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Anordnung der Treuhandverwaltung über deutsche Rosneft-Töchter ist rechtmäßig

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Die im September 2022 erlassene Anordnung einer Treuhandverwaltung nach dem Energiesicherungsgesetz über die Rosneft Deutschland GmbH (RDG) und die Rosneft Refining and Marketing GmbH (RNRM) in Berlin ist rechtmäßig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Die beiden Tochtergesellschaften der in Luxemburg und Moskau ansässigen Klägerinnen sind unter anderem an der PCK-Raffinerie GmbH in Schwedt/Oder (PCK) beteiligt. Diese sichert die Grundversorgung des Nordostens Deutschlands mit Mineralölprodukten und beliefert den Berliner Flughafen. Sie ist auf die Verarbeitung russischen Rohöls ausgelegt.

Im März 2022 bat RDG das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz um Unterstützung, weil Geschäftspartner die weitere Zusammenarbeit auch über das sanktionsrechtlich Geforderte hinaus verweigerten (Overcompliance), und erklärte, sonst drohe die Insolvenz. Daraufhin erläuterte das Ministerium in einem Letter of Comfort, dass die inländischen Tochtergesellschaften nicht unter die EU-Sanktionsregelungen fielen, und betonte ihre Bedeutung für die Versorgungssicherheit. Einer späteren Bitte um einen neuen Letter of Comfort kam es nicht nach, sondern erwog die Anordnung einer Treuhandverwaltung. RDG warnte vor russischen Gegenmaßnahmen. Wenig später erhielt das Ministerium Hinweise auf Versuche, Kapital der deutschen Tochtergesellschaften abzuziehen.

Mit Bescheid vom 14. September 2022 ordnete es gemäß § 17 Energiesicherungsgesetz die Treuhandverwaltung der Stimmrechte aus den Geschäftsanteilen an RDG und RNRM bis zum 15. März 2023 an. Während dieser Zeit werden die Stimmrechte der Klägerinnen durch die Bundesnetzagentur wahrgenommen. Diese darf auch Geschäftsführer der RDG und RNRM bestellen und abberufen und ihnen Weisungen erteilen. Außerdem wird die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Geschäftsführungen beschränkt. Die Begründung führte aus, beide Gesellschaften betrieben Kritische Infrastruktur im Sektor Energie. Ihre Geschäftstätigkeit sei erforderlich, um die Versorgungssicherheit zu erhalten. Die Overcompliance führe zu einer konkreten Gefahr für die Erfüllung ihrer Aufgaben. Dadurch drohe eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit. Die Treuhandverwaltung sei geeignet und erforderlich, diese Gefahr abzuwenden und rechtzeitig Maßnahmen einzuleiten, um die PCK-Raffinerie von russischen Öllieferungen unabhängig zu machen.

Die Klägerinnen halten die Anordnung für rechtswidrig. Sie sei ohne die erforderliche vorherige Anhörung erlassen worden und nur unzureichend begründet. Außerdem sei sie unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die dagegen erhobenen Klagen nach mehrtägiger Verhandlung und umfangreicher Beweisaufnahme abgewiesen. Zwar sind beide Klägerinnen klagebefugt. Sie können geltend machen, ein gesetzwidriger Ausschluss von der Wahrnehmung ihrer Stimmrechte verletze sie in ihren Gesellschafterrechten. Ihre Klagen sind jedoch nicht begründet. Die Anordnung der Treuhandverwaltung vom 14. September 2022 ist rechtmäßig.

Zu einer vorherigen Anhörung der Klägerinnen war das Ministerium wegen Gefahr im Verzug nicht verpflichtet. Hinweise auf einen drohenden Kapitalabzug ließen einen Zusammenbruch der Unternehmen ähnlich dem der Gazprom Germania befürchten. Die Pflicht zur Begründung der Anordnung hat das Ministerium hinreichend erfüllt.

Die Anordnung ist auch materiell rechtmäßig. § 17 Abs. 1 bis 4 EnSiG ist verfassungskonform. Er ermächtigt zur Anordnung der Treuhandverwaltung über Unternehmen der Kritischen Infrastruktur im Sektor Energie, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass das Unternehmen sonst seine dem Funktionieren des Gemeinwesens im Energiesektor dienenden Aufgaben nicht erfüllen wird, und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. Diese Regelung schränkt die Berufsfreiheit und die Freiheit unternehmerischer Betätigung (Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) verhältnismäßig ein. Zugleich normiert sie eine ebenfalls verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung der Anteilsrechte von Gesellschaftern (Art. 14 Abs. 1 GG).

Die Voraussetzungen der Ermächtigung lagen im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung Mitte September 2022 vor. RDG und RNRM zählen zu den Betreibern der PCK-Raffinerie, einer Anlage der Kritischen Infrastruktur im Sinne der Vorschrift. Betreiber ist, wer nach den rechtlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Umständen bestimmenden Einfluss auf Bestand oder Betrieb einer Anlage oder Teilen davon hat. § 17 Abs. 1 EnSiG geht davon aus, dass eine Anlage von mehreren gemeinschaftlich betrieben werden kann, und behandelt zwecks effektiver Gefahrenabwehr jeden Mitbetreiber als Betreiber. Die PCK-Raffinerie wird nicht von der gleichnamigen GmbH betrieben, sondern von einem Joint Venture-Konsortium. Dazu gehören ihre Gesellschafter, darunter RDG und ein mehrheitlich von RNRM gehaltenes Unternehmen. Die Konsorten treffen die wesentlichen Entscheidungen und beschränken die Tätigkeit der PCK Raffinerie GmbH auf eine gewinnlose (non profit) Lohnverarbeitung im Umfang ihrer jeweiligen Beteiligungen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestand die konkrete Gefahr, dass RDG und RNRM ohne eine Treuhandverwaltung ihre Aufgabe, ihren bisherigen Beitrag zur Energieversorgung weiter zu erbringen, künftig nicht erfüllen könnten. Im Rahmen seiner Beweiswürdigung hat der Senat die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen und die Angriffe gegen die Glaubwürdigkeit einzelner Zeugen im Einzelnen geprüft. Auf die hilfsweise unter Beweis gestellten Tatsachen kam es nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung nicht an.

Die dem Ministerium Mitte September 2022 bekannten und für es erkennbaren Umstände rechtfertigten die Prognose, dass RDG und RNRM ihren Versorgungsbeitrag im Fall einer Unterbrechung der russischen Rohöllieferung, auf die Versuche zum Kapitalabzug hindeuteten, nicht mehr leisten könnten. Sie hatten für diesen Fall keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen, obwohl das Klagevorbringen selbst eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer solchen Unterbrechung einräumt. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit sind wegen der überragenden Bedeutung der Versorgungssicherheit gering. Darüber hinaus war die Geschäftstätigkeit der beiden Tochtergesellschaften nach wie vor durch Overcompliance gefährdet. Das betraf insbesondere die Zusammenarbeit mit Banken und Versicherungen. Das Bemühen von RDG und RNRM, die zunehmenden Probleme mit gesteigerter Risikobereitschaft oder über Hilfskonstruktionen zu lösen, bot keine ausreichende Gewähr für einen zuverlässigen künftigen, unverminderten Versorgungsbeitrag.

Das Ministerium hat sein Ermessen zur Anordnung der Treuhandverwaltung entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt. Um eine Betriebsfortführung im Interesse der Versorgungssicherheit zu gewährleisten, zielt die Anordnung auf eine Reduzierung der Overcompliance-Probleme und auf eine rechtzeitige Diversifizierung des Rohölbezugs. Dazu gehören Investitionen wie die Ertüchtigung der Pipeline von Rostock nach Schwedt, an denen oder deren Finanzierung der Konzern kein Interesse hatte. Die Ertüchtigung ermöglicht zeitnah eine Raffineriebelieferung im Umfang der Mindestlast auch bei unvorhergesehenen Unterbrechungen der Lieferungen russischen oder kasachischen Öls über die Drushba-Pipeline.

Der Vorwurf, das Ministerium habe sein Ermessen missbraucht, um ein Importembargo für russisches Rohöl ohne gesetzliche Grundlage durchzusetzen, trifft nicht zu. Wie sich aus dem Verwaltungsvorgang ergibt, wurde die Treuhand bereits mehr als zwei Monate vor dem sechsten EU-Sanktionspaket und der Protokollerklärung zum Verzicht auf russisches leitungsgebundenes Öl diskutiert. Sie wurde auch nicht unmittelbar danach und deswegen angeordnet, sondern erst, als Hinweise auf drohenden Kapitalabzug einen baldigen Zusammenbruch von RDG und RNRM befürchten ließen und eine schnelle Stabilisierung geboten war.

Die Anordnung wahrt auch die rechtlichen Grenzen des Ermessens. Dabei kann offenbleiben, inwieweit die Klägerinnen grundrechtsberechtigt sind. Sie werden keinen Beeinträchtigungen ausgesetzt, denen nicht auch grundrechtlich geschützte inländische Kapitalgesellschaften in gleicher Situation von Rechts wegen ausgesetzt wären.

Sollten Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG vorliegen, sind sie verhältnismäßig. Das Einschalten der Treuhänderin war geeignet und wegen der unzureichenden Wirkung des Letters of Comfort erforderlich, die Overcompliance-Probleme zu reduzieren. Außerdem ermöglichte es, unverzüglich die für die Versorgungssicherheit nötigen Investitionen wie den Ausbau der Pipeline voranzutreiben. Bloße Auflagen hätten der Overcompliance nicht begegnen können und die Diversifizierung des Rohölbezugs erschwert. Mittel des Erdöl-Bevorratungsverbandes sind für unvorhergesehene Engpässe vorgesehen. Die Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen sind erforderlich, um die Wirksamkeit der Treuhandverwaltung zu sichern.

Auch die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG ist, falls betroffen, nicht verletzt. Die Anordnung stellt eine nicht entschädigungspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums an den Gesellschaftsanteilen dar. Sie ist verhältnismäßig, weil sie wegen der überragenden Bedeutung des Gemeinwohlguts der Versorgungssicherheit von der Sozialbindung des Eigentums gedeckt ist. Ein Ausfall der PCK-Raffinerie hätte die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse wie die Wärmeversorgung von Wohnungen, Schulen und Heimen, die Krankentransporte und die Feuerwehr gefährdet, deren Funktionsfähigkeit der Staat zur Erfüllung grundrechtlicher Schutzpflichten sicherstellen muss.

Art. 4 des Sowjetisch-Deutschen Investitionsschutzabkommens steht der Anordnung ebenfalls nicht entgegen. Die sechsmonatige Treuhandverwaltung hat keine einer Enteignung vergleichbare Wirkung. Sie lässt die Inhaberschaft der Gesellschaftsanteile und deren Renditegrundlage unberührt, weil Verfügungen des Treuhänders über die Anteile ausgeschlossen und Veräußerungen von Vermögensgegenständen nur zum Werterhalt des Unternehmens zulässig sind. Die Anordnung ist auch mit Unionsrecht und der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar.

BVerwG 8 A 2.22 – Urteil vom 14. März 2023

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