angesiedelt sein. Bei der Festlegung der Kriterien hat das Institut insbesondere solche Engagements in die Analyse einzubeziehen, bei denen Zugeständnisse hinsichtlich der Rückzahlungsmodalitäten des Kreditnehmers gemacht wurden (Forbearance). Bei diesen Regelungen handelt es sich also gewissermaßen um strukturelle Vorgaben für die operative Aufstellung eines Instituts im Bereich der Intensivbetreuung.
Dagegen regeln die MaRisk nicht, nach welchen Kriterien und unter welchen Voraussetzungen eine Stundung zugunsten eines Kreditnehmers überhaupt erfolgen darf. Dies muss ein Institut im Rahmen banküblicher Sorgfaltspflichten in eigener geschäftspolitischer Verantwortung entscheiden. Daran, was noch als banküblich gelten darf, sind im Fall einer solchen singulären Krise gewiss andere Maßstäbe anzulegen als in Normalzeiten. Dies wird auch bei späteren Prüfungen zu berücksichtigen sein.
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