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Anwaltswerbung mit Anlegerdaten aus Insolvenzakten – Interview mit Rechtsanwalt Daniel Blazek

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Diebewertung.de: Herr Rechtsanwalt Blazek, Sie schreiben gerade etwas zur verbotenen Anwaltswerbung. Wie kommen Sie da auf Anlegerdaten aus Insolvenzakten?

Blazek: Weil es hin und wieder geschieht, dass Anleger von gescheiterten Kapitalanlagen aus heiterem Himmel Werbe-Briefe von Kanzleien bekommen. Manchmal steht in diesen Briefen auch, dass man die Adressen aus der Insolvenzakte hat.

Diebewertung.de: Braucht man das denn heutzutage noch als Anlegeranwalt? Bekommt man die Anlegeradressen nicht auch einfach von der Anlagegesellschaft oder dem Treuhänder?

Blazek: Nicht in allen Fällen. Ein solches Recht besteht in erster Linie für Anleger, die Gesellschafter oder Innengesellschafter bei einer Kapitalanlage geworden sind. Sie dürfen sich deshalb über die Personen bzw. Anschriften der Mitgesellschafter informieren, § 716 BGB, wenn das nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise geschieht.

Dies hat der BGH auch schon so entschieden. Wenn es sich aber um eine schuldrechtliche Kapitalanlage handelt wie Nachrangdarlehen, Genussrechte, Schuldverschreibungen, bestimmte Direktinvestments oder auch auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts um sog. zweigliedrige stille Gesellschaften, dann sieht die Rechtslage anders aus. Dann kommen Anlegeranwälte schonmal auf die Idee, in Insolvenzakten zu schauen. Oder in Strafakten.

Diebewertung.de: Und wie finden die Anleger das?

Blazek: Einige sicherlich gut, weil sie gerade ratlos sind. Andere fragen sich, ob das datenschutzrechtlich in Ordnung ist. Der Datenschutz ist in der heutigen Zeit ja ein ziemlich breit diskutiertes Thema. Immerhin hat die werbende Anwaltskanzlei die Information, wer der Anleger ist, wo er wohnt, worin er investiert hat und bisweilen auch, wie hoch seine Investition war.

Diebewertung.de: Und so etwas steht in Insolvenzakten?

Blazek: Jedenfalls dann, wenn der Anleger dort als Insolvenzgläubiger erfasst ist, zum Beispiel weil er Forderungen angemeldet hat.

Diebewertung.de: Darf man als Rechtsanwalt nicht in die Insolvenzakten bei Gericht schauen?

Blazek: Doch, wenn Sie einen Gläubiger vertreten, selbst einer sind oder ein rechtliches Interesse glaubhaft machen.

Diebewertung.de: Wo ist dann das Problem genau?

Blazek: Es liegt nicht so sehr in der Erlangung der personenbezogenen Daten, jedenfalls nicht in der berechtigten Art und Weise im Sinne der §§ 299 ZPO, 4 InsO. Es liegt mehr in der Nutzung für werbliche Zwecke des Anwalts, wenn man so will, im Direktmarketing.

Diebewertung.de: Können Sie das näher erläutern?

Blazek: Ein Rechtsanwalt darf die aus der Insolvenzakte gewonnen Daten grundsätzlich nur dann für Zwecke der Eigenwerbung nutzen, wenn der betroffene Anleger eingewilligt hat oder wenn gesetzliche Erlaubnistatbestände greifen.

Liegen eine Einwilligung und die Erlaubnistatbestände nicht vor, so ist das berufsrechtswidrig bzw. verstößt dies gegen das Datenschutzgesetz. Dies hat jedenfalls das Anwaltsgericht Berlin im März 2018 (1 AnwG 34/16) so entschieden. Allerdings galt da noch das BDSG in seiner alten Fassung. Heute gilt diesbezüglich die EU-DSGVO.

Diebewertung.de: Was sind denn die gesetzlichen Erlaubnistatbestände?

Blazek: Im alten BDSG ging es dabei um personenbezogene Daten aus allgemein zugänglichen Quellen, um die Erforderlichkeit der Datennutzung für Wahrnehmung berechtigter bzw. öffentlicher Interessen oder um Daten aus bereits bestehender Geschäftsbeziehung. Das sah das Gericht aber nicht als gegeben an. Die Insolvenzakte ist insbesondere auch keine allgemein zugängliche Quelle wie zum Beispiel das Handels- oder Unternehmensregister.

Diebewertung.de: Ist die Rechtslage seit Geltung der DSGVO jetzt eine andere?

Blazek: Sie ist in diesen Punkten grundsätzlich gleich geblieben. Ohne Einwilligung des Anlegers oder das Vorliegen einer gesetzlicher Erlaubnis dürfen seine personenbezogenen Daten nicht für werbliche Zwecke eines Anwalts genutzt werden.

Allerdings gibt es in der EU-DSGVO keine explizite Vorschrift mehr zum Direktmarketing wie noch in § 28 Abs. 3 BDSG in der alten Fassung. Man kann es aber auch aus den allgemeinen Erlaubnissen in den Artikeln 5 und 6 EU-DSGVO herleiten.

 

 

 

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