Landgericht Hannover Beschluss
13 Kap 1/16
18 OH 2/16
In dem Musterverfahren
ARFB Anlegerschutz UG (haftungsbeschränkt), vertreten durch den Geschäftsführer Daniel Blazek, Fehrbelliner Straße 52, 10119 Berlin,
Musterklägerin, |
Prozessbevollmächtigte:
TILP Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Einhornstraße 21,
72138 Kirchentellinsfurt,
Geschäftszeichen: 900001/14 TI/ZwU
gegen
1. Porsche Automobil Holding SE, vertreten durch den Vorstand Hans Dieter Pötsch (Vorstandsvorsitzender), Dr. Manfred Döss, Matthias Müller, Philipp von Hagen, Porscheplatz 1, 70435 Stuttgart,
2. Volkswagen AG vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg,
Musterbeklagte, |
Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Hengeler Müller,
Bockenheimer Landstraße 24, 60323 Frankfurt,
Geschäftszeichen: 66825785v2; 68238117 vl; 628110206 vl
Prozessbevollmächtigte zu 2:
Anwaltsbüro Göhmann, Ottmerstraße 1 – 2, 38102 Braunschweig,
Geschäftszeichen: 01907-11 BE/SW
hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wiese, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Böttcher und den Richter am Oberlandesgericht Thomas am 5. Dezember 2016 beschlossen:
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Gründe:
I.
Die ARFB Anlegerschutz UG wird gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 KapMuG zur Musterklägerin bestimmt.
1. Das Landgericht Hannover hat nach Bekanntmachung des Vorlagenbeschlusses vom 13. April 2016 (18 OH 2/16) die bereits anhängigen Klageverfahren 18 O 175/15 mit 32 Klägern, 18 O 96/15, 18 O 89/15 jeweils mit der Musterklägerin, 18 O 174/15, 18 O 333/14 mit jeweils einem Kläger sowie 18 O 159/13 mit 7 Klägern mit Beschlüssen vom 11. Mai 2016 ausgesetzt. Die TILP Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vertritt dabei die 31 Kläger aus den Ausgangsverfahren 18 O 89/15, 18 O 96/15 und 18 O 175/15.
2. Der Senat ist an einer Bestimmung des Musterklägers nicht gehindert, auch wenn die Kläger des Klageverfahrens 18 O 159/13 gegen den Aussetzungsbeschluss des Landgerichts Hannover sofortige Beschwerde eingelegt haben.
a) Der Aussetzungsbeschluss bewirkt gemäß § 9 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 KapMuG die Beiladung der Kläger der Ausgangsverfahren kraft Gesetzes (vgl. BT-Drucks. 17/8799, S. 22) und – vor Bestimmung des Musterklägers – die Beteiligung im Musterverfahren (KölnKomm/Kruis, KapMuG, 2. Aufl., § 8 Rn. 60; KölnKomm/Reuschle, a. a. O., § 9 Rn. 37, 38). Mit der Aussetzung sind daher für die Kläger des Klageverfahrens 18 O 159/13 die einzelnen Beteiligungsrechte im Musterverfahren (z. Bsp. nach §§ 9 Abs. 2, 12 Abs. 1, 14 Satz 2, 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG) begründet. Nach § 14 Satz 1 KapMuG kommt es für die Beteiligtenstellung auf den Zeitpunkt der Aussetzung an, die hier durch Beschluss des Landgerichts Hannover am 11. Mai 2016 erfolgt ist. Gemäß § 11 Abs. 1 KapMuG i.V.m. § 570 Abs. 1 ZPO hat die sofortige Beschwerde keine aufschiebende Wirkung, so dass die Einlegung an der Aussetzung und der damit gemäß § 9 Abs. 3 KapMuG verbundenen Beiladung zum Musterverfahren nichts ändert (KölnKomm/Kruis, a. a. O., § 8 Rn. 69).
Ein Nachteil entsteht den Klägern dadurch nicht. Sie können sich an dem Musterverfahren beteiligen und einer von ihnen hätte ggf. zum Musterkläger bestimmt werden können. Die Möglichkeit, mit den Klägern der übrigen ausgesetzten Verfahren zu kooperieren, besteht bereits jetzt. Soweit die Beschwerde Erfolg haben sollte und der Aussetzungsbeschluss aufgehoben würde, würden die Kläger nachträglich wieder aus dem Musterverfahren ausscheiden (KölnKomm/Kruis, a. a. a. O., § 8 Rn. 69).
b) Den Klägern des Klageverfahrens 18 O 159/13 ist mit Beschluss des Senats vom 8. Juni 2016 Gelegenheit gegeben worden, zur Bestimmung des Musterklägers Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme ist mit Schriftsatz vom 14. September 2016 erfolgt.
3. Die Bestimmung der ARFB Anlegerschutz UG zur Musterklägerin durch den Senat erfolgt nach billigem Ermessen gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 KapMuG.
Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 KapMuG ist neben der Eignung des Klägers und einer Verständigung mehrerer Kläger die Höhe des Anspruches, soweit er Gegenstand des Musterverfahrens ist, vorrangig bei der Bestimmung des Musterklägers zu berücksichtigen. Für die Bestimmung der ARFB Anlegerschutz UG zur Musterklägerin spricht dabei, dass sich auf Klägerseite insgesamt 34 Kläger auf die ARFB Anlegerschutz UG als Musterklägerin geeinigt haben. Soweit dabei Kläger von einem Büro vertreten werden, ist die Einigung auf einen Musterkläger ein gewichtiger Aspekt, der die Ermessensausübung jedenfalls beeinflusst (vgl. KölnKomm/Reuschle, a. a. O., § 9 Rn. 58).
Die von den Feststellungszielen betroffenen Individualansprüche der ARFB Anlegerschutz UG belaufen sich in dem Klageverfahren 18 O 96/15 auf 311.685.552,19 € und in dem Klageverfahren 18 O 89/15 auf 983.820.440,40 €, so dass ein gewichtiges Interesse an dem Ausgang des Musterverfahrens in ihrer Person besteht. Die in dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Hannover enthaltenen Feststellungsziele beruhen überwiegend auf den Vorlageanträgen der ARFB Anlegerschutz UG, deren Klageverfahren auch gegen beide Musterbeklagte gerichtet ist.
II.
Die Bestimmung des Musterklägers ist unanfechtbar (§ 9 Abs. 2 Satz 3 KapMuG).
III.
Es wird gemäß § 11 Abs. 1 KapMuG i. V. m. § 219 Abs. 1 ZPO bestimmt, dass die Termine zur mündlichen Verhandlung nicht an der Gerichtsstelle am Oberlandesgericht Celle, sondern in Saal 127 des Landgerichts Hannover stattfinden.
Termine können außerhalb der Gerichtsstelle an anderen Orten vorgenommen werden, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung gerichtlicher Handlungen oder einer Beweisaufnahme erforderlich ist. Erforderlich bedeutet notwendig (Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 219 Rn. 2). In dem Gebäude des Oberlandesgerichts Celle stehen angesichts der zu erwartenden zahlenmäßig starken Beteiligung von Beigeladenen und wegen des großen Medien- und Öffentlichkeitsinteresses keine geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung, die zur Durchführung der Verhandlung ausreichend groß sind. In einem solchen Fall ist es erforderlich, dass die mündliche Verhandlung außerhalb der Gerichtsstelle durchgeführt wird (Stadler in Musielak/Voit, a. a. O; Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl., § 219 Rn. 2; KölnKomm/Vollkommer, a. a. O., § 11 Rn. 92).
Wiese Dr. Böttcher Thomas
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