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Bekanntmachung der Richtlinie nach § 5 Absatz 12 Satz 1 bis 3 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung

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Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
der Richtlinie nach § 5 Absatz 12 Satz 1 bis 3
der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung

Vom 29. März 2023

Die Bundesärztekammer hat nach § 18 Absatz 1 Satz 1 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung vom 20. Januar 1998 (BGBl. I S. 74, 80), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 15. März 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 70) geändert worden ist, in Verbindung mit § 5 Absatz 12 Satz 1 bis 3 und Absatz 13 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung in der bis einschließlich 7. April 2023 geltenden Fassung in einer Richtlinie den allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Substitution im Sinne des § 5 Absatz 1 Satz 1 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung festgestellt.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Richtlinie der Bundesärztekammer genehmigt und macht die Richtlinie nachfolgend gemäß § 18 Absatz 1 Satz 2 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung bekannt (Anlage).

Bonn, den 29. März 2023

122-40104-01/​019

Bundesministerium für Gesundheit

Im Auftrag
Annette Clauß

Anlage

Richtlinie der Bundesärztekammer zur Durchführung
der substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger
vom Vorstand der Bundesärztekammer in seiner Sitzung am 16. Februar 2023 verabschiedet1

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

Rechtsgrundlage, Wirkung und Verfahren

Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Rechtsnormen

1 Therapieziele

2 Allgemeine Voraussetzungen für die Einleitung und Fortführung einer substitutionsgestützten Behandlung

3 Therapiekonzept

3.1 Abklärung der Indikation und des Therapiekonzeptes

3.2 Festlegung patientenbezogener Therapieziele

3.3 Auswahl und Einstellung des Substitutionsmittels

3.4 Einbeziehung psychosozialer und weiterer Betreuungsmaßnahmen

4 Bewertung des Therapieverlaufs einschließlich der Durchführung von Kontrollen

4.1 Voraussetzungen und Feststellungen für das Verschreiben des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme („Take-home-Verschreibung“)

4.1.1 Take-home-Verschreibung bei ausnahmsweiser eigenverantwortlicher Einnahme des Substitutionsmittels (gemäß § 5 Absatz 8 Satz 1 Nummer 2 BtMVV)

4.1.2 Take-home-Verschreibung bei stabiler Substitutionsbehandlung (gemäß § 5 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 BtMVV)

4.1.3 Begründete Einzelfälle für eine über sieben Tage hinausgehende Take-home-Verschreibung bei stabiler Substitutionsbehandlung (gemäß § 5 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 BtMVV)

4.2 Beendigung und Abbruch der substitutionsgestützten Behandlung

5 Einbeziehung externer Einrichtungen in die Substitutionsbehandlung

6 Qualifikation des behandelnden Arztes

7 Dokumentationsanforderungen im Rahmen einer substitutionsgestützten Behandlung

Vorbemerkung

Der Bundesärztekammer wurde 2001 mit der Fünfzehnten Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung (15. BtMÄndV) erstmalig die Möglichkeit eingeräumt, in Richtlinien den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft für definierte Bereiche der Substitutionsbehandlung Opioidabhängiger festzustellen. Die ersten „Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger“ legte sie daraufhin am 22. März 2002 vor, die zum 19. Februar 2010 und zum 2. Oktober 2017 einer umfassenden Überarbeitung unterzogen wurden.

Die vorliegende Richtlinie knüpft an die vorgenannten Richtlinien-Fassungen an. Die Anpassung der Richtlinie resultiert aus den Vorgaben der Verordnung zur Änderung der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung und der Tierärztegebührenordnung, die insbesondere Änderungen aus den Erfahrungen mit den während der COVID-19-Pandemie eingeführten Ausnahmen von der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) beinhaltet.

Die Richtlinie stellt den allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft insbesondere für die Therapieziele der substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger, die allgemeinen Voraussetzungen für die Einleitung und Fortführung einer Substitution sowie die Erstellung eines Therapiekonzeptes gemäß § 5 Absatz 11 BtMVV fest. Letzteres umfasst insbesondere die Auswahl des Substitutionsmittels, die Bewertung und Kontrolle des Therapieverlaufs, die Voraussetzungen für das Verschreiben eines Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme sowie die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Einbeziehung psychosozialer Betreuungsmaßnahmen. Darüber hinaus werden Anforderungen an die ärztliche Dokumentation bestimmt.

Die Richtlinie enthält zudem Verweise zu einem Anhang2 mit Hinweisen zur erforderlichen Patientenaufklärung. Diese sind im inhaltlichen Kontext der Richtlinie zu sehen, ohne Bestandteil der Richtlinie selber zu sein.

Rechtsgrundlage, Wirkung und Verfahren

Die Bundesärztekammer stellt gemäß § 5 Absatz 11 Satz 1 BtMVV den allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger in einer Richtlinie fest. Deren Inhalt bestimmt sich nach Maßgabe der in § 5 Absatz 11 Satz 1 BtMVV nicht abschließend aufgeführten Gegenstände.

Daneben kann die Bundesärztekammer gemäß § 5 Absatz 11 Satz 2 BtMVV nach dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft weitere als die in § 5 Absatz 2 Satz 2 BtMVV bezeichneten wesentlichen Ziele der Substitution in der Richtlinie feststellen. Darüber hinaus bestimmt sie gemäß § 5 Absatz 11 Satz 3 in Verbindung mit § 5 Absatz 10 Satz 1 BtMVV auch die Anforderungen an die Dokumentation der Substitution.

Die Einhaltung des allgemein anerkannten Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft wird gemäß § 5 Absatz 11 Satz 4 BtMVV vermutet, wenn die in der Richtlinie der Bundesärztekammer getroffenen Feststellungen zu § 5 Absatz 11 Satz 1 und 2 BtMVV vom substituierenden Arzt beachtet worden sind.

Sollte im Einzelfall eine medizinische Notwendigkeit für eine Abweichung von der Richtlinie bestehen, so muss hierfür eine fundierte Begründung dokumentiert oder eine fundiert begründende Zweitmeinung eingeholt und dokumentiert werden. Die Hinzuziehung einer begründeten Zweitmeinung kann auch über die Beratungskommission der zuständigen Ärztekammer erfolgen.

Die Richtlinie wurde in ihrer Fassung vom 2. Oktober 2017 im Rahmen eines strukturierten Konsultationsverfahrens von den Landesärztekammern und relevanten in der Suchthilfe tätigen Spitzen- und Fachverbänden diskutiert und in ihrer aktuellen Fassung an die geänderten gesetzlichen Vorgaben um bewährte durch die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung befristet eingeführte Erleichterungen ergänzt. Die Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 5 Absatz 12 BtMVV wurde in die Beratungen und die Entscheidung mit einbezogen. Die Genehmigung durch das Bundesministerium für Gesundheit gemäß § 5 Absatz 13 in Verbindung mit § 18 Absatz 1 BtMVV wurde am 24. März 2023 erteilt.

Diese Richtlinie entspricht dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vom 16. Februar 2023.

Anwendungsbereich und Verhältnis zu anderen Rechtsnormen

Bei der substitutionsgestützten Behandlung der Opioidabhängigkeit sind die Regelungen des Betäubungsmittel­gesetzes (BtMG), der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) und des Arzneimittelgesetzes (AMG) zu beachten. Bezüglich bestehender Dokumentationspflichten wird auf Abschnitt 7 der Richtlinie verwiesen. Ausführungen zu den Anforderungen an die im Rahmen der substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger erforderliche Patientenaufklärung befinden sich im Anhang2 der Richtlinie.

Diese Richtlinie gilt unter Beachtung des ärztlichen Berufsrechtes für alle Ärzte, die eine solche Behandlung durchführen. Ein Verstoß gegen diese Richtlinie kann über die straf- oder ordnungsrechtlichen Folgen gemäß den §§ 16, 17 BtMVV, § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6, § 13 Absatz 1 BtMG hinaus eine berufsrechtliche Prüfung nach sich ziehen. Darüber hinaus können haftungsrechtliche Konsequenzen in Betracht kommen.

Soweit die substitutionsgestützte Behandlung Opioidabhängiger als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt wird, sind darüber hinaus die Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) und die entsprechenden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu beachten.

1 Therapieziele

Opioidabhängigkeit ist eine schwere chronische Krankheit. Sie bedarf in der Regel einer lebenslangen Behandlung, bei der körperliche, psychische und soziale Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen sind. Die substitutionsgestützte Behandlung ist eine wissenschaftlich gut evaluierte Therapieform und stellt für die Mehrheit der Patienten die Therapie der Wahl dar.

Ziele der substitutionsgestützten Behandlung sind:

Sicherstellung des Überlebens,
Stabilisierung und Besserung des Gesundheitszustandes,
Unterstützung der Behandlung somatischer und psychischer Begleiterkrankungen,
Reduktion riskanter Applikationsformen von Opioiden,
Reduktion des Konsums unerlaubt erworbener oder erlangter Opioide,
Reduktion des Gebrauchs weiterer Suchtmittel,
Abstinenz von unerlaubt erworbenen oder erlangten Opioiden,
Verringerung der durch die Opioidabhängigkeit bedingten Risiken während einer Schwangerschaft sowie während und nach der Geburt,
Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität,
Reduktion der Straffälligkeit,
Teilhabe am Leben in der Gesellschaft und am Arbeitsleben.

Ob und in welchem Zeitrahmen diese Ziele auch jeweils einzeln erreicht werden können, hängt wesentlich von der individuellen Situation des Opioidabhängigen ab. Die aufgeführten Ziele sind nicht konsekutiv zu verstehen. Nach Erreichung und Stabilisierung von Therapiezielen soll der Patient auf weitere, realistischerweise erreichbare Therapieziele angesprochen, für diese motiviert und unterstützende Begleitmaßnahmen vereinbart werden.

Im Rahmen eines zielorientierten motivierenden Gesprächs soll – entsprechend den Vorgaben des § 5 Absatz 2 Satz 1 BtMVV – auch eine Opioidabstinenz thematisiert und entsprechend dokumentiert werden.

2 Allgemeine Voraussetzungen für die Einleitung und Fortführung einer substitutionsgestützten Behandlung

Voraussetzung für die Einleitung und Fortführung einer substitutionsgestützten Behandlung ist gemäß § 5 Absatz 1 Satz 2 BtMVV eine Opioidabhängigkeit, die Folge eines Missbrauchs von erlaubt erworbenen oder von unerlaubt erworbenen oder erlangten Opioiden ist. Für ihre Feststellung ist die International Classification of Diseases (ICD) in der jeweils geltenden Fassung maßgebend.

Für die Entscheidung, ob eine Substitutionsbehandlung indiziert ist, ist der Nutzen einer Substitutionsbehandlung gegenüber den Gefahren eines unkontrollierten Drogenkonsums abzuwägen. In begründeten Fällen kann eine Substitutionsbehandlung auch bei derzeit nicht konsumierenden opioidabhängigen Patienten – z. B. Inhaftierte mit hohem Rückfall- und Mortalitätsrisiko – eingeleitet werden. Bei schweren Verläufen kann eine Behandlung mit Diamorphin indiziert sein. Hierfür gelten die besonderen Voraussetzungen nach § 5a Absatz 1 bis 4 BtMVV.

Für die individuelle Indikationsstellung und Einleitung einer substitutionsgestützten Behandlung sind die Besonderheiten des Patienten zu berücksichtigen. Besondere Sorgfalt bei der Indikationsstellung ist bei Jugendlichen und Heranwachsenden sowie bei erst kürzer abhängigen Patienten geboten und in der Behandlungsdokumentation zu begründen. Eine psychosoziale Betreuung sollte bei dieser Zielgruppe regelhaft mit einbezogen werden.

Während und nach der Schwangerschaft opioidabhängiger Patientinnen ist die Substitutionstherapie die Behandlung der Wahl, um Risiken für Mutter und Kind zeitnah zu vermindern und adäquate medizinische und soziale Hilfemaßnahmen einzuleiten (z. B. Einbezug eines Perinatalzentrums).

Bei einer Substitutionsbehandlung müssen relevante Vorerkrankungen des Patienten anamnestisch erhoben, beachtet und gegebenenfalls weiter abgeklärt sowie mögliche Therapiealternativen besprochen werden.

Bei einem Übergang von einer ambulant durchgeführten Substitutionsbehandlung in eine Krankenhausbehandlung, Rehabilitationsmaßnahme, Inhaftierung oder andere Form einer stationären Unterbringung und umgekehrt soll die Kontinuität der Behandlung durch die übernehmende Institution sichergestellt werden.

Im Rahmen der Substitutionsbehandlung sind spezifische Dokumentationsanforderungen zu berücksichtigen, die in Abschnitt 7 dieser Richtlinie aufgeführt sind. Ergänzend sind Ausführungen zu den spezifischen Anforderungen an die Patientenaufklärung dem Anhang2 zu entnehmen. Daneben sind auch die allgemeinen Anforderungen an die Ein­willigung in die medizinische Behandlung zu beachten.

3 Therapiekonzept

Eine Opioidabhängigkeit wird in der Regel von psychischen und somatischen Erkrankungen sowie psychosozialen Problemlagen begleitet. Um der Vielfältigkeit der mit der Erkrankung einhergehenden medizinischen, psychiatrischen und psychosozialen Problemlagen gerecht zu werden, ist die substitutionsgestützte Behandlung in ein umfassendes individuelles Therapiekonzept einzubinden, das im Verlauf der Behandlung einer ständigen Überprüfung und Anpassung bedarf.

3.1 Abklärung der Indikation und des Therapiekonzeptes

Die Indikationsstellung für eine substitutionsgestützte Behandlung umfasst die Abklärung des Vorliegens einer Opioidabhängigkeit gemäß Abschnitt 2 Satz 1, die Berücksichtigung im Einzelfall vorliegender Kontraindikationen sowie die jeweils individuelle Situation des Patienten.

Insbesondere sind folgende ärztliche Maßnahmen bei Einleitung und während einer Substitutionsbehandlung erforderlich:

gründliche Erhebung der Vorgeschichte des Patienten, insbesondere hinsichtlich des Drogenkonsums sowie assoziierter Begleit- und Folgeerkrankungen,
eingehende Untersuchung des Patienten,
gegebenenfalls Austausch mit Vorbehandlern (nach entsprechender Schweigepflichtsentbindung),
Durchführung eines Drogenscreenings,
Feststellung der Opioidabhängigkeit und Indikationsstellung,
die Abklärung weiterer substanzbedingter und komorbider psychischer Störungen – inklusive bestehender Medikation,
die Abklärung begleitender somatischer Erkrankungen, insbesondere kardialer, hepatologischer, pneumologischer und infektiöser Erkrankungen,
Abklärung einer eventuell bestehenden Schwangerschaft,
die Abklärung der aktuellen Lebenssituation und gegebenenfalls vorliegender psychosozialer Belastungen unter Hinzuziehung der gegebenenfalls vorhandenen psychosozialen Betreuung.

3.2 Festlegung patientenbezogener Therapieziele

Abhängig von der Indikationsstellung sind im Rahmen des Therapiekonzeptes die im Abschnitt 1 aufgeführten Therapieziele zu identifizieren und mit dem Patienten abzustimmen. Hierzu gehören neben der Überlebenssicherung und der Behandlung der Opioidabhängigkeit insbesondere

die Behandlung komorbider psychischer und substanzbedingter Störungen,
die Behandlung begleitender somatischer Erkrankungen,
die Vermittlung in bedarfsgerechte psychosoziale Betreuungsmaßnahmen.

Die Ziele sind im Verlauf der Behandlung zu überprüfen, gegebenenfalls neu zu bewerten und entsprechend anzu­passen.

3.3 Auswahl und Einstellung des Substitutionsmittels

Zur Substitution dürfen nur die in § 5 Absatz 6 in Verbindung mit § 2 BtMVV genannten Substitutionsmittel eingesetzt werden. Diese haben unterschiedliche Wirkungs- und Nebenwirkungsprofile, die zu beachten und unter Berücksichtigung der individuellen Patientensituation in ein umfassendes Therapiekonzept einzupassen sind. Bei gleichwertigen Substitutionsmitteln soll die Patientenpräferenz Berücksichtigung finden, da hierdurch die Behandlungsadhärenz verbessert werden kann.

Die Einstellung auf die erforderliche Dosis des jeweiligen Substituts muss mit besonderer Sorgfalt erfolgen. Einstiegsdosis und Dosisfindung sind so zu wählen, dass auch bei nicht bestehender Opioidtoleranz eine Überdosierung vermieden wird. In besonders schwierigen Einzelfällen sollte die Dosisfindung stationär erfolgen.

Bei einer Substitutionsbehandlung auf der Grundlage von ICD F11.21 – derzeit abstinent, aber in beschützter Um­gebung – ist wegen des unklaren Toleranzstatus besondere Vorsicht geboten.

Ein die Substitution gefährdender Gebrauch weiterer psychotroper Stoffe einschließlich Alkohol muss bei Einleitung sowie während der Substitution hinsichtlich möglicher Risiken berücksichtigt und gegebenenfalls begleitend behandelt werden.

Bei einer Substitution mit Diamorphin sind die spezifischen gesetzlichen Anforderungen gemäß § 5a BtMVV zu beachten.

3.4 Einbeziehung psychosozialer und weiterer Betreuungsmaßnahmen

Eine psychosoziale Betreuung sowie psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung können die Behandlungsergebnisse verbessern. Eine psychosoziale Betreuung soll dem Patienten regelhaft empfohlen werden. Auswahl, Art und Umfang der Maßnahmen richten sich nach der individuellen Situation und dem Krankheitsverlauf des Patienten. Dies erfordert die Einbeziehung weiterer Einrichtungen und Professionen. Psychosoziale Betreuung sowie weitere ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen sollen vom substituierenden Arzt koordiniert werden.

Für eine diamorphingestützte Substitutionsbehandlung gelten die Regelungen zur psychosozialen Betreuung gemäß § 5a Absatz 3 Satz 2 BtMVV.

4 Bewertung des Therapieverlaufs einschließlich der Durchführung von Kontrollen

Die Bewertung des Therapieverlaufs orientiert sich an den mit dem Patienten vereinbarten Therapiezielen.

Die Kontaktdichte soll dem Behandlungsverlauf angepasst werden. Sie sollte während der Eindosierungsphase engmaschiger gesetzt werden. Bei stabilem Verlauf können größere Intervalle gewählt werden, die in instabilen Behandlungsphasen gegebenenfalls wieder zu verkürzen sind.

Der substituierende Arzt muss sich im gesamten Behandlungsverlauf anhand des klinischen Eindrucks und gegebenenfalls unter Hinzuziehung laborchemischer Parameter ein Bild davon machen, ob der Patient das Substitut in der verordneten Weise einnimmt sowie ob und in welchem Umfang ein Konsum anderer psychotroper Substanzen einschließlich Alkohol besteht.

Hat der Patient akut andere psychotrope Stoffe konsumiert, die in Kombination mit dem Substitut zu einer gesundheitlichen Gefährdung führen können, ist das Substitut in angepasster Dosierung zu verabreichen oder gegebenenfalls von einer Verabreichung vollständig abzusehen.

Bei dem Konsum weiterer psychotroper Substanzen sollte zunächst die Ursache eruiert und nach Möglichkeiten ihrer Beseitigung gesucht werden. Dabei sollen insbesondere folgende Gründe berücksichtigt werden:

eine erfolgte Destabilisierung der individuellen Lebenssituation,
eine inadäquate Dosierung oder Wahl des Substitutionsmittels,
eine komorbide somatische oder psychische Erkrankung, inklusive einer weiteren substanzgebundenen Abhängigkeit.

Die Ergebnisse der sich daraus ergebenden Überlegungen sollen in das Therapiekonzept einbezogen werden. Hierbei empfiehlt sich eine Zusammenarbeit mit den an der Behandlung bzw. Betreuung beteiligten Berufsgruppen.

4.1 Voraussetzungen und Feststellungen für das Verschreiben des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme („Take-home-Verschreibung“)

Eine Take-home-Verschreibung ist eine Verschreibung des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme. Sie ist mit einer Ausgabe bzw. Übermittlung des Rezeptes an den Patienten im Rahmen einer persönlichen oder im Nachgang zu einer telemedizinischen Konsultation verbunden.

Gemäß der Verordnungsbegründung3 können telemedizinische Konsultationen insbesondere im Rahmen von klassischen Telefonaten oder Videotelefonaten stattfinden. Bei der Durchführung einer Videokonferenz sind die nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vereinbarten Anforderungen an die technischen Verfahren zu Videosprechstunden einzuhalten. Die infolge der telemedizinischen Konsultation ausgestellte Verschreibung kann z. B. per Post oder unter Nutzung zukünftiger sicherer technischer Möglichkeiten übermittelt werden. Auch bei Nutzung der telemedizinischen Konsultation ist in einem Zeitraum von 30 Tagen mindestens eine persönliche Konsultation vorgeschrieben.

Eine Mitgabe von Substitutionsmedikamenten aus dem Praxisbestand ist hingegen strafbar (siehe § 13 in Verbindung mit § 29 BtMG). Eine Ausnahme sieht die BtMVV lediglich für die in § 5 Absatz 7 Satz 2 genannten Voraussetzungen vor (Substitution mit Codein oder Dihydrocodein).

§ 5 Absatz 8 BtMVV erlaubt in ausgewiesenen Fällen eine Verschreibung des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme. Wegen des Missbrauchsrisikos obliegt dem behandelnden Arzt bei Take-home-Verschreibungen eine besondere Verantwortung. Diese umfasst auch eine Abklärung möglicher Gefährdungen des Patienten sowie Dritter, z. B. im Haushalt lebender Kinder.

In der Regel sollte eine Take-home-Verschreibung zunächst für kurze Zeiträume erfolgen. Die Verschreibung unterliegt der Entscheidung und Verantwortung des behandelnden Arztes, ein Anspruch auf sie besteht seitens des Patienten nicht.

Die Einschätzung zur Take-home-Verschreibung ist fortlaufend gemäß den nachfolgenden Anforderungen und Feststellungen des allgemein anerkannten Standes der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zu überprüfen.

Für eine Take-home-Verschreibung sind die in Abschnitt 7 aufgeführten besonderen Dokumentationspflichten sowie die im Anhang2 aufgeführten besonderen Aufklärungspflichten zu berücksichtigen.

4.1.1 Take-home-Verschreibung bei ausnahmsweiser eigenverantwortlicher Einnahme des Substitutionsmittels (gemäß § 5 Absatz 8 Satz 1 Nummer 2 BtMVV)

Grundsätzlich ist dem Patienten das vom Arzt verschriebene Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch zu überlassen (§ 5 Absatz 7 BtMVV). Das Substitutionsmittel darf davon abweichend zur eigenverantwortlichen Einnahme in der für bis zu sieben aufeinander folgende Tage benötigten Menge unter den folgenden rechtlichen Voraussetzungen im Rahmen einer persönlichen oder infolge einer telemedizinischen Konsultation verschrieben werden (§ 5 Absatz 8 Satz 1 Nummer 2 BtMVV):

die Kontinuität der Substitutionsbehandlung des Patienten kann nicht anderweitig gewährleistet werden,
der Verlauf der Behandlung lässt dies zu,
Risiken der Selbst- oder Fremdgefährdung sind soweit wie möglich ausgeschlossen und
die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs werden nicht beeinträchtigt.

Die Risiken einer Verschreibung für den Patienten oder Dritte, wie z. B. im Haushalt mitlebende Kinder, sind gegenüber einer andernfalls in diesem Zeitraum nicht erfolgenden Substitutionsbehandlung abzuwägen.

4.1.2 Take-home-Verschreibung bei stabiler Substitutionsbehandlung (gemäß § 5 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 BtMVV)

Ist eine Überlassung des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch nach § 5 Absatz 7 BtMVV nicht mehr erforderlich, darf dem Patienten das Substitutionsmittel im Rahmen einer persönlichen oder infolge einer telemedi­zinischen Konsultation zur eigenverantwortlichen Einnahme

in der für bis zu sieben aufeinander folgende Tage benötigten Menge (§ 5 Absatz 8 Satz 2 BtMVV) oder
in begründeten Einzelfällen in der für bis zu 30 aufeinander folgende Tage benötigten Menge (§ 5 Absatz 8 Satz 3 BtMVV)

unter den nachfolgend aufgeführten Feststellungen verschrieben werden (§ 5 Absatz 8 BtMVV):

Eine Verschreibung des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme für einen Zeitraum bis zu sieben Tagen kann dann erfolgen, wenn der Patient sich in einer stabilen Substitutionsbehandlung befindet. Zur Bewertung des Einzelfalls soll der Arzt folgende Kriterien heranziehen:

regelmäßige Wahrnehmung der erforderlichen Arztkontakte,
die Einstellung auf das Substitutionsmittel ist abgeschlossen,
der bisherige Verlauf der Behandlung hat zu einer klinischen Stabilisierung des Patienten geführt,
Risiken einer Selbst- und Fremdgefährdung, insbesondere für gegebenenfalls im Haushalt mitlebende Kinder, sind soweit wie möglich ausgeschlossen,
der Patient konsumiert stabil keine weiteren Substanzen, die zusammen mit der Einnahme des Substitutionsmittels zu einer schwerwiegenden gesundheitlichen Gefährdung führen können,
der Patient verstößt nicht gegen getroffene Vereinbarungen,
eine psychosoziale Stabilisierung ist erfolgt.

Im Rahmen der Take-home-Verschreibung nach § 5 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 BtMVV soll der Arzt aus medizinischer Sicht in der Regel einmal pro Woche eine persönliche oder telemedizinische Konsultation mit dem Patienten und bei Bedarf eine klinische Untersuchung sowie eine geeignete Kontrolle komorbiden Substanzgebrauchs durchführen, um den Behandlungsverlauf angemessen beurteilen und gegebenenfalls darauf reagieren zu können. Einmal die Woche soll auch eine kontrollierte Einnahme des Substitutionsmittels stattfinden. In einem Zeitraum von 30 Tagen muss mindestens eine persönliche Konsultation stattfinden.

4.1.3 Begründete Einzelfälle für eine über sieben Tage hinausgehende Take-home-Verschreibung bei stabiler Substitutionsbehandlung (gemäß § 5 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 BtMVV)

Eine Verschreibung des Substitutionsmittels zur eigenverantwortlichen Einnahme kann in begründeten Einzelfällen auf einen Zeitraum bis zu 30 Tagen (§ 5 Absatz 8 Satz 3 BtMVV) ausgedehnt werden. Die Verschreibung darf im Rahmen einer persönlichen oder infolge einer telemedizinischen Konsultation ausgehändigt bzw. übermittelt werden. Mindestens alle 30 Tage muss jedoch eine persönliche Konsultation stattfinden. Für diese Beurteilung sind ebenfalls die im vorherigen Absatz 4.1.2 angeführten Kriterien heranzuziehen. Die medizinische wie psychosoziale Stabilität des Patienten sind hierbei von besonderer Bedeutung.

Ein Einzelfall kann durch einen medizinischen oder anderen Sachverhalt begründet sein (§ 5 Absatz 8 Satz 4 BtMVV). Ein medizinischer Sachverhalt kann für den Zeitraum vorliegen, in dem bei einem schwerwiegend erkrankten, immobilen Patienten vorübergehend eine medizinische Versorgung nicht sichergestellt ist.

Gemäß § 5 Absatz 8 Satz 5 BtMVV liegt ein durch einen anderen Sachverhalt begründeter Einzelfall vor, wenn der Patient aus wichtigen Gründen seiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder aus wichtigen Gründen seiner Erwerbstätigkeit darauf angewiesen ist, eine entsprechende Verschreibung zu erhalten.

Der Patient hat diese Sachverhalte glaubhaft zu machen (§ 5 Absatz 8 Satz 6 BtMVV). Hierfür werden in der Verordnungsbegründung4 exemplarisch geeignete Unterlagen wie Nachweise über ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis mit Arbeitszeiten, die ein in der Regel tägliches Aufsuchen der Arztpraxis nicht ermöglichen, oder über einen auswärtigen Arbeitseinsatz sowie Nachweise über Urlaubsreisen oder persönliche oder gesellschaftliche Verpflichtungen genannt. Eine Ermittlungsverpflichtung für den Arzt besteht nicht. Vorhandene Erkenntnisse, die geeignet sind, die Glaubwürdigkeit der Angaben des Patienten zu erschüttern, müssen sorgfältig in die Entscheidung einbezogen werden.

Es sind die Vorgaben für eine Verordnung des Substituts gemäß § 5 Absatz 8 Satz 8 bis 11 BtMVV zu beachten.

4.2 Beendigung und Abbruch der substitutionsgestützten Behandlung

Eine reguläre Beendigung der Substitution kann in Abstimmung zwischen Arzt und Patient erfolgen, wenn sie nicht mehr erforderlich oder seitens des Patienten nicht mehr gewünscht ist.

Eine Substitutionstherapie soll vorzeitig beendet werden, wenn

sich schwerwiegende Kontraindikationen ergeben,
sie mit einem fortgesetzt schwerwiegenden Konsum psychotroper Substanzen einhergeht.

Eine vorzeitige Beendigung der Behandlung durch den Arzt kann dann begründet sein, wenn der Patient sich wiederholt und anhaltend nicht an getroffene Vereinbarungen hält.

Behandlungsabbrüche sind mit einem erhöhten Gefährdungspotenzial für die Gesundheit des Patienten verbunden, weshalb versucht werden sollte, Patienten möglichst langfristig in Substitutionsbehandlung zu halten. Vor einer vorzeitigen Beendigung ist daher zunächst zu prüfen, ob die Non-Adhärenz Resultat der zu behandelnden Suchterkrankung oder komorbider Störungen ist.

Sollte ein Behandlungsabbruch dennoch unvermeidbar sein, soll nach geeigneten Behandlungsalternativen und Anschlussmaßnahmen gesucht werden. Bevor eine Behandlung gegen den Willen des Patienten beendet wird, sollten andere Interventionsmöglichkeiten ausgeschöpft worden sein. Hierzu gehören insbesondere Optimierungen des Therapiekonzeptes, z. B. durch Dosisanpassungen oder Einbezug einer psychosozialen Betreuung, sowie Versuche eines Wechsels des Patienten in ein anderes ambulantes oder stationäres Therapieangebot.

Ein Therapieabbruch sollte nicht allein aus einer akuten Situation heraus erfolgen, sondern in einem wiederholten Verstoß gegen getroffene Vereinbarungen begründet sein. Zuvor müssen möglicher Nutzen und Schaden eines Therapieabbruchs gegeneinander abgewogen worden sein. Hierbei ist auch die Situation gegebenenfalls in häuslicher Gemeinschaft mitlebender Kinder zu berücksichtigen.

Bei vorliegender Schwangerschaft sind Behandlungsabbrüche nach Möglichkeit zu vermeiden, da in diesen Fällen eine besondere Gefährdung für das ungeborene Leben besteht.

Kommt es zu einem Abbruch der Behandlung, muss der Patient über die körperlichen, psychischen und sozialen Folgewirkungen aufgeklärt und ihm die Möglichkeit zu einem geordneten Entzug vom Substitutionsmittel gegeben werden. Dazu gehört, dass das Absetzen des Substitutionsmittels ausschleichend in vereinbarten Schritten erfolgt. Möglichst sollte die Überweisung an einen weiterbehandelnden Arzt oder in eine stationäre Entzugsbehandlung erfolgen.

5 Einbeziehung externer Einrichtungen in die Substitutionsbehandlung

§ 5 Absatz 9 BtMVV bestimmt den berechtigten Personenkreis und die zugelassenen Einrichtungen, in denen auf Veranlassung des substituierenden Arztes eine Überlassung des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch erfolgen darf.

Der substituierende Arzt, der in der Einrichtung nicht selber tätig ist, hat mit der jeweiligen Einrichtung eine Vereinbarung zu treffen. In dieser muss mindestens eine in der Einrichtung für die Substitution verantwortliche Person benannt werden. Darüber hinaus muss in der Vereinbarung auch festgelegt werden, wie vom substituierenden Arzt sichergestellt wird, dass das für das Überlassen des Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch eingesetzte medizinische, pharmazeutische, pflegerische oder in begründeten Fällen, in denen die Abgabe nicht anderweitig gewährleistet werden kann, auch andere geeignete Personal fachlich eingewiesen wird und wie erforderliche Kontrollen durch den substituierenden Arzt durchgeführt werden. Für das in begründeten Fällen andere geeignete und damit nicht medizinische, pharmazeutische oder pflegerische eingesetzte Personal gilt, dass es vom behandelnden Arzt eingewiesen werden muss. Gemäß der Verordnungsbegründung5 setzt die Geeignetheit anderen Personals voraus, dass dieses sowohl die fachliche Fähigkeit als auch die persönliche Vertrauenswürdigkeit besitzen muss, um das Substitutionsmittel nach den jeweils erforderlichen Kriterien zum unmittelbaren Verbrauch an Patienten zu überlassen.

Unbenommen hiervon besteht die Möglichkeit einer konsiliarischen Substitution durch einen in der Einrichtung tätigen Arzt gemäß § 5 Absatz 4 BtMVV.

6 Qualifikation des behandelnden Arztes

Die Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger darf grundsätzlich nur von solchen Ärzten übernommen werden, die die Mindestanforderungen an eine suchttherapeutische Qualifikation erfüllen, die von den Ärztekammern festgelegt werden. Ausnahmen bestehen für eine konsiliarisch durchgeführte Substitution gemäß § 5 Absatz 4 BtMVV sowie für einen Vertretungsfall gemäß § 5 Absatz 5 BtMVV.

Für die diamorphingestützte Substitutionsbehandlung sind zusätzliche Qualifikationsanforderungen gemäß den Regelungen der zuständigen Ärztekammer zu berücksichtigen.

Der Arzt informiert sich gemäß seiner berufsrechtlichen Fortbildungspflicht durch geeignete Fortbildungen über die aktuellen medizinischen Entwicklungen der Suchtmedizin.

Bei Fragen zur Diagnostik oder Behandlung kann die Beratungskommission der zuständigen Ärztekammer konsiliarisch hinzugezogen werden.

7 Dokumentationsanforderungen im Rahmen einer substitutionsgestützten Behandlung

Gemäß § 5 Absatz 10 BtMVV hat der substituierende Arzt die Erfüllung seiner Verpflichtungen nach den Absätzen 1 bis 9 des § 5 BtMVV sowie nach § 5a Absatz 1 bis 4 und § 5b Absatz 2 und 4 BtMVV gemäß den Anforderungen der Bundesärztekammer zu dokumentieren. § 5 Absatz 11 Satz 3 BtMVV bestimmt, dass die Bundesärztekammer Anforderungen an die Dokumentation der Substitution nach § 5 Absatz 10 Satz 1 BtMVV in dieser Richtlinie zu bestimmen hat. Die Dokumentation ist auf Verlangen der zuständigen Landesbehörde zur Einsicht und Auswertung vorzulegen oder einzusenden (§ 5 Absatz 10 Satz 2 BtMVV).

Neben den Regelungen in § 5 Absatz 10 und 11 BtMVV ergibt sich eine Dokumentationspflicht aus dem bestehenden Berufsrecht (vgl. § 10 MBO-Ä) und aus § 630f des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Aufgrund der besonderen Anforderungen an die substitutionsgestützte Behandlung Opioidabhängiger sind bei der Dokumentation gemäß § 5 Absatz 11 Satz 3 BtMVV insbesondere die folgenden Aspekte zu beachten:

a)
Vor und bei Einleitung einer Substitutionsbehandlung sind insbesondere zu dokumentieren:

Opioidabhängigkeit des Patienten gemäß § 5 Absatz 1 BtMVV und Indikationsstellung,
Vorgeschichte des Patienten hinsichtlich der Entwicklung und zeitlichen Manifestierung seiner Abhängigkeitserkrankung,
eingehende Untersuchung des Patienten,
gegebenenfalls Austausch mit Vorbehandlern über die Abhängigkeitserkrankung, Begleiterkrankungen und Begleitmaßnahmen sowie das verschriebene Substitut und die Dosierung,
gegebenenfalls erfolgte Schweigepflichtsentbindungen,
Durchführung und Ergebnisse von Drogenscreenings,
Abklärung komorbider psychischer und substanzbedingter Störungen inklusive Medikation,
Abklärung begleitender somatischer Erkrankungen und relevanter Vorerkrankungen,
Abklärung einer evtl. bestehenden Schwangerschaft,
Abklärung der aktuellen Lebenssituation und gegebenenfalls vorliegender psychosozialer Belastungen und eines entsprechenden Betreuungsbedarfs,
durchgeführte Empfehlung einer psychosozialen Betreuung,
verschriebenes Substitutionsmittel gemäß § 5 Absatz 6 BtMVV sowie weiterer verschriebener Medikamente,
eine ausnahmsweise und zu begründende Verschreibung einer Zubereitung von Codein oder Dihydrocodein gemäß § 5 Absatz 6 Satz 1 Nummer 3 BtMVV,
Dosierung des verschriebenen Substitutionsmittels,
Einnahme unter Sicht – gegebenenfalls Ausnahmen gemäß § 5 Absatz 7 Satz 2 BtMVV.
b)
Im Rahmen der Erstellung des Therapiekonzeptes und behandlungsbegleitend erforderliche Dokumentationen:

durchgeführte Ansprache möglicher und erreichbarer Therapieziele – einschließlich der Opioidabstinenz,
Festlegung individueller Therapieziele, Zielerreichungen und Zielanpassungen im Therapieverlauf,
Termine und Ergebnisse der begleitenden Patientenkontakte und Kontrollen,
Änderungen der Dosis und des Substituts.
c)
Hinsichtlich einer eigenverantwortlichen Einnahme des Substituts (Take-home-Verschreibung) sind zu dokumentieren:

Voraussetzungen und Gründe für eine Take-home-Verschreibung (Berücksichtigung der klinischen Stabilität und Patientencompliance),
gegebenenfalls erfolgte Absprache mit der psychosozialen Betreuungsstelle,
in häuslicher Gemeinschaft mitlebende Kinder,
Aufklärung über eine kindersichere Aufbewahrung,
wiederholte Aufklärung über das Substitutionsmittel und dessen Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechsel­wirkungen mit anderen psychoaktiven Substanzen,
vom Patienten glaubhaft gemachte persönliche, berufliche oder medizinische Gründe, die eine über sieben Tage hinausgehende Take-home-Verschreibung erforderlich machen (bis zu 30 Tage),
Begründung der vorgenommenen Rezeptfraktionierungen und Änderungen,
fortlaufende Überprüfung der Voraussetzungen, Gründe und Rezeptfraktionierungen,
Voraussetzungen und Besonderheiten der telemedizinischen Konsultation.
d)
Erforderliche Dokumentationen bei Beendigung bzw. Abbruch einer Substitutionsbehandlung:

Gründe für eine Beendigung der Behandlung,
versuchte Anpassungen des Behandlungsregimes,
gegebenenfalls erfolgte Abklärung einer Sicherstellung der Behandlungskontinuität,
gegebenenfalls erfolgte Weiterleitung an eine nachbetreuende Stelle.
e)
Im Rahmen der Substitution in einer externen Einrichtung sind zu dokumentieren:

Voraussetzungen für das Überlassen eines Substitutionsmittels zum unmittelbaren Verbrauch in einer externen Einrichtung, wenn dieses nicht durch den substituierenden Arzt erfolgt (insbesondere Abschluss einer Vereinbarung),
Erfüllung der sich aus mit der Einrichtung abgeschlossenen Vereinbarung ergebenden Anforderungen (insbesondere fachliche Einweisung und durchgeführte Kontrollen).
f)
Erforderliche Dokumentationen in Bezug auf eine Konsiliar- und Vertretungsregelung:

Dokumentation der sich aus einer konsiliarischen Substitution gemäß § 5 Absatz 4 BtMVV ergebenden besonderen Erfordernisse,
Dokumentation der sich aus einer Vertretungsregelung gemäß § 5 Absatz 5 BtMVV ergebenden besonderen Erfordernisse (insbesondere Vertretungszeiten, Begründung für eine im Einzelfall vorgenommene Vertretung durch einen nicht suchtmedizinisch qualifizierten Arzt, Schriftwechsel des Vertreters mit dem originär substi­tuierenden Arzt).
g)
Bei einer Behandlung mit Diamorphin gemäß § 5a Absatz 1 bis 4 BtMVV sind die besonderen Dokumentationserfordernisse zu beachten.
h)
Es sind die besonderen Erfordernisse im Rahmen der Meldeverpflichtungen an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemäß § 5b Absatz 2 und 4 BtMVV zu beachten.
Anhang

Patientenaufklärung

Vorbemerkungen zur Patientenaufklärung

Im Vorfeld der Durchführung einer Substitutionsbehandlung bedarf es einer ausführlichen Information und Aufklärung des Patienten, um den spezifischen Anforderungen dieser Behandlung, insbesondere zur Sicherung des Therapiekonzeptes, gerecht zu werden. Ausgehend von den nachfolgend dargelegten rechtlichen Voraussetzungen (Nummer 1) erfolgt hier eine Auflistung zu den medizinischen Inhalten der Aufklärung (Nummer 2).

1 Rechtliche Vorgaben für die Aufklärung im Rahmen der Substitutionsbehandlung

Allgemein ergeben sich die Aufklärungs- und Informationspflichten aus den Vorschriften über den Behandlungsvertrag (§§ 630a ff. BGB). § 630c Absatz 2 BGB enthält bspw. die Verpflichtung, dem Patienten sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen, zu erläutern. Der Arzt ist ferner gemäß § 630e Absatz 1 BGB verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Patienteneinwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Es ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

Weitere Anforderungen an die Aufklärung ergeben sich aus § 630e Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3 BGB, wonach die Aufklärung mündlich zu erfolgen hat und ergänzend auf Unterlagen Bezug genommen werden kann, die der Patient in Textform erhält. Die Aufklärung muss so rechtzeitig erfolgen, dass die Entscheidung des Patienten über die Ein­willigung wohlüberlegt getroffen werden kann. Sie muss in verständlicher Form und durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt.

Die Aufklärung kann unter den in § 630e Absatz 3 BGB genannten Voraussetzungen entbehrlich sein. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Patient ausdrücklich verzichtet. Nach der Rechtsprechung ist die Entbehrlichkeit auch anerkannt, wenn dem Patienten bestimmte Umstände aufgrund der Aufklärung durch den überweisenden Arzt bereits bekannt sind und von ihm ohne erneute Aufklärung in seine Entscheidung einbezogen werden konnten.

Weitere aufklärungsbezogene Informationspflichten ergeben sich im Kontext der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese werden in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) in der jeweils gültigen Fassung konkretisiert. Die wirtschaftliche Informationspflicht gemäß § 630c Absatz 3 BGB ist insbesondere im Hinblick auf eine mögliche anteilige oder vollumfängliche Übernahme von Behandlungskosten zu beachten.

2 Medizinische Inhalte der Aufklärung

Im Rahmen der dargestellten rechtlichen Vorgaben ist aus medizinischer Sicht vor Einleitung einer Substitutions­behandlung insbesondere über folgende Inhalte aufzuklären:

anzuwendende Substitutionsmittel und mögliche Neben- und Wechselwirkungen, einschließlich über eine in der Regel erhöhte Fertilität,
eine Einschränkung des Reaktionsvermögens und der in der Regel nicht gegebenen Fahreignung,
Organisation der täglichen Abgabe sowie an Wochenenden, Feiertagen und in Urlaubszeiten,
Einnahme unter Sicht,
Kontrollen auf den Konsum weiterer Substanzen einschließlich Alkohol, z. B. mit Hilfe geeigneter Drogenscreenings und Atemalkoholtests,
Möglichkeit einer individuell erforderlichen psychosozialen Betreuung und weiterer Begleitbehandlungen,
Kriterien für die Beendigung bzw. einen Abbruch der Behandlung,
Voraussetzungen für eine Verschreibung zur eigenverantwortlichen Einnahme (Take-home-Verschreibung),
Voraussetzungen und Besonderheiten der telemedizinischen Konsultation,
gegebenenfalls einzuholende Schweigepflichtsentbindungen gegenüber weiteren beteiligten Institutionen – bei in häuslicher Gemeinschaft mitlebenden Kindern wird die Einholung einer Schweigepflichtsentbindung gegenüber dem behandelnden Kinder- und Jugendarzt bzw. Hausarzt von Kindern sowie gegenüber dem Jugendamt
empfohlen.

Insbesondere im Hinblick auf eine Take-home-Verschreibung muss der behandelnde Arzt den Patienten umfassend aufklären über:

den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Substitutionsmittels sowie über dessen Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen psychoaktiven Substanzen,
die Risiken einer eigenmächtigen Dosisänderung,
das Verbot der Überlassung des Substitutionsmittels an Dritte,
die Gefahren, die von dem Substitutionsmittel für andere Personen ausgehen können, besonders die Gefahr für Kinder und opioidnaive Personen einschließlich einer (kinder-)sicheren Lagerung des Substitutionsmittels (sicherer, für Kinder nicht erreichbarer Aufbewahrungsort; Sicherheitsverschluss des Behältnisses; Aufbewahrung in Einzeldosen mit eindeutiger Beschriftung).
1
Die in diesem Werk verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter.
2
www.bundesaerztekammer.de/​Substitution-Anhang-Patientenaufklaerung
3
vgl. BR-Drs. 680/​22 Seite 16
4
vgl. BR-Drs. 222/​17 Seite 21
5
vgl. BR-Drs. 680/​22 Seite 17

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