Bekanntmachung des Leitfadens zur Durchführung von Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ) für Forschungsreaktoren vom: 15.07.2024 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Published On: Donnerstag, 22.08.2024By Tags:

Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Bekanntmachung
des Leitfadens zur Durchführung von Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ)
für Forschungsreaktoren

Vom 15. Juli 2024

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz sowie die für den Vollzug des Atomgesetzes zuständigen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden der Länder sind im Länderausschuss für Atomkernenergie – Hauptausschuss – am 13. Juni 2024 übereingekommen, den „Leitfaden zur Durchführung von Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ) für Forschungsreaktoren“ nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger anzuwenden.

Durch diesen Leitfaden wird die durch den Länderausschuss für Atomkernenergie-Hauptausschuss am 3./​4. Juli 2014 gebilligte „Liste mit den zu prüfenden und zu bewertenden Aspekten bei der PSÜ von Forschungsreaktoren“ abgelöst.

Nachstehend gebe ich den „Leitfaden zur Durchführung von Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ) für Forschungsreaktoren“ bekannt.

Bonn, den 15. Juli 2024

Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz

Im Auftrag
Wild

Leitfaden zur Durchführung von Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ)
für Forschungsreaktoren

Inhaltsverzeichnis

1 Grundlagen zur Periodischen Sicherheitsüberprüfung
1.1 Einleitung
1.2 Ziele und Grundsätze der Periodischen Sicherheitsüberprüfung
1.3 Abgestufter Ansatz bei der Durchführung einer PSÜ für Forschungsreaktoren
2 Umfang und Teilbereiche der PSÜ
2.1 Aktuelle Anlagenbeschreibung
2.2 Deterministische Sicherheitsstatusanalyse
2.2.1 Schutzzielorientierte Anforderungen und Vorgaben für die Sicherheitsstatusanalyse
2.2.2 Spektrum der zu betrachtenden Störfälle, Einwirkungen von innen und außen und Notstandsfällen, der sehr seltenen Ereignisse und der auslegungsüberschreitenden Anlagenzustände
2.2.3 Deterministische schutzzielorientierte Überprüfung der Sicherheitseinrichtungen
2.2.3.1 Darlegung des Ist-Zustandes der Sicherheitseinrichtungen (Systembeschreibungen)
2.2.3.2 Anlagen- und systemübergreifende Bereiche
2.2.3.3 Ereignisanalyse und schutzzielorientierte Systemüberprüfung
2.2.4 Darlegung der Einrichtungen und Maßnahmen für sehr seltene Ereignisse sowie des Notfallschutzkonzepts
2.2.5 Darlegung der Betriebsführung und Auswertung der Betriebserfahrung
2.3 Probabilistische Sicherheitsanalyse
2.4 Anlagensicherung
3 Ergebnisse der PSÜ
3.1 Abschließende Einschätzung und Dokumentation durch den Genehmigungsinhaber
3.2 Bewertung der PSÜ-Ergebnisse
A Anhang: Schutzziele und Sicherheitsfunktionen
B Anhang: Aspekte der Systembeschreibungen
C Anhang: Themenbereiche zur Darlegung der Betriebsführung und Auswertung der Betriebserfahrung

1 Grundlagen zur Periodischen Sicherheitsüberprüfung

1.1 Einleitung

Forschungsreaktoren unterliegen während der Errichtung, des Betriebes und der Stilllegung sowie bei Veränderungen an der Anlage und ihrer Betriebsweise in allen sicherheitsrelevanten Bereichen nach § 19 des Atomgesetzes der staatlichen Aufsicht. Im Rahmen der atomrechtlichen Aufsicht werden der Zustand der Anlage und ihre Betriebsweise auf Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Genehmigungsbescheide kontrolliert. Darüber hinaus erfolgt die Prüfung der Notwendigkeit der Umsetzung neuer sicherheitstechnischer Erkenntnisse aus Betriebserfahrungen, aus Sicherheitsanalysen sowie nach Stand von Wissenschaft und Technik.

Nach § 19a Absatz 3 des Atomgesetzes sind die Betreiber von Forschungsreaktoren dazu verpflichtet, alle zehn Jahre die nukleare Sicherheit der Anlage zu überprüfen und zu bewerten.

Für die staatlichen Aufsichtsbehörden ergänzt die Periodische Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) die Erkenntnisse über den sicherheitstechnischen Anlagenzustand aus der ständigen Aufsicht. Durch die PSÜ muss alle zehn Jahre auf Basis der erteilten Genehmigungen, des Ist-Zustandes der Anlage und der Anforderungen des Standes von Wissenschaft und Technik der Sicherheitsstand von Forschungsreaktoren in Betrieb ganzheitlich erfasst und schutzzielorientiert beurteilt werden. Planung und Durchführung der PSÜ sollen in Abstimmung zwischen dem Genehmigungsinhaber und der zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde erfolgen. Die Aufsichtsbehörden prüfen die eingereichten Dokumente auf eine vorschriftsmäßige Durchführung der PSÜ. Sie prüfen und bewerten, ggf. mit Hilfe von hinzugezogenen Sachverständigen nach § 20 des Atomgesetzes, ob die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb weiterhin als getroffen anzusehen ist. Aus den behördlichen Prüfungen können sich Nachforderungen ergeben. Zweck des Leitfadens ist es, eine grundsätzliche Vorgehensweise der PSÜ bei Forschungsreaktoren festzulegen. Der Umfang der PSÜ richtet sich nach dem Gefährdungspotential der Anlage.

Bei endgültig abgeschalteten Anlagen bis zur Stilllegung legen die zuständigen atomrechtlichen Aufsichts- und Genehmigungsbehörden den Umfang und Inhalt einer Überprüfung der Anlagensicherheit unter Betrachtung des veränderten Gefährdungspotentials und den noch zu betrachtenden Schutzzielen und radiologischen Sicherheitszielen fest. Eine Sicherheitsüberprüfung erfolgt beispielsweise im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens zur Stilllegung und zum Abbau der Anlage nach § 7 Absatz 3 des Atomgesetzes.

1.2 Ziele und Grundsätze der Periodischen Sicherheitsüberprüfung

Für die bestehenden Forschungsreaktoren wurde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zur Erteilung der Errichtungs- und Betriebsgenehmigung gemäß § 7 des Atomgesetzes die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden auf deterministischem Wege nachgewiesen.

Durch die PSÜ soll, als Ergänzung der ständigen Überprüfungen im Rahmen der staatlichen Aufsicht über den Betrieb der Forschungsreaktoren, nach einer längeren Betriebsphase und auf der Basis der erteilten Genehmigungen, des Ist-Zustandes der vorhandenen Anlage und der Anforderungen des Standes von Wissenschaft und Technik der Sicherheitsstatus der Anlagen ganzheitlich erfasst und im Hinblick auf die §§ 17 und 19 des Atomgesetzes beurteilt werden. Im Rahmen der PSÜ soll auch der Blick auf den sicheren Betrieb bis zur nächsten Sicherheitsüberprüfung oder gegebenenfalls bis zum Ende des geplanten Betriebs gerichtet werden. Die Durchführung der PSÜ und die Beurteilung der Ergebnisse soll mittels deterministischer Methoden erfolgen. Die Überprüfung der Ausgewogenheit des Sicherheitskonzepts der Gesamtanlage und die Ermittlung der Gesamthäufigkeit nicht beherrschter Anlagenzustände erfolgt bei Forschungsreaktoren der Klasse 1 (siehe Nummer 1.3) ergänzend mittels einer probabilistischen Sicherheitsanalyse (PSA).

Bei der deterministischen Überprüfung einer Anlage sollen schutzzielorientierte Anforderungen und Vorgaben für ein abdeckendes Spektrum von zu betrachtenden Störfällen, Einwirkungen von innen (EvI) und außen (EvA), Notstandsfällen, sehr seltenen Ereignissen sowie von auslegungsüberschreitenden Anlagenzuständen, die im Rahmen einer PSÜ an eine Anlage zu stellen sind, zugrunde gelegt werden.

Weiterhin ist für den Bereich „Sicherung“ in Abstimmung mit der zuständigen Aufsichtsbehörde der Status der Anlagensicherung darzustellen.

1.3 Abgestufter Ansatz bei der Durchführung einer PSÜ für Forschungsreaktoren

Ausgangspunkt für die sicherheitstechnische Bewertung von Forschungsreaktoren ist grundsätzlich die Einhaltung der nach Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb des Forschungsreaktors (§ 7 Absatz 2 Nummer 3 des Atomgesetzes). Bei der sicherheitstechnischen Bewertung der Forschungsreaktoren wird das bestehende kerntechnische Regelwerk, das im Wesentlichen für Kernkraftwerke entwickelt wurde, unter Berücksichtigung des Gefährdungspotentials abgestuft bzw. sinngemäß angewendet.

Die Ermittlung des anlagenspezifischen Gefährdungspotentials erfolgt durch eine Analyse spezifischer sicherheitstechnisch relevanter Faktoren. Die thermische Leistung des Forschungsreaktors bietet eine erste einfache Möglichkeit zur Einschätzung des Gefährdungspotentials. Eine weitere Möglichkeit bietet die Orientierung am Schutzziel „Kühlung der Brennelemente“, das heißt eine Unterscheidung nach Art der Wärmeabfuhr. Auf Grundlage des Schutzziels „Einschluss der radioaktiven Stoffe“ kann das radiologische Gefährdungspotential eingeschätzt werden. Die maximal möglichen radiologischen Konsequenzen bei einem Unfall stehen in Abhängigkeit von der Art des Forschungsreaktors (Reaktortyp, Reaktorgröße bzw. -leistung, Nutzung des Reaktors etc.).

Auf dieser Basis werden die in Betrieb befindlichen Forschungsreaktoren in drei Klassen unterschieden:

Klasse 1: Hochflussreaktoren, MTR
Klasse 2: TRIGA Reaktoren
Klasse 3: Unterrichtsreaktoren

Die Sicherheitsüberprüfung erfolgt für diese drei Klassen jeweils nach einem festgelegten, abgestuften Verfahren entsprechend des Gefährdungspotenzials der Klasse.

2 Umfang und Teilbereiche der PSÜ

Die Darlegung des Sicherheitsstatus einer Anlage im Rahmen der PSÜ umfasst grundsätzlich die Ergebnisse folgender Teilbereiche:

aktuelle Anlagenbeschreibung (Nummer 2.1)
deterministische Sicherheitsstatusanalyse in Form einer schutzzielorientierten Überprüfung des Sicherheitsstatus der Anlage mit Darlegung der Betriebsführung und Auswertung der Betriebserfahrung (Nummer 2.2)
probabilistische Sicherheitsanalyse (Nummer 2.3)
Überprüfung des Sicherungskonzepts der Anlage (Nummer 2.4)

Die probabilistische Sicherheitsanalyse ist nur für Forschungsreaktoren der Klasse 1 erforderlich. Die deterministische schutzzielorientierte Überprüfung der Sicherheitseinrichtungen kann für Anlagen der Klasse 3 in angemessenem Umfang im Rahmen der aktuellen Anlagenbeschreibung behandelt werden. Die einzelnen Teilbereiche der PSÜ erfordern verschiedene Vorgehensweisen; sie gehören aber hinsichtlich einer sachgerechten Gesamtbewertung der Anlage zusammen. Es kann daher zweckmäßig sein, die einzelnen Teilbereiche zeitlich parallel zu erstellen.

In den folgenden Abschnitten werden die wesentlichen Schritte und Inhalte der obengenannten Teilbereiche erläutert.

Im Hinblick auf eine zielführende und zweckmäßige Durchführung der PSÜ soll die Vorgehensweise von Genehmigungsinhaber, Behörde und ggf. hinzuzuziehendem Sachverständigen aufeinander abgestimmt werden. Die Abstimmung sollte unter anderem folgende Aspekte schriftlich festhalten:

Umfang der Sicherheitsüberprüfung
Struktur der Dokumentation
Methodik und anzuwendender Bewertungsmaßstab
Zeitlicher Ablauf mit wesentlichen Meilensteinen

Bei der Durchführung der PSÜ können auch bestehende Dokumente herangezogen werden.

Um bei jeder weiteren PSÜ die Durchführung zu erleichtern und den Aufwand angemessen zu halten, können die Folge-PSÜs als Delta-Überprüfungen zur Erst-PSÜ durchgeführt und die vorliegende PSÜ-Dokumentation fortgeschrieben werden. Neben dem beschriebenen Umfang der PSÜ können in einer PSÜ zudem Einzelaspekte ergänzend vertieft untersucht werden.

2.1 Aktuelle Anlagenbeschreibung

Den Analysen zu den Teilbereichen der PSÜ ist eine Anlagenbeschreibung voranzustellen. Die Anlagenbeschreibung dient dazu, einen aktuellen Überblick über das Sicherheitskonzept, die Auslegungsmerkmale der Anlage und über alle wesentlichen sicherheitstechnischen Maßnahmen zu geben. Hierzu zählen unter anderem die folgenden Informationen:

Allgemeine Informationen, Gesamtanordnung und allgemeine Auslegung

Aktuelle Informationen zum Hersteller, Inhaber der Genehmigung nach § 7 des Atomgesetzes, verantwortlichen Personal der Anlage und weiteren sonst tätigen Personal sollen gegeben werden. Dies beinhaltet unter anderem die Erläuterung der Funktionen des Personals und die Benennung von Verantwortlichen (Betrieb, Strahlenschutzbeauftragte, Sicherheitsbeauftragte sowie weiteren benötigten Funktionen), deren Stellvertretern und sonstigem Fachpersonal.

Der Standort, das Datum des Baubeginns, der ersten Kritikalität und der Inbetriebnahme sollen beschrieben werden. Weiterhin soll eine kurze Beschreibung der Anlage erfolgen. Dies beinhaltet den Reaktortyp (inklusive Kernmaterial, Kernanordnung, Moderator, Reflektor, Kühlung), vorhandene Experimentiereinrichtungen/​-ausstattung, Betriebs-/​Forschungsziele sowie die Zusammenfassung der Betriebshistorie.

Betriebsparameter

Hierzu zählen Angaben zur Reaktorleistung, Neutronenflussdichte, Gammadosisleistung in der Spaltzone sowie vorhandene Menge spaltbaren Materials sowie Betriebsparameter (z. B. Temperaturgrenzwerte) und ggf. die Beschreibung der erzeugten Isotope. Entsprechende Daten beispielsweise aus dem Sicherheitsbericht sollen aktualisiert wiedergegeben werden.

Anlagen- und Systembeschreibungen

Alle für den Betrieb des Reaktors vorhandenen sicherheitstechnisch relevanten Bauwerke, Systeme und Einrichtungen sollen beschrieben werden (u. a. Aufgabe bzw. sicherheitstechnische Funktion des Systems, Beschreibung des Aufbaus, der Anordnung und der Auslegung, Regelungen und Instrumentierung, Zusammenstellung wesentlicher Betriebsdaten und Grenzwerte). Zu den zu betrachtenden Bauwerken, Systemen und Einrichtungen zählen zum Beispiel:

Kühlkreislauf
Hilfsanlagen
Sicherheitseinschluss
Kühlwassersysteme
Elektrotechnische Anlagen
Warten, Meldeanlagen, Instrumentierung
Strahlenschutztechnische Anlagen
Brandschutztechnische Anlagen
Experimentelle Einrichtungen (sofern sicherheitstechnisch relevant)

In der Anlagenbeschreibung sollen sicherheitstechnisch bedeutsame Nachrüstungen und maßgebliche Änderungen der Anlage nach der Inbetriebnahme bzw. der letzten PSÜ dargestellt werden.

Eine Beschreibung der Sicherungseinrichtungen und -maßnahmen ist Bestandteil der Darstellung des Sicherungsstatus (siehe Nummer 2.4).

Dokumentationsunterlagen

Die Anlagendokumentation soll auf Vollständigkeit und Aktualität geprüft werden. Es soll beschrieben werden, welche Unterlagen über die verschiedenen Anlagenteile vorhanden sind (z. B. Betriebshandbuch (BHB), Prüfhandbuch (PHB), Sicherheitsbericht, Schalt- und Raumpläne) und von wem und in welchen Abständen die Prüfungen der Unterlagen erfolgen.

Abbau- und Entsorgungskonzept

Gab es Änderungen im Entsorgungsnachweis aus der Erst-Genehmigung, sollen diese beschrieben werden. Sofern vorhanden, soll ebenfalls ein Abbaukonzept (Stilllegungsplan) und ein Entsorgungskonzept für den Brennstoff erläutert werden oder auf entsprechende Unterlagen verwiesen werden.

2.2 Deterministische Sicherheitsstatusanalyse

Ziel der Sicherheitsstatusanalyse ist die Überprüfung der Systemfunktionen aller sicherheitstechnisch relevanten Systeme eines Forschungsreaktors auf deterministischem Wege.

Der Schwerpunkt der deterministischen, schutzzielorientierten Überprüfung liegt auf der Darstellung der Beherrschung zu betrachtender Ereignisse. Es soll dabei überprüft werden, ob die geforderten Sicherheitsfunktionen zur Ereignisbeherrschung mit ausreichender Wirksamkeit und Zuverlässigkeit verfügbar sind und damit die Schutzziele

Kontrolle der Reaktivität,
Kühlung der Brennelemente,
Einschluss der radioaktiven Stoffe

sowie die radiologischen Sicherheitsziele nach dem Stand von Wissenschaft und Technik eingehalten werden.

Für jedes der Schutzziele sowie für die radiologischen Sicherheitsziele können anlagenspezifische Sicherheitsfunktionen definiert werden, die erfüllt sein müssen, um die Einhaltung des Schutzziels nachzuweisen (siehe Anlage A).

Die Darlegung der Betriebsführung und die Auswertung der über eine längere Betriebsperiode gesammelten Betriebserfahrungen ist Bestandteil der Sicherheitsstatusanalyse und soll die Ergebnisse der deterministischen Überprüfung ergänzen und absichern.

Die Ergebnisse der Sicherheitsstatusanalyse sollen Basis für die abschließende Einschätzung der Sicherheit der zu überprüfenden Anlage (siehe Abschnitt 3) bilden.

2.2.1 Schutzzielorientierte Anforderungen und Vorgaben für die Sicherheitsstatusanalyse

Der Startpunkt einer deterministischen Sicherheitsstatusanalyse einer Anlage besteht aus

den schutzzielorientierten Anforderungen des bestehenden kerntechnischen Regelwerks,
dem Spektrum der zu betrachtenden Störfälle, EvA, EvI und Notstandsfälle,
den Vorgaben für Einrichtungen und Maßnahmen für sehr seltene Ereignisse und für das Notfallschutzkonzept.

Das kerntechnische Regelwerk reflektiert überwiegend die Entwicklung der technischen Erfahrungen mit Auslegung, Errichtung und Betrieb von Kernkraftwerken und beschreibt neben den sicherheitstechnisch bedeutsamen Anforderungen auch die Ausführung technischer Detaillösungen. Das bestehende kerntechnische Regelwerk ist für die PSÜ so anzuwenden, dass die Einhaltung der übergeordneten Schutzziele überprüft wird und in einer abgestuften Herangehensweise dem Gefährdungspotential von Forschungsreaktoren Rechnung getragen wird.

Die schutzzielorientierten Anforderungen des kerntechnischen Regelwerks beziehen sich überwiegend auf die Ebene 3 des gestaffelten Sicherheitskonzepts, EvI, EvA und Notstandsfälle, wobei notwendige Anforderungen aus den Ebenen 1 und 2, wie z. B. an den Qualitätszustand von sicherheitsrelevanten Anlagenteilen, ebenfalls berücksichtigt werden.

2.2.2 Spektrum der zu betrachtenden Störfälle, Einwirkungen von innen und außen und Notstandsfälle, der sehr seltenen Ereignisse und der auslegungsüberschreitenden Anlagenzustände

Ausgehend von den in der Genehmigung zugrunde gelegten Störfällen, den Einwirkungen von innen und außen, Notstandsfällen, den sehr seltenen Ereignissen und den auslegungsüberschreitenden Anlagenzuständen ist für die Durchführung der Überprüfung ein anlagenspezifisches Spektrum entsprechend dem Stand von Wissenschaft und Technik abzuleiten.

Falls es aus probabilistischer Sicht (Risikorelevanz) unter Berücksichtigung der besonderen Anlagengegebenheiten und der im Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren behandelten Ereignisse geboten erscheint, sind weitere Ereignisse in die Überprüfung einzubeziehen.

Eine solche anlagenspezifische Liste soll die Gesamtheit der Ereignisse mit sicherheitsgefährdenden Belastungen für die Anlage abdecken. Die hierzu erforderliche Abstimmung zwischen dem Genehmigungsinhaber und der Behörde sollte zweckmäßigerweise am Beginn der Sicherheitsstatusanalyse vorgenommen werden.

Ereignisgruppen des einhüllenden Ereignisspektrums können sein, sofern für die jeweilige Anlage zutreffend:

Reaktivitätsstörfälle

Anfahrstörfall durch Regel- bzw. Abschaltstabfehlfahren
Leistungsstörfall durch Regel- bzw. Abschaltstabfehlfahren
Fehleinfall des Regel- bzw. Abschaltstabs
Auswurf des Regel- bzw. Abschaltstabs
Versagen experimenteller Einrichtungen (z. B. Kalte Quelle, Strahlrohre)

Wärmeabfuhrstörfälle ohne Kühlmittelverlust

Kerndurchsatzstörungen (z. B. Ausfall einer Primärpumpe, Ausfall der sekundären Wärmesenke)
Versagen experimenteller Einrichtungen (z. B. Ausfall Kühlung Konverterplatte)

Kühlmittelverluststörfälle

Leckage der Beckenauskleidung
Leckage im Reaktorbeckenkühlkreislauf
Leckage an Strahlrohren

Aktivitätsstörfälle

Aktivitätsfreisetzung in die Reaktorhalle
Handhabung und Beschädigung des/​der BE’s
Störfälle in experimentellen Einrichtungen mit Aktivitätsfreisetzung

Ereignisse mit potenziell übergreifenden Auswirkungen (Einwirkungen von außen und innen)

Erdbeben
Anlageninterne Überflutung
Anlageninterne Brände

Sehr seltene Ereignisse

Betriebstransienten mit unterstelltem Ausfall des Schnellabschaltsystems (ATWS)

Notstandsfälle

Explosionsdruckwelle
Flugzeugabsturz

Auslegungsüberschreitende Anlagenzustände

2.2.3 Deterministische schutzzielorientierte Überprüfung der Sicherheitseinrichtungen

Die deterministische schutzzielorientierte Überprüfung des Sicherheitsstatus der Anlage beinhaltet

die detaillierte Darlegung des Ist-Zustandes der Sicherheitseinrichtungen (Systembeschreibungen),
eine Darlegung sicherheitsrelevanter anlagen- bzw. systemübergreifender Bereiche,
eine Überprüfung, ob die schutzzielorientierten Anforderungen für das zu betrachtende Ereignisspektrum durch die Systeme erfüllt werden (schutzzielorientierte Systemüberprüfung).

Inhalt und Umfang der deterministischen schutzzielorientierten Überprüfung im Rahmen der Sicherheitsstatusanalyse orientieren sich an den zu betrachtenden Ereignissen gemäß dem abgeleiteten Ereignisspektrum (siehe Nummer 2.2.2) und den für die sicherheitsrelevanten Anlagenteile bestehenden Anforderungen des Sicherheitskonzepts.

Im bestimmungsgemäßen Betrieb (Sicherheitsebenen 1 und 2) betreffen die Anforderungen die zuverlässige Vermeidung von Störfällen. Durch Auswertung der Betriebserfahrungen ist zu zeigen, dass keine Anzeichen für eine unzulässige Erhöhung der Störfallanfälligkeit erkennbar sind, denen nicht entgegengewirkt wurde.

In der Störfallebene (Sicherheitsebene 3) ist auf der Basis gültiger Nachweise die Beherrschung der abdeckenden Störfälle und damit die Einhaltung der Schutzziele zu zeigen. Für EvA, EvI und Notstandsfälle ist auf der Basis gültiger Nachweise die Beherrschung der Ereignisse und damit die Einhaltung der Schutzziele zu zeigen. In diesem Bereich soll der inhaltliche Schwerpunkt der deterministischen schutzzielorientierten Überprüfung liegen. Für Anlagen der Klasse 3 kann die deterministische schutzzielorientierte Überprüfung der Sicherheitseinrichtungen in angemessenem Umfang im Rahmen der aktuellen Anlagenbeschreibung behandelt werden.

2.2.3.1 Darlegung des Ist-Zustandes der Sicherheitseinrichtungen (Systembeschreibungen)

Soweit zur Systemüberprüfung erforderlich, sollen detaillierte Beschreibungen der aktiven und passiven Sicherheitseinrichtungen bereitgestellt werden. In Betracht kommen insbesondere solche Informationen (vergleiche Anhang B) wie:

Aufgaben des Systems
Systemaufbau und räumliche Anordnung
Qualifizierung der Komponenten
Betriebsweisen des Systems
Auslegung
Alterung
Funktionsprüfungen des Systems und Qualitätszustand

2.2.3.2 Anlagen- und systemübergreifende Bereiche

Ergänzend zur Beschreibung der aktiven und passiven Sicherheitseinrichtungen sollen die sicherheitsrelevanten Bereiche beschrieben werden, die mehrere Anlagenteile oder die Gesamtanlage betreffen, wie:

Störfallinstrumentierung/​Störfallfestigkeit
Strahlenschutz und Aktivitätsüberwachung
Schutz gegen EvI
Schutz gegen EvA
Melde- und Überwachungseinrichtungen
Abfallmanagement

Dargestellt werden sollen technische Einrichtungen und Maßnahmen, die in diesen Bereichen von sicherheitstechnischer Bedeutung sind.

2.2.3.3 Ereignisanalyse und schutzzielorientierte Systemüberprüfung

In der Ereignisanalyse und der schutzzielorientierten Systemüberprüfung soll geprüft werden, inwieweit die relevanten Sicherheitsfunktionen durch die Sicherheitseinrichtungen im Sinne einer ausreichenden Beherrschung des jeweils betrachteten Störfalls, EvI, EvA oder Notstandsfalls verfügbar und wirksam sind und somit die übergeordneten Schutzziele erreicht werden.

Grundsätzlich sollen die aus Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren vorhandenen Nachweisquellen (Ablaufanalysen) für die Störfallbeherrschung verwendet werden. Neue Analysen sind im Regelfall nur dann notwendig, wenn begründete Zweifel an der Aussagesicherheit oder der Konservativität vorhandener Nachweise bestehen.

Diese ergänzenden Analysen können unter Verwendung realistischer Anfangs- und Randbedingungen (best-estimate-Verfahren) und unter Berücksichtigung von Betriebserfahrungen durchgeführt werden. Im Falle neuer Analysen von Ereignissen aus dem festgelegten Ereignisspektrum (siehe Nummer 2.2.2) soll eine Ablaufbeschreibung vorgelegt werden. Dabei sind die zu erwartenden Belastungen und Auswirkungen auf die Anlage und auf die Umgebung für das jeweilige Szenario qualitativ und quantitativ darzustellen und die wesentlichen Randbedingungen aufzuführen, die der Ereignisanalyse zugrunde liegen.

Grundsätzlich ist die Ereignisbeherrschung dann gezeigt, wenn bei der Überprüfung der Systeme die den Schutzzielen zugehörigen Schutzzielkriterien und die Sicherheitsfunktionen erfüllt werden, wobei auch Lösungen mit nicht regelwerkskonformer technischer Ausführung zulässig sind.

Die technischen Detaillösungen sind als Beispiellösungen anzusehen. Andere Maßnahmen hierfür sind möglich, wobei aber die Erfüllung der geforderten Sicherheitsfunktionen gezeigt werden muss. Eine entsprechende Vorgehensweise gilt für die schutzzielübergreifenden Anforderungen.

Die Ergebnisse der deterministischen Systemüberprüfung können Abweichungen gegenüber den schutzzielorientierten Anforderungen an die Sicherheitseinrichtungen aufzeigen.

Im Anschluss an die deterministische Systemüberprüfung soll eine abschließende Einschätzung der Ergebnisse, ggf. unter Berücksichtigung der Ergebnisse der PSA, der Darlegung der Betriebsführung und der Auswertung der Betriebserfahrung, vorgenommen werden.

2.2.4 Darlegung der Einrichtungen und Maßnahmen für sehr seltene Ereignisse sowie des Notfallschutzkonzepts

Für die sehr seltenen Ereignisse unter Berücksichtigung der anlagenspezifischen Randbedingungen sind die Einrichtungen und Maßnahmen der Anlage darzulegen, die zur Erfüllung punktueller Anforderungen zu treffen sind. Falls angebracht, soll unter Einbeziehung probabilistischer Einzelbetrachtungen gezeigt werden, dass auch für Ereignisse mit sehr geringer Eintrittswahrscheinlichkeit Maßnahmen getroffen wurden.

Für auslegungsüberschreitende Anlagenzustände infolge unterstellten Ausfalls angeforderter Sicherheitseinrichtungen sind anlageninterne Notfallmaßnahmen vorgesehen. Sie sind im wesentlichen schutzzielorientiert aufgebaut und basieren auf der Ausnutzung der Sicherheitsreserven der Anlage, auf der Nutzung von Betriebssystemen und Sicherheitseinrichtungen und auf zusätzlich vorgesehenen Maßnahmen. Alle Maßnahmen und Handlungen sind in der Betriebsdokumentation zusammengestellt.

Die festgelegten Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes sollen für Anlagen der Klasse 1 und 2 dargestellt werden.

Die Darstellung der Einrichtungen und Maßnahmen für sehr seltene Ereignisse soll zeigen, dass die Anlage in einen sicheren Anlagenzustand überführt werden kann. Die Darlegung der anlageninternen Notfallmaßnahmen für auslegungsüberschreitende Anlagenzustände soll zeigen, dass sie geeignet sind, eine schwere Kernschädigung zu vermeiden bzw. deren Folgen so zu reduzieren, dass die Schutzziele nicht verletzt werden können.

Bei der Darstellung sollen die vorhandenen Unterlagen und Nachweise herangezogen werden. Bei der Analyse der Wirksamkeit von präventiven oder mitigativen Notfallmaßnahmen können für die zu Grunde gelegten Ereignisabläufe realistische Modelle und realistische Anfangs- und Randbedingungen verwendet werden.

2.2.5 Darlegung der Betriebsführung und Auswertung der Betriebserfahrung

Die Darlegung der Betriebsführung und die Auswertung der Betriebserfahrung sind ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Sicherheitsstatusanalyse.

Die Darlegung der Betriebsführung soll folgende Bereiche umfassen:

Betriebsorganisation
Managementsystem
Sicherheitskultur
Anlagenbetrieb
Fachkunde
Menschliche Einflussfaktoren
Instandhaltung
Strahlenschutz
Erfahrungsrückfluss (evtl. auch aus bauähnlichen Reaktoren)
Notfallschutzplanung

Schwerpunkt für die Einschätzung der Einrichtungen und Maßnahmen zur Einhaltung schutzzielorientierter Anforderungen in den Ebenen 1 und 2 ist die Auswertung der Betriebserfahrung unter den Gesichtspunkten Normalbetrieb, anomaler Betrieb und Störfälle. Die Auswertung der sicherheitsrelevanten Betriebserfahrungen soll mindestens folgende Bereiche umfassen:

Wiederkehrende Prüfungen
Lastfälle und Ermüdungsanalysen
meldepflichtige Ereignisse

Die Auswertung soll darüber hinaus solche repräsentativen sicherheitsrelevanten Ereignisse berücksichtigen, die durch den zeitlichen Verlauf ihrer Eintrittshäufigkeit für die Zuverlässigkeit des bestimmungsgemäßen Betriebs kennzeichnend sind. Hierbei sind sowohl technische Aspekte als auch organisatorische Aspekte und Aspekte der Sicherheitskultur zu berücksichtigen.

Die Auswertung der Betriebserfahrungen dient der Überprüfung der betrieblichen Bewährung der sicherheitstechnischen Anlagenauslegung, der Überprüfung der Zuverlässigkeit der sicherheitstechnisch relevanten Systeme sowie der Einhaltung der Schutzziele. Die Ergebnisse sollen die im Rahmen der deterministischen schutzzielorientierten Überprüfung der Sicherheitseinrichtungen, insbesondere bei ergänzenden Analysen und bei der abschließenden Einschätzung des Sicherheitsstatus der Anlage, getroffenen Aussagen ergänzen und absichern.

Inhaltliche Schwerpunkte für die Darstellung der Bereiche der Betriebsführung sowie zur Auswertung der Betriebserfahrungen sind in Anhang C angegeben.

2.3 Probabilistische Sicherheitsanalyse

Ist gemäß der Anwendung eines abgestuften Ansatzes eine probabilistische Sicherheitsanalyse für Anlagen der Klasse 1 durchzuführen, ist hierbei der Leitfaden „Periodische Sicherheitsüberprüfung für Kernkraftwerke – Leitfaden Probabilistische Sicherheitsanalyse“ /​BMU 97/​ heranzuziehen.

2.4 Anlagensicherung

Im Rahmen der Darlegungen zur Sicherung sollen die Maßnahmen zum Schutz gegen Störmaßnahmen oder Einwirkungen Dritter (SEWD) beschrieben und das Sicherungskonzept überprüft werden. Hierbei ist hinsichtlich der Art und des Umfangs der Überprüfung der Anlagensicherung der Leitfaden „Periodische Sicherheitsüberprüfung für Kernkraftwerke – Leitfaden Deterministische Sicherungsanalyse“ /​BMU 98/​ unter Anwendung eines abgestuften Ansatzes entsprechend der Sicherungskategorie der Anlage heranzuziehen.

3  Ergebnisse der PSÜ

3.1 Abschließende Einschätzung und Dokumentation durch den Genehmigungsinhaber

Zum Abschluss einer PSÜ soll der Genehmigungsinhaber den Sicherheitsstatus der Anlage einschätzen. Dazu sind die Ergebnisse der Einzelanalysen zu einem aussagefähigen Gesamtbild zusammenzuführen und zu bewerten, inwieweit die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Einhaltung der Schutzziele erfüllt ist und die Ausgewogenheit des Sicherheitskonzepts gegeben ist. In die Einschätzung können vorgesehene sicherheitstechnische Verbesserungen einbezogen werden.

Die Einzelanalysen und Ergebnisse sollen in Berichtsform zusammengestellt und den zuständigen Aufsichtsbehörden als Dokumentation zur PSÜ vorgelegt werden.

Die Inhalte der Berichte sollen nachvollziehbar und prüffähig sein, verwendete Unterlagen sind aufzuführen.

3.2 Bewertung der PSÜ-Ergebnisse

Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde beurteilt die mit der Dokumentation zur PSÜ vorgelegte Darlegung des Sicherheitsstatus der Anlage im Hinblick auf die §§ 17 und 19 des Atomgesetzes.

Für die Beurteilung der sicherheitstechnischen Bedeutung der Ergebnisse sollen folgende Kriterien verwendet werden:

Zeigt die Auswertung der Betriebserfahrung eine ausreichende Zuverlässigkeit des jeweiligen Systems
werden die zu betrachtenden abdeckenden Störfälle mit den vorhandenen Sicherheitseinrichtungen, entsprechend den schutzzielorientierten Anforderungen, mit der geforderten Wirksamkeit und Zuverlässigkeit beherrscht
sind für auslegungsüberschreitende Anlagenzustände technische Einrichtungen und Maßnahmen vorhanden
wurden Schwachstellen und/​oder eine Unausgewogenheit im Sicherheitskonzept festgestellt

Die Ergebnisse der Periodischen Sicherheitsüberprüfung können ggf. notwendige Nachrüstmaßnahmen oder lebensdauerbegrenzende Merkmale aufzeigen und können damit auch in die Bewertung eines sicheren Langzeitbetriebs einfließen.

Literaturverzeichnis

/​BMU 97/​ Bekanntmachung der Leitfäden zur Durchführung von Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ) für Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland vom 18. August 1997 (BAnz. Nr. 232a vom )
/​BMU 98/​ Bekanntmachung des Leitfadens Deterministische Sicherungsanalyse zur Durchführung von Periodischen Sicherheitsüberprüfungen (PSÜ) für Kernkraftwerke in der Bundesrepublik Deutschland vom 25. Juni 1998 (BAnz. Nr. 153 vom )
Anhang A

Schutzziele und Sicherheitsfunktionen

Im Folgenden werden für die verschiedenen Schutzziele Sicherheitsfunktionen aufgeführt, sofern für die Anlage zutreffend:

Kontrolle der Reaktivität (R)

Die Kontrolle der Reaktivität ist in allen Betriebs- und Störfällen zu gewährleisteten.

Reaktivitätsänderungen sind auf zulässige Werte zu beschränken.
Der Reaktorkern muss abgeschaltet und langfristig unterkritisch gehalten werden können.
Bei der Handhabung sowie Lagerung unbestrahlter und bestrahlter Brennelemente ist Unterkritikalität sicherzustellen.

Kühlung der Brennelemente (K)

Die Brennelementkühlung ist gewährleistet, wenn bei allen Betriebs- und Störfällen die im Brennelement erzeugte Wärme abgeführt werden kann. Dazu sind:

Kühlmittel und Wärmesenken stets in ausreichendem Umfang vorzusehen,
der Wärmetransport vom Brennelement bis zur Wärmesenke sicherzustellen,
die Wärmeabfuhr aus dem Brennelementlagerbecken sicherzustellen.

Einschluss radioaktiver Stoffe (E)

Der Einschluss radioaktiver Stoffe ist gewährleistet, wenn auch im Störfall:

die sich auf den verschiedenen Sicherheitsebenen ergebenden mechanischen, thermischen, chemischen und durch Strahlung hervorgerufenen Einwirkungen auf die Barrieren oder Rückhaltefunktionen so begrenzt sind, dass deren Wirksamkeit zur Einhaltung der radiologischen Sicherheitsziele erhalten bleibt,
die Barrierenfunktion des Reaktorkühlkreislaufs erforderlichenfalls ausreichend schnell hergestellt werden kann.

Einhaltung radiologischer Sicherheitsziele (S)

Die Einhaltung der radiologischen Sicherheitsziele ist gewährleistet, wenn

auf den Sicherheitsebenen 1 und 2

die Strahlenexposition des Personals bei allen Tätigkeiten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch unterhalb der Grenzwerte des Strahlenschutzgesetzes1 so gering wie möglich gehalten wird,
jede Ableitung radioaktiver Stoffe mit Luft oder Wasser kontrolliert auf den dafür vorgesehenen Ableitungspfaden erfolgt; die Ableitungen überwacht und nach Art und Aktivität dokumentiert und spezifiziert werden,
jede Strahlenexposition oder Kontamination von Mensch und Umwelt durch Direktstrahlung aus der Anlage sowie durch die Ableitung radioaktiver Stoffe unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch unterhalb der Grenzwerte des Strahlenschutzgesetzes so gering wie möglich gehalten werden.
auf der Sicherheitsebene 3

bei der Planung von Tätigkeiten zur Beherrschung von Ereignissen, zur Minderung ihrer Auswirkungen oder zur Beseitigung ihrer Folgen für die Strahlenexposition des Personals höchstens die einschlägigen Grenzwerte des Strahlenschutzgesetzes zu Grunde gelegt werden,
für die Auslegung der Anlage zum Schutz der Bevölkerung vor freisetzungsbedingten Strahlenexpositionen höchstens die einschlägigen Störfallplanungswerte des Strahlenschutzgesetzes zu Grunde gelegt werden,
eine etwaige Freisetzung auf analysierten Freisetzungspfaden erfolgt; die Freisetzung überwacht und nach Art und Aktivität dokumentiert und spezifiziert wird,
die radiologischen Auswirkungen innerhalb und außerhalb der Anlage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls so gering wie möglich gehalten werden.
auf der Sicherheitsebene 4

bei der Planung von Tätigkeiten zur Beherrschung von Ereignissen der Sicherheitsebene 4a sowie bei der Planung von Tätigkeiten im Rahmen von Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes für die voraussichtliche Strahlenexposition des Personals die einschlägigen Vorgaben des Strahlenschutzgesetzes zu Grunde gelegt werden,
die Überwachung von Freisetzungen radioaktiver Stoffe aus der Anlage nach Art und Aktivität sichergestellt wird,
radiologische Auswirkungen innerhalb und außerhalb der Anlage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls so gering wie möglich gehalten werden.

Unter Einbeziehung der Maßnahmen und Einrichtungen des anlageninternen Notfallschutzes der Sicherheitsebenen 4b und 4c sind

Freisetzungen radioaktiver Stoffe in die Umgebung der Anlage aufgrund eines frühzeitigen Versagens von Sicherheitseinrichtungen, die Maßnahmen des anlagenexternen Notfallschutzes erfordern, für deren Umsetzung nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht (frühe Freisetzung) oder
Freisetzungen radioaktiver Stoffe in die Umgebung der Anlage, die räumlich umfangreiche und zeitlich langandauernde Maßnahmen des anlagenexternen Notfallschutzes erfordern (große Freisetzung)

auszuschließen2 oder die radiologischen Auswirkungen so weit zu begrenzen, dass Maßnahmen des anlagenexternen Notfallschutzes nur in räumlich und zeitlich begrenztem Umfang erforderlich werden.

Alle sicherheitstechnisch wichtigen Einrichtungen der Anlage müssen so ausgelegt, in einem solchen Zustand gehalten und so gegen Einwirkungen von innen und außen sowie Notstandsfälle geschützt werden, dass sie ihre sicherheitstechnischen Aufgaben zur Einhaltung der Anforderungen gemäß der radiologischen Sicherheitsziele erfüllen.

Alle Einrichtungen des Reaktors, die radioaktive Stoffe enthalten oder enthalten können, müssen so beschaffen, angeordnet und abgeschirmt sein, dass sie bezüglich der Strahlenexposition von Personen bei allen auf den Sicherheitsebenen 1 und 2 erforderlichen Tätigkeiten sowie bei der Planung von Tätigkeiten zur Beherrschung von Ereignissen der Sicherheitsebenen 3 und 4a, bei Einwirkungen von innen und außen, bei Notstandsfällen sowie im Rahmen von Maßnahmen des anlageninternen Notfallschutzes die einschlägigen Anforderungen an den Strahlenschutz erfüllen.

Darüber hinaus lassen sich schutzzielübergreifende Hilfsfunktionen (z. B. Leittechnik, Energie- und Hilfsmedienversorgung) ableiten, die ebenfalls erfüllt sein müssen.

Anhang B

Aspekte der Systembeschreibungen

Im Rahmen der deterministischen schutzzielorientierten Überprüfung der Sicherheitseinrichtungen soll der Ist-Zustand der aktiven und passiven Sicherheitseinrichtungen bereitgestellt werden. Aspekte, die hierbei relevant sein können, sind:

1.
Aufgaben der Systeme

Sicherheitstechnische Aufgaben
Betriebliche Aufgaben
2.
Systemaufbau und räumliche Anordnung

Systemschaltung
Versorgungseinrichtungen
Wichtige Komponenten
Räumliche Anordnung
3.
Qualifizierung der Komponenten

Nachweis der Qualifikation
Vollständigkeit der Aufzeichnung
Aktualisierung und Aufrechterhaltung der Qualifikation
Überwachung der Einhaltung der geforderten Umgebungsbedingungen der qualifizierten Komponenten
4.
Betriebsweisen des Systems

Grundstellung/​Normalbetrieb
Störfälle
Anregekriterien und Schutzaktionen
Zusammenwirken mit anderen Systemen
5.
Auslegungsüberschreitende Störfälle

Auslegung
Betriebliche Auslegung
Störfallbedingte Auslegung
Festigkeitsmäßige Auslegung
Systemsicherung und wichtige Verriegelung
6.
Instrumentierung, Steuerung, Überwachung
7.
Alterungsmanagement

Umfang und Aufbau des Alterungsmanagements
Dokumentation und Bewertung möglicher alterungsbedingter Schädigungen
Maßnahmen zur rechtzeitigen Erkennung und Beherrschung relevanter Alterungsmechanismen und -effekte
Verfügbarkeit von Daten und Akzeptanzkriterien zur Bewertung alterungsbedingter Schädigungen
Maßnahmen zur Beherrschung der technologischen Alterung
8.
Funktionsprüfungen und Qualitätszustand
9.
Datenzusammenstellung
10.
Literatur
Anhang C

Themenbereiche zur Darlegung der Betriebsführung und Auswertung der Betriebserfahrung

Aspekte, die für die Darlegung der Betriebsführung relevant sein können, sind:

1.
Betriebsorganisation

Beschreibung des Organisationsaufbaus
Personalbestand
Aufgabenverteilung
Qualitätssicherungskonzept
Personalmanagement und Nachfolgeplanung
Regelungen für die Beschäftigung von Eigen- und Fremdpersonal
2.
Managementsystem

Grundsatzerklärung und Dokumentation des Managementsystems
Kontrollprozesse über Dokumente, Produkte und Aufzeichnungen
Management von Organisationsänderungen
Prozesse der Beschaffung von sicherheitsrelevanten Lieferungen und Leistungen
Prozesse zur Anlagenüberwachung und zum Strahlenschutz
Kommunikationsrichtlinien
Konfigurationsmanagement
Prozesse zum Umgang mit Proben für Bestrahlungs- und Experimentiereinrichtungen
3.
Sicherheitskultur

Beschreibung der Organisationspolitik und -ziele, in denen sich die Betreiberorganisation zu hoher Sicherheit und zur Stärkung der Sicherheitskultur verpflichtet. Darstellung wie die Organisationspolitik und die Unternehmensziele kommuniziert und von der Anlagenleitung umgesetzt werden
Bestreben des Personals unsicheres Handeln und unsichere Zustände zu identifizieren und zu melden
Lernkultur, Hinterfragen von bisherigem Verhalten und Streben nach kontinuierlicher Verbesserung
Kommunikation und Priorisierung von Sicherheitsproblemen
4.
Anlagenbetrieb

Betriebsdiagramme mit Darstellung wesentlicher Ereignisse
Zeitverfügbarkeit, Arbeitsverfügbarkeit
Außerplanmäßige Stillstände
Reaktorschnellabschaltungen aus Normalbetrieb
Sicherheitstechnisch wichtige Vorkommnisse mit einer INES-Einstufung 1
5.
Fachkunde des Personals

Maßnahmen zum Fachkundeerhalt und zur Förderung eines sicherheitsgerichteten Verhaltens der Mitarbeiter
Programme, Organisation und Ergebnisse der Schulungsmaßnahmen
Qualifizierung neuer Mitarbeiter
6.
Menschliche Einflussfaktoren

Kompetenzanforderungen an das Personal
Informationsbedarf und Arbeitsbelastung des Personals
Ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen
7.
Instandhaltung

Kurze Beschreibung der Instandhaltungsstrategie
Vorbeugende Instandhaltung im Normalbetrieb
Instandhaltungsbedingte Nichtverfügbarkeit von Sicherheitssystemen
Wesentliche Ergebnisse von Instandhaltungsmaßnahmen
8.
Strahlenschutz

Organisation, soweit nicht unter 1. behandelt
Dosisleistungsniveau in der Anlage
Aktivitätskonzentration in Kreisläufen und der Raumluft
Strahlenexposition des Personals
Tätigkeitsbezogene Strahlenexposition des Personals
Dokumentation, Strategie und Einrichtungen
Abgabe radioaktiver Stoffe über Abluft, Abwasser und radioaktive Abfälle
9.
Erfahrungsrückfluss

Organisation
Konsequenzen aus Erfahrungen in in- und ausländischen Anlagen (z. B. GRS-WLN, IRSRR-Meldungen)
Liste der durchgeführten Maßnahmen
10.
Notfallschutzplanung

Kurze Beschreibung der Strategie
Krisenstab
Alarmordnung, Notfallhandbuch
Übungen

Aspekte, die bei der Auswertung der Betriebserfahrung relevant sein können, sind:

1.
Ergebnisse der Wiederkehrenden Prüfungen, insbesondere Funktionsprüfungen wichtiger Sicherheitssysteme
2.
Lastfälle und Ermüdungsanalysen

Betriebliche und störungsbedingte Lastfälle
Ermüdungsanalyse
Lebensdauerüberwachung von Komponenten
3.
Auswertung meldepflichtiger Ereignisse
1
Einschließlich der einschlägigen Rechtsverordnungen
2
Das Eintreten eines Ereignisses oder Ereignisablaufs oder Zustands kann als ausgeschlossen angesehen werden, wenn das Eintreten physikalisch unmöglich ist oder wenn mit einem hohen Maß an Aussagesicherheit das Eintreten als extrem unwahrscheinlich angesehen werden kann.

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