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BaFin: EU-Offenlegungsverordnung: Startschuss für mehr Transparenz

Glamazon (CC0), Pixabay
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(BaFinJournal) Ab dem 1. Januar 2023 gelten die Technischen Regulierungsstandards zur EU-Offenlegungsverordnung für Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater. In der Praxis bergen sie Herausforderungen.

Mehr Transparenz gibt es nicht zum Nulltarif – das dürfte spätestens seit Inkrafttreten der EU-Offenlegungsverordnung klar sein. Deren Ziel: Private und institutionelle Investoren sollen künftig leichter erkennen können, wie nachhaltig die einem Finanzprodukt zugrundeliegenden Investitionen sind. Die EU-Offenlegungsverordnung war bereits im März 2021 in Kraft getreten. Eineinhalb Jahre später – am 14. August 2022 – präzisierte eine Delegierte Verordnung der Europäischen Kommission die EU-Offenlegungsverordnung: anhand der Technischen Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standard – RTS), die ab Beginn des Jahres 2023 gelten.

 

Mehr zum Thema lesen Sie im BaFinJournal:

  • EU-Offenlegungsverordnung: BaFin zu neuen Vorgaben und Klarstellungen:
    Einige neuere regulatorische Entwicklungen rund um die Offenlegungsverordnung bringen nach Ansicht der BaFin Rechtssicherheit, andere wiederum werfen neue Fragen auf.
  • Offen nachhaltig:
    Ab dem 10. März greift die europäische Offenlegungsverordnung. Finanzunternehmen müssen dann belegen, wie nachhaltig ihre Angebote sind. Aber noch immer gibt es Unklarheiten. Ein Überblick.

 

Standards konkretisieren EU-Offenlegungsverordnung

Die RTS konkretisieren die Anforderungen der EU-Offenlegungsverordnung an die Angaben, wie sich Investitionsentscheidungen des Finanzmarktteilnehmers nachteilig beispielsweise auf Umwelt, Soziales und Arbeitnehmerbelange auswirken. Insbesondere geben die RTS Indikatoren vor, mit denen diese Auswirkungen zu messen sind.

Außerdem präzisieren die RTS die Regeln für die Angaben in vorvertraglichen Informationen und regelmäßigen Berichten eines Finanzprodukts. Und sie geben detailliert vor, wie diese Angaben auf den Websites dargestellt werden müssen, um der EU-Offenlegungsverordnung zu genügen. Zusätzlich legen die RTS fest, mit welchen Angaben Finanzmarktteilnehmer darstellen sollen, dass die nachhaltigen Investitionen keine Umweltziele oder sozialen Ziele erheblich beeinträchtigen („Grundsatz der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen“).

Damit erweitern die RTS die Detailtiefe der Offenlegung. Anlegerinnen und Anleger erhalten künftig aufschlussreichere Informationen über die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten, die sie ihrer Investitionsentscheidung zugrunde legen können. Die Idee dahinter: zu verhindern, dass sich Anleger bei der Wahl von Finanzprodukten falsche Vorstellungen zum Beispiel darüber machen, in welchem Umfang das Geld der Anlegerinnen und Anleger in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten fließt.

Templates ermöglichen Vergleich

Private und institutionelle Investoren, die nachhaltig(er) investieren möchten, können also künftig auf eine Fülle von Informationen zurückgreifen. Damit sie dennoch Finanzprodukte schnell vergleichen können, enthalten die RTS standardisierte Vorlagen für die produktbezogenen Offenlegungspflichten. Diese Templates sind in den Anhängen II bis V der Delegierten Verordnung enthalten. Finanzmarktteilnehmer sind verpflichtet, sie für Finanzprodukte zu verwenden, die nach Artikel 8 oder Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung offenzulegen sind. Die Regel betrifft also Finanzprodukte, die mit ökologischen und/oder sozialen Merkmalen werben oder eine nachhaltige Investition anstreben.

Um das Ziel der RTS – also eine schnelle Vergleichbarkeit der Finanzprodukte – nicht zu gefährden, dürfen diese Templates grundsätzlich nicht verändert werden. Die Reihenfolge der Angaben sowie Position, Gestaltung und Text der Fragen an die Finanzmarktteilnehmer, Informationskästchen und Grafiken müssen bei jedem Finanzprodukt gleich sein. Finanzmarktteilnehmer können nur Anpassungen der Templates vornehmen, soweit die roten Ausfüllanweisungen dies zulassen.

Spagat: Umfangreich informieren, aber knapp!

Um dem Anspruch möglichst umfassender Transparenz gerecht zu werden, sind die Templates sehr umfangreich geworden. Beispielsweise ist das Template des Anhangs II zu den vorvertraglichen Informationen nach Artikel 8 EU-Offenlegungsverordnung bereits unausgefüllt mit den Ausfüllanweisungen fünf Seiten lang. Die Finanzmarktteilnehmer stehen also vor der Herausforderung, Angaben zu tätigen, die einerseits zutreffend, redlich, klar, nicht irreführend und andererseits einfach und knapp sind.

Die Finanzunternehmen selbst sollten ein großes Interesse daran haben, diesen Spagat zwischen umfassender Transparenz in Sachen Nachhaltigkeit und übersichtlicher Darstellung der Informationen zu meistern. Denn eine zu knappe oder zu stark vereinfachte Darstellung birgt das Risiko, dass zumindest Verbraucherinnen und Verbraucher eine falsche Vorstellung entwickeln – etwa über die Nachhaltigkeitswirkung eines Finanzproduktes. Eine mögliche Folge: ein Greenwashing-Verdacht – mit erheblichem Reputationsrisiko. Anderseits kann eine zu umfangreiche Darstellung nicht ausreichend klar sein und dadurch ebenso zu Missverständnissen führen.

Wechselwirkung zur Nachhaltigkeitspräferenzabfrage

Was hat eigentlich die EU-Offenlegungsverordnung mit der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kundschaft zu tun, die in den vergangenen Monaten viel Aufmerksamkeit erhielt?

Seit dem 2. August 2022 werden Kundinnen und Kunden in der Anlage- und in der Versicherungsberatung gefragt, ob und, wenn ja, welche Nachhaltigkeitspräferenzen sie haben. Die Beraterin oder der Berater darf grundsätzlich nur Produkte empfehlen, die den individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen des einzelnen Kunden entsprechen (siehe Infokasten).

 

Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen

Seit dem 2. August 2022 müssen Kundinnen und Kunden in der Anlage- und der Versicherungsberatung nach ihren Präferenzen in puncto Nachhaltigkeit gefragt werden. Dies regeln die Delegierte Verordnung zur zweiten Finanzmarktrichtlinie und die Delegierte Verordnung zur Versicherungsvertriebsrichtlinie.

Kunden beantworten die Frage, ob und, wenn ja, inwieweit sie in ein Finanzprodukt investieren möchten,

  1. das zu einem Mindestanteil an ökologisch nachhaltigen Investitionen i.S.d. Taxonomie-Verordnung enthält,
  2. das einen Mindestanteil nachhaltiger Investitionen i.S.d. SFDR enthält oder
  3. das die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt.

Außerdem legen die Kundinnen und Kunden die Höhe des Mindestanteils der nachhaltigen Finanzprodukte an der Gesamtinvestition fest.

 

Das setzt voraus, dass Beratende und Kundinnen und Kunden aus den vorvertraglichen Informationen erkennen können, welches Ambitionsniveau ein Finanzprodukt in Sachen Nachhaltigkeit hat. Die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz baut also auf den Angaben auf, welche die EU-Offenlegungsverordnung fordert. Passende Angebote ermitteln Beraterinnen und Berater aus den Angaben in den Templates.

Minimumverpflichtung versus tatsächliche Investitionen

Im Beratungsgespräch müssen also viele Informationen sondiert werden. Umso wichtiger ist es, dass aus den vorvertraglichen Informationen der Finanzprodukte unmittelbar hervorgeht, ob das jeweilige Finanzprodukt überhaupt beabsichtigt, nachhaltige Investitionen zu tätigen. Dies gewährleistet das Template des Anhangs II für Finanzprodukte, für die zusätzlich die Angaben nach Artikel 8 EU-Offenlegungsverordnung offenzulegen sind. Die Anbieter müssen sich also in den vorvertraglichen Informationen festlegen, welchen Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen sie gegenüber den Anlegerinnen und Anlegern verbindlich zusagen wollen (Minimumverpflichtung).

 

Was ist eine nachhaltige Investition?

Eine nachhaltige Investition besteht nach der EU-Offenlegungsverordnung bei einer Investition in eine Wirtschaftstätigkeit, die zur Erreichung eines Umweltziels oder sozialen Ziels beiträgt. Weitere Voraussetzungen sind, dass diese Investition keine Umweltziele oder sozialen Ziele erheblich beeinträchtigt und die Unternehmen, in die investiert wird, Verfahren einer guten Unternehmensführung anwenden.

Die Taxonomie-Verordnung hat hingegen ein engeres Verständnis von nachhaltigen Investitionen, was sich durch den Begriff „ökologisch nachhaltige Investition“ ausdrückt. Der Grund dafür ist, dass bisher nur die ökologische und noch nicht die soziale Taxonomie fertiggestellt ist. Die Kriterien für eine ökologisch nachhaltige Investition der Taxonomie-Verordnung sind zudem strenger als die der Definition der EU-Offenlegungsverordnung.

 

Im Gegensatz dazu wird der Umfang der tatsächlich getätigten nachhaltigen Investitionen in den regelmäßigen Berichten angegeben – so dass Berater und Anleger diese mit der Minimumverpflichtung aus der vorvertraglichen Information abgleichen können.

Auch private und institutionelle Anleger setzen sich also mit den Templates auseinander und treffen auf dieser Grundlage ihre Investitionsentscheidung. Insbesondere für private Anlegerinnen und Anleger bedeutet dies: Sie werden in der nächsten Zeit viel dazulernen. Wenn sie die vorvertraglichen Informationen und periodischen Berichte bzw. Angaben auf den Websites aufmerksam lesen, werden sie schnell in der Lage sein, selbstbestimmte und hinsichtlich ökologischer und sozialer Belange verantwortungsvolle Investitionsentscheidungen zu treffen.

Schwieriges Thema: Datenverfügbarkeit

Soweit die Theorie. Denn in der Praxis benötigen die Finanzmarktteilnehmer viele Informationen von den Unternehmen der Realwirtschaft, in die sie – möglicherweise – das Anlegergeld investieren. Nur anhand dieser Daten können sie prüfen, ob ein Investment in das Unternehmen selbst oder in eine seiner Wirtschaftstätigkeiten den nachhaltigen Anlagezielen ihres Finanzproduktes entspricht. An dieser Stelle hakt es, weil noch nicht genügend Unternehmen entsprechende Daten veröffentlichen.

Die Folge: Die Finanzmarktteilnehmer sind gehalten, die Unternehmen direkt um diese Daten zu bitten. Schwierig wird es, wenn das Unternehmen noch gar nicht über die Prozesse zur Ermittlung der Daten verfügt – wenn es also beispielsweise seinen CO2-Ausstoß noch nicht umfassend ermittelt. Gesetzlich zu einer umfangreichen Transparenz in Fragen der Nachhaltigkeit und damit zur Ermittlung von Daten verpflichtet sind derzeit nur große, kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern.

Der europäische Gesetzgeber reformiert gerade die Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen und plant, deren Transparenzpflicht stark auszuweiten: Voraussichtlich ab dem Jahr 2025 werden auch alle großen, ab dem Jahr 2026 zusätzlich alle kleinen und mittelgroßen kapitalmarktorientierten Unternehmen zur entsprechenden Transparenz verpflichtet sein. Unabhängige externe Expertinnen und Experten sollen die Nachhaltigkeitsberichterstattung dann inhaltlich prüfen. Damit wird sich das verlässliche Datenangebot für Finanzmarktteilnehmer wesentlich erweitern.

EU-Kommission, ESAs und BaFin beantworten Fragen

Die BaFin erhält zahlreiche Fragen von beaufsichtigten Unternehmen zur EU-Offenlegungsverordnung (Regulierungslevel 1) und den dazu gehörigen RTS (Regulierungslevel 2). Viele dieser Fragen bringt sie in den Gemeinsamen Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESAs) ein. Fragen zur Regulierung auf Level 1 legt der Gemeinsame Ausschuss der ESAs der EU-Kommission zur Beantwortung vor. Fragen zu Level 2 beantworten die ESAs über ihren Gemeinsamen Ausschuss.

Wie werden die Antworten auf diese Fragen kommuniziert? Die EU-Kommission und die ESAs beantworten die Fragen, indem sie die gesetzlichen Vorgaben auslegen und diese Auslegung in Fragen und Antworten (Questions & Answers – Q&As) veröffentlichen. Die BaFin wirkt an den Q&As der ESAs mit, denn sie gehört dem Gemeinsamen Ausschuss der ESAs an.

Im November 2022 haben die ESAs auf diese Weise viele Level-2-Fragen beantwortet. Die EU-Kommission hatte bereits im Juli 2021 und im Mai 2022 Q&As zur EU-Offenlegungsverordnung veröffentlicht. Weitere Fragen haben ihr die ESAs bereits zugeleitet. Nicht immer sind mit diesen Veröffentlichungen jedoch alle offenen Punkte geklärt; manchmal ergeben sich auch Folgefragen.

Vor allem rein nationale Fragestellungen und Anwendungsfragen, die sich wiederum aus den europäischen Q&As ergeben, greift die BaFin selbst auf und veröffentlicht ihre Meinung dazu in eigenen Fragen und Antworten. Dies hat sie zuletzt im September 2022 getan. Darin hat sie unter anderem zu einer Q&A der EU-Kommission eine Klarstellung getroffen, die gerade für das Thema Datenverfügbarkeit relevant ist.

Ausblick: Review der RTS steht an

Die EU-Kommission hat die ESAs beauftragt, ihr Änderungen der RTS vorzuschlagen. Das Ziel: Anlegerinnen und Anleger sollen transparent erkennen können, ob und in welchem Umfang ein Finanzprodukt in Kernenergie- und Gastätigkeiten investiert, die die strengen Voraussetzungen der Taxonomie-Verordnung erfüllen.

Entsprechende Vorschläge haben die ESAs erarbeitet, die die EU-Kommission im November 2022 ohne wesentliche inhaltliche Änderungen angenommen hat. Nun folgt eine dreimonatige Vetophase des Europäischen Parlaments und des Rats der Europäischen Union, bevor die RTS offiziell aktualisiert werden können.

Die EU-Kommission hat die ESAs auch gebeten, die Indikatoren für die Angaben der Finanzmarktteilnehmer zur Messung der Auswirkungen ihrer Investitionsentscheidungen weiterzuentwickeln. Dabei sollen sie besonderes Augenmerk auf die sozialen Indikatoren legen. Für die produktbezogene Offenlegung sollen die ESAs Vorschläge zur hervorgehobenen Darstellung von Dekarbonisierungszielen erarbeiten. Die ESAs beabsichtigen, zusätzlich Methoden zu entwickeln, mit denen der Grundsatz der Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen überprüft wird.

Auf eines können sich Finanzmarktteilnehmer, Beratende und Anlegerinnen und Anleger also einstellen: Die Technischen Regulierungsstandards, insbesondere die Templates, werden sich noch verändern.

Verfasst von

Dana Kubis
Susanne Schenker
BaFin-Referat ZRC 4

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