Kleine Anfrage der Abgeordneten Jörg Cezanne, Fabio De Masi, Klaus Ernst, Ulla Jelpke,Caren Lay, Michael Leutert, Thomas Lutze, Pascal Meiser,Amira Mohamed Ali, Niema Movassat, Victor Perli, Bernd Riexinger,Alexander Ulrich, Andreas Wagner, Hubertus Zdebel und der Fraktion DIE LINKE
Kollektiver Verbraucherschutz durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz von 2015 wurde der kollektive Verbraucherschutz gesetzlich als Aufsichtsziel der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, BaFin, fixiert. Kollektiver Verbraucherschutz bedeutet, dass die BaFin Verbraucher und Verbraucherinnen in ihrer Gesamtheit schützt.
Individuelle Verbraucherinteressen sollen durch Ombudsleute, Schiedsstellen, Gerichte und Verbraucherzentralen geschützt werden. Die BaFin kann fortan gegenüber Kre-ditinstituten, Kapitalverwaltungsgesellschaften, Versicherungen oder anderen Anbietern von Kapitalanlagen alle Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint.
Unter „Missstand“ wird ein erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz verstanden, der nach seiner Art oder seinem Umfang die Interessen nicht nur einzelner Verbraucher und Verbraucherinnen gefährden kann. Mit dieser kleinen Anfrage soll in Erfahrung gebracht werden, wie sich der kollektive Verbraucherschutz in Deutschland seit seiner Verankerung als Aufsichtsziel entwickelt hat.
UDI
Auch zwei aktuelle Fälle werfen Fragen bezüglich des kollektiven Verbraucherschutzes auf: Die UDI UmweltDirektInvest mit Sitz in Nürnberg ist ein großer, bankenunabhängiger Direktvertrieb für ökologische Geldanlagen.
Sie hat in den vergangenen 20 Jahren eine halbe Milliarde Euro bei rund 17.500 Anleger und Anlegerinnen eingesammelt (vgl. www.udi.de/newsletter/newsletter_2019/154/4_artikel.php). Mittlerweile gibt es sieben Mitteilungen gemäß § 11a des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG), wonach Gelder der Anleger und Anlegerinnen gefährdet sind. Kein einziger anderer Anbieter hat aufgrund dieser Vorschrift so häufig über die Gefahr des Ausfalls von Anlegergeldern berichtet (vgl. Stiftung Wa-rentest, UDI-Anlegergelder in Gefahr, www.test.de/Oekologische-Geldanlage-UDI-Anlegergeld-in-Gefahr-5437134-0/, 13.06.2019). Es soll daher erfragt werden, in welcher Form Verbraucher und Verbraucherinnen in diesem Fall kollektiv geschützt werden (können).
Die im hessischen Heusenstamm ansässige PIM Gold- und Scheideanstalt ist ein Edelmetalllieferant und erwirtschaftet vermutlich jährlich rund 100 Mio. Euro Umsatz.
Dabei werden Anleger und Anlegerinnen und deren Kindern beispielsweise Goldsparpläne verkauft, die über sogenanntes Bonusgold eine Art Verzinsung gewähren. Hinzu kommen hohe Vertriebsprovisionen für ein achtstufiges Vertriebssystem.
Wie Kosten für den Vertrieb und die Verzinsung verdient werden sollen, ist nach Presseberichten aus dem Geschäftsmodell nicht erkennbar (vgl. Handelsblatt, Ein Streit verfeindeter Goldhändler schreckt Anleger auf, 10. Juli 2019).
Wegen Beschwerden von Anleger und Anlegerinnen ist die BaFin schon vor Jahren aktiv geworden. Wir fragen hier nach dem aktuellen Sachstand und danach, wie gut Verbraucher und Verbraucherinnen geschützt sind.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie viele neue Stellen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Stellen- bzw. Personalplan bei der BaFin seit Mitte 2015 geschaffen, um den Auftrag des kollektiven Schutzes von Verbraucherinteressen zu erfüllen (bitte für jedes Jahr einzeln aufschlüsseln)?
2. In welchen Bereichen wurden diese Stellen jeweils geschaffen?
3. Wie viele weitere neue Stellen sollen in den kommenden Jahren geschaffen werden?
4. Wie viele
a) Rundschreiben
b) Auslegungsentscheidungen
c) Merkblätter
d) Veröffentlichungen
e) Verfügungen und
f) Leitlinienhat die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung insgesamt sowie mit Bezug zum Verbraucherschutz jeweils in den Jahren 2016, 2017 und 2018 erlassen (bitte für a bis f sowie für jedes Jahr einzeln aufführen)?
5. Bei wie vielen dieser grundlegenden Papiere (Frage 4a bis 4f) haben nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils eine Vertreterin/ein Vertreter aus einem Verbraucherschutz-referat mitgewirkt (bitte einzeln aufschlüsseln)?
6. Falls nicht immer eine Verbrauchervertreterin/ein Verbrauchervertreter involviert war, wie wurden und werden die Verbraucherinteressen auf diesem Wege ausreichend berücksichtigt?
7. Wie beabsichtigt die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der BaFin zukünftig, in diesen Fällen Verbraucherinteressen zu berücksichtigen? Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass in diesem Bereich Verbraucherinteressen stärker berücksichtigt werden sollten?
8. Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung bislang mit dem Instrument bzw. Aufsichtsziel des kollektiven Verbraucherschutzes der BaFin gesammelt?
9. Welche diesbezüglichen Rückmeldungen bekam sie aus der BaFin? Welche diesbezüglichen Rückmeldungen bekam sie vom Marktwächter Finanzen und den Verbraucherzentralen?
10. Sieht die Bundesregierung generell bezüglich des Instruments des kollektiven Verbraucherschutzes (gesetzlichen) Änderungsbedarf? Wenn ja, warum, und an welchen Stellen genau? Wenn nein, warum nicht?
11. Gibt es Pläne der Bundesregierung, eine Evaluierung der gesetzlichen Änderungen bezüglich des kollektiven Verbraucherschutzes vorzunehmen? Falls nein, warum nicht?
12. Gibt es nach Wissen der Bundesregierung Erkenntnisse der BaFin, in welchen Bereichen die Umsetzung des kollektiven Verbraucherschutzes im Finanzbereich noch an gesetzlichen Vorgaben scheitert? Welche Bereiche sind das? Welche Änderungen sind geplant oder werden ins Auge gefasst?
13. Positioniert sich die Bundesregierung zu der Forderung, die Aufsichtsziele der BaFin dahin gehend zu erweitern, dass diese eine kollektive Sicherung der Rechtsverfolgung zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher gewährleisten muss, zu der nach Ansicht der Fragesteller u. a. gehört, dass Maßnahmen ergriffen werden, die eine Verjährung von Anlegeransprüchen hemmen? Wenn ja, wie (bitte zu jedem der drei Punkte unter Forderung 2 einzeln ausführen, Bundestagsdrucksache 18/8609, „Finanzaufsicht nach Anlagepleiten zum Schutz von Verbraucherinteressen stärken“)?
14. Inwieweit ist die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung aus Gründen des kollektiven Verbraucherschutzes im Zusammenhang mit der mobilen Bank N26 tätig geworden (vgl. Berliner Woche, N26 Bank von BaFin wegen Mängel angemahnt, 9. April 2019)? Wie ist hier der aktuelle Sachstand?
15. Wie erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung die Zusammenarbeit der BaFin mit dem Verbraucherbeirat gemäß § 8a des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG)? In welcher Form bringt sich der Verbraucherbeirat in den Auftrag des kollektiven Rechtsschutzes der BaFin ein, und welche Mitentscheidungsbefugnisse stehen ihm dabei zu?
16. Wie oft wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Vorschläge des Ver-braucherbeirates für verbraucherschützende kollektive Maßnahmen durch die BaFin aufgegriffen, und wie oft wurden Maßnahmen abgelehnt? Welche Vorschläge wurden aufgegriffen, und welche abgelehnt (bitte einzeln aufschlüsseln)?
17. In welchem Maße greift die BaFin nach Kenntnis der Bundesregierung die Marktkontrollergebnisse und Erfahrungen des Marktwächters Finanzen auf und leitet Maßnahmen gegen Unternehmen der Finanzbranche ein? Um welche verbraucherrelevanten Missstände, Unternehmen, Maßnahmen durch die BaFin handelte es sich dabei (bitte aus den vergangenen fünf Jahren einzeln aufführen)?
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