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Bei Uneinigkeit der Eltern über Durchführung einer Corona-Schutzimpfung des fast 16-jährigen impfbereiten Kindes Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den der Empfehlung der STIKO vertrauenden Elternteil

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Daniel_B_photos (CC0), Pixabay
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Auch bei vorhandener Einwilligungsfähigkeit in eine Corona-Schutzimpfung bei einem fast 16-jährigen Kind bedarf es eines Co-Konsenses mit den sorgeberechtigten Eltern. Können diese sich in dieser Frage nicht einigen, ist die Entscheidung über die Durchführung der Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff bei einer vorhandenen Empfehlung der Impfung durch die STIKO und bei einem die Impfung befürwortenden Kindeswillen auf denjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung befürwortet. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) wies mit heute veröffentlichtem Beschluss die Beschwerde einer Mutter zurück.

Nr. 56/2021

Die geschiedenen Eltern eines 2005 geborenen Kindes üben gemeinsam die elterliche Sorge aus. Bei dem fast 16-Jährigen liegt gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch Institut (STIKO) aufgrund von Vorerkrankungen eine eindeutige medizinische Indikation für eine Impfung gegen das Corona Virus SARS-CoV-2 mit einem mRNA-Impfstoff vor. Vater und Kind befürworten eine Impfung, die Mutter ist damit nicht einverstanden und bezeichnet die Impfung als „Gentherapie“. Auf Antrag des Vaters hat das Amtsgericht diesem im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig die alleinige Befugnis zur Entscheidung über die Impfung seines Sohnes übertragen. Die erste Impfung des Kindes ist mittlerweile erfolgt.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Mutter vor dem OLG hatte keinen Erfolg. Wenn sich Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, kann auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung diesem allein übertragen werden (§ 1628 S. 1 BGB). Die Entscheidung über die Durchführung einer Impfung gegen das Corona Virus SARS-CoV-2 sei eine derartige Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, stellt das OLG fest.

Zwar sei hier naheliegend, dass der fast 16-Jährige für den medizinischen Eingriff im Verhältnis zu der ärztlichen Impfperson selbst einwilligungsfähig sei. Gleichwohl bedürfe es bei dem nicht geringfügigen medizinischen Eingriff zur Wirksamkeit der Einwilligung des Patienten auch der Einwilligung der sorgeberechtigten Eltern im Wege eines sog. Co-Konsenses.

Die Entscheidungsbefugnis sei demjenigen Elternteil zu übertragen, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der STIKO befürworte, soweit – wie vorliegend – bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorlägen. Bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung habe eine Empfehlung der STIKO für eine COVID-19 Impfung als Indikationsimpfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf (hier: Adipositas) der COVID-19 Erkrankung bestanden. Daher komme es gar nicht darauf an, dass sich die STIKO am 16.08.2021 nunmehr für Corona-Impfungen aller Kinder und Jugendlichen von mindestens 12 Jahren ausgesprochen habe.
Zudem, so das OLG, sei nach § 1697a BGB auch der Kindeswille zu beachten. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Kind sich im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung auch eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorgerechtsstreits bilden könne. Es stehe außer Frage, dass der fast 16-Jährige aufgrund seines Alters und seiner Entwicklung im Stande sei, sich eine eigene Meinung über den Nutzen und die Risiken der Corona-Schutzimpfung zu bilden. Insofern spreche auch die Rücksichtnahme auf den Willen des Kindes bei sorgerechtlichen Entscheidungen vorliegend für die bessere Entscheidungskompetenz des Kindesvaters. Denn Teil der elterlichen Sorge sei auch, die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln zu berücksichtigen.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.08.2021, Az. 6 UF 120/21

Die Entscheidung ist in Kürze im Volltext unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abrufbar.

Erläuterungen:

§ 1628 BGB Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern

Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.

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