diebewertung.de: Herr Blazek, beide Astoria Organic Matters-Anlagegesellschaften sind insolvent. Stehen die Vertriebe nun in der Haftung?
Blazek: Das kommt immer auf den konkreten Einzelfall an. Es muss geprüft werden, ob eine Pflichtverletzung des Vermittlers oder Beraters im Vorfeld der Anlageentscheidung stattfand. Dabei spielen auch die verwendeten Prospekte eine Rolle. Sicher ist aber, dass eine Insolvenz des Emittenten – also des Vertragspartners des geschädigten Anlegers – die Tätigkeit von Anlegeranwälten gegenüber dem Vertrieb erhöht. Denn es fällt mit den insolventen Anlagegesellschaften ja ein wirtschaftlich aussichtsreicher Gegner weg.
diebewertung.de: War über die Anlagemodelle der Astoria Organic Matters-Gesellschaften denn leicht aufzuklären?
Blazek: Bei der ersten Anlage handelte es sich um eine Kommanditbeteiligung, also um den Klassiker des Graumarkts. Das sollte nicht schwer zu erläutern sein. Die andere Anlage bestand in einer Namensschuldverschreibung, die allerdings nachrangig war. Insbesondere einen qualifizierten Nachrang bei einem von Haus aus unbedingten schuldrechtlichen Anspruch richtig zu erläutern, ist schon schwieriger. Der Vertrieb der Kommanditbeteiligung soll in wenigen Händen gelegen haben; es handelte sich wohl um eine eher kleine Emission in Höhe von 8 Mio. Euro. Bei den Schuldverschreibungen waren 20 Mio. Euro angepeilt, und die Emission soll ebenfalls erfolgreich geschlossen worden sein.
diebewertung.de: Welche besonderen Fallstricke sehen Sie denn grundsätzlich bei der Aufklärung?
Blazek: Über die normalen Risiken einer KG-Beteiligung hinaus geistert eine recht hohe Provisions- bzw. Abschlusskostenquote durch das Netz in Höhe von 17 %. Hier wären wir schon im per se aufklärungspflichtigen Bereich. Hinzu kommt der geplante Fremdfinanzierungsanteil. Dem kann mit einem diesbezüglich fehlerfreien Prospekt begegnet werden, wenn dieser erläutert oder dem Anleger rechtzeitig vor Zeichnung überlassen wurde. Was hingegen einen qualifizierten Nachrang ausmacht und welche Risiken aus ihm resultieren, können auch Juristen nicht immer fehlerfrei erklären. Auch hierbei wäre auf den Prospekt abzustellen. Für beide Emissionen gilt zudem, dass das Geld ins Ausland fließen sollte, woraus wieder bestimmte Risiken resultieren.
diebewertung.de: Sind die Prospekte denn fehlerhaft und würden dann automatisch zu einer Haftung des Vertriebs führen?
Blazek: Das werden sicher in den nächsten Jahren die Gerichte klären. Gerichte sind in Zeiten des Verbraucherschutzes selten komplett zufrieden mit einem Prospekt. Allerdings führt dies nicht mehr ganz so schnell zu einer automatischen Haftung des Vertriebs wie früher. Früher reichte es, wenn man den Prospekt einfach als Arbeitsgrundlage darstellte. Heute benötigt man schon den Nachweis, dass die kritisierte Prospektstelle auch kausal für die Beitrittsentscheidung war. Hier ist die Rechtsprechung des BGH mittlerweile konkreter bzw. die Anforderungen an eine Haftung in diesem Punkt präziser geworden.
diebewertung.de: Wie sieht es mit der wirtschaftlichen Plausibilität aus?
Blazek: Das ist der aktuelle Dauerbrenner der vorgeworfenen Pflichtverletzungen. Genauso unkonkret und wenig beeindruckend wird der Vorwurf in aller Regel aber auch geführt. Es reicht nicht, schlicht aus einer Insolvenz heraus rückwirkend die Plausibilität zu kritisieren. Vielmehr muss das aus einer sog. ex ante-Sicht bewiesen werden, womit sich die Anlegeranwälte nicht immer leicht tun. Oft werden auch rechtliche Erwägungen fälschlich in eine wirtschaftliche Betrachtung, welche die Plausibilitätsprüfung im Kern nunmal ist, erst recht bei Vermittlern, in die Plausibilitätsprüfung hineingelesen. Auch hierbei muss man genau differenzieren.
diebewertung.de: Können die Astoria Organic Matters-Anleger es bei Pflichtverletzungen auch auf eine mögliche Haftpflicht des Vertriebs absehen?
Blazek: Dazu wäre erst einmal im Einzelfall eine Pflichtverletzung zu beweisen, welche dann auch noch nicht wissentlich geschehen sein darf. Mit der Frage der angeblichen Wissentlichkeit, mit welcher sich die Versicherung grundsätzlich freizeichnen kann, werden aktuell einige interessante Prozesse in der BRD geführt. Aber gesetzt den Fall, es handelte sich um eine hinreichende und kausale Pflichtverletzung des Vertriebs, dürfte eine VSH grundsätzlich zu involvieren sein. Das Emissionshaus wurde erst in 2012 gegründet und die meisten Beteiligungen ab 2013 vertrieben, die Schuldverschreibungen später. § 34f GewO und die dortige Versicherungspflicht galten also schon. Zu beachten ist allerdings, wer jeweils Vertragspartner der Vermittlung oder Beratung war, war dies die Person vor Ort persönlich oder handelte diese für ein Unternehmen, das eigentlich haftet? Auch das ist je individuell zu klären.
Kommentar hinterlassen