Die BaFin gibt sich eine neue Struktur (Organigramm). Vor wenigen Tagen hat der Verwaltungsrat den Plänen zugestimmt. Damit werden zum 1. Januar 2016 wesentliche Bereiche der BaFin neu geordnet – auch vor dem Hintergrund neuer Aufgaben, etwa im Verbraucherschutz. BaFin-Präsident Felix Hufeld erläutert die wichtigsten Neuerungen und erklärt, welche Vorteile die neue Aufbauorganisation bietet.
Herr Hufeld, warum braucht die BaFin eine neue Struktur? War die alte nicht mehr gut genug?
Auch einer Behörde kann es nicht schaden, ihre Abläufe, Schnittstellen und aufbauorganisatorischen Strukturen hin und wieder gründlich zu überprüfen. Im Falle der BaFin muss man wissen, dass wir eine Phase stürmischen Aufgabenwachstums hinter uns haben. In den vergangenen Jahren sind viele neue Themen aufgekommen, die wir aufgreifen und verarbeiten mussten. Es war nun an der Zeit zu untersuchen, ob die Art und Weise, wie wir das tun, optimal ist.
Zusätzlich gibt es einen weiteren Impuls: Der Gesetzgeber hat uns eine ganze Reihe neuer Aufgaben zugewiesen. Denken Sie etwa an den kollektiven Verbraucherschutz. Hier hat die BaFin durch das Kleinanlegerschutzgesetz umfangreiche zusätzliche Kompetenzen erhalten – und das erfordert selbstverständlich auch organisatorische Antworten. Es gab also ein ganzes Bündel an Motiven, unsere Struktur einmal detailliert unter die Lupe zu nehmen.
Und dabei hat sich herausgestellt, dass Änderungen notwendig sind?
Ja, denn Ziel einer jeden Aufbauorganisation muss es immer sein, unnötige Schnittstellen zu vermeiden und sich auf die Hauptprozesse auszurichten. Da konnten wir einiges besser strukturieren. Es gab Organisationseinheiten, deren Aufgabenspektrum und Mitarbeiterzahl im Laufe der Jahre so stark angewachsen sind, dass sie schwer zu führen waren. In der neuen Struktur werden sie ihre Aufgaben fokussierter und damit auch schlagkräftiger erfüllen können. Außerdem ist die BaFin eine integrierte Aufsichtsbehörde, die für alle Sektoren des Finanzmarkts zuständig ist – auch, was die Themen Verhaltensregulierung und prudenzielle Regulierung angeht. Hier eine bestmögliche Balance der unterschiedlichen Facetten zu erreichen, war uns ein wichtiges Anliegen.
Was sind die wichtigsten Neuerungen? Sie haben eben schon explizit der Verbraucherschutz erwähnt.
Ja, in der Tat. Es wird eine neue Abteilung geben, die sich ausschließlich dem Thema Verbraucherschutz widmet. Sie wird standortübergreifend tätig sein, also in Bonn und in Frankfurt. Angedockt ist diese Abteilung bei der Wertpapieraufsicht. Das bedeutet aber mitnichten, dass sie sich nur auf den Anlegerschutz konzentrieren wird. Der Schutz der Versicherten und Bankkunden ist ebenfalls ihre Aufgabe, und zwar eine ebenso wichtige. Der Verbraucherschutz ist daher ein gutes Beispiel für die Umsetzung des EFA-Konzepts, das ein wichtiges Merkmal der neuen Struktur ist.
Was verbirgt sich dahinter?
EFA steht für das Konzept „einer für alle“. Funktionen, die eine BaFin-weite Rolle spielen, wurden gebündelt und jeweils dem Bereich zugeordnet, zu dem sie die größte fachliche Nähe haben. Faktisch sind sie jedoch Kompetenzzentren, die mit ihrer Expertise Funktionen für die gesamte BaFin erfüllen. Durch diese horizontale Vernetzung wird die Ausrichtung der BaFin als integrierte Aufsicht auch in organisatorischer Weise gestärkt.
Können Sie weitere Beispiele nennen, bei denen das EFA-Konzept zum Tragen kommt?
Ein gutes Beispiel neben dem Verbraucherschutz ist die Geldwäschebekämpfung. Da sie eine sehr große Schnittstelle mit der Bankenaufsicht hat, wird sie dort angegliedert. Denn die meisten Fälle betreffen nun mal Banken – aber eben nicht alle. Darum hat auch diese Einheit eine übergreifende Rolle: Kommt es bei einer Börse oder bei einem Versicherer zu einem Geldwäsche-Verdachtsfall, werden die Kollegen diesen ebenfalls bearbeiten.
Das Gleiche gilt für die Abteilung Quantitative Risikomodellierung, die dem Geschäftsbereich Versicherungsaufsicht zugeordnet wurde, und auch für die zentrale Rechtsabteilung. Sie wird mit zusätzlichen Funktionen ausgestattet und so nachhaltig gestärkt. Künftig bearbeitet sie nicht mehr nur klassische Grundsatzfragen, sondern etwa auch Ordnungswidrigkeitsverfahren oder Sanktionierungen.
Gibt es auch Neuerungen innerhalb der Geschäftsbereiche?
Selbstverständlich. Hier kam es insbesondere darauf an, neue Aufgaben optimal abzubilden und Schnittstellen zu minimieren. In der Bankenaufsicht betrifft das natürlich all die Aufgaben, die mit der neuen europäischen Bankenaufsicht zusammenhängen, dem so genannten SSM (Single Supervisory Mechanism). Schon im vergangenen Jahr haben wir die operative Aufsicht über die großen Institute, die nun der Aufsicht der EZB unterliegen, in einer Einheit gebündelt. Zusätzlich wurde eine Einheit geschaffen, die sich mit der Harmonisierung der Aufsichtsstandards befasst. Diese ad-hoc-Maßnahmen haben die Zusammenarbeit mit der EZB wesentlich erleichtert. Darum überführen wir diese Einheiten jetzt in eine permanente Struktur – sie werden zu Abteilungen. Diese sind von großer Bedeutung, um eine bestmögliche Qualität und Effizienz der Kooperation mit der EZB zu gewährleisten.
Und wie sieht es in der Wertpapier- und in der Versicherungsaufsicht aus?
Bei der Wertpapieraufsicht gilt es, eine immense Anzahl neuer gesetzlicher Regelungen zu verarbeiten. Zu diesem Zweck stärken wir, neben dem Verbraucherschutz, insbesondere die Prospektaufsicht – auch sie ist künftig eine eigene Abteilung. Damit umfasst die Wertpapieraufsicht künftig sechs statt bisher vier Abteilungen. Die übrigen neuen Aufgaben, die beispielsweise die Produkt- und Vertriebsaufsicht, die Überwachung von Repo- und Wertpapiergeschäften und neue Meldepflichten betreffen, haben wir in die bestehenden Abteilungen integriert.
Die Versicherungsaufsicht wiederum haben wir bereits vor anderthalb Jahren grundlegend neu strukturiert. Die Veränderungen, die damals vollzogen wurden, haben sich in der Praxis bewährt, so dass wir sie weitgehend beibehalten haben.
Gibt es darüber hinaus weitere Neuerungen?
Es gibt tatsächlich sehr, sehr viele Änderungen. Wenn ich sie alle nennen wollte, würde das den Rahmen des Interviews sprengen. Aber auf eine Neuerung, die mir besonders am Herzen liegt, möchte ich noch kurz eingehen: Es wird künftig im Präsidialbereich ein Referat für Strategieentwicklung geben. Es soll unsere Fähigkeit stärken, aktuelle Themen zeitnah aufzugreifen, auf sie zu reagieren und Impulse zu setzen oder, wie man auf Neudeutsch so schön sagt, Agenda-Setting zu betreiben. Auf diese Arbeit freue ich mich sehr. Ich möchte aber betonen, dass es hier eben nur um die Entwicklung von Strategien geht – die dann immer in Regelzuständigkeiten innerhalb der BaFin überführt werden.
Um auch hier ein Beispiel zu nennen: Eines der ersten Themen, denen wir uns zuwenden, sind FinTechs. Diese meist jungen IT-Unternehmen mischen derzeit die Finanzbranche auf. Wir müssen uns darüber verständigen, wie wir mit diesem innovativen Markt umgehen wollen und die komplexen Fragen, die diesen Bereich betreffen, angemessen beantworten. Übrigens können auch FinTechs alle Sektoren der Finanzindustrie betreffen – ein weiterer klarer Fall, in dem eine BaFin-übergreifende strategische Herangehensweise geboten ist.
Was bedeutet das alles für die beaufsichtigten Unternehmen? Werden sich durch die neue Struktur Ansprechpartner oder Abläufe ändern?
Für die beaufsichtigten Unternehmen ändert sich sogar sehr viel – aber weniger aufgrund unserer neuen Aufbaustruktur, sondern eben aufgrund der vielen neuen gesetzlichen Anforderungen. Sie betreffen alle Bereiche, ob nun in Form großer Reformwerke wie Solvency II, zahlreicher weitreichender Veränderungen im Kontext der Wertpapieraufsicht oder der weiteren Entwicklung der Bankenaufsicht im europäischen Umfeld. Wie schon ausgeführt, mussten wir darauf selbstverständlich organisatorisch reagieren. Die Ansprechpartner werden sich zwar in Einzelfällen ändern, aber nicht flächendeckend.
Für neue Aufgaben und neue Abteilungen braucht man Personal. Wird die BaFin zusätzliche Stellen bekommen?
Ziel der ganzen Übung war es ja auch, die Effizienz unserer Abläufe zu verbessern. Und das ist gelungen: Wir werden die Umstrukturierung ohne neue Stellen bewältigen können, trotz vielfältiger neuer Aufgaben. Natürlich sind die Anforderungen gewachsen; die Mitwirkung an der Finanzregulierung und die laufende Aufsicht fordern die Beschäftigten der BaFin nach wie vor in sehr hohem Maße. Dennoch haben wir gezielt Effizienzpotenziale gesucht – und gefunden. Auf diese Weise leistet auch die BaFin ihren Beitrag zu einem verantwortungsvollen Ressourceneinsatz.
Wie haben Sie sich den Überblick verschafft, der notwendig war, um dies zu erreichen?
Im Prinzip in zwei Schritten: Zunächst gab es ein umfassendes bottom-up-orientiertes Verfahren. Wir haben Workshops durchgeführt, in die alle Mitarbeiter der BaFin Anregungen, Vorschläge, Verbesserungsmöglichkeiten einbringen konnten. Diese haben wir in einem zweiten Schritt im Direktorium aufgegriffen und intensiv diskutiert. Denn in einem solchen Zusammenhang stellen sich selbstverständlich vielfältige Abwägungsfragen. Dank dieses Vorgehens, des Zusammenspiels beider Perspektiven, konnten wir die notwendigen Entscheidungen auf der bestmöglichen Informationsgrundlage treffen. Unser Verwaltungsrat hat dem Ergebnis inzwischen zugestimmt.
Wie zufrieden sind Sie persönlich mit dem Ergebnis?
Ich denke schon, dass wir zu guten Ergebnissen gekommen sind. Wir werden effizienter und schlagkräftiger, ohne uns völlig neu zu erfinden. Entscheidend ist jetzt aber die Umsetzung. Nun muss sich die neue Struktur in der Praxis bewähren, und sicherlich werden wir hier und da Details bemerken, die wir verfeinern sollten. Ob Unternehmen oder Behörde: Für jede Organisation ist es wichtig, dass sie sich hin und wieder selbstkritisch hinterfragt.
Kommentar hinterlassen