(BaFinJournal) Ein Teil der Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen) nutzt bislang die Liquiditätsmanagementtools (LMTs), die ihnen seit dem Frühjahr 2020 für das Liquiditätsmanagement zur Verfügung stehen. Das zeigt eine Umfrage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Mit dem Einsatz von neuen Liquiditätstools können KVGen auf Liquiditätsprobleme von offenen Fonds flexibler reagieren und gegebenenfalls eine im Einzelfall drohende Aussetzung der Rücknahme von Fondsanteilen verhindern (siehe Infokasten).
Auf einen Blick:LMTs im Kapitalanlagegesetzbuch
KVGen können seit dem Frühjahr 2020 zum Beispiel Rückgabefristen einführen. Anlegerinnen und Anleger müssten dann ihren Rückgabewunsch einige Zeit im Voraus anmelden.
Möglich sind auch Rücknahmebeschränkungen (sog. Gating) ab einem bestimmten Schwellenwert für Rückgabeverlangen pro Rückgabetag. Wollen Anleger so viele Anteile zurückgeben, dass ein bestimmter Schwellenwert überschritten wird, kann die Gesellschaft sich dafür entscheiden, diese Rückgabeverlangen nicht komplett zu bedienen.
Das dritte Instrument macht es möglich, Transaktionskosten, die durch Anteilsrücknahmen oder Anteilsausgaben entstehen, verursachergerecht zu verteilen (Swing Pricing): Die Kosten können in die Berechnung des Nettoinventarwerts eines Fonds einbezogen werden.
Um einen ersten Überblick zum aktuellen Stand der Einführung von LMTs zu erhalten, hat die BaFin im Frühsommer 2022 eine Umfrage im deutschen Markt durchgeführt (siehe Infokasten).
Auf einen Blick:Abfrageumfang
Befragt hat die BaFin alle 53 erlaubten KVGen und EU-Verwaltungsgesellschaften, die zum 31. Mai 2022 offene deutsche Fonds aufgelegt hatten. Sie umfasste damit knapp 5.600 Fonds mit einem Gesamtvolumen von 2,3 Billionen Euro. Immobilienfonds wurden zunächst nicht berücksichtigt.
Im Zentrum stand die Frage, welche LMTs von den KVGen für welche Fonds eingeführt wurden und aus welchen Gründen bestimmte LMTs (noch) nicht implementiert wurden.
Die BaFin fragte auch bestimmte Fondsspezifika ab, beispielsweise ob es sich um für Privatanleger erwerbbare Publikumsfonds oder um für professionelle und semi-professionelle Anleger vorgesehene Spezialfonds handelte oder welcher Fondsgattung (Aktien-, Renten-, gemischter Wertpapierfonds etc.) die jeweiligen Fonds zuzuordnen sind.
Ergebnisse
Im Gesamtergebnis zeigt sich, dass die Mehrheit der KVGen zum Stichtag 31. Mai 2022 noch keine neuen LMTs eingeführt hatte. Einige KVGen begründeten das damit, dass die entsprechenden Prozesse noch in der Umsetzung seien. Andere gaben an, dass bei bestimmten Fonds keine zusätzlichen LMTs für die Liquiditätssteuerung benötigt würden.
In der Gesamtschau haben die befragten KVGen am häufigsten Rücknahmebeschränkungen eingeführt. Knapp 25 Prozent der erfassten Fonds verfügen schon über dieses Instrument. Bei einer Betrachtung nach Fondsvolumen beträgt der Anteil immerhin noch 15,2 Prozent. Einige Gesellschaften befanden sich zum Stichtag der Abfrage auch noch in der Phase der Umsetzung dieses Instruments.
Rückgabefristen sind derzeit bei etwa 14 Prozent aller Fonds vorgesehen. In der Volumenbetrachtung entspricht dies 17,5 Prozent, was sich vor allem durch den hohen Anteil an großvolumigen Spezialfonds erklärt.
Swing Pricing ist derzeit nur in sehr geringem Maße (unter ein Prozent der Fonds und des Fondsvolumens) vorgesehen. Hier prüften zum Zeitpunkt der Abfrage aber noch einige Gesellschaften, ob sie dieses Instrument einführen.
Erwähnenswert ist auch, dass der Implementierungsstand oft weniger von einzelnen Fonds oder Fondsgattungen als von der KVG abhängt. Sind Prozesse für LMTs erst einmal eingerichtet, steigt deren Nutzung innerhalb der KVG deutlich. Das heißt: Ist die technische Umsetzung geschaffen, steigt die Bereitschaft, LMTs in den Anlagebedingungen vorzusehen.
Abbildung 1: Einsatz von Liquditätstools bei offenen Fonds
© BaFin / Eigene Erhebung
Die Ergebnisse der Umfrage haben gezeigt, dass die Betrachtung der Zahl der Fonds ähnliche Aussagen im Hinblick auf den Einsatz von LMTs liefert, wie die Betrachtung der Volumina der Fonds. Im Folgenden wird deshalb nur die Anzahl an Fonds betrachtet.
Grundlegend unterscheidet sich aber das Bild, wenn man innerhalb der offenen Fonds zwischen Publikumsfonds und Spezialfonds differenziert. Hintergrund ist die unterschiedliche Anlegerstruktur. In Publikumsfonds investieren meist viele privaten Anleger, in Spezialfonds hingegen nur wenige institutionelle Investoren – oft sogar nur einer.
Publikumsfonds
Bei den Publikumsfonds (P-Fonds) wird vor allem mit dem Instrument der Rücknahmebeschränkung gearbeitet. Mit der Möglichkeit, größere Rückgaben auf einen längeren Zeitraum zu verteilen, ist nach Einschätzung der KVGen ein ausreichender Puffer im Notfall vorhanden, um notwendige Liquidität zu schaffen. Viele KVGen halten Rücknahmebeschränkungen im Bereich von Publikumsfonds derzeit für ausreichend und planen keinen weiteren Griff in den Instrumentenkasten. Rückgabefristen werden somit in deutlich weniger Fällen eingerichtet, und Swing Pricing ist ebenfalls nur vereinzelt implementiert (auch hier unter ein Prozent).
Abbildung 2: Einsatz von Liquditätstools bei Publikumsfonds
© BaFin / Eigene Erhebung
Betrachtet man bei den Publikumsfonds die unterschiedlichen Fondsgattungen, so ist kein besonderes Muster zu erkennen. Rücknahmebeschränkungen sind in Gattungen mit weniger liquiden Wertpapieren nicht häufiger vorgesehen als in sehr liquiden wie etwa Aktienfonds.
Einen Sonderfall der Publikumsfonds stellen börsengehandelte Fonds (ETFs) dar. Hier werden derzeit keine LMTs eingeführt, da in der Regel der Verkauf der Anteile über die Börse erfolgt. Umschichtungen im Portfolio und damit Liquiditätsmaßnahmen sind somit entbehrlich.
Spezialfonds
Bei Spezialfonds (S-Fonds) innerhalb der offenen Fonds werden Rücknahmebeschränkungen und Swing Pricing kaum eingesetzt. Die KVGen schätzen dort einen überraschenden Abzug von großem Volumen als äußerst unwahrscheinlich ein, insbesondere da der oftmals einzige Investor hiermit verbundene Wertverluste selbst zu tragen hätte. Ein First-Mover-Problem tritt hier somit nicht auf. Stattdessen wird im Spezialfondssegment eher mit Rückgabefristen gearbeitet, die der Liquidität der im Fonds befindlichen Assets Rechnung tragen. Eine separate Betrachtung von Ein-Anleger-Spezialfonds lieferte keine grundsätzlich abweichenden Ergebnisse zum Einsatz von LMTs bei Spezialfonds insgesamt].
Abbildung 3: Einsatz von Liquditätstools bei Spezialfonds
© BaFin / Eigene Erhebung
Ausblick
Derzeit haben KVGen bei Publikumsfonds LMTs vor allem in Form der Rücknahmebeschränkungen und bei Spezialfonds in Form der Rückgabefristen eingeführt. Aktuell prüfen KVGen weiterhin, welche Instrumente sich für welche Fonds am besten eignen. Die BaFin wird die weitere Entwicklung – auch im Dialog mit den KVGen – aktiv begleiten und dafür weitere Abfragen durchführen.
Verfasst von
Dr. Ines Seibel, Cajus Beyer, André Wetzel
Referat WA 51 Grundsatzfragen und offene Fonds und WA 54- Wertpapieraufsicht / Asset-Management Offene Fonds
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