Bundesamt
für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
Bekanntmachung
der Stellungnahme der Zentralen Kommission
für die Biologische Sicherheit
zur Eignung von Vektoren als Teil biologischer Sicherheitsmaßnahmen
gemäß § 8 Absatz 2 der Gentechnik-Sicherheitsverordnung
(BVL 127/2022/4)
Nachfolgend wird die vorgenannte Stellungnahme der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit bekannt gegeben (Anlage).
Berlin, den 5. April 2022
(BVL-45270)
Bundesamt
für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
Im Auftrag
Dr. Anke Stein
Stellungnahme der ZKBS
zur Eignung von Vektoren als Teil biologischer Sicherheitsmaßnahmen
gemäß § 8 Absatz 2 der Gentechnik-Sicherheitsverordnung (GenTSV)
1 Allgemeines
Gemäß § 3 des Gentechnikgesetzes (GenTG) wird ein Vektor definiert als „ein biologischer Träger, der Nukleinsäure-Segmente in eine neue Zelle einführt“. Unter § 8 Absatz 2 GenTSV wird ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen die Einstufung eines Vektors als Teil einer biologischen Sicherheitsmaßnahme erfolgen kann. Diese sind erfüllt, „wenn eine ausreichende Charakterisierung des Genoms des Vektors vorliegt, eine begrenzte Wirtsspezifität besteht und bei einem Vektor für Bakterien oder Pilze kein eigenes Transfersystem, eine geringe Cotransfer-Rate und eine geringe Mobilisierbarkeit besteht“ oder bei einem Vektor auf viraler Basis für eukaryote Zellen „keine eigenständige Infektiosität1 und nur ein geringer Transfer durch endogene Helferviren2 zu erwarten ist.“
Diese Stellungnahme gibt eine Konkretisierung darüber, welche Eigenschaften ein Vektor aufweisen muss, um die oben genannten Voraussetzungen zu erfüllen.
Vektoren konnten bereits nach den seit 1978 geltenden „Richtlinien zum Schutz vor Gefahren durch in-vitro neukombinierte Nukleinsäuren“ (zuletzt in der 5. überarbeiteten Fassung von 1986) als biologische Sicherheitsmaßnahme anerkannt werden. Die Vorrausetzungen zur Anerkennung wurden 1990 im Gentechnikgesetz um Vektoren für eukaryote Zellen auf viraler Basis erweitert.
Vektoren werden unterteilt in Plasmidvektoren und virale Vektoren. Für die Charakterisierung des Vektorgenoms sollte die Annotation des Genoms einschließlich der Replikationsursprünge, Mobilitätselemente, Transfersysteme, Promotoren, weiteren regulatorischen Elementen, Selektionsgenen und weiteren offenen Leserahmen vorliegen.
1.1 Plasmide – Wirtsbereich
Plasmide sind extrachromosomale, autonom replizierende DNA-Elemente. Sie sind in allen drei Domänen des Lebens anzutreffen. Dabei können sie in Kopienzahlen von eins bis über 1 000 pro Zelle vorkommen. Ein wichtiger Faktor für die Wirtsspezifität und die Kopienzahl ist der vegetative Replikationsursprung, im Folgenden als origin of replication (oriV) bezeichnet. Der oriV ist ein spezifischer, A-T reicher Sequenzabschnitt, an dem die DNA-Replikation des Plasmids startet [1]. Obwohl Plasmide autonom replizieren, sind sie in hohem Maße auf die Replikationsmaschinerie der Wirtszelle angewiesen. Dabei dient der cis-funktionale oriV als Bindestelle für Plasmid-kodierte und/oder Wirtszellen-kodierte Proteine.
Der Wirtsbereich bakterieller Plasmide definiert sich durch die Fähigkeit, in taxonomisch unterschiedlichen Wirten zu replizieren. Plasmide mit einem engen Wirtsbereich replizieren nur in Wirten derselben Familie, Plasmide mit breitem Wirtsbereich dagegen in Wirten mehrerer Familien. Die Replikation von Plasmiden mit einem breitem Wirtsbereich wird durch eine spezielle Architektur des oriV (z. B. bei dem Plasmid RK2) oder der Kodierung eines eigenen vollständigen Satzes an Replikationsproteinen, (wie z. B. bei dem IncQ Plasmid RSF1010), ermöglicht [2–4].
Autonom replizierende Plasmide der Archaeen und Pilze besitzen ori, die sich strukturell von denen der Bakterien unterscheiden [5]. In gentechnischen Arbeiten mit Archaeen, Bakterien und Pilzen werden Plasmide mit ori aus natürlich vorkommenden Plasmiden oder mit chromosomalen Replikationsursprüngen eingesetzt [6, 7]. In tierischen oder pflanzlichen Zellen kommen Plasmide natürlicherweise selten vor. Daher werden für gentechnische Arbeiten häufig Plasmide mit ori viralen Ursprunges eingesetzt [8–10]. Häufig werden in gentechnischen Arbeiten mit tierischen Zellen Plasmide ohne geeigneten ori übertragen, die dann nur für eine begrenzte Zeit in der Zelle verbleiben (transiente Transfektion).
Plasmidvektoren, die die Replikation in mindestens zwei Wirten unterschiedlicher Familien oder Domänen ermöglichen, werden als shuttle-Vektoren bezeichnet. Sie besitzen einen ori für einen breiten Wirtsbereich oder mehrere ori für je einen engen Wirtsbereich für verschiedene Wirte. Vektoren werden zwischen den Wirten mittels Transformation, Transduktion oder Konjugation übertragen. Bakterielle shuttle-Vektoren besitzen oft ein eigenes Transfersystem oder sind effizient mobilisierbar, um das Einbringen in andere Wirte über Konjugation zu ermöglichen. Aufgrund dessen besteht die Möglichkeit, dass bakterielle shuttle-Vektoren sich zwischen verschiedenen Bakterien verbreiten [11–13]. Prokaryoten-Eukaryoten shuttle-Vektoren werden oft mittels Transfektion auf Eukaryoten übertragen. Sie sind daher vorwiegend nicht mobilisierbar und besitzen kein eigenes Transfersystem. Bei diesen Vektoren ist keine Gefahr der horizontalen Übertragung gegeben, da Eukaryoten, speziell tierische Zellen, keinen horizontalen Gentransfer betreiben [14, 15].
Suizidvektoren bilden das funktionale Gegenstück zu shuttle-Vektoren. Diese Vektoren replizieren in einer bestimmten Wirtsspezies, aber nicht in anderen Wirten. Werden sie in einen solchen übertragen, verbleiben sie dort nur vorübergehend, können aber exprimiert werden oder in Wechselwirkung mit dem Wirtsgenom treten. Diese Vektoren werden für Deletions- oder Insertionsrekombinationen genutzt [16].
Die Möglichkeit einer horizontalen Ausbreitung ist entscheidend für die biologische Sicherheitsbewertung. Bei eukaryotischen Plasmiden ist die Ausbreitung als vernachlässigbar anzusehen. Bei bakteriellen Plasmiden mit breitem Wirtsbereich ist die Möglichkeit der horizontalen Ausbreitung hingegen erheblich und damit sicherheitsrelevant. Bakterielle Plasmidvektoren, die einen breiten Wirtsbereich aufweisen, können daher nicht als Teil einer biologischen Sicherheitsmaßnahme anerkannt werden.
1.2 Plasmide – Transfersysteme und Mobilisierung
In der Natur werden Plasmide mittels Transformation, Transduktion und Konjugation von Bakterien oder Archaeen übertragen [17, 18]. Diese Übertragungswege werden auch in gentechnischen Arbeiten eingesetzt. Zusätzlich wird auch mittels experimenteller Bedingungen die äußere und innere Membran von Bakterien oder Archaeen durchlässig für Nukleinsäuren gemacht, um dadurch Plasmide in Zellen zu bringen.
Die bakterielle Konjugation ist ein Vorgang, in dem es durch von Plasmiden bereitgestellten Funktionen zum physikalischen Zellkontakt zwischen Donor und Rezipient und einem anschließenden Transfer eines DNA-Einzelstranges (ssDNA) kommt.
Konjugative Plasmide tragen Gene und Sequenzen, die für den DNA-Transfer erforderlich sind. Dazu gehört die DNA-Transfer-Region (Dtr) und Gene für die Herstellung eines stabilen Konjugationspaars (mating pair formation, Mpf). Die Dtr Region umfasst Mobilisierungsgene (mob) und den in cis-wirksamen Ursprung des Transfers (oriT). Der oriT besitzt inverted repeats und eine Erkennungssequenz für die Relaxase, die sogenannte nic-site. Die Relaxase bewirkt einen Einzelstrangbruch an der nic-site des zu transferierenden Stranges (T-Strang) des DNA-Doppelstranges (dsDNA) und bindet kovalent an das 5‘-Ende des T-Stranges. Am oriT bindet ein oriT-spezifischer Satz an Relaxase-assoziierten Proteinen (RAF), die die Relaxase an der nic-site positionieren. Ein einzelner Basenaustausch an der nic-site kann die Bindungsaffinität der Relaxase stark reduzieren [19]. Relaxase und RAF sind von den mob-Genen kodiert und bilden zusammen am oriT das Relaxosom. Nach der Bildung des Einzelstrangbruches wird der T-Strang durch die Helikaseaktivität der Relaxase entwunden. Zeitgleich findet am 3‘-Ende des Strangbruches DNA-Synthese mit dem komplementären Strang als Template statt. Die kovalent an den T-Strang gebundene Relaxase wird von einem Type IV coupling protein (T4CP) an eine aus mpf-kodierten Proteinen bestehende komplexe Pore geführt und anschließend aktiv in das Zytoplasma des Rezipienten transportiert [20]. Das Relaxase-Monomer wird an der T4SS-Pore entfaltet und zusammen mit dem T-Strang durch die Pore gepumpt [21]. Im Rezipienten initiiert die Relaxase die Rezirkulierung des T-Stranges und die Synthese des komplementären Strangs [22].
Bei der komplexen Pore handelt es sich um ein Typ-4-Sekretionssystem (T4SS). Im T4SS-Komplex dient ein Pilus zur Etablierung der physikalischen Verbindung zwischen Donor und Rezipient. Die Interaktion des Konjugationsapparates mit dem Rezipienten ist nicht Rezipienten- bzw. Rezeptor-spezifisch. So ist der Konjugationsapparat des F-Plasmides in der Lage, Plasmide auf Pseudomonas und Hefen zu übertragen [23, 24].
Die mob-kodierten Relaxasen und die mpf-kodierten T4SS-Komplexe werden jeweils in mehrere unterschiedliche Familien unterteilt [25–27]. Üblicherweise ist der konjugative Transfer eines mob+ Plasmides assoziiert mit einem spezifischen T4CP Protein. Proteine einer mob-Familie sind üblicherweise nur kompatibel mit Proteinen einer mpf-Familie [28]. Zur Identifizierung von mob– und mpf-Genen in Plasmidvektoren können bioinformatische Tools wie MOBscan [29] und CONJscan [30] verwendet werden.
Ein Kriterium für die Sicherheitsbewertung von Vektoren ist ihre Mobilisierbarkeit. Nicht mobilisierbare Plasmide besitzen keinen eigenen oriT. Sie können damit nicht durch konjugative genetische Elemente mobilisiert werden. Jedoch ist eine Übertragung nicht mobilisierbarer Plasmide als Cointegrat möglich. Dieses entsteht in seltenen Fällen, wenn es in der Donorzelle aufgrund eines homologen Bereiches zur Rekombination zwischen dem nicht mobilisierbaren und einem konjugativen Plasmid kommt. Das chimäre Plasmid kann durch Konjugation auf einen Rezipienten übertragen werden (Cotransfer). Hier kann das Cointegrat durch Rekombination aufgelöst werden, so dass das Vektorplasmid wieder frei vorliegt.
Ein Vektorplasmid mit einem oriT eines konjugativen Plasmids, aber ohne eigene mob- und mpf-Gene, besitzt den Übertragungsbereich des mobilisierenden Plasmids. Hat dieses einen engen Wirtsbereich, hat der Vektor ebenfalls einen engen Wirtsbereich und damit eine geringe Mobilisierbarkeit. Hat das mobilisierende Plasmid einen breiten Wirtsbereich, kann der Vektor in die Wirte dieses Bereiches transferiert werden und weist somit eine hohe Mobilisierbarkeit auf. Der Wirtsbereich des Vektors kann erweitert sein, wenn er Mob-Funktionen besitzt und diese kompatibel sind mit verschiedenen Transfersystemen.
Bei der Mobilisierung von Plasmidvektoren besteht immer das Risiko der horizontalen Ausbreitung der klonierten genetischen Information. Das Risiko ist bei konjugativen Plasmiden und Plasmiden mit hoher Mobilisierbarkeit am höchsten. Somit eignen sich bakterielle Plasmidvektoren, die konjugativ oder effizient mobilisierbar sind, generell nicht als Teil einer biologischen Sicherheitsmaßnahme.
1.3 Virale Vektoren – Phagen
Phagen sind obligate intrazelluläre Parasiten von Bakterien und Archaeen. Phagen bestehen aus ss- oder dsDNA oder RNA, verpackt in ein Proteinkapsid. Sie sind in der Lage, Bakterien und Archaeen zu infizieren und die Nukleinsäuren in den Wirt zu injizieren. Die Phagen vermehren sich in der Wirtszelle und werden anschließend freigesetzt, oder die Phagen-DNA etabliert sich als Prophage im bakteriellen Genom oder als Plasmid. Der Wirtsbereich eines Phagen definiert sich vorwiegend über die Fähigkeit mit einem Oberflächenrezeptor der Wirtszelle im Verlauf der Infektion zu interagieren [31]. Viele Phagen sind hochspezifisch für einen Rezeptor und binden bereits strukturell leicht modifizierte Rezeptoren nicht mehr [32]. Einige Phagen haben einen breiten Wirtsbereich. Zu den bestuntersuchten Phagen mit breitem Wirtsbereich zählt der temperente Phage P1. Dieser kann Escherichia coli, Shigella dysenteriae, Klebsiella aerogenes, Citrobacter freundii, Erwinia amylovora, Proteus mirabilis und weitere Bakterienspezies infizieren [33].
Im Rahmen von molekularbiologischen und genetischen Untersuchungen werden Bakteriophagen als virale Vektoren zum Gentransfer durch Transduktion eingesetzt. Bei der Transduktion wird DNA durch einen Phagen von einer Zelle auf eine andere übertragen. Je nach Mechanismus der Transduktion des eingesetzten Phagen kann es bei der Produktion von Phagenpartikeln zur Verpackung von DNA bakteriellen Ursprungs kommen. Dabei wird zwischen spezieller Transduktion, in der nur spezifische bakterielle DNA-Abschnitte übertragen werden, und genereller Transduktion, bei der ausschließlich DNA bakteriellen Ursprungs (Chromosom- oder Plasmid-DNA) übertragen wird, unterschieden. Der Einsatz von generell transduzierenden Phagen als Vektor kann den Cotransfer nicht-mobilisierbarer Plasmide zur Folge haben. Von Bedeutung ist beispielweise der temperente, generell transduzierende Phage P1. Nach seinem lytischen Vermehrungszyklus sind 0,3 – 0,5 % der P1-Phagenpartikel transduzierend. Die P1-Phagenpartikel können DNA-Segmente von ca. 100 kbp übertragen [33].
Die Wahrscheinlichkeit der horizontalen Ausbreitung klonierter genetischer Information durch Phagen ist bestimmt durch ihren Wirtsbereich und insbesondere ihre transduzierende Eigenschaft. Dieses Risiko ist bei generell transduzierenden Phagen mit breitem Wirtsbereich am höchsten. Somit eignen sich nur Phagen, die nicht oder nur speziell transduzierend sind und einen engen Wirtsbereich besitzen, als Teil einer biologischen Sicherheitsmaßnahme.
1.4 Virale Vektoren für eukaryote Zellen
Virale Vektoren gehören zu den effizientesten Gentransfervehikeln für eukaryotische Zellen. Für gentechnische Arbeiten werden z. B. häufig retrovirale Vektoren, Adenovirusvektoren und Adeno-assoziierte Viren (AAV) genutzt. Damit ein viraler Vektor als biologische Sicherheitsmaßnahme anerkannt werden kann, darf er keine eigenständige Infektiosität besitzen. Das Erfüllen dieser Voraussetzung schließt die Replikationsfähigkeit der Vektoren aus. Die Unfähigkeit zur Replikation der Vektoren wird meist durch gezielte Deletion von viralen Genen erreicht, die für die Replikation erforderlich sind.
Die defekten Virusfunktionen im Vektor dürfen nicht oder allenfalls schwach durch endogene Helferviren in der Empfängerzelle komplementiert werden. Endogene Helferviren würden ansonsten einen weiteren Gentransfer durch Abgabe infektiöser Viruspartikel von infizierten Wirtszellen ermöglichen. Dies trifft generell auf alle deletionsmutierten viralen Vektoren zu. Dazu zählen auch die gutless AdV-Vektoren, die vollständig frei von allen viralen kodierenden Regionen sind und zur Replikation und Verpackung die Funktionen in trans eines Adenovirus als Helfervirus benötigen [34]. Auf Satellitenviren wie AAV basieren die AAV-Vektoren. AAV sind natürlicherweise replikationsdefekte Viren und benötigen die Unterstützung von Helferviren wie Adeno-, humane Cytomegalie- oder Herpesviren zur Replikation im Zellkern der Wirtszelle [35, 36]. Wenn die Prävalenz der Helferviren in der Population der Wirte in Deutschland und angrenzenden Ländern niedrig ist, kann nicht von einem erheblichen Transfer des viralen Vektors durch die endogenen Helferviren ausgegangen werden. Für AAV-Vektoren ist zu beachten, dass humane Cytomegaloviren, Herpesviren und auch Adenoviren in der menschlichen Bevölkerung prävalent sind [37–39].
Auch Rekombination von replikationsdefekten viralen Vektoren mit einem Wildtypvirus, die zur Wiederherstellung der Replikationskompetenz führt, sollte möglichst ausgeschlossen sein, um virale Vektoren als biologische Sicherheitsmaßnahme anerkennen zu können. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Rekombinationsereignisses ist im Allgemeinen bereits gering, kann jedoch insbesondere bei Vektoren auf Basis von DNA-Viren durch eine möglichst geringe Homologie zwischen Vektor- und Wildtypvirusgenom weiter reduziert werden [40].
Bei Arbeiten mit viralen Vektoren für eukaryote Zellen besteht neben der Wahrscheinlichkeit der horizontalen Ausbreitung klonierter genetischer Information ein ökologisches und gesundheitliches Risiko. Durch den Einsatz replikationsdefekter Viruspartikel, die nicht durch in der Wirtspopulation weit verbreitete Helferviren komplementiert werden können, werden diese Risiken jedoch minimiert. Daher sind jene Vektoren als Teil einer biologischen Sicherheitsmaßnahme geeignet.
2 Empfehlung
Nach § 8 Absatz 2 GenTSV werden Vektoren als Teil einer biologischen Sicherheitsmaßnahme anerkannt,
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-
wenn deren Genom vollständig annotiert ist und
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wenn sie keinen breiten Wirtsbereich aufweisen und
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wenn Vektoren für Prokaryoten kein eigenes Transfersystem, eine geringe Cotransfer-Rate und eine geringe Mobilisierbarkeit besitzen, und
- –
-
wenn Vektoren auf viraler Basis in eukaryoten Zellen replikationsdefekt sind und dieser Defekt nicht durch Helferviren, die weit in der Wirtspopulation verbreitet sind, ausgeglichen wird.
3 Begründung
Vektoren, die die Kriterien dieser Stellungnahme erfüllen, verhindern im Zusammenwirken mit Empfängerorganismen, die als Teil biologischer Sicherheitsmaßnahmen anerkannt sind, die horizontale Ausbreitung der klonierten genetischen Information. Bakterielle Plasmide und Phagen, die die Kriterien erfüllen, sind nicht in der Lage, sich in einem breiten Wirtsbereich zu etablieren und auf andere Wirte genetische Information zu transferieren beziehungsweise zu cotransferieren, sodass in einem geeigneten Empfängerorganismus die Wahrscheinlichkeit der horizontalen Ausbreitung sehr gering ist.
Ein sehr geringes Gentransferpotential trifft jedoch nicht auf solche bakteriellen Plasmide und Phagen zu, die sich in einem weiten Wirtsbereich etablieren und konjugativ oder effizient mobilisierbar respektive generell transduzierend sind. Beim Einsatz dieser Vektoren in geeigneten Empfängerorganismen ist ein horizontaler Transfer der klonierten genetischen Information nicht auszuschließen.
Von Plasmiden in eukaryoten Zellen geht kein Risiko einer horizontalen Ausbreitung genetischer Informationen aus. Bei Vektoren für eukaryote Zellen auf viraler Basis, die die Kriterien erfüllen, besteht kein Risiko der horizontalen Ausbreitung von klonierten genetischen Informationen, da die viralen Partikel keine infektiösen Nachkommen bilden können und kein Transfer durch endogene Helferviren zu erwarten ist.
Informationen dazu, ob einzelne Vektoren entsprechend den in dieser Stellungnahme festgelegten Kriterien als Teil einer biologischen Sicherheitsmaßnahme anerkannt sind, werden in der Vektorliste, die von der ZKBS-Geschäftsstelle geführt wird, gesammelt und zur Verfügung gestellt.
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- 1
- Die Eigenschaft „Keine eigenständige Infektiosität“ ist nach Ansicht der ZKBS so zu verstehen, dass der Vektor zwar die Empfängerzelle infizieren kann, dann aber keine infektiösen Partikel gebildet und freigesetzt werden.
- 2
- Die Eigenschaft „geringer Transfer durch endogene Helferviren“ ist nach Ansicht der ZKBS so zu verstehen, dass eine Komplementation der defekten Virusfunktionen im Vektor durch endogene Viren nicht möglich ist.
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