Der BGH urteilte am 18. Juni 2015 (BGH III ZR 189/14, BGH III ZR 191/14, BGH III ZR 198/14, BGH III ZR 227/14), welche Anforderungen an Güteanträge zu stellen sind, mit welchen die Verjährung von Ansprüchen wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung gehemmt werden sollte (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB). Hierauf geht er in seiner Pressemitteilung (100/2015) näher ein.
Die Kläger reichten Mustergüteanträge ein, wie sie „einem breiten Publikum von Rechtsanwälten zur Verfügung gestellt und in großer Zahl verwendet worden sind“. Die Klagen richteten sich gegen den AWD-Nachfolger Swiss Life Select. Es ging um geschlossene Immobilienfonds, deren Vermittlungen oder Beratungen noch vor der Schuldrechtsreform lagen; für etwaige Beratungsfehler bzw. Pflichtverletzungen war (erstmalig) die maximale, tägliche zu berechnende, kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB einschlägig (hier zum Ablauf des 2. Januar 2012). Die Kläger versuchten, mit den Mustergüteanträgen die Verjährung zu hemmen. Allerdings genügten die Anträge nicht den Anforderungen des BGH, weswegen die geltend gemachten Ansprüche der Kläger verjährten.
Der BGH entschied, dass in Güteanträgen zu Anlageberatungsfällen regelmäßig die konkrete Kapitalanlage bezeichnet angegeben werden muss sowie die Zeichnungssumme, der ungefähre Beratungszeitraum und der Hergang der Beratung mindestens im Groben; ferner ist das angestrebte Verfahrensziel zumindest soweit zu umschreiben, dass dem Gegner und der Gütestelle ein Rückschluss auf Art und Umfang der verfolgten Forderung möglich ist. Dies war in den vom BGH zu entscheidenden Fällen offenbar nicht der Fall.
Davon sollen nun tausende Anleger betroffen sein, die ebenfalls solche oder ähnliche Musteranträge verwendeten. Die Anleger müssen damit rechnen, dass auch ihre Güteanträge nicht die Verjährung hemmten und ihre darauf hin erhobenen Klagen unbegründet sind – soweit die Gegenseite dies erkannt und die Einrede der Verjährung erhoben hat oder nun noch erheben kann, was wahrscheinlich ist.
Die betroffenen Anleger werden nun erwägen, ob Schadenersatzansprüche gegen die Anlegeranwälte geltend zu machen sind oder durchgesetzt werden können. Dies würde grundsätzlich voraussetzen, dass ihnen die Verwendung der Musteranträge von den Anlegeranwälten empfohlen wurde und sie die Anträge nicht anderweitig erhielten. Besteht oder bestand jedoch ein Mandatsverhältnis, so ist eine unvorsätzliche Pflichtverletzung, bedingt durch das Massengeschäft, theoretisch denkbar. Als Schaden käme vornehmlich die von den Anlegern geleistete Anwaltsvergütung in Betracht. Ein darüber hinaus gehender Schaden, etwa der nun nicht mehr zu realisierende Zeichnungsschaden oder die Anwaltsgebühren der Gegenseite, sind jedoch davon abhängig, wie der jeweilige Prozess unter der Hypothese ausgegangen wäre, dass die Güteanträge korrekt waren und die Ansprüche nicht verjährt wären. Das bedarf näherer Überprüfung.
Weitere Fragen dürften sein, ob die betreffende Anlegerkanzlei die geltend gemachte Schadenssumme überhaupt wirtschaftlich tragen könnte und wie es um die Einstandspflicht und Höhe der Berufshaftpflichtversicherung bestellt ist, auch im Falle einer etwaigen Insolvenz der Anwaltsgesellschaft. Auch die Rechtsform, die sich ggf. auf die persönliche Haftung der Partner oder entsprechende Beschränkungen auswirken kann, spielt eine erhebliche Rolle.
Daniel Blazek
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