Seit Jahren ist der Graue Kapitalmarkt eines der Sorgenkinder im Finanzmarkt: Seine Produkte sind kaum oder gar nicht reguliert oder beaufsichtigt. In Zeiten niedriger Zinsen erwerben Verbraucher1dennoch oft riskante Kapitalanlagen aus diesem Produktsegment.
Die Beratungspraxis der Verbraucherzentralen zeigt: Viele Anleger im Grauen Kapitalmarktglauben ihr Geld in einer sicheren Anlage gut aufgehoben –nicht zuletzt, weil Anbieter ihre Produkte häufig als risikoarm bewerben.
Die Verbraucherzentrale Hessen hat sich als Teil des Marktwächters Finanzen deshalb mit Produktwerbung auf dem Grauen Kapitalmarkt auseinandergesetzt. Produkte des Grauen Kapitalmarkts werden in diesem Zusammenhang definiert als Vermögensanlageprodukte, die sich durch hohe Verlustrisiken, geringe bis keine Handelbarkeit und meist lange Laufzeiten auszeichnen und in der Regel kaum oder gar nicht reguliert oder beaufsichtigtsind.
Die relevanten Eigenschaften und Besonderheiten dieser Anlageprodukte müssen Verbraucher kennen, um aufgeklärte Anlageentscheidungen treffen zu können.
Im Vordergrund der Untersuchung steht deshalb die Frage, ob in der Werbung die Eigenschaften und Merkmale des Produkts klar und transparent genannt werden. Um beurteilen zu können, ob die Anzeigen definierten Transparenzstandards entsprechen, wurden Prüfkriterien in Anlehnung an geltende Gesetze abgeleitet.
Die Kriterien beruhen in erster Linie auf dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das grundsätzlich für alle untersuchten Werbemaßnahmen Anwendung findet; zur Konkretisierung werden Normen aus dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) herangezogen.
Weitere Kriterien der Prüfung leiten sich aus dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und dem Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) ab, in denen für bestimmte Produktgruppen Informations- und Publikationspflichten festgeschrieben sind. Im Untersuchungszeitraum Oktober und November 2015 wurden 91 Produktwerbungen recherchiert, die online oder in Zeitungen / Zeitschriften veröffentlicht wurden.
Da sich Angebote im Grauen Kapitalmarkt dadurch auszeichnen, dass sie oft nur während eines begrenzten Zeitraumes angeboten werden, kann dies für den Erhebungszeitraum als aussagefähige Stichprobe gelten.
Zudem kann davon ausgegangen werden, dass gleichartige Werbung bereits für frühere Anlageprodukte des Anbieters veröffentlicht wurde und für zukünftige Produkte zum Einsatz kommen wird.
Die Auswertung erfolgt systematisch anhand der erarbeiteten Transparenzkriterien. Drei belastbare Kriterien (Verhältnismäßigkeit von Vorteilen und Risiken, Hinweis auf hohe Verlustrisiken/ Wertschwankungen, Blickfang–sofern vorhanden –nicht irreführend) müssen erfüllt sein, damit die Werbemitteilung in der Gesamtwertung als transparent gilt.
Hinzu kommen die in speziellen Gesetzen vorgeschriebenen produktabhängigen Vorgaben, zum Beispiel zu Verkaufsprospekten oder Risikohinweisen. Geprüft wird außerdem, ob die Darstellung in der Werbung ausreichend und verständlich ist.
Fazit: Die Ergebnisse zeigen, dass in 80 von 91 Fällen die Anzeigen nicht den aufgestellten Anforderungen für eine transparente Werbung entsprechen. Auf einer solchen Basis ist es für Verbraucher schwierig, eine gut informierte Anlageentscheidung zu treffen.
Zu den Einzelkriterien: In 77 Fällen sind die Vorteile einseitig hervorgehoben oder die Risiken verharmlost bzw. nicht ausreichend dargelegt. Fast jeder zweite Anbieter der untersuchten Werbung(43Fälle) weist nicht auf hohe Verlustmöglichkeiten hin; in den48 Werbeanzeigen mit Warnhinweis ist dieser in 44 Fällen unauffällig oder versteckt platziert. 20Werbeanzeigen verfügen über einen Blickfang, von denen wiederum elf als irreführend bzw. als nicht transparent bewertet werden.
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/geld-versicherungen/sparen-und-anlegen/grauer-kapitalmarkt-werbung-verschleiert-oft-die-risiken-12687
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