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Bekanntmachung der aktualisierten diagnostischen Referenzwerte für diagnostische und interventionelle Röntgenanwendungen

geralt (CC0), Pixabay
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Bundesamt für Strahlenschutz

Bekanntmachung
der aktualisierten diagnostischen Referenzwerte
für diagnostische und interventionelle Röntgenanwendungen

Vom 17. November 2022

Die Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2034, 2036; 2021 I S. 5261), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 8. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4645) geändert worden ist, sieht in § 125 Absatz 1 Satz 1 vor, dass das Bundesamt für Strahlenschutz diagnostische Referenzwerte (DRW) für Untersuchungen am Menschen mit ionisierender Strahlung und radioaktiven Stoffen ermittelt, erstellt und veröffentlicht. Gemäß § 122 Absatz 3 StrlSchV sind die DRW bei Untersuchungen von Personen zu Grunde zu legen. Spätestens drei Jahre nach der letzten Veröffentlichung ist zu prüfen, ob die DRW aktualisiert werden müssen (§ 125 Absatz 2 StrlSchV). Auf dieser Grundlage wurden die DRW für diagnostische und interventionelle Röntgenanwendungen überarbeitet. Diese werden für folgende Untersuchungsarten in der Anlage bekannt gemacht:

Tabelle 1: DRW für konventionelle Projektionsaufnahmen am Erwachsenen
Tabelle 2: DRW für mammographische Untersuchungen
Tabelle 3: DRW für konventionelle Projektionsaufnahmen am Kind
Tabelle 4: DRW für diagnostische Durchleuchtungsuntersuchungen am Erwachsenen
Tabelle 5: DRW für diagnostische Durchleuchtungsuntersuchungen am Kind
Tabelle 6: DRW für interventionelle Eingriffe am Erwachsenen
Tabelle 7: DRW für Computertomographie (CT)-Untersuchungen am Erwachsenen
Tabelle 8: DRW für CT-Untersuchungen am Kind
Tabelle 9: DRW für DVT-Untersuchungen am Erwachsenen

Diese Bekanntmachung ersetzt die bisher gültige Bekanntmachung vom 22. Juni 2016 (BAnz AT 15.07.2016 B8) für diagnostische Untersuchungen sowie die Bekanntmachung vom 16. August 2018 (BAnz AT 03.09.2018 B8) für interven­tionelle Eingriffe. Weitere Ausführungen dienen der Erläuterung der Hintergründe der diagnostischen Referenzwerte und enthalten Hinweise für deren Anwendung.

Oberschleißheim, den 17. November 2022

Bundesamt für Strahlenschutz

Im Auftrag
Dr. de las Heras Gala

Tabelle 1: DRW für konventionelle Projektionsaufnahmen am Erwachsenen
Untersuchungsart DFPa
[cGy⋅cm2 = µGy⋅m2]
Schulter (pro Ebene)b 25
Thorax p. a.c 12
Thorax a. p.c (im Liegen) 15
Thorax latc 40
Brustwirbelsäule a. p./​p. a. 100
Brustwirbelsäule lat 120
Lendenwirbelsäule a. p./​p. a. 200
Lendenwirbelsäule lat 330
Abdomen a. p./​p. a. 200
Becken a. p./​p. a. 230
Hüfte (pro Ebene) 100
a DFP: Dosis-Flächen-Produkt
b Bei Untersuchungen in 2 Ebenen liegt der DRW bei 50 cGy cm2, auch wenn eine Y-Aufnahme inkludiert ist.
c a. p.: anterior-posterior; p. a.: posterior-anterior; lat: lateral
Tabelle 2: DRW für mammographische Untersuchungen
Untersuchungsart AGDa
[mGy]
Mammographie (pro Ebene) 2,0
Tomosynthese (pro Ebene) 2,5
a AGD: Average glandular dose (mittlere Parenchmydosis, Organdosis der Brust)
Tabelle 3: DRW für konventionelle Projektionsaufnahmen am Kind
Untersuchungsarta Gewichts-/​Altersklasse DFPb
[cGy⋅cm2 = µGy⋅m2]
Thorax a. p./​p. a.c Frühgeborene (< 3 kg) 0,3
Neugeborene (3 bis < 5 kg; 0 bis < 3 Monate) 0,5
Säuglinge (5 bis < 10 kg; 3 bis < 12 Monate) 0,8
Frühe Kindheit (10 bis < 19 kg; 1 bis < 5 Jahre) 1,5
Mittlere Kindheit (19 bis < 32 kg; 5 bis < 10 Jahre) 2,5
Späte Kindheit (32 bis < 56 kg; 10 bis < 15 Jahre) 4,0
Abdomen a. p./​p. a.c Neugeborene (3 bis < 5 kg; 0 bis < 3 Monate) 1,5
Säuglinge (5 bis < 10 kg; 3 bis < 12 Monate) 5
Frühe Kindheit (10 bis < 19 kg; 1 bis < 5 Jahre) 7,5
Mittlere Kindheit (19 bis < 32 kg; 5 bis < 10 Jahre) 16
Späte Kindheit (32 bis < 56 kg; 10 bis < 15 Jahre) 30
Becken a. p./​p. a.c Frühe Kindheit (10 bis < 19 kg; 1 bis < 5 Jahre) 12
Mittlere Kindheit (19 bis < 32 kg; 5 bis < 10 Jahre) 25
Späte Kindheit (32 bis < 56 kg; 10 bis < 15 Jahre) 50
a Die Untersuchungen Schädel AP und Schädel LAT sind bei Kindern nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt, so dass für diese Anwendungen kein DRW festgelegt wurde.
b DFP: Dosis-Flächen-Produkt
c a. p.: anterior-posterior; p. a.: posterior-anterior
Tabelle 4: DRW für diagnostische Durchleuchtungsuntersuchungen am Erwachsenen
Untersuchungsart DFPa
[cGy⋅cm2 = µGy⋅m2]
Koronarangiographie 1 800
Kolon Monokontrast 2 000
Phlebographie Bein-Becken 400
Arteriographie Becken-Bein 3 500
a DFP: Dosis-Flächen-Produkt
Tabelle 5: DRW für diagnostische Durchleuchtungsuntersuchungen am Kind
Untersuchungsart Gewichtsklasse bzw. Altersklasse DFPa
[cGy⋅cm2 = µGy⋅m2]
MCUb Neugeborene (3 bis < 5 kg; < 3 Monate) 5
Säuglinge (5 bis < 10 kg; 3 bis < 12 Monate) 10
Frühe Kindheit (10 bis < 19 kg; 1 bis < 5 Jahre) 18
Mittlere Kindheit (19 bis < 32 kg; 5 bis < 10 Jahre) 30
a DFP: Dosis-Flächen-Produkt
b MCU: Miktions-Cysto-Urographie
Tabelle 6a: DRW für interventionelle Eingriffe am Erwachsenena
Art des interventionellen Eingriffs DFPb
[cGy⋅cm2 = µGy⋅m2]
Endovaskuläre Behandlung des akuten Schlaganfalls (Thrombektomie) 14 000
Endovaskuläre Behandlung eines Hirnarterienaneurysmas 20 000
PCIc 3 500
Kombinierte Koronarangiographie/​PCI 4 000
TAVId 5 000
EVARe
– einfache Prothesen 20 000
– fenestrierte/​gebranchte Prothesen 30 000
TACEf 20 000
PTAg Becken 5 000
PTA Oberschenkel-Knie 2 500
PTA Unterschenkel-Fuß 1 800
ERCPh (Intervention) 2 000
a Bei interventionellen Strahlenanwendungen ist ein gescheiterter Eingriff (frustrane Implantation) als Therapie zu berücksichtigen.
b DFP: Dosis-Flächen-Produkt
c Perkutane koronare Intervention
d Transkatheter Aortenklappen-Implantation
e Endovaskuläre Aneurysma-Therapie
f Transarterielle Chemoembolisation
g Perkutane transluminare Angioplastie
h Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie
Tabelle 6b: DRW für elektrophysiologische Untersuchungen (EPU) am Erwachsenena
Art der Implantation DFPb
[cGy⋅cm2 = µGy⋅m2]
Einkammersystem 900
Zweikammersystem 1 700
Dreikammersystem 4 900
a Die Werte gelten sowohl für die Implantation von Schrittmachern als auch von Defibrillatoren.
b DFP: Dosis-Flächen-Produkt
Tabelle 7: DRW für CT-Untersuchungen am Erwachsenen (Scanbereich und Scanlänge dienen lediglich der Orientierung)
Untersuchungsregion Scanbereich Scanlänge
[cm]
CTDIvola
[mGy]
Gehirn Schädelbasis – Kalotte 13 55
Gesichtsschädel (Tumordiagnostik, Trauma) Kinn – Oberrand der Stirnhöhle 12 20
NNHb (Sinusitis, OP-Planung) Oberkiefer – Oberrand der Stirnhöhle 10 7
Hals (z. B. Tumorsuche, Lymphknotenstatus) Orbitaboden – Thoraxeingang 19 15
CT-Angiographie der hirnversorgenden Gefäße
(z. B. Gefäßverschluss, Dissektion)
Aortenbogen – Vertex 33 15
HWS/​BWS/​LWSc (Bandscheibe) 4/​5/​6 pro Fach 23
HWS/​BWS/​LWS (Knochen) Alle Wirbelkörper des jeweiligen Abschnitts 13/​32/​20 15
Thorax Weichteile (z. B. Entzündungen, Raum-
forderungen, Pulmonalarterienembolien,
Charakterisierung von Rundherden)
Lungenspitze – dorsaler Recessus 31 8
Lungenparenchym (z. B. Detektion von soliden
Rundherden und deren Verlaufskontrolle)
Lungenspitze – dorsaler Recessus 31 3
CT-Angiographie der gesamten Aorta Obere Thoraxapertur – Symphyse 61 10
EKG-synchronisierte koronare Angiographied Aortenbulbus – Herzspitze 12 20
Abdomen (z. B. Leber, Pankreas) Obere Zwerchfellkuppe – Beckenkamm 25 12
Abdomen mit Becken
(z. B. Tumor, akutes Abdomen, Verletzung)
Obere Zwerchfellkuppe – Tuber ischiadicum 45 12
Rumpf (Thorax + Abdomen + Becken) HWK 7 – Tuber ischiadicum 63 12
Becken (Weichteile) Unterer Nierenpol – Tuber ischiadicum 28 12
Becken (Knochen) Crista iliaca – Tuber ischiadicum 22 10
CT-Angiographie Becken-Bein Zwerchfell – Fußspitzen oder befundzentriert 125 7
a Die angegebenen CTDIvol-Werte für Untersuchungen am Hirn- und Gesichtsschädel sowie der Nasennebenhöhlen beziehen sich auf den 16 cm-CTDI-Prüfkörper („Kopfphantom“); alle anderen Angaben auf den 32 cm-CTDI-Prüfkörper („Körperphantom“).
b NNH: Nasennebenhöhlen
c HWS/​BWS/​LWS: Halswirbelsäule, Brustwirbelsäule, Lendenwirbelsäule
d Die retrospektive Variante sollte nur unter besonderen Umständen durchgeführt werden (z. B. Patienten mit Arrhythmie). Die daraus gegebenenfalls resultierende Überschreitung der DRW ist zu begründen.
Tabelle 8: DRW für CT Untersuchungen am Kind (Scanbereich und Scanlänge dienen lediglich der Orientierung)
Untersuchungsregion Gewichts- bzw. Altersklasse Scanlängea
[cm]
CTDIvolb
[mGy]
Gehirn (Schädelbasis – Kalotte) Säuglinge (3 bis < 12 Monate) 10 25
Frühe Kindheit (1 bis < 5 Jahre) 11 35
Mittlere Kindheit (5 bis < 10 Jahre) 12 40
Späte Kindheit (10 bis < 15 Jahre) 13 45
Thorax (Lungenspitze – dorsaler Recessus) Neugeborene (3 bis < 5 kg; 0 bis < 3 Monate) 11 1,0
Säuglinge (5 bis < 10 kg; 3 bis < 12 Monate) 13 1,5
Frühe Kindheit (10 bis < 19 kg; 1 bis < 5 Jahre) 20 2,0
Mittlere Kindheit (19 bis < 32 kg; 5 bis < 10 Jahre) 25 3,0
Späte Kindheit (32 bis < 56 kg; 10 bis < 15 Jahre) 30 5,0
Abdomen (Obere Zwerchfellkuppe-Symphyse) Mittlere Kindheit (19 bis < 32 kg; 5 bis < 10 Jahre) 36 4,0
Späte Kindheit (32 bis < 56 kg; 10 bis < 15 Jahre) 43 7,0
a Bei Kindern/​Jugendlichen können je nach Wachstumsschub die Scanlängen erheblich variieren.
b Die angegebenen CTDIvol-Werte für Untersuchungen am Hirnschädel beziehen sich auf den 16 cm-CTDI-Prüfkörper („Kopfphantom“). Die anderen Untersuchungen auf den 32 cm-CTDI-Prüfkörper („Körperphantom“).
Tabelle 9: DRW für DVTa-Untersuchungen am Erwachsenen
Untersuchungsart Gewichtsklasse bzw. Altersklasse DFPb
[mGy⋅cm2]
Nasennebenhöhlen (NNH) 1 500
Dentalc FOVd ≤ 5e x 5f (≤ 25 cm2) 500
FOVd > 5e x 5f (> 25 cm2) 1 000
a Digitale Volumentomographie (auch CBCT genannt)
b DFP: Dosis-Flächen-Produkt. Man beachte, dass üblicherweise bei DVT-Untersuchungen mGy cm2 die international verwendete Einheit für die Angabe des DFP ist.
c Werden auch endodontische Untersuchungen in einer Einrichtung durchgeführt, so kann es zu einer beständigen, aber gerechtfertigten Überschreitung des DRW kommen. Dies ist zu dokumentieren.
d FOV: Field of View
e Transaxiale Einblendung
f Axiale Einblendung

Erläuterungen und Hinweise

Internationale und nationale Grundlagen für die Festlegung von diagnostischen Referenzwerten

Die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP) weist in ihrer Veröffentlichung 105 von 2007 [1] über „Strahlenschutz und Sicherheit in der Medizin“ auf die große Bedeutung der beiden Strahlenschutzgrundsätze „Rechtfertigung“ und „Optimierung“ bei diagnostischen und interventionellen Anwendungen von Röntgenstrahlung hin. Das grundsätzliche Ziel der Optimierung ist, jede Strahlenexposition unter Beachtung des Standes von Wissenschaft und Technik und unter Berücksichtigung der Umstände im Einzelfall so gering zu halten, wie dies mit den Anforderungen an die Bildqualität vereinbar ist (ALARA – as low as reasonable achievable). Die ICRP stellt in diesem Zusammenhang fest, dass Dosisgrenzen, deren Bedeutung für die berufliche Strahlenexposition und die Exposition der Bevölkerung unbestritten ist, für die medizinische Exposition von Patientinnen und Patienten kein geeignetes Mittel des Strahlenschutzes sind. Sie betont jedoch, dass „eine gewisse Begrenzung der Exposition in der medizinischen Diagnostik notwendig“ ist, und empfiehlt die Anwendung von DRW für häufige und/​oder dosisintensive Strahlenanwendungen. Sie beschreibt DRW als Werte einer messbaren Größe, die dazu dienen, Situationen zu erkennen, in denen die Patientendosis für die vorgesehene Maßnahme zu hoch ist. DRW sind demnach Richtwerte einer Dosisgröße, oberhalb derer die Ursache für ihre Überschreitung gesucht werden muss und Abhilfemaßnahmen in Erwägung zu ziehen sind.

In der jüngsten Publikation der ICRP zu DRW aus dem Jahr 2017 [2] werden Empfehlungen für die Festlegung und Anwendung der DRW gegeben. Danach sollten DRW auf Basis der 75. Perzentile der Verteilung der in einer repräsentativen Auswahl an Einrichtungen erhobenen Medianwerte festgelegt werden (Paragraph 402). Darüber hinaus wird für Kinder empfohlen (Paragraph 413), idealerweise Gewichtsgruppen statt Altersgruppen zu verwenden. Diese Empfehlungen werden in der aktuellen Bekanntmachung berücksichtigt.

Die ICRP empfiehlt die Erstellung von DRW für häufige diagnostische und interventionelle Maßnahmen für allgemein definierte Gerätetypen. Die DRW sollen in regelmäßigen zeitlichen Abständen überprüft und aktualisiert werden. Wenn festgestellt wird, dass bei einem Betreiber bei einem oder mehreren Verfahren ständig zu hohe Dosiswerte auftreten, die deutlich über den DRW liegen, so soll im Sinne des Grundsatzes der Optimierung vor Ort eine Überprüfung der Geräte und der diagnostischen und interventionellen Verfahren vorgenommen werden.

Die Europäische Kommission hat das ICRP-Konzept der DRW als ein Mittel der Optimierung im Strahlenschutz aufgegriffen, erstmals in der Richtlinie 97/​43/​EURATOM („Patientenschutzrichtlinie“ [3]) verankert und später in der Richtlinie 2013/​59/​EURATOM [4] bestätigt. Beide EURATOM-Richtlinien definieren DRW als „Dosiswerte bei strahlendiagnostischen medizinischen oder interventionsradiologischen medizinischen Tätigkeiten für typische Untersuchungen an einer Gruppe von Patienten mit Standardmaßen oder an Standardphantomen für allgemein definierte Arten von Ausrüstung“. Die EU-Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, „dass diagnostische Referenzwerte für strahlendiagnostische Untersuchungen … und, sofern zweckdienlich, für interventionsradiologische Verfahren festgelegt, regelmäßig überprüft und angewendet werden und dass eine entsprechende Leitlinie verfügbar ist“. Bei Anwendung guter und üblicher Praxis hinsichtlich der diagnostischen und der technischen Leistung wird erwartet, dass bei Standard­verfahren die betreffenden DRW nicht überschritten werden.

Mit der Novellierung der Röntgenverordnung [5] vom 18. Juni 2002 wurde das Konzept der DRW auch in Deutschland in nationales Recht eingeführt. In der StrlSchV vom 29. November 2018 [6] sind DRW definiert als „Dosiswerte bei Anwendung ionisierender Strahlung am Menschen für typische Untersuchungen, bezogen auf Standardphantome oder auf Patientengruppen, für einzelne Gerätekategorien“. In § 125 Absatz 1 Satz 1 StrlSchV heißt es: „Das Bundesamt für Strahlenschutz ermittelt, erstellt und veröffentlicht diagnostische Referenzwerte für Untersuchungen mit ionisierender Strahlung und radioaktiven Stoffen.“, und in Absatz 2: „Das Bundesamt für Strahlenschutz prüft spätestens drei Jahre nach der letzten Veröffentlichung, ob die diagnostischen Referenzwerte aktualisiert werden müssen und aktualisiert sie gegebenenfalls.“ In § 122 Absatz 3 StrlSchV heißt es: „Der Strahlenschutzverantwortliche hat dafür zu sorgen, dass die diagnostischen Referenzwerte nach § 125 Absatz 1 Satz 1 bei Untersuchungen von Personen mit radioaktiven Stoffen oder ionisierender Strahlung zugrunde gelegt werden.“

Die DRW können und sollten unterschritten werden, wenn die erreichte Bildqualität für die diagnostische Bewertung bei niedrigeren Werten hinreichend gut ist, z. B. bei Verwendung neuer Gerätetechnologien. Die Einhaltung der DRW ersetzt also nicht das Optimierungsgebot nach § 83 Absatz 5 Strahlenschutzgesetz [7]: „Die Exposition durch eine Untersuchung mit ionisierender Strahlung oder radioaktiven Stoffen ist so weit einzuschränken, wie dies mit den Erfordernissen der medizinischen Wissenschaft zu vereinbaren ist“.

Die DRW sind als 75. Perzentile einer Verteilung von Patientendosen verschiedener Anwender festgelegt und nicht als Optimalwerte zu interpretieren. Andererseits stellen sie keine Grenzwerte für Patientenuntersuchungen dar und gelten auch nicht für individuelle Strahlenanwendungen. Sie gelten vielmehr für ein typisches Patientenkollektiv, denn die Dosis einer Untersuchung hängt nicht nur von der verwendeten Gerätetechnik und der technischen Durchführung der Untersuchung ab, sondern von vielen weiteren Faktoren, wie z. B. den Körpermaßen und dem Gewicht des Patienten oder dessen Mitarbeit. Wenn aus einem dieser Gründe die Strahlenexposition bei einem Patienten höher liegt als der entsprechende DRW, so ist das erklärbar und zu dokumentieren, erfordert aber keine weiteren Konsequenzen. Doch sollte der für eine Gruppe von mindestens zehn Patienten erhobene Medianwert der Strahlenexposition den jeweiligen DRW in der Regel nicht überschreiten.

Den ärztlichen Stellen fällt die Aufgabe zu, die Beachtung der DRW bei der Patientenexposition zu überprüfen (§ 130 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 StrlSchV) sowie gegebenenfalls Optimierungsmaßnahmen vorzuschlagen und nachzu­prüfen, ob und wie weit die Vorschläge umgesetzt werden (§ 130 Absatz 2 StrlSchV). Die ärztlichen Stellen sind verpflichtet, jede ständige, ungerechtfertigte Überschreitung der DRW der zuständigen Landesbehörde zu melden (§ 130 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 StrlSchV). Die Behörde kann daraufhin eine Überprüfung vor Ort veranlassen oder selbst durchführen, um die Ursachen für die ständige Überschreitung zu finden und zusammen mit den ärztlichen Stellen Maßnahmen zur Verringerung der Strahlenexposition zu empfehlen. Weiterhin übermittelt die zuständige Behörde dem BfS einmal pro Jahr die von den ärztlichen und zahnärztlichen Stellen erfassten Daten zur Exposition in anonymisierter Form (§ 125 Absatz 1 Satz 3 StrlSchV). Diese Maßnahme soll das BfS in die Lage versetzen, die DRW in regelmäßigen Zeitabständen zu prüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren (§ 125 Absatz 1 Satz 2 StrlSchV).

Erläuterungen zu den aktualisierten DRW für diagnostische und interventionelle Röntgenanwendungen

Mit der vorliegenden Bekanntmachung erfolgt die Aktualisierung der DRW für diagnostische und interventionelle Röntgenanwendungen auf Grundlage der Ergebnisse eines Fachgesprächs, an dem Vertreter des Bundesministe­riums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, der Strahlenschutzkommission, der ärztlichen Stellen sowie verschiedener Fachgesellschaften und Berufsverbände beteiligt waren. Der Aktualisierung liegen die Resultate der Meldungen der ärztlichen Stellen sowie einer umfangreichen Erhebung zu den in Deutschland an Kindern durchgeführten Röntgenanwendungen [8] zu Grunde. Die aktualisierten DRW ersetzen die bisher gültigen und sind bei der Untersuchung von Menschen zu Grunde zu legen.

Erstmals wurden DRWs für elektrophysiologische Untersuchungen (EPU), die Brusttomosynthese sowie DVT-Untersuchungen der Nasennebenhöhlen und der Zähne und des Kiefers festgelegt. Hierfür wurden Daten des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG [9]), der TOSYMA-Studie [10] bzw. der Bundeszahnärztekammer ausgewertet.

Für pädiatrische Untersuchungen sind primär die Gewichtsklassen zu verwenden. Die ebenfalls angegebenen Altersklassen dienen der zusätzlichen Orientierung. Für Kinder über 56 kg (oder 15 Jahre) wurden keine DRWs festleget, in diesem Fall sind die DRW für Erwachsene zu berücksichtigen.

Für CT-Untersuchungen wird neu der anatomische Scanbereich und eine typische Scanlänge zur Orientierung angegeben. Die Scanbereiche sind konform mit der neuen Leitlinie der Bundesärztekammer [11, 12]. Sie entsprechen dem jeweiligen Körperbereich für eine Referenzperson (gemittelt über beide Geschlechter). Dementsprechend wurde in der vorliegenden Bekanntmachung auf die explizite Angabe von Dosislängenprodukten (DLP) verzichtet (DLP=CTDIvol⋅Scanlänge). Zur vollständigen Charakterisierung der Strahlenexposition einer CT-Untersuchung gehört die Angabe des CT-Dosimetrie-Prüfkörpers, auf den sich der jeweilige Wert des CTDIvol bezieht. Bei kombinierten CT-Untersuchung von Körperbereichen sollten, wenn irgend möglich, separate Scans durchgeführt werden, die jeweils die für die jeweiligen Körperbereiche festgelegten DRWs beachten. Wenn die Kombination von mehreren Körperbereichen in einem Scan gerechtfertigt ist (z. B. bei Unfallopfern), ist der CTDIvol für den Körperbereich mit dem höchsten DRW heranzuziehen.

Literatur:
[1] International Commission on Radiological Protection (2007) Radiological Protection in Medicine. ICRP Publication 105. Ann. ICRP 37 (6).
[2] International Commission on Radiological Protection (2017) Diagnostic Reference Levels in Medical Imaging. ICRP Publication 135. Ann. ICRP 46 (1).
[3] Europäische Gemeinschaften; Richtlinie 97/​43/​EURATOM des Rates vom 30. Juni 1997 über den Gesundheitsschutz von Personen gegen die Gefahren ionisierender Strahlung bei medizinischer Exposition und zur Aufhebung der Richtlinie 84/​466/​EURATOM, ABl. L Nr. 180 S. 22.
[4] Europäische Gemeinschaften; Richtlinie 2013/​59/​EURATOM des Rates vom 5. Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/​618/​Euratom, 90/​641/​Euratom, 96/​29/​Euratom, 97/​43/​Euratom und 2003/​122/​Euratom.
[5] Verordnung über den Schutz vor Schäden durch Röntgenstrahlen (Röntgenverordnung – RöV) vom 8. Januar 1987 (BGBl. I S. 114) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. April 2003 (BGBl. I S 604), die zuletzt am 11. Dezember 2014 geändert worden ist; seit dem 31. Dezember 2018 außer Kraft.
[6] Strahlenschutzverordnung vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2034, 2036; 2021 I S. 5261), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 8. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4645) geändert worden ist.
[7] Strahlenschutzgesetz vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 1966), das zuletzt durch die Bekanntmachung vom 3. Januar 2022 (BGBl. I S. 15) geändert worden ist.
[8] Wollschläger et al. BfS-RESFOR-165/​20: Erfassung der relativen Häufigkeiten und Strahlendosen von Röntgenanwendungen in der pädiatrischen Radiologie. Vorhaben 3617S42441. Ergebnis vom 6. Dezember 2019 und Neuauswertung für die deutschen Altersklassen vom 5. Oktober 2021. http:/​/​doris.bfs.de/​jspui/​handle/​urn:nbn:de:0221-2020092123034
[9] IQTIG. Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen. Beschreibung der Qualitätsindikatoren und Kennzahlen nach QSKH-RL.Herzschrittmacher-Implantation. Erfassungsjahr 2018 (Seite 45). https:/​/​iqtig.org/​downloads/​auswertung/​auswertung/​2018/​09n1hsmimpl/​QSKH_​09n1-HSM-IMPL_​2018_​QIDB_​V02_​2019-04-11.pdf
[10] Weigel S, Gerss J, Hense H-W, et al. Digital Breast Tomosynthesis plus Synthesised Images versus Standard Full-field Digital Mammography in Population-based Screening (TOSYMA): Protocol of a Randomised Controlled Trial. BMJ Open 2018;8:e020475. doi:10.1136/​bmjopen-2017-020475
[11] Leitlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der Computertomographie – Qualitätskriterien röntgendiagnostischer Untersuchungen. BÄK 2022 (Im Druck).
[12] Leitlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der Röntgendiagnostik – Qualitätskriterien röntgendiagnostischer Untersuchungen. BÄK 2022 (Im Druck).

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