Mit Urteil vom 19.07.2012 (III ZR 252/11) hat der Bundesgerichtshof sich erneut mit den Nettopolicen der Atlanticlux S. A. befasst. Im konkreten Fall ging es darum, ob eine Nettogebührenvereinbarung durch den Verbraucher widerrufen werden kann und welche Rechtsfolgen ein solcher Widerruf hat. Der Bundesgerichtshof stufte dabei die Gebührenvereinbarung als Teilzahlungsgeschäft ein. Das hat die Folge, dass diese Gebührenvereinbarungen eine Widerrufsbelehrung enthalten müssen. Die Anforderungen an solche Belehrungen sind streng.
Bei Nettopolicen handelt es sich um Versicherungsverträge, bei denen die Provisionen für die Vertriebsmitarbeiter nicht in den Prämien enthalten sind, die an die Versicherungsgesellschaft zu zahlen sind. Für diese Provisionen schließt der Anleger eine separate Gebührenvereinbarung mit der Vertriebsgesellschaft und hat diese auch dann zu bezahlen, wenn der Hauptvertrag, also der Lebensversicherungsvertrag, gekündigt ist. Ein bedeutender Anbieter derartiger Nettopolicen war die Altlanticlux S. A., deren Vertriebe dann jeweils einzelne Vertriebsabsprachen mit dem Kunden getroffen haben. Einer dieser Vertriebe hatte eine Widerrufsbelehrung genutzt, die über einen Fristbeginn für den Widerruf wie folgt belehrte:
“Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform… widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.”
Die Belehrung über den Fristbeginn “frühestens” ist vom BGH bereits mehrfach für fehlerhaft ausgeurteilt worden, da der Anleger nicht wissen kann, wann die Frist dann spätestens zu laufen beginnt. Das Wörtchen frühestens ist zwar vom Gesetzgeber in einer Musterbelehrung verwendet worden, so dass hier möglicherweise ein guter Glaube des Verwenders in die Ordnungsgemäßheit des gesetzlichen Widerrufsmusters geschützt werden könne. Dies geht aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur, wenn der Anwender auch die Musterbelehrung wörtlich übernimmt und keinerlei Änderungen vornimmt. Hier ist die Musterbelehrung nicht wörtlich übernommen worden, so dass nach Ansicht des Bundesgerichtshofes der Anleger seine Gebührenvereinbarung zu Recht widerrufen hat.
Die Rechtsfolge des Widerrufes ist allerdings nicht, dass der Versicherungskunde keinerlei Gebühren mehr an die Vertriebsgesellschaft zahlen muss. Vielmehr ist der objektive Wert der Vermittlungsleistung zu ersetzen. Dieser kann nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes tatsächlich so hoch sein wie der vertraglich vereinbarte, er muss es aber nicht.
Zur Bestimmung des konkreten Wertes der Vermittlungsleistung wurde die Sache zurückverwiesen an die Vorinstanz.
Interessant an der Entscheidung ist, dass der BGH auf seine vor kurzem erst ergangene Entscheidung hinwies, nach welcher die Hansa Real Finanz/Deutscher Atlas AG unabhängig vom Vorliegen einer Widerrufsmöglichkeit die separat vereinbarten Provisionen gerade nicht verlangen kann, weil ihr Handeln schlichtweg gar kein Maklerhandeln war. Diese Grundsätze waren allerdings auf den jetzt entschiedenen Fall nicht übertragbar gewesen, da es sich nicht um ein Verfahren der Hansa Real Finanz handelt.
Quelle:RA Röhlke Berlin
„… Wert der Vermittlungsleistung … kann nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofes tatsächlich so hoch sein wie der vertraglich vereinbarte, er muss es aber nicht.
Naja, tatsächlich lautet der entscheidende Leitzsatz wie folgt:
„Die Bemessung des Wertersatzes, den der Verbraucher nach dem wirksamen Widerruf eines Teilzahlungsgeschäfts über Maklerleistungen für die bis dahin empfangenen Dienste des Unternehmers schuldet, richtet sich nicht nach dem vertraglich vereinbarten Entgelt, sondern nach dem objektiven Wert dieser Leistungen, soweit dieser das vertragliche Entgelt nicht übersteigt. “
Sogar schlicht unzutreffend ist allerdings dieser Satz: „Diese Grundsätze waren allerdings auf den jetzt entschiedenen Fall nicht übertragbar gewesen, da es sich nicht um ein Verfahren der Hansa Real Finanz handelt.“
Der BGH a.a.O.:
„Im dortigen Fall war entscheidungserheblich das Bestehen eines institutionellen Kooperationsverhältnisses zur Handelsmaklerin, innerhalb dessen diese unter anderem Anlagestrategien und Fondspolicen des Versicherers mit ihrem eigenen Namen versah und dies in ihren Informationsbriefen als eigene konzeptionelle Leistung für die private Altersvorsorge herausstellte (Senat, a.a.O. Rn. 11). Dass diese oder vergleichbare Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind, ist nicht ersichtlich.“
Dass „es sich nicht um ein Verfahren der Hansa Real Finanz handelt“, war ersichtlich unerheblich – und auch das Verfahren BGH III ZR 213/11 betraf keineswegs die Hansa Real Finanz.