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Bekanntmachung einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission „Langfristige Sicherung und Ausbau der Kompetenz auf dem Gebiet der Strahlenforschung und -anwendung in Deutschland – Maßnahmenkatalog Kompetenzerhalt“

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Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit
und Verbraucherschutz

Bekanntmachung
einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission
„Langfristige Sicherung und Ausbau der Kompetenz
auf dem Gebiet der Strahlenforschung und -anwendung
in Deutschland – Maßnahmenkatalog Kompetenzerhalt“

Vom 20. November 2023

Nachfolgend wird die Empfehlung der Strahlenschutzkommission (SSK), verabschiedet in der 327. Sitzung der Kommission am 11./​12. September 2023, bekannt gegeben (Anlage).

Bonn, den 20. November 2023

S II 2 – 1702/​004-2023.0002

Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit
und Verbraucherschutz

Im Auftrag
Engelhardt

Anlage

Langfristige Sicherung und Ausbau der Kompetenz
auf dem Gebiet der Strahlenforschung und -anwendung in Deutschland
– Maßnahmenkatalog Kompetenzerhalt

Empfehlung der Strahlenschutzkommission
Verabschiedet in der 327. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 11./​12. September 2023

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Beratungsauftrag des BMU

1.2 Initiativen verschiedener Ministerien

1.2.1 Konzept für die nukleare Sicherheit

1.2.2 Bedarfsanalyse zur Strahlenschutzkompetenz

1.3 Die Stellungnahme der SSK vom Juni 2021

1.4 Struktur der vorliegenden Empfehlung

2 Bedarf an Kompetenz in der Strahlenforschung – Sichtweise anderer Institutionen

2.1 Sichtweise deutscher politischer Parteien

2.2  Internationale Sichtweisen und Förderinitiativen

2.2.1 Europa

2.2.2 USA

2.2.3 Weltweit

2.3 Zusammenfassung

3 Bedarf an Kompetenz in Deutschland – eigene Analysen der SSK

3.1 Einführung

3.2 Stakeholder-Befragung

3.2.1 Einleitung und Methodik

3.2.2 Teilnehmende Organisationen

3.2.3 Relevante Forschungsbereiche und Kompetenz

3.2.4 Diskutierte und vorgeschlagene Maßnahmen

3.2.5 Fazit

3.3 Arbeitsmarktsituation in Deutschland – Stellenanzeigen 2020 und 2021

3.3.1 Einleitung und Methodik

3.3.2 Relevante Stellen

3.3.3 Fazit

3.4 Situation der beruflichen Fortbildung in Deutschland

3.4.1 Anbieter von Strahlenschutzkursen in Deutschland

3.4.2 Strahlenschutzkurse

3.4.3 Fazit

3.5 SWOT-Analyse der SSK

3.5.1 Einleitung und Methodik

3.5.2 Interne Faktoren – Stärken

3.5.3 Interne Faktoren – Schwächen

3.5.4 Externe Faktoren – Chancen

3.5.5 Externe Faktoren – Risiken

3.5.6 Fazit

3.6 Zusammenfassung

4 Maßnahmenkatalog

4.1 Etablierung einer nationalen Fortschrittsinitiative „Strahlenforschung“

4.2 Identifizierung von Leuchtturmthemen

4.3 Vernetzung

4.4 Einbindung von Politik auf Bundes- und Landesebene

4.5 Strukturelle Weiterentwicklung der Wissenschaft und langfristige Sicherstellung von Forschungsinfrastruktur

4.6 Wissensvermittlung

4.7 Kommunikation

4.8 Zusammenfassung

5 Zusammenfassende Empfehlung

6 Literatur

Anhang Fragebogen zum Kompetenzerhalt

1 Einleitung

1.1 Beratungsauftrag des BMU

In einem Beratungsauftrag vom 11. November 2020 hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) die SSK gebeten, die im Jahr 2006 formulierte Empfehlung der SSK zum Thema „Langfristige Sicherung des Kompetenzerhaltes auf dem Gebiet der Strahlenforschung in Deutschland“ (SSK 2006) zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten. Dabei sollte die SSK die Frage beantworten, „wer zukünftig in Deutschland noch die Möglichkeit haben wird, Grundlagenforschung im Strahlenschutz zu betreiben, und welche Maßnahmen zur Förderung der Strahlenforschung ergriffen werden können“ mit dem Ziel, einen Maßnahmenkatalog zu erstellen „durch dessen Umsetzung die Forschung im Bereich ionisierender und nichtionisierender Strahlung in Deutschland gestützt und die Kompetenz langfristig gesichert werden kann“. Besonderes Augenmerk sollte die SSK dabei auf eine mögliche Neuausrichtung der institutionellen Forschungsförderung richten. In einem ersten Schritt bat das BMU zeitnah bis Anfang 2021 „um Identifizierung der wichtigsten Kompetenzfelder sowie Akteure zur langfristigen Sicherstellung des Kompetenzerhalts in der Strahlenforschung“.

Hintergrund des Beratungsauftrags des Bundesumweltministeriums war die Tatsache, dass die Bundesregierung (2017 bis 2021) mit dem Koalitionsvertrag vom März 2018 sowie ihrem Konzept zur Kompetenz- und Nachwuchsentwicklung für die nukleare Sicherheit „die Bedeutung des perspektivischen Erhalts von Fachwissen und -personal im Bereich der nuklearen Sicherheit, des Strahlenschutzes und der Entsorgungssicherheit für eine Zukunft auch jenseits der Stromerzeugung durch Kerntechnik hervorgehoben“ hatte.

In diesem Zusammenhang betont die SSK hier ausdrücklich, dass die Bedeutung der Strahlenforschung für Deutschland nicht oder nur geringfügig betroffen ist von der Beendigung der kommerziellen Nutzung der Kernenergie in Deutschland im April 2023. Zum Strahlenschutz, dem Schutz vor ionisierender und nichtionisierender Strahlung, gehören viele, sehr unterschiedliche Disziplinen. Das Feld des beruflichen Strahlenschutzes betrifft alle Beschäftigten, die mit ionisierender Strahlung oder radioaktiven Stoffen umgehen oder diesen ausgesetzt sind, und nicht nur Beschäftigte in kerntechnischen Anlagen. Dazu zählen z. B. Personen, die im medizinischen Bereich, beim Abriss einer stillgelegten Anlage oder in Wasserwerken tätig sind, sowie das fliegende Personal. Was die Strahlenexposition der Bevölkerung angeht, so liefert aus dem Bereich der natürlichen Radioaktivität das Radon in Innenräumen in Deutschland den größten Beitrag zur jährlichen Strahlenexposition. Auch tragen medizinische Anwendungen mehr zur jährlichen Strahlenexposition der Bevölkerung bei, als es durch den Betrieb der Kernkraftwerke in Deutschland der Fall war. Zudem ändert sich an der Bedeutung des radiologischen Notfallschutzes wenig, da Deutschland von mehreren Ländern umgeben ist, die weiter die Kernenergie zur Stromerzeugung nutzen. Die Bedeutung des Schutzes vor nicht­ionisierender Strahlung zeigt sich z. B. beim Schutz vor UV-Strahlung und Hitze als zentralem Element der Städteplanung, insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels, oder beim Schutz vor elektromagnetischen Feldern (EMF), insbesondere vor dem Hintergrund des Ausbaus des 5G- und des 6G-Netzes oder der Stromtrassen und der Elektromobilität im Zuge der Energiewende. Dieser Bereich des Strahlenschutzes ist vom Ausstieg aus der Kernenergie naturgemäß nicht betroffen. Strahlenschutz ist also unabhängig von der Stromerzeugung durch Kerntechnik und ein unverzichtbarer Baustein der Daseinsvorsorge sowie ein wichtiges Element für den Forschungs- und Technologiestandort Deutschland.

In Folge dieses Beratungsauftrags des BMU erarbeitete eine Arbeitsgruppe der SSK eine Stellungnahme (SSK 2021), die als erster Schritt bei der Bearbeitung des Beratungsauftrags angesehen werden sollte. In dieser Stellungnahme identifizierte die SSK die wichtigsten wissenschaftlichen Disziplinen und Akteure in der Strahlenforschung (siehe Abschnitt 1.3). In der vorliegenden Empfehlung identifiziert die SSK nun den Bedarf für Kompetenzerhalt und -förderung in den verschiedenen Disziplinen, analysiert Stärken und Schwächen der Strahlenforschung in Deutschland und macht Vorschläge für Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der Kompetenz.

In diesem Zusammenhang versteht die SSK den Begriff Strahlenforschung immer in Bezug auf eine (auch langfristige) Relevanz für den Strahlenschutz, was auch entsprechende Grundlagenforschung zur Wirkung von Strahlung einbezieht. Wo immer Menschen erhöhter Strahlung ausgesetzt sind oder technologische Neuentwicklungen mit der Erzeugung und Verwendung von Strahlung einhergehen, ob ionisierend oder nichtionisierend, muss Strahlenschutz berücksichtigt und u. U. weiterentwickelt werden.

Bei einer von der SSK durchgeführten Fragebogenaktion gab es unter den einbezogenen Fachkundigen großen Konsens darüber, dass viele Bereiche in Wissenschaft und Technik von Kompetenz in der Strahlenforschung profitieren und viele Technologieentwicklungen ohne eine derartige Kompetenz unmöglich wären. Beispielsweise sind Technologieentwicklungen in der Medizin wesentlich von Kompetenz in der Strahlenforschung abhängig, und hier insbe­sondere die Entwicklung bildgebender radiologischer Verfahren (einschließlich MRT-Verfahren), neuer Formen der Strahlentherapie (Flash-Therapie, individualisierte Behandlungsformen, Partikeltherapie) sowie Entwicklungen in der nuklearmedizinischen Diagnostik und Therapie. Als weitere Beispiele wurden der Ausbau des 5G-Netzes genannt sowie die Detektorentwicklung, die Entwicklung von Verfahren der künstlichen Intelligenz, die Entwicklung und Anwendung von Lasern sowie Verfahren unter Verwendung von Neutronen. Zudem wurden auch viele Entwicklungen in den Naturwissenschaften allgemein genannt (z. B. Bioinformatik, Biologie, Immunologie, Geophysik), ebenso bei Umweltanwendungen, in der Raumfahrt, in der Materialforschung und -prüfung, bei der nuklearen Entsorgung (Rückbau, Zwischenlager, Endlager) sowie bei der Energieerzeugung (Kernspaltung, Kernfusion, Transmutation). Hinzu kommen aus Sicht der SSK Zukunftstechnologien, wie z. B. Quanten- und Biocomputing, sowie Technologien, die bei der Herstellung von Chips oder Microdevices in den Bereichen Mobilität, Datenübertragung und Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden. Viele dieser Forschungsfelder können vom Rückfluss der Daten, Methoden und Erkenntnisse aus der Strahlenforschung profitieren. Daraus folgt, dass – wie weiter unten ausgeführt – viele gesellschaftlich relevante Initiativen wie z. B. die „Dekade gegen Krebs“ nicht ohne Strahlenforschung und Strahlenschutz auskommen.

Die SSK konzentriert sich in dieser Empfehlung auf den Kompetenzerhalt in der Ausbildung und Forschung, da es ohne entsprechend ausgebildeten Nachwuchs keine Kompetenz bei der Anwendung geben kann. Dies betrifft sowohl den Bereich der ionisierenden als auch der nichtionisierenden Strahlung (UV-Strahlung und EMF). Dabei ist sich die SSK der Tatsache bewusst, dass es auch Anwendungsbereiche (z. B. in der Strahlennotfallmedizin) gibt, die (infra-)struktureller Änderungen bedürfen, die aber in dieser Empfehlung nicht abschließend diskutiert werden.

Die Strahlenforschung in Deutschland genießt international derzeit noch einen hervorragenden Ruf. Dies liegt insbesondere daran, dass deutsche Forschende in der Vergangenheit und bis heute wesentlich zur Verbesserung unseres Verständnisses der Bedeutung von Strahlung für den Menschen beitragen konnten und auch in verschiedensten internationalen Gremien maßgeblich an der Umsetzung dieses Wissens zur Weiterentwicklung des internationalen Strahlenschutzes mitarbeiteten. Der Erhalt und der Ausbau von Kompetenz in der Strahlenforschung in Deutschland ist unerlässlich, damit auch in Zukunft eine deutsche Beteiligung in internationalen Gremien sichergestellt werden kann. Ohne eine derartige Kompetenz wird eine deutsche Mitwirkung bei der Entwicklung des internationalen Strahlenschutzes nicht mehr möglich sein, wodurch Deutschland zur internationalen Diskussion nicht mehr beitragen könnte.

1.2 Initiativen verschiedener Ministerien

1.2.1 Konzept für die nukleare Sicherheit

Im August 2020 veröffentlichte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ein Konzept der Bundesregierung zur Kompetenz- und Nachwuchsentwicklung für die nukleare Sicherheit, das in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) erarbeitet wurde (BMWi 2020). Unter nuklearer Sicherheit wird dabei „die Reaktorsicherheit einschließlich Sicherung, Stilllegung und Rückbau nuklearer Anlagen, die nukleare Entsorgung einschließlich Zwischen- und Endlagerung und der Schutz vor ionisierender Strahlung in diesen Bereichen“ verstanden. Es gelte, „als Element der staatlichen Daseinsvorsorge die bereits gewonnene Wissens- und Erfahrungsbasis aus der über Jahrzehnte betriebenen Forschung und praktischen Anwendung in den verschiedenen Bereichen der nuklearen Sicherheit für nachfolgende Generationen zu erhalten und angemessen weiterzuentwickeln. Zur Wahrung deutscher Sicherheitsinteressen wird eine breit und interdisziplinär aufgestellte Expertise in diesen Bereichen auch in Zukunft benötigt“. Gleichzeitig wird betont, dass sich die Fragen des Kompetenzerhalts in vergleichbarer Weise auch beim „Strahlenschutz bei medizinischer Diagnostik und Therapie, im industriellen Bereich (außerhalb der Kerntechnik) sowie im Zusammenhang mit natürlichen Quellen ionisierender Strahlung“ stellen. Dies liege unter anderem daran, dass die Erforschung und die Entwicklung innovativer Verfahren, die mit dem Einsatz und der Erzeugung ionisierender Strahlung verbunden sind, eine dauerhafte strahlenschutzfachliche Begleitung erfordern würden, sowohl in der Industrie (z. B. in der Materialbearbeitung) als auch in der Medizin. Die Fragen des Kompetenzerhalts im Strahlenschutz in diesen Bereichen seien jedoch in einem gesonderten Prozess auszuarbeiten (BMWi 2020).

Das Konzept zur Kompetenz- und Nachwuchsentwicklung für die nukleare Sicherheit erwähnt sechs Handlungsfelder, die teilweise miteinander verknüpft sind:

1.
Ausbildung und Lehre,
2.
Fort- und Weiterbildung,
3.
Forschung und Entwicklung,
4.
Wissenserhalt, Gremienarbeit und Netzwerke,
5.
Internationale Vernetzung und grenzüberschreitende Aktivitäten sowie
6.
Berufliche Perspektiven und Anerkennung im gesellschaftlichen Umfeld.

Für diese Handlungsfelder werden insgesamt 32 Empfehlungen ausgesprochen. Das Konzept schließt mit der Feststellung: Die Bundesressorts BMBF, BMU und BMWi werden im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten geeignete Maßnahmen zum Kompetenzerhalt und zur Umsetzung des Konzeptes im Rahmen der in den jeweiligen Einzelplänen zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel und personalwirtschaftlichen Möglichkeiten ergreifen. Eine Überprüfung der Ergebnisse soll spätestens nach fünf Jahren erfolgen (BMWi 2020).

In einer Stellungnahme zu diesem Konzept betont der Fachverband für Strahlenschutz (FS), dass dort „die Fokussierung der „nuklearen Sicherheit“ auf technische Themen wie Reaktorsicherheit, Stilllegung und Rückbau nuklearer Anlagen und die nukleare Entsorgung zu eng gewählt“ sei (FS 2020). Insbesondere merkt der FS an, dass der medizinische Notfallschutz bei radiologischen Unfällen einschließlich seiner Grundlagen in der Strahlenphysik und Strahlenbiologie nicht berücksichtigt wird. In ihrer Stellungnahme hat die SSK kürzlich diese drei Bereiche (Strahlenbiologie, Strahlenphysik und medizinischer Notfallschutz) ebenfalls als für die Strahlenforschung und -anwendung wichtige Bereiche identifiziert (SSK 2021). Die Stellungnahme des FS schließt mit der Feststellung „Es gibt bereits jetzt einen Mangel an Nachwuchs, z. B. zur Besetzung von Positionen in nationalen wie internationalen beratenden Gremien. Dem sollte Einhalt geboten werden.“ (FS 2020).

1.2.2 Bedarfsanalyse zur Strahlenschutzkompetenz

In Ergänzung zum oben genannten Konzept des BMWi entwickelte das BMU gemeinsam mit dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) eine Bedarfsanalyse für den Erhalt und Ausbau von Strahlenschutzkompetenz in Deutschland, die über den Strahlenschutz bei der nuklearen Sicherheit hinausgeht, den Strahlenschutz in seiner ganzen Breite berücksichtigt und dabei sowohl ionisierende als auch nichtionisierende Strahlung einschließt (BMU et al. 2021a). In der Bedarfsanalyse wird festgestellt, dass „Fachwissen und -kapazitäten im Strahlenschutz weiter zurückgefahren werden und langfristig verloren gehen oder schon verloren gegangen sind“. Daraus ergibt sich, dass im Strahlenschutz bereits heute ein substanzielles und perspektivisch weiter zunehmendes grundsätzliches Problem in der Gewinnung von Personal mit medizinischen oder natur- und ingenieurwissenschaftlichen Kenntnissen besteht.

Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, werden in der Bedarfsanalyse zur Strahlenschutzkompetenz Handlungsbedarfe und Empfehlungen in fünf Bereichen diskutiert:

1.
Ausbildung und Lehre,
2.
Fort- und Weiterbildung,
3.
Wissensbasis,
4.
Gremienarbeit und Netzwerke sowie
5.
Forschung und Entwicklung.

Dazu werden in der Bedarfsanalyse 17 sogenannte Kompetenzfelder in der folgenden Reihenfolge identifiziert: Strahlung und Gesellschaft, Strahlenrisikobewertung, Strahlenbiologie, beruflicher Strahlenschutz, medizinischer Strahlenschutz, Medizinphysik, radiologischer Notfallschutz, angewandter Strahlenschutz, Arbeiten in starken Gamma- und Neutronenstrahlenfeldern, Labor-Messmethoden, nukleare Forensik, Radioökologie und Strahlenschutz, Radon und NORM (Naturally Occuring Radioactive Materials), prognostische und diagnostische Dosisabschätzung, biologische Dosimetrie, Strahlenepidemiologie und nichtionisierende Strahlung. Diese 17 Kompetenzfelder seien nicht abschließend, da im Strahlenschutz laufend neue Anwendungsfelder hinzukommen könnten.

Für das Verständnis der Bedarfsanalyse ist wichtig, dass der in den fünf Bereichen beschriebene Handlungsbedarf und die Empfehlungen für alle identifizierten Kompetenzfelder relevant sind und somit als Kompetenzfeld-übergreifend zu verstehen sind. Spezifischer Handlungsbedarf und Empfehlungen sind für die jeweiligen Kompetenzfelder in den daran anschließenden Kurztexten jeweils im Einzelnen aufgeführt.

Für Bereich 1 (Ausbildung und Lehre) wird eine Verbesserung der Attraktivität von Strahlenschutzthemen vorgeschlagen, ebenso eine thematische Erweiterung von Lehrplänen sowie Kooperationen mit Hochschulen bei der Berufsausbildung.

Zur Weiterentwicklung von Bereich 2 (Fort- und Weiterbildung) wird ein Ausbau der Kapazitäten und der Vielfalt an Angeboten zur Diversität in Fort- und Weiterbildung sowie die Schaffung einer bundesweiten Einrichtung für Fort- und Weiterbildung vorgeschlagen.

Um Bereich 3 (Wissensbasis) zu unterstützen, wird eine Stärkung der Kompetenzen für Strahlenschutzstandards und -konzepte gefordert, ein systematisches, institutionenübergreifendes Wissensmanagement sowie eine geeignete Datenerhebung und Sensibilisierung für den Wissenserhalt.

Zur Stärkung von Bereich 4 (Gremienarbeit und Netzwerke) wird der Erhalt und der Ausbau von Aktivitäten in Gremien und Netzwerken als wichtig angesehen.

Schließlich benötigt Bereich 5 (Forschung und Entwicklung) eine systematische und zukunftsweisende Ausrichtung, eine Stärkung der Infrastruktur sowie generell Spitzenforschung für die Zukunftsthemen durch Vernetzung und interdisziplinäre Ansätze.

1.3 Die Stellungnahme der SSK vom Juni 2021

Ziel der Stellungnahme der SSK (SSK 2021) war es, die für die Strahlenforschung und -anwendung wichtigsten wissenschaftlichen Disziplinen und Akteure in der entsprechenden Forschung in Deutschland zu identifizieren. Dazu wertete die SSK etwa 370 Forschungsprojekte zu ionisierender und nichtionisierender Strahlung (einschließlich UV-Strahlung und elektromagnetische Felder (EMF)) aus. Die Förderung dieser Projekte erfolgte entweder seit 2007 im Rahmen der Initiative „Kompetenzverbund Strahlenforschung“ (KVSF-Initiative) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) oder seit 2010 im Rahmen des Ressortforschungsplans Strahlenschutz des BMU. Auf der Internetseite der SSK befinden sich neben der Stellungnahme auch eine kurze Zusammenfassung sowie ein Foliensatz mit entsprechender Information1.

Die Analyse der SSK mündete in 15 Aussagen zum Forschungsstandort Deutschland, zur ionisierenden Strahlung, zur UV-Strahlung und zu elektromagnetischen Feldern sowie zur Forschungsförderung und Forschungsstrategie.

Forschungsstandort Deutschland

Forschung an und mit Strahlung erfordert interdisziplinäre wissenschaftliche Ansätze, von denen auch andere Wissenschaftsbereiche profitieren. Die SSK ist der Auffassung, dass sich diese wechselseitige Interaktion positiv auf die Entwicklung des Forschungsstandortes Deutschland auswirkt.
Die SSK betont, dass deutsche Strahlenforschende international immer noch hohes Ansehen genießen und dass es gilt, dies zu erhalten und weiter auszubauen.

Ionisierende Strahlung

Die SSK betrachtet folgende Forschungsbereiche als besonders wichtig: Strahlenbiologie, Strahlenepidemiologie, Strahlenrisikobewertung, medizinische Anwendungen ionisierender Strahlung, Radioökologie, Strahlenmesstechnik, Dosimetrie und Schutz bei radiologischen und nuklearen Notfällen einschließlich medizinischem Notfallschutz.
Etwa die Hälfte der ausgewerteten Forschungsprojekte wurde von etwa 15 Forschungsinstitutionen bearbeitet, von denen einige mittlerweile nicht mehr oder nur noch eingeschränkt in der Strahlenforschung aktiv sind. Die SSK weist darauf hin, dass eine Mindestanzahl von Institutionen nötig ist, um die für die Strahlenforschung relevanten wissenschaftlichen Themen bearbeiten zu können.
Die SSK vermisst in der universitären Landschaft ein klares Signal, dass die Strahlenforschung die akademische Beachtung erhält, die für Forschung auf hohem Niveau erforderlich ist.
Die SSK stellt fest, dass in der Helmholtz-Gemeinschaft die Strahlenforschung trotz ihrer hohen Relevanz für die Gesellschaft an Bedeutung verloren hat.
Defizite gibt es in Deutschland nach Auffassung der SSK insbesondere in der grundlagenorientierten Strahlen­biologie, Strahlenepidemiologie, Strahlenrisikobewertung, Radioökologie, Strahlenmesstechnik und Dosimetrie.

UV-Strahlung und Elektromagnetische Felder (EMF)

In Bezug auf UV-Forschung wurde gut die Hälfte der durch das BMBF geförderten strahlenbiologischen Projekte von nur fünf Institutionen bearbeitet. Von diesen existiert eine nicht mehr, und eine weitere ist nur noch eingeschränkt aktiv. Nach Auffassung der SSK ist damit die kritische Menge benötigter Institutionen unterschritten.
Die Forschungsbereiche Strahlenepidemiologie, Strahlenrisiko, Messtechnik und UV-Therapie spielen für ein umfassendes UV-Strahlenschutzkonzept eine wichtige Rolle, werden jedoch nicht oder nur unzureichend gefördert.
Die SSK betont, dass es wichtig ist, neue biologische Wirkhypothesen zu EMF-Expositionen zu erforschen. Voraussetzung dafür ist, dass technische und wissenschaftliche Expertise für die Durchführung von EMF-Expositions­experimenten und -Messtechniken dauerhaft zur Verfügung stehen.

Forschungsförderung und Forschungsstrategie

Fragen des Strahlenschutzes und der Strahlenforschung sowie der Umgang mit neuen Technologien sind für die Gesellschaft relevant und erfordern einen lebendigen Dialog. Deshalb ist aus Sicht der SSK die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Geistes- und Sozialwissenschaften von großer Bedeutung.
Die SSK sieht in Erhalt und Ausbau von Infrastruktur im Bereich ionisierender und nichtionisierender Strahlung eine wichtige Voraussetzung für den Kompetenzerhalt.
Die komplementäre Forschungsförderung durch die „KVSF-Initiative“ des BMBF und durch die Ressortforschungsförderung des BMU spielt nach Auffassung der SSK seit 15 Jahren für den Erhalt der Kompetenz in der Strahlenforschung in Deutschland eine zentrale Rolle.
Die SSK betont, dass das Zusammenwirken aller Akteure einschließlich universitärer und außeruniversitärer Forschungsinstitute sowie der Ressortforschungseinrichtungen von entscheidender Bedeutung ist.
Die SSK spricht sich für eine nachhaltige Integration der Strahlenforschung in nationale Forschungsstrategien aus.

Allgemein ist die SSK der Ansicht, dass bei etlichen Initiativen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, um den Forschungsstandort Deutschland zu stärken und weiterzuentwickeln, ionisierende bzw. nichtionisierende Strahlung eine Rolle spielt bzw. spielen kann. Dies betrifft viele gesellschaftlich höchst relevante Initiativen wie zum Beispiel die „Hightech-Strategie 2025“2, die „Nationale Dekade gegen Krebs“3, die „Nationale Strategie für Künstliche Intelligenz“4 und die Strategie der Bundesregierung zur Energiewende5. Auch die jüngste Gigabitstrategie6 wäre in diesem Zusammenhang zu nennen. Bei derartigen Initiativen ist eine systematische und begleitende Strahlenforschung im Sinne einer Vorlaufforschung, Technikfolgenabschätzung und Implementationsbegleitung unabdingbar.

Zudem ist es wichtig, unter Einbeziehung aktueller technologischer Entwicklungen einschließlich der fortschreitenden Digitalisierung, der Anwendung künstlicher Intelligenz und der Nutzung von Methoden zur Auswertung großer Datenmengen attraktive Forschungsthemen zu entwickeln. Durch attraktive Forschungsthemen wird die Strahlenforschung wahrnehmbarer und konkurrenzfähiger gegenüber anderen Fachrichtungen.

Fazit der Stellungnahme

Ionisierende und nichtionisierende Strahlung durch natürliche und künstliche Quellen sind aus dem Alltag nicht wegzudenken. Beispiele dafür sind die natürliche Radioaktivität im Alltag (z. B. Radon in Gebäuden) oder die kosmische Strahlung beim Fliegen, solare und künstliche UV-Strahlung, moderne Methoden medizinischer Diagnostik und Therapie, bei denen ionisierende Strahlung genutzt wird, elektromagnetische Felder beim 5G- und 6G-Netz sowie bei der Entwicklung von Elektromobilität.

In Anbetracht der breiten gesellschaftlichen Bedeutung von Strahlenforschung und Strahlenanwendung ist aus Sicht der SSK eine langfristig ausgerichtete Förderung grundlagen- und anwendungsorientierter Strahlenforschung in Deutschland unabdingbar.

Die SSK ist überzeugt, dass der Forschungsstandort Deutschland maßgeblich von wissenschaftlicher Kompetenz in der Strahlenforschung profitiert. Auch kann im Sinne einer Technikfolgeabschätzung damit die gesellschaftliche Akzeptanz neuer Technologien gefördert werden.

Die Stellungnahme der SSK wurde am 24. Juni 2021 im Rahmen einer gemeinsamen Veranstaltung des Bundes­ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) und der SSK zur Strahlenforschung unter dem Titel „StrahlenschutzForum. Strahlende Zukunft in Digitalisierung und moderner Medizin – mehr Sicherheit durch Forschung“ vorgestellt (BMU et al. 2021a). Ziel war, die zuständigen Entscheidungsträger und insbesondere Mitglieder relevanter Bundesministerien und des deutschen Bundestages für das Thema zu sensibilisieren. Eine Zusammenfassung der Veranstaltung findet sich in (BMU et al. 2021b).

1.4 Struktur der vorliegenden Empfehlung

Aufbauend auf die im vorigen Kapitel beschriebene Stellungnahme von 2021 analysiert die vorliegende Empfehlung der SSK den Bedarf in Deutschland in Bezug auf Kompetenzerhalt und -entwicklung bzw. -aufbau auf dem Gebiet der Strahlenforschung und -anwendung. In einem zweiten Schritt schlägt sie geeignete Maßnahmen vor, um Forschung im Bereich ionisierender und nichtionisierender Strahlung in Deutschland zu stützen und die Kompetenz im Strahlenschutz langfristig zu sichern.

Die öffentlich geförderte Forschungslandschaft in Deutschland besteht im Wesentlichen aus drei Säulen – Univer­sitäten und Hochschulen, institutionell geförderte Forschungseinrichtungen und Ressortforschungseinrichtungen des Bundes – die auch in der Strahlenforschung mitwirken (Abbildung 1). Darüber hinaus sind privatwirtschaftlich organisierte Einrichtungen und Unternehmen ebenfalls an der öffentlich geförderten Strahlenforschung beteiligt. In der vorliegenden Empfehlung werden Maßnahmen zu Kompetenzerhalt, -entwicklung bzw. -aufbau in Deutschland vorgeschlagen. Forschungsaktivitäten im Bereich der Industrie konnten in diesem Rahmen nicht berücksichtigt werden.

In Kapitel 2 werden die Standpunkte weiterer Institutionen (verschiedener Fachgesellschaften etc.) zum Bedarf an Strahlenforschung in Deutschland und internationale Sichtweisen und Förderinitiativen erläutert. Im folgenden Kapitel 3 wird der Bedarf an Strahlenforschung und entsprechend ausgebildetem Personal in Deutschland analysiert. Nach der Auswertung einer Fragebogenaktion wird die gegenwärtige Situation auf dem Arbeitsmarkt sowie in der beruf­lichen Aus- und Weiterbildung im Strahlenschutz in Deutschland analysiert. Anschließend befasst sich eine sogenannte SWOT-Analyse (das Akronym steht für „strengths, weaknesses, opportunities, threats“) mit den Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken der Strahlen(schutz)forschung in Deutschland. In Kapitel 4 schließlich werden Maßnahmen vorgeschlagen, die aus Sicht der SSK zu einer langfristigen Verbesserung und Sicherung der Kompetenz in der Strahlenforschung in Deutschland beitragen.

Dargestellt sind die 3 wichtigsten Säulen der Strahlenforschung mit Universitäten und Hochschulen, institutionellen Forschungseinrichtungen und Ressortforschungseinrichtungen des Bundes.

Abbildung 1:
Die wichtigsten Säulen der Strahlenforschung in Deutschland. Zu „institutionell geförderte Forschungseinrichtungen“ zählen z. B. die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Leibniz-Gemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft. Zu den Ressortforschungseinrichtungen zählen z. B. die BAuA (Bundesanstalt für Arbeitsmedizin und Arbeitsschutz), die BAM (Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung), das BASE (Bundesamt für die Sicherheit in der kerntechnischen Entsorgung), das BfS (Bundesamt für Strahlenschutz), das InstRadBioBw (Institut für Radiobiologie der Bundeswehr) und die PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt). Darüber hinaus sind privatwirtschaftlich organisierte Einrichtungen und Unternehmen ebenfalls an der öffentlich geförderten Strahlenforschung beteiligt.

2 Bedarf an Kompetenz in der Strahlenforschung – Sichtweise anderer Institutionen

2.1 Sichtweise deutscher politischer Parteien

Im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 richtete der Fachverband für Strahlenschutz (FS) an alle im Bundestag vertretenen Parteien sowie an die Parteien, die im Europäischen Parlament mit mindestens einem Abgeordneten vertreten waren und sich für den Bundestag zur Wahl gestellt hatten, sechs Fragen zu gesellschaftlich wichtigen und für die Mitglieder des Fachverbands bedeutsamen Themen. Eine dieser Fragen war auch im Zusammenhang der vorliegenden SSK-Empfehlung relevant:

Sehen Sie einen Bedarf an einer stärkeren staatlichen Förderung von Forschung und Kompetenzerhalt auch auf dem Gebiet der Nutzung ionisierender Strahlung und radioaktiver Stoffe in Medizin und Wirtschaft?“.

Die veröffentlichten Antworten der befragten Parteien sind auf (https:/​/​www.fs-ev.org/​newsliste/​wahlpruefsteine-des-fs-an-parteien) zu finden. Es fällt auf, dass die meisten Parteien den Bedarf an Kompetenz in der Strahlen­forschung betonen, wenn auch zum Teil aus unterschiedlichen Gründen. Zu den benannten Bereichen, in denen auch in Zukunft in Deutschland Kompetenz in der Strahlenforschung benötigt wird, zählten zum Beispiel medizinische Anwendungen ionisierender Strahlung, Kerntechnik und Anlagensicherheit, Materialforschung und die Endlagerung radioaktiver Abfälle. Kompetenz in diesen Feldern sei auch nötig, um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland in verschiedenen Bereichen nicht zu gefährden sowie die Mitsprache in einschlägigen internationalen Gremien weiter sicherzustellen. Die angeführten Gründe sind auch in der Stellungnahme der SSK aus dem Jahr 2021 zu finden. Nur einzelne Parteien betrachten wegen des Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie eine Reduzierung der Kompetenz als folgerichtig bzw. sehen – außer in Zusammenhang mit medizinischen Anwendungen – keinen Bedarf an Kompetenz in der Strahlenforschung.

2.2 Internationale Sichtweisen und Förderinitiativen

Auch außerhalb Deutschlands wird die Entwicklung der Strahlenforschung genau verfolgt. Ihre Bedeutung wird dabei nicht in Frage gestellt und es werden Anstrengungen unternommen, die Forschungsförderung dementsprechend aufzustellen.

2.2.1 Europa

In Europa wurde der Strahlenforschung in der Vergangenheit eine relativ große Bedeutung beigemessen. Im Projekt OPERRA (Open Project for European Radiation Research Area) wurde analysiert, wie sich die Forschungsförderung von strahlenschutzrelevanten Projekten mit ionisierender Strahlung entwickelte. Grundlage der Analyse waren Daten, die auf der CORDIS (Community Research and Development Information Service)-Internetseite der Europäischen Kommission zur Verfügung standen (https:/​/​cordis.europa.eu/​projects/​home_​en.html). Es wurden Informationen aus den Forschungsprogrammen FP4 (1994 bis 1998), FP5 (1998 bis 2002), FP6 (2002 bis 2006) und FP7 (2007 bis 2013) ausgewertet. Projekte in den Bereichen „nuclear waste management and disposal“ und „reactor development“ wurden dabei nicht berücksichtigt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengefasst (Cho et al. 2019). Die auf den ersten Blick beträchtlich erscheinenden Beträge relativieren sich allerdings angesichts der Förderzeiträume von jeweils fünf bis sieben Jahren und der Verteilung auf alle Mitgliedsstaaten. Für die einzelnen Staaten fallen die jährlichen Förderbeträge somit eher gering aus.

Tabelle 1:
Anteile der Forschungsgelder, die in den Forschungsprogrammen der Europäischen Kommission für die verschieden europäischen Strahlen-Forschungsplattformen bereitgestellt wurden; FP4 (1994-1998), FP5 (1998-2002), FP6 (2002-2006) und FP7 (2007-2013); European Radioecology Alliance (ALLIANCE) – Radioökologie; EURADOS – Dosimetrie; MELODI – biologische Wirkungen kleiner Strahlendosen; NERIS – Notfallschutz. E&T – Ausbildung und Training (nach Cho et al. 2019; aufgrund der durch (Cho et al. 2019) vorgenommenen Rundungen ergibt die Summe der angegebenen Prozentzahlen nicht für jedes Forschungsprogramm 100 %).

Forschungsplattform FP4 FP5 FP6 FP7
ALLIANCE 27,1 % 12,5 % 16,3 % 8,4 %
E&T 0,1 % 0,9 % 5,0 % 2,0 %
EURADOS 16,3 % 14,7 % 1,6 % 3,3 %
MELODI 36,1 % 44,3 % 48,4 % 63,2 %
NERIS 8,3 % 15,9 % 21,7 % 6,6 %
medizinische Anwendungen 10,2 % 7,6 % 6,9 % 16,5 %
andere 1,9 % 4,2 % 0 0
EU-Beitrag 56,9 Mio. € 49,6 Mio. € 61,2 Mio. € 88,2 Mio. €

Tabelle 1 zeigt, dass Projekte aus den Bereichen Radioökologie (ALLIANCE) und insbesondere Dosimetrie (EURADOS) im Vergleich zu FP4 und FP5 in späteren Jahren deutlich weniger gefördert wurden, vermutlich weil die betreffenden Themen nach dem Unfall von Tschornobyl in FP4 und FP5 verstärkt gefördert worden waren. Die Förderung von Projekten im Notfallschutz (NERIS) in FP5 und FP6 könnte ebenfalls mit dem Unfall von Tschornobyl in Zusammenhang stehen. Bei medizinischen Anwendungen war ein deutlicher Zuwachs insbesondere bei der Forschung zu biologischen Effekten kleiner Strahlendosen (MELODI) zu verzeichnen. Insgesamt stieg die Förderung von Projekten, die für den Strahlenschutz relevant waren, von FP4 zu FP7 an, was die Bedeutung der Strahlenschutzforschung für die Europäische Kommission unterstreicht (Cho et al. 2019).

In den darauffolgenden Jahren förderte die Europäische Kommission die Strahlenschutzforschung im Wesentlichen über das Projekt CONCERT (European Joint Program for the Integration of Radiation Protection Research), das mit einem EU-Beitrag von knapp 20 Millionen EUR für fünf Jahre gefördert wurde. Weitere Förderung durch die EU erfuhren das Projekt MEDIRAD (Implications of Medical Low Dose Radiation Exposure) mit 10 Millionen Euro für eine Laufzeit von knapp fünf Jahren, weitere Projekte mit sieben Millionen Euro in Ergänzung der Forschungsagenden der europäischen Forschungsplattformen CONCERT und MEDIRAD sowie ein weiteres Projekt mit 0,5 Millionen Euro, das Empfehlungen für die weitere Förderung der Strahlenschutzforschung in Europa entwickeln sollte (siehe Cho et al. 2019).

Im Jahr 2022 wurde als Nachfolge von CONCERT von der EU das Projekt PIANOFORTE (Partnership for European Research in Radiation Protection and Detection of Ionising Radiation) mit einem Volumen von 30 Millionen Euro über fünf Jahre gestartet. Es umfasst 52 Partner aus 26 Ländern sowie die sechs relevanten europäischen Forschungsplattformen (ALLIANCE, EURADOS, European Alliance for Medical Radiation Protection Research (EURAMED), MELODI, NERIS, European Platform for Social Science and Humanities Research in Ionising Radiation (SHARE). Zweck ist die Konsolidierung europäischer Forschung und Entwicklung zur Verbesserung des Strahlenschutzes der allgemeinen Bevölkerung, von Patientinnen und Patienten, von Beschäftigten und der Umwelt bei allen Expositionsszenarien. Darüber hinaus sollen Lösungen und Empfehlungen für einen optimierten Strahlenschutz im Einklang mit der Richtlinie 2013/​59/​Euratom (Euratom 2014) erarbeitet werden. Ergänzt wird das Budget von nationalen Beiträgen der an Projekten teilnehmenden Nationen mit bis zu etwa einem Drittel des Gesamtbudgets. Dieses Konzept stellt allerdings (wie auch bereits bei CONCERT) für kleinere Akteure und Universitätsinstitute eine unüberwindbare Barriere für eine Teilnahme dar, wenn diese zusätzlichen Beiträge nicht aufgebracht werden können.

2.2.2 USA

In den Jahren 1999 bis 2016 wurde in den USA vom US Department of Energy (DOE) das so genannte „Low Dose Radiation Research Program“ mit durchschnittlich 14 Millionen US-Dollar pro Jahr gefördert, das sich mit hauptsächlich molekularen und zellulären Effekten niedriger Dosen ionisierender Strahlung befasste (National Academies of Sciences 2022). Seit 2016 hat sich das DOE anderen Forschungsschwerpunkten zugewandt. Vor kurzem hat jedoch in Anbetracht der Interdisziplinarität der Strahlenforschung ein Umdenken eingesetzt, sodass der US-Kongress 2021 die National Academies of Sciences, Engineering and Medicine (NAS) beauftragte, eine langfristige Strategie und priorisierte Forschungsagenda zu entwickeln mit dem Ziel, die zukünftige Forschung in den USA zur Wirkung kleiner Strahlendosen und -dosisraten neu aufzustellen. Zugleich dient sie der Sicherung einer Mindestanzahl an ausgebildeten Experten und einer angemessenen Forschungsinfrastruktur.

Dazu sollte ein Ausschuss der NAS

a)
die für das Verständnis von gesundheitlichen Strahleneffekten durch niedrige Dosen und Dosisraten wichtigsten wissenschaftlichen Fragestellungen identifizieren,
b)
den Stand der Forschung in den USA und weltweit bewerten,
c)
eine langfristige Forschungsstrategie entwickeln und zugleich spezielle Forschungsschwerpunkte und Maßnahmen zur Förderung des Verständnisses der Wirkung niedriger Strahlendosen bei der Öffentlichkeit identifizieren,
d)
die nötige Forschung in den Forschungszentren (National Laboratories) und den Universitäten diskutieren,
e)
die Koordination von staatlichen Stellen untereinander und mit internationalen Programmen unterstützen sowie
f)
wenn möglich, die finanziellen Konsequenzen eines derartigen Programms für die verschiedenen beteiligten Parteien einschließlich der relevanten staatlichen Stellen sowie der Bevölkerung, Industrie, Forschungsgemeinschaft und weiteren Beteiligten abschätzen.

Der Ausschuss kam zu dem Schluss (National Academies of Sciences 2022), dass ein koordiniertes interdisziplinäres Niedrig-Dosis-Forschungsprogramm das Verständnis der negativen Gesundheitseffekte durch Expositionen mit niedrigen Strahlendosen und niedrigen Dosisleistungen, wie sie bei der US-Bevölkerung vorkommen, verbessern kann. Dies sei nötig, um zu beurteilen, ob die gegenwärtig im Strahlenschutz angewandten Regeln angemessen sind oder verschärft bzw. gelockert werden können.

Der Ausschuss betonte die Bedeutung epidemiologischer Studien, um zukünftig die Gesundheitseffekte durch Energiedosen im Bereich von 10 mGy sowie den Einfluss von genetischen Faktoren, Lebensgewohnheiten oder Umweltbedingungen besser zu verstehen. Strahlenbiologische Untersuchungen seien zum Verständnis der Mechanismen wichtig, die die Wirkung ionisierender Strahlung bestimmen. Die Neuauflage eines derartigen Forschungsprogramms würde zudem die Weiterentwicklung von Biotechnologie und Forschungsinfrastrukturen unterstützen.

Entsprechend benannte der Ausschuss insgesamt elf Prioritäten zur Förderung epidemiologischer Forschung (1. bis 7.) sowie zum Ausbau der Forschungs-Infrastruktur in den Vereinigten Staaten (8. bis 11.):

1.
Entwicklung entsprechender Kohorten,
2.
Verbesserung der Abschätzung der Risiken für strahleninduzierte Krebs- und Nichtkrebserkrankungen,
3.
Bestimmung von Faktoren, die die Strahlenwirkung beeinflussen können,
4.
Entwicklung geeigneter Tiermodelle,
5.
Identifizierung von Biomarkern für strahleninduzierte Gesundheitseffekte,
6.
Bestimmung von Dosis-Wirkungskurven unter 10 mGy bzw. 5 mGy/​h,
7.
Erforschung von Faktoren, die Gesundheitsrisiken infolge von Strahlung beeinflussen,
8.
Entwicklung von Techniken zur Identifizierung abnormer Zell- und Gewebeeigenschaften,
9.
Einrichtung von Datenbanken zur Unterstützung epidemiologischer und biologischer Studien,
10.
Weiterentwicklung der Dosimetrie bei Expositionen mit niedrigen Strahlendosen und -dosisleistungen,
11.
Bau von Bestrahlungseinrichtungen in diesem Dosis- und Dosisleistungsbereich.

Ein derartiges Forschungsprogramm müsste mehrere Jahrzehnte lang aufrechterhalten werden, um seine Ziele zu erreichen, mit einem jährlichen Budget von etwa 100 Millionen Dollar in den ersten 10 bis 15 Jahren. Eine Bereitstellung von etwa fünf Millionen Dollar pro Jahr würde aus Sicht des Ausschusses nicht ausreichen, um ein angemessenes Forschungsprogramm auch nur anzustoßen.

Der Ausschuss stellte fest, dass das DOE, das über viele Jahre die Strahlenforschung in den nationalen Forschungszentren und an den Universitäten koordiniert hatte, seit 2016 seine Aktivitäten auf diesem Gebiet deutlich reduziert hat. Zudem leidet das DOE bei Betroffenen in seiner Doppelrolle als Beförderer nuklearer Technologien und zugleich Betreuer von Forschung zur Wirkung kleiner Dosen und Dosisraten unter einem Glaubwürdigkeitsproblem. Daher empfahl der Ausschuss,

das geplante Forschungsprogramm transparent zu entwickeln und durchzuführen,
es unabhängig bewerten zu lassen,
das Forschungsprogramm auf transparente Art und Weise durchzuführen,
die nötige Forschungsagenda unter Teilnahme aller relevanten Interessensgruppen zu entwickeln,
geeignete Forschungsprojekte in einem kompetitiven Verfahren auszuwählen,
die wissenschaftliche Ausbildung zu unterstützen,
den Kontakt mit allen relevanten Interessensgruppen aufrechtzuerhalten sowie
das gesamte Programm mit anderen relevanten nationalen und internationalen Organisationen abzustimmen.

Diese Empfehlungen wurden bis zum Frühjahr 2023 nicht umgesetzt (G. Woloschak, pers. Mitteilung vom 27. April 2023).

Im Jahr 2015 begann ein interdisziplinäres Team aus Fachleuten in den USA, eine Reihe von Berufsfeldern, in denen ionisierende Strahlung eine Rolle spielt, auf ihre Zukunftsfähigkeit zu untersuchen. Ziel der Studie war es, Informationen zum aktuellen Stand der jeweiligen Berufsfelder sowie zu deren zukünftigen Perspektiven zusammenzustellen (Newhauser et al. 2022a). Zu den untersuchten Berufsfeldern zählten allgemeiner Strahlenschutz („health physics“) (Noska et al. 2022), Medizinphysik („medical physics“) (Newhauser et al. 2022b), Medizin („medicine“) (Bluth et al. 2022), Kerntechnik („nuclear engineering“) (Townsend et al. 2022), Strahlenbiologie („radiation biology“) (Williams et al. 2022) sowie Strahlen- und Kernchemie („radiochemistry and nuclear chemistry“) (Tolmachev et al. 2022). Zu den von den Autorinnen und Autoren identifizierten Faktoren, die die Zukunftsfähigkeit der untersuchten Berufsfelder beeinflussten, gehörten z. B. der Rückgang von Arbeitskräften aufgrund von Pensionierungen, der Rückgang von Angeboten zur Erreichung höherer Bildung und die Schließung von relevanten Trainingsprogrammen. Die Autorinnen und Autoren kamen zu dem Schluss, dass aktuell bereits insbesondere in den Berufsfeldern allgemeiner Strahlenschutz, Strahlenbiologie sowie Radio- und Kernchemie in den USA ein besorgniserregender Rückgang von Arbeitskräften zu verzeichnen ist (Newhauser et al. 2022c).

2.2.3 Weltweit

In einem Übersichtsartikel beleuchteten Cho und Mitarbeitende die historische Entwicklung der internationalen Strahlenforschung und gaben einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung. Dabei konzentrierten sie sich insbesondere auf die Situation in Kanada, der Europäischen Union, Japan, Südkorea und den USA (Cho et al. 2019).

Für Kanada erwarteten die Autorinnen und Autoren einen weiteren Anstieg der finanziellen Förderung der Strahlenforschung. Ziel sei es, das System des Strahlenschutzes von einem eher hypothesen-gestützten System, das sich zum Beispiel auf das LNT-Modell (LNT: linear-no-threshold) stützt, hin zu einem mehr wissensbasierten System zu entwickeln. Dies müsse in internationaler Absprache geschehen.

Für Europa werteten die Autorinnen und Autoren die bereits in Tabelle 1 gezeigten Daten der Forschungsförderung bis 2013 aus, beschrieben die weiter oben ebenfalls genannten Entwicklungen späterer Jahre und drückten die Erwartung aus, dass für die Zukunft mit einer weiteren Förderung von Projekten im Strahlenschutz und in der Anwendung ionisierender Strahlung zu rechnen sei, machten aber zum Ausmaß der Förderung keine Angaben. Sie betonten, dass ein Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie am Bedarf an Strahlenschutzforschung nichts ändere, sei es allein mit Blick auf medizinische Strahlenanwendungen. Zugleich aber, so Cho und Mitarbeitende, nähme weltweit die friedliche Nutzung der Kernenergie ohnehin rapide zu.

Für Südkorea stellten die Autorinnen und Autoren fest, dass sich die Politik zunehmend von der friedlichen Nutzung der Kernenergie abwende, was sich zum Beispiel auch auf die Strahlenforschung im Bereich neuer Kernreaktoren auswirken würde. Daher erwarteten die Autoren für die nächsten Jahre anteilsmäßig einen Zuwachs in anderen Bereichen der Strahlenforschung, wie z. B. bei der medizinischen Anwendung von Strahlung.

Für die USA verwiesen die Autorinnen und Autoren auf die bereits im vorhergehenden Kapitel beschriebenen neueren Entwicklungen und erwarteten insbesondere ein Wiederaufleben des Forschungsprogramms zur Wirkung niedriger Strahlendosen.

In Bezug auf Aus- und Weiterbildung vermuteten die Autorinnen und Autoren für Kanada, obwohl belastbare Zahlen fehlten, einen kontinuierlichen Anstieg der Zahl angebotener Kurse. Die Situation in der Europäischen Union hingegen sei für sie nicht einzuschätzen gewesen, da die weiteren Entwicklungen mit dem Ende des CONCERT-Projekts nicht absehbar waren. In Japan notierten die Autorinnen und Autoren eine leicht ansteigende Zahl an Kursangeboten zu Strahleneffekten. Für Südkorea dagegen stellten sie fest, dass kein einziger Trainingskurs zur Strahlenbiologie mehr angeboten worden sei. Für die Vereinigten Staaten konstatierten sie einen drastischen Rückgang bei der Anzahl von Trainingsprogrammen in der Strahlenforschung, und Kurse in Strahlenbiologie würden überhaupt nicht mehr angeboten.

Zusammenfassend kamen die Autorinnen und Autoren zu dem Schluss, dass infolge steigender Besorgnis der Öffentlichkeit in Bezug auf gesundheitliche Auswirkungen kleiner Strahlendosen ein vertieftes Verständnis der biologischen Wirkung ionisierender Strahlung in Zukunft immer wichtiger werde. Strahlenforschung müsse kontinuierlich gefördert werden, und Aus- und Weiterbildung sei ebenfalls wichtig (Cho et al. 2019).

Eine Analyse der weltweit vorhandenen Kompetenz im Strahlenschutz, zu der auch die Stellungnahme der SSK zum Kompetenzerhalt (SSK 2021) beitrug, motivierte die internationale Strahlenschutzkommission (International Commission on Radiological Protection, ICRP) dazu, zu einer Stärkung der weltweiten Expertise im Strahlenschutz aufzurufen (Rühm et al. 2023). In diesem Aufruf, dem sogenannten „Vancouver Call for Action“, appellierte die ICRP an nationale Regierungen und andere Forschungsmittelgeber, mehr finanzielle Mittel zur Stärkung der Strahlenschutzforschung bereitzustellen. Nationale Forschungszentren und ähnliche Einrichtungen ermutigte sie, langfristige Strahlenforschungsprogramme aufzulegen. Zudem sollten Universitäten verstärkt Anstrengungen unternehmen, um für den Strahlenschutz relevante Studiengänge anzubieten. Um der Bevölkerung und Entscheidungsträgerinnen und -trägern die Bedeutung von Strahlenforschung und Strahlenschutz für die Gesellschaft zu vermitteln, sollten Informationen in einfach verständlicher Sprache formuliert und dabei insbesondere Multiplikatorinnen und Multi­plikatoren im Bildungssystem bei der Informationsvermittlung berücksichtigt werden. Erstmals weist die ICRP im „Vancouver Call for Action“ darauf hin, dass Strahlenschutz zur Erreichung einiger der von den Vereinten Nationen formulierten Nachhaltigkeitsziele (UN 2015) beitragen kann (Rühm et al. 2023). Der „Vancouver Call for Action“ der ICRP wurde kürzlich von den Haupt-Autoren der in Abschnitt 2.2.2 erwähnten Studien zur Situation verschiedener Berufsfelder in den USA, in denen ionisierende Strahlung eine Rolle spielt, ausdrücklich begrüßt (Newhauser et al. 2023).

2.3 Zusammenfassung

Grundsätzlich besteht unter internationalen Organisationen Einigkeit darin, dass es langfristiger und nachhaltiger Anstrengungen bedarf, um die Forschung zu Gesundheitseffekten kleiner Strahlendosen und Dosisleistungen voranzutreiben, insbesondere unter Verweis auf den Schutz der Bevölkerung. Hervorgehoben wird stets die Interdisziplinarität der Strahlenforschung, mit Beiträgen seitens sowohl grundlagen- als auch anwendungsorientierter Disziplinen einschließlich naturwissenschaftlicher, medizinischer, technologischer und geisteswissenschaftlicher Fächer. Nur so lassen sich auf der Basis aktueller Strahlenforschung sinn- und verantwortungsvolle Strahlenanwendungen sowie wissenschaftlich fundierte Strahlenschutzkonzepte entwickeln und umzusetzen.

Wie weiter oben ausgeführt, bestehen international etliche Bestrebungen, die Förderung von Strahlenforschung und Strahlenschutzforschung zu intensivieren. Sollte sich Deutschland diesen Entwicklungen verschließen, liefe es Gefahr, in wenigen Jahren den wissenschaftlichen Anschluss zu verlieren. Eine Mitarbeit in internationalen Gremien, die sich mit der Weiterentwicklung von Strahlenschutz beschäftigen, sowie ein Einbringen nationaler Interessen wäre dann nur noch schwer möglich.

3 Bedarf an Kompetenz in Deutschland – eigene Analysen der SSK

3.1 Einführung

Bereits 2021 hatte die SSK in ihrer Stellungnahme die Bedeutung der Strahlenforschung in Deutschland betont (Abschnitt 1.3). Um diese Einschätzung unabhängig zu überprüfen, initiierte die SSK im März 2022 eine Umfrage unter Organisationen, bei denen ein Interesse an der Strahlenforschung vermutet wurde. Zudem müsste sich der Bedarf im Strahlenschutz, so er denn tatsächlich besteht, sowohl in der Anzahl angebotener einschlägiger Stellen, sowie in der Zahl angebotener Strahlenschutzkurse widerspiegeln. Die SSK hat daher am Beispiel von Stellenangeboten im Bereich Strahlenschutz in den Jahren 2020 und 2021 eine Analyse der Arbeitsmarktsituation durchgeführt und zudem die Anzahl der seit 2010 bis 2020 angebotenen Strahlenschutzkurse analysiert. Zur Identifizierung des Bedarfs an Strahlenforschung in Deutschland sowie geeigneter Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der Kompetenz im Strahlenschutz wurde zudem eine SWOT-Analyse durchgeführt.

3.2 Stakeholder-Befragung

3.2.1 Einleitung und Methodik

In ihrer Stellungnahme aus 2021 hat die SSK die für die Strahlenforschung in Deutschland aus ihrer Sicht wichtigsten Forschungsbereiche sowie die in der deutschen Forschungslandschaft aktiven Institutionen identifiziert (SSK 2021). In einem nächsten Schritt entwickelte sie einen Fragebogen und versandte ihn an etwa 80 Organisationen, bei denen ein Interesse an einer erfolgreichen Strahlenforschung in Deutschland vermutet wurde. Ziel war es herauszufinden, ob die angeschriebenen Organisationen zusätzlich zu den von der SSK bereits identifizierten Forschungsbereichen weitere Bereiche als wichtig ansehen und welche Maßnahmen zu Kompetenzerhalt und -entwicklung bzw. -ausbau sie vorschlagen.

Insgesamt wurde der Fragebogen, der auf der Stellungnahme der SSK zum Kompetenzerhalt beruhte und zehn Fragen umfasste, innerhalb von 28 Tagen (vom 4. März bis 1. April 2022) 120 mal online ausgefüllt. Diesen starken Rücklauf führt die SSK darauf zurück, dass Mitglieder der SSK mit Kontakten zu den angeschriebenen Organisationen dort als Patinnen und Paten der Aktion aktiv auf die Fragebogenaktion aufmerksam machten und für konstruktive Antworten warben.

Die angeschriebenen Organisationen umfassten Fachgesellschaften und -verbände, Industrieverbände, Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen, Behörden und Ressortforschungseinrichtungen, Expertenkommissionen, Berufsgenossenschaften, Sachverständigenorganisationen oder -büros sowie einige Wirtschaftsunternehmen. Die Auswahl wurde in Kenntnis der Arbeitsgebiete und Interessen der einzelnen Organisationen getroffen, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zudem erfolgte die Fragebogenaktion anonym, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass seitens einiger Organisationen mehrere Fragebögen durch verschiedene Angehörige bearbeitet wurden oder auch, dass einzelne Personen den Fragebogen mehrfach ausgefüllt haben, da sie nicht nur einer der genannten Organisationen angehören. Aus diesen Gründen können die Ergebnisse dieser Befragung nicht als repräsentativ angesehen werden und müssen mit Vorsicht interpretiert werden. Trotz dieser Einschränkungen ist die SSK der Ansicht, dass diese Aktion, die in dieser Art in Deutschland einzigartig war, wichtige Anregungen für die Entwicklung von Maßnahmen zum Erhalt und zur Verbesserung der Kompetenz in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland liefert.

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Umfrage vorgestellt. Dabei ist die Reihenfolge der Fragen verändert, um die Antworten in einem besseren logischen Zusammenhang diskutieren zu können. Die Adressatenliste, das Anschreiben des Fragebogens sowie die einzelnen Fragen sind im Anhang zu finden.

3.2.2 Teilnehmende Organisationen

Für welche Art Organisation haben Sie Ihre Antwort gegeben (Frage 9 im Fragebogen)?

Nennungen der Organisationen, denen sich Teilnehmende der Fragebogenaktion zugeordnet haben (absolute Zahl der Antworten in Klammern; insgesamt haben 113 Teilnehmende diese Frage beantwortet). Mehr Informationen hierzu enthält der Text.

Abbildung 2:
Nennungen der Organisationen, denen sich Teilnehmende der Fragebogenaktion zugeordnet haben (absolute Zahl der Antworten in Klammern; insgesamt haben 113 Teilnehmende diese Frage beantwortet).

Abbildung 2 verdeutlicht, dass sich der überwiegende Teil (etwa die Hälfte) der Teilnehmenden an der Fragebogenaktion der Kategorie „Forschungseinrichtung, Universität oder Hochschule“ zurechnete. An zweiter Stelle sind Be­hörden und Ressortforschungseinrichtungen zu nennen, an dritter Stelle Fachverbände und Fachgesellschaften. Die restlichen Kategorien spielen verglichen damit zahlenmäßig nur eine geringe Rolle. Daher werden im Folgenden die Antworten häufig in Bezug auf die separaten Kategorien „Forschungseinrichtung, Universität, Hochschule“ und „andere“ getrennt ausgewertet.

In welchem Bereich sind Sie/​ist Ihre Organisation tätig (Frage 10 im Fragebogen)?

Abbildung 3 zeigt die Fachbereiche, in denen die Teilnehmenden tätig waren. Die Mehrheit sah sich in den Bereichen Strahlenbiologie, medizinische Anwendungen sowie im praktischen Strahlenschutz angesiedelt. Im Gegensatz dazu zeigen die Antworten, dass relativ wenige Teilnehmende in den Bereichen Strahlenepidemiologie und Radioökologie tätig waren.

Bereich Forschung und Lehre oder zu anderen Bereichen (Frage 1 im Fragebogen). Mehr Informationen hierzu enthält der Text.

Abbildung 3:
Nennungen der Bereiche, in denen Teilnehmende der Fragebogenaktion tätig waren (Frage 10 im Fragebogen). Mehrfachnennungen waren möglich. Insgesamt haben 113 Teilnehmende 397 Auswahlen getroffen. Die absolute Anzahl der Nennungen steht in Klammern.

3.2.3 Relevante Forschungsbereiche und Kompetenz

Moderner Strahlenschutz (ionisierende und nichtionisierende Strahlung) soll auf den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Welche der folgenden Bereiche der Strahlenforschung halten Sie/​hält Ihre Organisation für Deutschland für wichtig (Frage 1 im Fragebogen)?

Tabelle 2 fasst die Ergebnisse der zu dieser Frage eingegangenen Antworten, aufgegliedert nach Zugehörigkeit der Antwortenden zu den verschiedenen Organisationen, zusammen, Abbildung 4 gibt einen grafischen Überblick der für wichtig erachteten Bereiche der Strahlenforschung.

Tabelle 2:
Nennungen der von den Teilnehmenden der Fragebogenaktion als für die Kompetenz in der Strahlenforschung wichtig erachteten Forschungsbereiche (Frage 1 im Fragebogen) nach Organisation (Frage 9 im Fragebogen; Behörde oder Ressortforschungseinrichtung (Beh), Berufsgenossenschaft (BG), Fach­gesellschaft oder -verband (FG), Forschungseinrichtung, Universität oder Hochschule (F+L), Industrie­verband (Ind), Sachverständigenorganisation oder -büro (SV), Wirtschaftsunternehmen (Wirt), sonstige (sonst), ohne Angabe einer Organisation (o. A.), Anzahl der Antwortenden in Klammern); Mehrfachnennungen waren möglich.

Forschungsbereich Beh
(15)
BG
(2)
FG
(12)
F+L
(59)
Ind
(2)
SV
(6)
Wirt
(6)
sonst
(11)
o. A.
(2)
gesamt
(115)
Strahlenbiologie 10 1 11 49 1 2 2  7 2 85
Strahlenepidemiologie  9 1  6 19 3 4  4 46
Strahlenrisikobewertung 10 1  9 41 1 5 3  9 2 80
Radioökologie  6 1  7 18 1 6 3  4 46
Med. Strahlenanwendung 10 11 46 1 3 4  6 2 83
Strahlenmesstechnik 11 1  8 35 2 4 4  8 1 74
Dosimetrie  8 10 41 1 3 4  8 1 76
Strahlenphysik  8 11 36 1 1 1  8 2 68
Praktischer Strahlenschutz 11 1 11 42 2 6 5 11 2 91
Notfallschutz  8 1  8 29 1 3 3  6 2 61
andere  5 3  1  5 1 1  1 14

Die in Tabelle 2 und Abbildung 4 explizit aufgeführten Bereiche waren bereits in der Stellungnahme der SSK als wichtig identifiziert worden. Dies wurde in der Fragebogenaktion in 115 Antworten eindrucksvoll bestätigt: Insgesamt 710 mal (von 724 Nennungen) wurden diese Bereiche auch von den Teilnehmenden der Fragebogenaktion als wichtig angesehen. Besonders häufig wurden die Bereiche „Praktischer Strahlenschutz“, „Strahlenbiologie“, „Medizinische Strahlenanwendungen“ und „Strahlenrisikobewertung“ genannt. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass überproportional viele der teilnehmenden Organisationen auch in diesen Bereichen tätig waren (siehe Antworten auf Frage 10). Die Tatsache, dass zum Beispiel nur in vergleichsweise wenigen Fragebögen die Bereiche „Strahlen­epidemiologie“ und „Radioökologie“ als wichtig erachtet wurden, kann zumindest zum Teil damit erklärt werden, dass laut eigenen Angaben relativ wenige Organisationen in diesen Bereichen aktiv waren.

Wie bereits erwähnt, kamen etwa die Hälfte der Teilnehmenden aus dem Bereich Forschung und Lehre (Abbildung 2). Interessanterweise zeigt sich das in Abbildung 4 zu sehende Muster (z. B. lokale Maxima bei Strahlenbio­logie, Strahlenrisikobewertung, medizinische Strahlenanwendung, praktischem Strahlenschutz; Minima bei Strahlenepidemiologie und Radioökologie) in der Kategorie „Forschung und Lehre“ in ähnlicher, jedoch etwas abgeschwächter Form, auch in der Kategorie „alle andere außer Forschung und Lehre“ (Abbildung 5). Dabei mag auch eine Rolle spielen, dass die Fachbereiche „Strahlenbiologie“, „medizinische Strahlenanwendungen“ sowie „praktischer Strahlenschutz“ relativ häufig vertreten waren, während die Fachbereiche „Strahlenepidemiologie“ und „Radioökologie“ eher seltener vertreten waren.

Nennungen der Bereiche, in denen Teilnehmende der Fragebogenaktion tätig waren (Frage 10 im Fragebogen). Mehrfachnennungen waren möglich. Insgesamt haben 113 Teilnehmende 397 Auswahlen getroffen. Die absolute Anzahl der Nennungen steht in Klammern. Mehr Informationen hierzu enthält der Text.

Abbildung 4:
Nennungen der von 115 Teilnehmenden der Fragebogenaktion als für die Kompetenz in der Strahlenforschung wichtig erachteten Forschungsbereiche (Frage 1 im Fragebogen). Mehrfachnennungen waren möglich. Insgesamt haben 115 Teilnehmende 724 Auswahlen getroffen.

Nennungen der von 115 Teilnehmenden der Fragebogenaktion als für die Kompetenz in der Strahlenforschung wichtig erachteten Forschungsbereiche (Frage 1 im Fragebogen). Mehrfachnennungen waren möglich. Insgesamt haben 115 Teilnehmende 724 Auswahlen getroffen. Mehr Informationen hierzu enthält der Text.

Abbildung 5:
Nennungen der als wichtig erachteten Bereiche nach Zugehörigkeit zum Bereich Forschung und Lehre oder zu anderen Bereichen (Frage 1 im Fragebogen).

Interessant ist, dass immerhin bei 14 Antworten die Kategorie „andere“ Forschungsbereiche ausgefüllt wurde (Tabelle 2). Ein Großteil der dort genannten Bereiche fiel entweder nicht direkt unter die Kategorie „Forschung“ (Strahlenschutzrecht, Normung) oder wies eine relativ große Überlappung mit den bereits genannten Forschungsbereichen auf (z. B. Nuklearmedizin mit medizinischen Anwendungen, NORM mit Radioökologie, raumfahrendes Personal mit Strahlenbiologie, Strahlenphysik und Dosimetrie etc.). Immerhin zwei Bereiche wurden jedoch genannt, die aus Sicht der SSK eine Ergänzung der in der Stellungnahme der SSK identifizierten Bereiche darstellen – Risiko- und Krisenkommunikation sowie Radiochemie.

Wichtig ist, noch einmal zu betonen, dass die in Abbildungen 4 und 5 gezeigten Ergebnisse wesentlich davon bestimmt sind, welche Organisationen für die Fragebogenaktion angeschrieben wurden. Wie bereits erwähnt, war die Auswahl der Teilnehmenden durch die Arbeitsgruppe nicht repräsentativ.

Besteht die Gefahr, dass in Deutschland Kompetenz im Strahlenschutz und/​oder in der Strahlenforschung verloren geht? Wenn ja, in welchen Bereichen (gerne auch unabhängig von Ihrem eigenen Fachgebiet) und was sind mögliche Gründe dafür (Frage 2 im Fragebogen)?

Tabelle 3 fasst die auf diese Frage erhaltenen Antworten zusammen.

Tabelle 3:
Nennungen der Bereiche, die von 105 Teilnehmenden der Fragebogenaktion als gefährdet eingestuft wurden (Frage 2 im Fragebogen). F+L: Forschung und Lehre; Anzahl der Antworten in Klammern; Mehrfachnennungen waren möglich.

Bereich F+L (53) alle außer F+L (51)
Strahlenbiologie 13 10
Strahlenepidemiologie 3 3
Strahlenrisikobewertung 1 2
Radioökologie 1 2
medizinische Strahlenanwendung 8 7
Strahlenmesstechnik 2 2
Dosimetrie 1 2
Strahlenphysik 5 4
Praktischer Strahlenschutz 7 11
Notfallschutz 5 6
andere
 Nuklearchemie 1 0
 Endlagerung 2
 Kerntechnik 3
allgemein oder alle 20 15
keine Gefahr gesehen 5 6

Von den Teilnehmenden der Fragebogenaktion werden insbesondere die Bereiche „Strahlenbiologie“, „medizinische Strahlenanwendungen“, „Praktischer Strahlenschutz“ sowie „Notfallschutz“ als gefährdet eingestuft, in weitgehender Übereinstimmung mit der in der Stellungnahme der SSK dargelegten Einschätzung. Stellt man die Antworten auf Frage 2 mit denen auf Frage 1 in Beziehung, so ist auffällig, dass die Bereiche „Strahlenrisikobewertung“, „Radioökologie“, „Strahlenmesstechnik“ sowie „Dosimetrie“ in den Antworten auf Frage 1 zwar als relativ wichtig identifiziert werden, jedoch offenbar der Eindruck vorherrscht, dass diese Bereiche weniger gefährdet wären (Tabelle 3). Dies deckt sich nicht mit der Einschätzung der SSK (SSK 2021). Interessanterweise wurde in elf der 105 auf diese Frage gegebenen Antworten die Auffassung vertreten, dass in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland generell kein Kompetenzverlust drohe, eine Auffassung, die von der SSK ebenfalls nicht geteilt wird.

Was die angegebenen Gründe für den beobachteten Kompetenzverlust in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland angeht, ergibt sich in Tabelle 4, in der wieder zwischen Teilnehmenden aus der Kategorie „Forschung und Lehre“ und denen aus anderen Kategorien unterschieden wird, ein relativ klares Bild: In den meisten der 96 Antworten mit Gründen für den Verlust von Kompetenz in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz wurden fehlende Lehrangebote (17 %), der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie in Deutschland (14 %) sowie die Schließung von Forschungsinstituten (13 %) genannt. Als weitere Gründe wurden Fachkräftemangel (8 %), fehlende berufliche Perspektiven (6 %) sowie eine fehlende Anerkennung der gesellschaftlichen Relevanz (6 %) angegeben.

Tabelle 4:
Nennungen von Gründen für den konstatierten Kompetenzverlust in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland, die von 105 Teilnehmenden der Fragebogenaktion genannt wurden (Frage 2 im Fragebogen). F+L: Forschung und Lehre. Der angegebene Anteil bezieht sich auf die Anzahl der Antworten in Bezug auf die Antwortenden aus den jeweiligen Bereichen (in Klammern), Mehrfachnennungen waren möglich.

Genannte Gründe für Kompetenzverlust F+L (53) Anteil alle außer
F+L (51)
Anteil
fehlende Lehrangebote 11 21 % 5 10 %
Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie  6 11 % 7 14 %
Schließung von Forschungseinrichtungen  6 11 % 6 12 %
Fachkräftemangel  2  4 % 6 12 %
fehlende berufliche Perspektive  3  6 % 3  6 %
fehlende Anerkennung der gesellschaftlichen Relevanz  3  6 % 3  6 %
negatives Image  2  4 % 3  6 %
fehlende naturwissenschaftliche Grundlagen  1  2 % 4  8 %
Veränderung der Forschungsförderung  4  7 % 1  2 %
Ignoranz/​Unwissen  4  7 %
fehlende finanzielle Mittel, hohe Kosten  3  6 % 1  2 %
fehlende Ausbildungsstätten  3  6 %
fehlende Sichtbarkeit  2  4 % 1  2 %
fehlende Forschung  1  2 % 1  2 %
zu viel Bürokratie, zu restriktive Regelungen  1  2 % 1  2 %
Schließung von kommerziellen Kernspaltungsreaktoren  1  2 %
fehlende Industrie 1  2 %
keine Gefahr für Kompetenzverlust gesehen  5  9 % 6 12 %
keine Angabe  6 11 % 7 14 %

In welchen der unter Punkt 1 genannten Bereichen ist der Aufbau von zusätzlicher Kompetenz nötig, um in Deutschland die Strahlenforschung und den Strahlenschutz weiter zu verbessern (Frage 3 im Fragebogen)?

Die Antworten auf diese Frage spiegeln im Wesentlichen die Antworten auf die Fragen 1 und 2 des Fragebogens wider (Tabelle 5). Während 13 Teilnehmende sogar in allen Bereichen eine zusätzliche Kompetenz als nötig erachten, werden ansonsten die Bereiche „Strahlenbiologie“, „medizinische Strahlenanwendungen,“ praktischer Strahlenschutz“ und „Notfallschutz“ zuvorderst genannt. Auch für die physikalisch orientierten Bereiche (hier zusammengefasst aus „Dosimetrie“, „Strahlenmesstechnik“ und „Strahlenphysik“) sehen die Teilnehmenden den Bedarf nach mehr Kompetenz. Die Bereiche „Strahlenepidemiologie“ und „Radioökologie“ wurden dagegen mit im Mittel 4 % wieder eher selten genannt.

Tabelle 5:
Nennungen von Bereichen, in denen laut 102 Teilnehmenden der Fragebogenaktion Kompetenz aufgebaut werden sollte (Frage 3 im Fragebogen); F+L: Forschung und Lehre. Der angegebene Anteil bezieht sich auf die Anzahl der Antworten in Bezug auf die Antwortenden aus den jeweiligen Bereichen (in Klammern), Mehrfachnennungen waren möglich.

Genannte Bereiche F+L (50) Anteil alle außer
F+L (51)
Anteil
alle  4  8 %  9 18 %
Strahlenbiologie 15 30 %  9 18 %
medizinische Strahlenanwendung 10 20 % 12 24 %
praktischer Strahlenschutz  8 16 %  9 15 %
Notfallschutz  5 10 % 10 20 %
Strahlenmesstechnik  6 12 %  6 12 %
Strahlenrisikobewertung  4  8 %  5 10 %
Dosimetrie  7 14 %  3  6 %
Strahlenphysik  4  8 %  4  8 %
Strahlenepidemiologie  2  4 %  3  6 %
Radioökologie  1  2 %  3  6 %
andere:  5 10 % 12 24 %
 Entsorgung/​Endlagerung  2  4 %
 Raumfahrendes Personal  2  4 %
 Kernenergie  1  2 %
 Modellierung und Simulation  1  2 %
 NORM  1  2 %
 Normung  1  2 %
 Radionuklidproduktion, med. Anwendung  1  2 %
 Strahlenschutzrecht  1  2 %
 NIS  2  4 %  3  6 %
 KI  1  2 %  1  2 %

Gibt es andere Forschungsfelder, die sich mit der Nutzung von Strahlung bzw. der Strahlenforschung weiterentwickeln könnten (Frage 4 im Fragebogen)?

Diese Frage zielte darauf ab herauszufinden, welche fachfremden Bereiche der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung von Kompetenz in der Strahlenforschung profitieren könnten. Die Antworten zeigen einmal mehr, dass die Strahlenforschung für eine breite Palette an Forschungsfeldern als nützlich erachtet wird (Tabelle 6). Dies zu kommunizieren, wird in Zukunft eine der wichtigsten Aufgaben sein, um der Gesellschaft und den politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern die grundsätzliche Bedeutung der Strahlenforschung vor Augen zu führen.

Tabelle 6:
Nennungen von Forschungsfeldern, die sich laut 78 Teilnehmenden der Fragebogenaktion mit der Nutzung von Strahlung bzw. der Strahlenforschung weiterentwickeln könnten (Frage 4 im Fragebogen); F+L: Forschung und Lehre, Mehrfachnennungen waren möglich.

Forschungsfelder, die sich mit der Nutzung von Strahlung bzw.
der Strahlenforschung entwickeln könnten
Antworten
gesamt
(78)
F+L
(42)
andere
(36)
Luft- und Raumfahrt  4  1  3
Energieerzeugung, Energiesicherheit, Bautechnik, Stadtplanung  6  6
Risikokommunikation  3  1  2
Sicherheitsforschung  1  0  1
Umweltüberwachung  1  0  1
Medizin (allg., Diagnostik, Bildgebung, Onkologie, Radioligandentherapie, Therapiestratifizierung, Nanomedizin, medizinischer A-Schutz) 21  8 13
Biologie (allgemein, Tumorbiologie, Systembiologie, Immunologie)  9  3  6
Chemie  1  0  1
Biochemie  2  1  1
Bioinformatik  3  1  2
Pharmakologie  2  1  1
Neurologie  1  0  1
Genetik, Epigenetik  1  1  0
Epidemiologie  1  1  0
Künstliche Intelligenz  2  0  2
Materialforschung (allgemein, Materialprüfung)  5  3  2
Informationstechnik  1  1  0
Kommunikationstechnik  1  0  1
Gentechnik  1  0  1
Nanotechnologie  2  1  1
Produktbestrahlung  3  2  1
Teilchenbeschleunigung  1  1  0
gepulste Strahlung  1  1  0
Sensor- und Detektorforschung  1  0  1
Schall, Licht und Magnetfelder  1  0  1
bildgebende Verfahren bei Abfall- und Brennelement-Behältern  1  0  1
Halbleitertechnologie  1  0  1
Kunsttechnologie  1  0  1
NORM  1  0  1
Endlagerung  1  0  1
genannte Forschungsfelder insgesamt 81 27 54

Die Teilnehmenden der Fragebogenaktion sahen mit großem Abstand die Medizin als Hauptnutznießerin einer hohen Kompetenz in der Strahlenforschung, aber auch zur Biologie, und insbesondere zur Tumorbiologie, Systembiologie und Immunologie, kann Strahlenforschung substanzielle Beiträge liefern. Weiterhin genannt wurden unter anderem Forschung zur Energieerzeugung, Materialforschung und Forschung in Bezug auf Luft- und Raumfahrt. Interessant ist auch, dass einige Teilnehmende die Meinung vertraten, dass Erkenntnisse aus der Strahlenforschung für die Risikokommunikation wichtig sein könnten (was über die naheliegende Lesart hinausgeht, dass der Strahlenschutz von Forschung in der Risikokommunikation profitiert).

Welche neuen technologischen Entwicklungen könnten von Kompetenz in der Strahlenforschung bzw. im Strahlenschutz profitieren (Frage 5 im Fragebogen)?

In Ergänzung zu Frage 4 waren in dieser Frage im Gegensatz zu Forschungsfeldern explizit technologische Entwicklungen angesprochen.

Hier bestand unter den Teilnehmenden der Fragebogenaktion großer Konsens darin, dass Technologieentwicklungen in der Medizin wesentlich von Kompetenz in der Strahlenforschung bzw. im Strahlenschutz profitieren und hier insbesondere die Entwicklung bildgebender radiologischer Verfahren (einschließlich MRT-Verfahren), neuer Formen der Strahlentherapie (Flash-Therapie, individualisierte Behandlungsformen, Partikeltherapie) sowie Entwicklungen in der nuklearmedizinischen Diagnostik und Therapie (Tabelle 7). Als Beispiel für technische Entwicklungen im Allgemeinen wurden der Ausbau des 5G-Netzes genannt sowie die Detektorentwicklung, die Entwicklung von Verfahren der künstlichen Intelligenz, Entwicklung und Anwendung von Lasern, Verfahren unter Verwendung von Neutronen etc., um nur einige, aber öfter genannte Beispiele zu erwähnen. Zudem wurden auch viele Entwicklungen in den Naturwissenschaften ganz allgemein genannt (z. B. Bioinformatik, Biologie, Immunologie, Geophysik), ebenso bei Umweltanwendungen (z. B. Umweltüberwachung, Tiefseeforschung), in der Raumfahrt (z. B. Mondbesiedelung, Weltraumtourismus, Entwicklung strahlenresistenter elektronischer Bauteile), in der Materialforschung und -prüfung, bei der nuklearen Entsorgung (Rückbau, Zwischenlager, Endlager) sowie bei der Energieerzeugung (Kernspaltung, Kernfusion, Transmutation).

Tabelle 7:
Nennungen von neuen technologischen Entwicklungen, die laut 85 Teilnehmenden der Fragebogenaktion von Kompetenz in der Strahlenforschung bzw. im Strahlenschutz profitieren könnten (Frage 5 im Fragebogen); F+L: Forschung und Lehre. Der angegebene Anteil bezieht sich auf die Anzahl der Antworten in Bezug auf die Antwortenden aus den jeweiligen Bereichen (in Klammern), Mehrfachnennungen waren möglich.

Neue technologischen Entwicklungen, die von
Kompetenz in der Strahlenforschung bzw.
im Strahlenschutz profitieren könnten
F+L
(46)
Anteil alle anderen
(39)
Anteil
Medizin 44 96 % 23 59 %
technische Entwicklungen 23 50 % 18 46 %
Energieerzeugung  9 20 %  8 21 %
Naturwissenschaften 11 24 %  4 10 %
Materialforschung  8 17 %  3  8 %
Luft- und Raumfahrt  6 13 %  5 13 %
Umwelt  2  4 %  5 13 %
nukleare Entsorgung  3  7 %  2  5 %
Sonstiges  1  2 %  1  3 %

Von welchen neuen technologischen Entwicklungen könnten Strahlenforschung bzw. Strahlenschutz profitieren (Frage 6 im Fragebogen)?

Frage 6 beinhaltete eine Umkehrung von Frage 5 mit dem Ziel herauszufinden, auf welche technologischen Entwicklungen die Strahlenforschung und der Strahlenschutz in Zukunft achten sollte, um aktuelle Trends nicht zu übersehen.

Die Kategorisierung der eingegangenen Antworten ergab ein klares Bild (Tabelle 8). In der Spitzengruppe von Technologien, die in Zukunft laut den Teilnehmenden der Fragebogenaktion berücksichtigt werden sollten, lagen Messtechnik (20 %), künstliche Intelligenz (17 %), biologische Technologien (16 %), technologische Entwicklungen in der Medizin einschließlich medizinischer Bildgebung (12 %) sowie die Digitalisierung (12 %) und die Kerntechnik (11 %).

Tabelle 8:
Nennungen von technologischen Entwicklungen, von denen die Strahlenforschung bzw. der Strahlenschutz laut 78 Teilnehmenden der Fragebogenaktion profitieren könnten (Frage 6 im Fragebogen); F+L: Forschung und Lehre (Anzahl der gegebenen Antworten in Klammern). Der angegebene Anteil bezieht sich auf die Anzahl der Antworten in Bezug auf die Antwortenden aus den jeweiligen Bereichen (in Klammern), Mehrfachnennungen waren möglich.

Technologische Entwicklungen,
von denen die Strahlenforschung bzw.
der Strahlenschutz profitieren könnten
F+L
(41)
Anteil alle anderen
(36)
Anteil
Messtechnik (Detektorentwicklung, Automatisierung, Dosimetrie) 12 29 % 9 25 %
Künstliche Intelligenz  7 17 % 11 31 %
Biologie (Systembiologie, Molekularbiologie) 12 29 %  4 11 %
Medizin inkl. Bildgebung  6 14 %  6 17 %
IT und Digitalisierung  5 12 %  7 19 %
Kerntechnik (inkl. Beschleuniger, Neutronen)  7 17 %  4 11 %
Modellierung, Simulationen  1  2 %  4 11 %
Nanotechnologie  1  2 %  3  8 %
Materialforschung  2  5 %  1  3 %
Entsorgung  1  2 %  1  3 %

Hat Ihre Organisation bereits eigene Maßnahmen ergriffen, um die Kompetenz in der Strahlenforschung bzw. im Strahlenschutz zu erhalten bzw. zu verbessern (Frage 8 im Fragebogen)?

Die Antworten auf diese Frage deuten darauf hin, dass sich viele der Teilnehmenden des Problems des Kompetenzverlusts bewusst sind. In insgesamt 52 von 95 gegebenen Antworten werden Maßnahmen in der Aus- und Weiterbildung genannt, die bereits eingeleitet wurden (Tabelle 9). Dazu zählt zum Beispiel die Organisation von einschlägigen Kursen, Fortbildungen oder Workshops, wobei die meisten den betrieblichen Strahlenschutz betreffen. Einige wenige Teilnehmende berichteten über Anstrengungen im akademischen Bereich, z. B. über die Einrichtung von Masterstudiengängen (Strahlenbiologie, medizinische Strahlenwissenschaft) bzw. über Bestrebungen der Einwerbung zusätzlicher Drittmittel. Auch die Förderung vereinzelter Schulprojekte wurde erwähnt. Mehrere Teilnehmende berichteten zudem von der Unterstützung der Vernetzung zwischen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, zwischen den relevanten wissenschaftlichen Disziplinen und mit internationalen Einrichtungen, um die Strahlenforschung und den Strahlenschutz in Deutschland zu unterstützen.

Einige Teilnehmende erwähnten, dass es gelungen sei, einschlägige Stellen wieder zu besetzen und so zumindest den Personalbestand zu sichern, vereinzelt wurde auch von der Einrichtung zusätzlicher Stellen berichtet. Verschiedentlich wurde auch erwähnt, dass seitens Behörden über strukturelle Änderungen der Forschungsförderung in Deutschland nachgedacht werde – was für die Zukunft wichtig sein könnte.

Unter der Rubrik „Negativangaben“ wurde immer wieder beklagt, dass sich in letzter Zeit insbesondere die Helmholtz-Gemeinschaft in einigen Zentren mit einem aktiven Abbau von Aktivitäten in den Bereichen Strahlenforschung und Strahlenschutz hervorgetan habe. Diese Problematik hat die SSK bereits in ihrer Stellungnahme (SSK 2021) ausführlich dargestellt.

Tabelle 9:
Nennungen von Maßnahmen, die von 95 Teilnehmenden der Fragebogenaktion bereits ergriffen wurden, um die Kompetenz in der Strahlenforschung bzw. im Strahlenschutz zu erhalten bzw. zu verbessern (Frage 8 im Fragebogen). F+L: Forschung und Lehre (Anzahl der gegebenen Antworten in Klammern). Der angegebene Anteil bezieht sich auf die Anzahl der Antworten in Bezug auf die Antwortenden aus den jeweiligen Bereichen (in Klammern), Mehrfachnennungen waren möglich.

Ergriffene Maßnahmen im Bereich F+L
(47)
Anteil alle anderen
(48)
Anteil
Aus- und Weiterbildung 25 53 % 27 56 %
Stellenausbau  5 11 %  1  2 %
Netzwerken  2  4 %  3  6 %
Ausbau von Infrastruktur  3  6 %  1  2 %
Neuorganisation  1  2 %  2  4 %
Forschungsförderung  3  6 %
Nachwuchsförderung  2  4 %
Bestandserhalt  1  2 %  1  2 %
Drittmitteleinwerbung  1  2 %
Kooperationen  1  2 %
Angaben unklar  2  4 %  2  4 %
Negativangaben  8 17 %  4  8 %

3.2.4 Diskutierte und vorgeschlagene Maßnahmen

Welche wissenschaftlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Strahlenforschung bzw. des Strahlenschutzes würden Sie vorschlagen, und was versprechen Sie sich konkret davon (Frage 7a im Fragebogen)?

In der folgenden Auswertung wurden auch sechs Antworten mitgezählt, die auf Frage 7b (siehe unten) gegeben wurden, jedoch eher zur Frage 7a passten. In Tabelle 10 finden sich die vorgeschlagenen Maßnahmen, in 19 Kate­gorien zusammenfasst. Die überwiegende Anzahl (45 Maßnahmen) der 87 vorgeschlagenen Maßnahmen betraf Forschungsmaßnahmen in der Strahlenbiologie, einschließlich Forschung an den Mechanismen der Strahlenwirkung (ionisierend und nichtionisierend) und Schadensreparatur. Die anderen der 16 vorgeschlagenen Kategorien an Maßnahmen verteilten sich dagegen relativ gleichmäßig mit einem deutlichen Schwerpunkt auf medizinischen Anwendungen (11 Maßnahmen).

Bemerkenswert ist, dass strahlenbiologische Forschung (inkl. Forschung an Wirkungs- und Reparaturmechanismen) von sechs der acht Behörden, die auf die Frage geantwortet hatten, sowie von 22 der 35 Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen (F+L) als wichtig erachtet wurde (Tabelle 10).

Tabelle 10:
Nennungen wissenschaftlicher Maßnahmen, in 19 Bereiche zusammengefasst, die zur Verbesserung von Strahlenforschung und Strahlenschutz vorgeschlagen wurden (Frage 7a im Fragebogen). F+L: Forschung und Lehre (Anzahl der gegebenen Antworten in Klammern). Der angegebene Anteil bezieht sich auf die Anzahl der Antworten in Bezug auf die Antwortenden aus den jeweiligen Bereichen (in Klammern).

Vorgeschlagene Bereiche
für wissenschaftliche Maßnahmen
F+L
(35)
Anteil alle anderen
(25)
Anteil
Strahlenbiologische Forschung 11 31 % 10 40 %
Untersuchung von Wirkmechanismen  7 20 % 16 64 %
Untersuchungen zu medizinischen Anwendungen  7 20 %  4 16 %
Untersuchung von Reparaturmechanismen  4 11 %  1  4 %
KI-Anwendungen  2  6 %  1  4 %
Untersuchung der individuellen Strahlenempfindlichkeit  2  6 %  1  4 %
Neue Modelle zur Kommunikation  3 12 %
Unsicherheitsanalysen  1  3 %  2  8 %
Dosimetrie  1  3 %  1  4 %
Entwicklung von Dekorporationsmaßnahmen  2  8 %
Strahlenphysikalische Forschung  1  3 %  1  4 %
Endlagerung  1  3 %  1  4 %
Laseranwendung  2  6 %  4 %
Qualitätssicherung  1  4 %
Forschung im Bereich der Pharmazie  1  4 %
Strahlenmesstechnik  1  3 %
Fusionsforschung  1  4 %
Strahlenepidemiologie  1  3 % 40 %

Welche technischen Maßnahmen zur Verbesserung der Strahlenforschung bzw. des Strahlenschutzes würden Sie vorschlagen, und was versprechen Sie sich konkret davon (Frage 7b im Fragebogen)?

Die von den Teilnehmenden vorgeschlagenen technischen Maßnahmen (Tabelle 11) betrafen vor allem die Messtechnik, insbesondere die Entwicklung von Strahlenmessgeräten und Dosimetern (23 Antworten) und die Unterstützung medizinischer Diagnostik und Therapie (neun Antworten). Die Kategorie „praktische Strahlenschutzeinrichtungen“ beinhaltete zum Beispiel technische Entwicklungen in Hinblick auf Abschirmung, Automatisierung, Robotik und Optimierung von Abläufen mit dem Ziel der Dosisreduzierung. Ähnliche Aspekte finden sich in den Kategorien „Materialforschung“ und „Einsatz von KI-Verfahren“. Unter der Kategorie „Kerntechnik“ sind Entwicklungen in der Reaktor- und Beschleunigertechnik zusammengefasst (Tabelle 11).

Tabelle 11:
Nennungen technischer Maßnahmen, die zur Verbesserung von Strahlenforschung und Strahlenschutz vorgeschlagen wurden (Frage 7b im Fragebogen). F+L: Forschung und Lehre (Anzahl der gegebenen Antworten in Klammern). Der angegebene Anteil bezieht sich auf die Anzahl der Antworten in Bezug auf die Antwortenden aus den jeweiligen Bereichen (in Klammern).

Vorgeschlagene Bereiche
für technische Maßnahmen
F+L
(23)
Anteil alle anderen
(20)
Anteil
Messtechnik 8 35 % 6 30 %
medizinische Strahlenanwendungen 7 30 % 2 10 %
Dosimetrie 5 22 % 4 20 %
praktische Strahlenschutzeinrichtungen 3 13 % 3 15 %
Einsatz von KI-Verfahren 1  4 % 4 20 %
Materialforschung 1  4 % 4 20 %
Kerntechnik 2  9 % 1  5 %

Welche organisatorischen Maßnahmen zur Verbesserung der Strahlenforschung bzw. des Strahlenschutzes würden Sie vorschlagen, und was versprechen Sie sich konkret davon (Frage 7c im Fragebogen)?

In der folgenden Auswertung wurden auch 16 Antworten, die auf Frage 7a gegeben wurden, sowie drei Antworten, die auf Frage 7b gegeben wurden, jedoch eher zur Frage 7c passten, mitgezählt. Die eingegangenen Antworten wurden in neun Kategorien eingeteilt (Tabelle 12). Mit großem Abstand (82 von insgesamt 137) wurden Maßnahmen, die der Verbesserung der Ausbildung in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz dienen, aufgeführt; nicht selten wurde ein Beginn bereits in der Schule angeregt. Die Verbesserung der beruflichen Ausbildung allgemein, einschließlich der von Journalistinnen und Journalisten und Lehrerinnen und Lehrern, wurde angeregt, wobei in manchen Berufsgruppen (z. B. in der Medizin) die Anerkennung entsprechender Lehrgänge hilfreich sein könnte. Für die Universitäten wurde eine gezielte Unterstützung an Strahlenforschung interessierter Studierender, Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern, Fachärztinnen und Fachärzten und Professorinnen und Professoren gefordert und zudem für den akademischen Mittelbau in der Strahlenforschung eine berufliche Perspektive durch Entfristung angemahnt. Auch die Einrichtung einschlägiger Lehrstühle (z. B. auch in der Medizinphysik oder der Radiochemie) und Graduierten­kollegs wurde angeregt. Darüber hinaus wurde eine Reihe weiterer forschungspolitischer Maßnahmen (29 Einträge) vorgeschlagen. Darunter fallen insbesondere die Einrichtung einer dualen Ausbildung in Strahlenforschung und Strahlenschutz, eine Vernetzung relevanter Fachdisziplinen, ein klares Bekenntnis der programmorientierten Förderung zur Strahlenforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft, eine Vereinfachung von einschlägigen Regelwerken, die Freigabe von Wissen zur Erleichterung technischer Entwicklungen, und vereinfachte Ausschreibungen von Forschungsprojekten. Relativ häufig wurde auch eine systematische Organisation des Notfallschutzes in Deutschland angemahnt. Immer wieder wurde von den Teilnehmenden betont, dass sich eine verbesserte Ausbildung und eine attraktive Forschung wechselseitig bedingen, sodass Anstrengungen in beide Richtungen gleichermaßen unternommen werden müssen.

Tabelle 12:
Nennungen organisatorischer Maßnahmen, die zur Verbesserung von Strahlenforschung und Strahlenschutz vorgeschlagen wurden (Frage 7c im Fragebogen). F+L: Forschung und Lehre (Anzahl der gegebenen Antworten in Klammern). Der angegebene Anteil bezieht sich auf die Anzahl der Antworten in Bezug auf die Antwortenden aus den jeweiligen Bereichen (in Klammern).

Vorgeschlagene organisatorische Maßnahmen F+L
(60)
Anteil alle anderen
(51)
Anteil
Aus- und Weiterbildung, Wissenstransfer 44 73 % 39 76 %
Forschungspolitik 16 27 % 13 25 %
Notfallschutzorganisation  6 10 %  5 10 %
Verbesserung der Kommunikation  1  2 %  2  4 %
Bürokratieabbau  2  3 %  1  2 %
Entideologisierung in der Politik  3  6 %
Verbesserung der Behördenausstattung, -unterstützung  1  2 %  1  2 %
Strahlenschutzorganisation  1  2 %  1  2 %
Anpassung des Regelwerks  2  4 %

Welche wirtschaftlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Strahlenforschung bzw. des Strahlenschutzes würden Sie vorschlagen, und was versprechen Sie sich konkret davon (Frage 7d im Fragebogen)?

Wie nicht anders zu erwarten, war Forschungsförderung die mit Abstand am häufigsten vorgeschlagene wirtschaft­liche Maßnahme (Tabelle 13). Dies drückt insbesondere den Wunsch aus, jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern sowie dem wissenschaftlichen Mittelbau längerfristige Perspektiven eröffnen zu können. Eng damit verbunden ist der Bedarf an systematischer institutioneller Förderung von Strahlenforschung und Strahlenschutz, wobei hier häufig die Unterstützung der großen Forschungszentren in Deutschland gefordert wurde. Auch die explizite Förderung von Transfertechnologien und jungen Industrieunternehmen („Start-ups“) wurde angemahnt, um die Zusammenarbeit privater und öffentlicher Einrichtungen sowie die Entwicklung marktfähiger Produkte zu unterstützen. Die genannten Maßnahmen sollten, wie betont wurde, auch die Vernetzung zwischen den Einrichtungen und unter den Beteiligten unterstützen. Mit derartigen Fördermaßnahmen ist naturgemäß auch die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im universitären Umfeld verknüpft, aber auch die der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Immer wieder wurde der radiologische Notfallschutz erwähnt, als konkreter Bereich, bei dem Ausbildung und Nachwuchsförderung dringend notwendig ist, und in dem sowohl Kompetenz als auch Infrastruktur vorgehalten werden muss.

Tabelle 13:
Nennungen wirtschaftlicher Maßnahmen, die zur Verbesserung von Strahlenforschung und Strahlenschutz vorgeschlagen wurden (Frage 7d im Fragebogen). F+L: Forschung und Lehre. Der angegebene Anteil bezieht sich auf die Anzahl der Antworten (in Klammern) in Bezug auf die Antwortenden aus den jeweiligen Bereichen.

Themenfelder
für wirtschaftliche Maßnahmen
F+L
(32)
Anteil alle anderen
(24)
Anteil
Forschungsförderung 13 41 % 10 42 %
Institutionelle Förderung 12 38 %  5 21 %
Ausbildungsförderung  5 16 %  8 33 %
Notfallschutz  5 16 %  2  8 %
Netzwerkbildung  4 13 %  3 13 %
Nachwuchsförderung  3  9 %  2  8 %
Transferförderung  2  6 %  2  8 %
Start-up-Förderung  1  3 %  1  4 %
Public Private Partnerships  2  6 %  0
Entsorgung  0  2  8 %
Industrieförderung  0  1  4 %

Welche sonstigen Maßnahmen zur Verbesserung der Strahlenforschung bzw. des Strahlenschutzes würden Sie vorschlagen, und was versprechen Sie sich konkret davon (Frage 7e in Fragebogen)?

Unter sonstigen Maßnahmen (Tabelle 14) wurde besonders häufig (10 von 23 genannten Maßnahmen) eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit angemahnt: Sie dient der Vermittlung der Attraktivität der Strahlenforschung, soll aber auch eine faktenbasierte Abwägung von Nutzen und Schaden von Strahlenanwendungen erleichtern und die Bedeutung der Strahlenforschung für zahlreiche gesellschaftlich relevante Felder (wie z. B. Gesundheit, Sicherheit, technischer Fortschritt etc.) vermitteln. Sie könnte auch zu einer Verbesserung des häufig negativen Images der Strahlenforschung und des Strahlenschutzes beitragen. Insbesondere Behörden regten zudem die Erstellung von Unterweisungsmaterial für die Anwendung nichtionisierender, aber auch ionisierender Strahlung an.

Tabelle 14:
Nennungen sonstiger Maßnahmen, die zur Verbesserung von Strahlenforschung und Strahlenschutz vorgeschlagen wurden (Frage 7e im Fragebogen). F+L: Forschung und Lehre. Der angegebene Anteil bezieht sich auf die Anzahl der Antworten (in Klammern) in Bezug auf die Antwortenden aus den jeweiligen Bereichen.

Genannte Maßnahmen im Bereich F+L
(10)
Anteil alle anderen
(13)
Anteil
Öffentlichkeitsarbeit 6 60 % 4 31 %
Unterweisung einschl. praktischer Übungen 4 31 %
Nachwuchsförderung 2 20 % 1  8 %
Maßnahmen zur Imageverbesserung 2 15 %
multidisziplinäres Forschungsumfeld 1 10 %
Änderung des rechtlichen Rahmens 1 19 %
Zusammenarbeit bei zivilem und militärischem Strahlenschutz 1  8 %

3.2.5 Fazit

In einer bisher beispiellosen Initiative hat die SSK etwa 80 Organisationen in Deutschland, bei denen ein Interesse an einer erfolgreichen Strahlenforschung in Deutschland vermutet wurde, befragt, ob zusätzlich zu den von der SSK in ihrer Stellungnahme von 2021 identifizierten Forschungsbereichen weitere Bereiche wichtig sind, und welche Maßnahmen zu Kompetenzerhalt sowie -entwicklung und -ausbau nützlich wären. Der ungewöhnlich hohe Rücklauf von abgegebenen und sehr detailliert ausgefüllten Fragebögen verdeutlicht die große Bedeutung, die diese Organisationen, die sich etwa zur Hälfte dem Bereich Forschung und Lehre zuordneten, dem Thema beimaßen. Die Teilnehmenden der Fragebogenaktion haben eindrucksvoll die Einschätzung der SSK aus dem Jahr 2021 bestätigt, welche Forschungsbereiche für die Strahlenforschung als wichtig anzusehen sind. Zusätzlich wurde Forschung in den Bereichen Risiko- und Krisenkommunikation sowie Radiochemie als wichtig genannt. Die anscheinende Unterschätzung der Bedeutung von Epidemiologie und Radioökologie, die in der Fragenbogenaktion zum Ausdruck kommt und die die SSK in ihrer Stellungnahme nicht geteilt hat, könnte auf die mangelnde Sichtbarkeit dieser Fachrichtungen zurückzuführen sein.

Der überwiegende Anteil der Teilnehmenden sah bei den identifizierten Forschungsbereichen mehr oder weniger stark ausgeprägte Kompetenzdefizite. Im Gegensatz dazu vertraten immerhin etwa 10 % der Teilnehmenden die Auffassung, dass in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland generell kein Kompetenzverlust droht, eine Auffassung, die von der SSK ebenfalls nicht geteilt wurde.

Wie die SSK vertraten die Teilnehmenden die Ansicht, dass ein breites Spektrum der Grundlagenforschung, der angewandten Forschung sowie der Technologieentwicklung von Kompetenz in der Strahlenforschung profitieren können. Umgekehrt müssen die von den Teilnehmenden aufgezählten aktuellen technologischen Entwicklungen, die für die Strahlenforschung und den Strahlenschutz wichtig sind oder werden könnten, genutzt werden, damit die Strahlenforschung und der Strahlenschutz auch in Zukunft den Anforderungen an eine moderne Wissenschaftsdisziplin gerecht werden können. Für die zukünftige Entwicklung der Strahlenforschung und des Strahlenschutzes sind die von den Teilnehmenden vorgeschlagenen wissenschaftlichen, technischen, organisatorischen, wirtschaftlichen und sonstigen Maßnahmen ausgesprochen hilfreich. Sie sollten aus Sicht der SSK in einem nächsten Schritt genauer analysiert, auf ihre Eignung geprüft und bei einem positiven Ergebnis möglichst umgesetzt werden. Dies ist eine der wesentlichen Aufgaben, die im Rahmen der von der SSK vorgeschlagenen Fortschrittsinitiative geleistet werden müsste.

3.3 Arbeitsmarktsituation in Deutschland – Stellenanzeigen 2020 und 2021

3.3.1 Einleitung und Methodik

In ihrer Stellungnahme von 2021 hat die SSK bereits darauf hingewiesen, dass in Deutschland in den letzten Jahren bereits Kompetenz im Bereich Strahlenforschung und Strahlenschutz verloren gegangen ist (SSK 2021). Diese Beobachtung könnte zu einer kritischen Situation führen, falls weiterhin ein stabiler oder möglicherweise steigender Bedarf an dieser Kompetenz besteht. Um den Bedarf an Arbeitskräften im Bereich Strahlenforschung und Strahlenschutz zu prüfen, hat die SSK daher recherchiert, welche und wie viele Stellen auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland in den Jahren 2020 und 2021 angeboten wurden, bei denen explizit derartige Kompetenz nachgefragt wurde.

Dazu hat die SSK in einschlägigen Jobportalen gezielt für die Jahre 2020 und 2021 nach entsprechenden Anzeigen gesucht. Für das Jahr 2020 wurden in einem Pilotprojekt Stellenanzeigen in fünf Jobportalen (Bundesagentur für Arbeit, Stepstone, Stellenonline, indeed, und Jobs24) hinsichtlich der Suchbegriffe „Strahl“ und „Strahlen“ ausgewertet. Datum der Suche war der 22. August 2020, die Suche ging teilweise zurück bis Anfang 2020, also ca. acht Monate.

Für das Jahr 2021 wurde die Suche ausgeweitet: So wurde die Suche ergänzt und die folgenden Quellen durchsucht: Bundesagentur für Arbeit, Deutsche Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP), stepstone, indeed, jobvector, LinkedIn, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Zeit, Verwaltungsportal des Bundes (service.bund.de). Als Suchbegriffe wurden verwendet „Strahlentherapie“, „Medizinphysiker“, „Strahlenschutzbeauftragter“, „Strahlenschutzfachkraft“, „Strahlenschutzingenieur“, ergänzt durch die Begriffe „Radio“ und „Dosimetrie“. Datum der Suche war der 12. Oktober 2021.

In beiden Jahren können Doppelerfassungen mit großer Sicherheit ausgeschlossen werden, da in den Stellenausschreibungen jeweils Firma und Ort erfasst wurden und Doppelungen sofort aufgefallen wären.

Da die Methodik der Stellenanalysen in den beiden Jahren verschieden waren, können die Ergebnisse nicht quantitativ verglichen werden. Sie lassen allerdings qualitative Schlüsse zu, ob in Deutschland auf dem Arbeitsmarkt überhaupt Expertise im Bereich Strahlenforschung und Strahlenschutz nachgefragt wird.

3.3.2 Relevante Stellen

In Tabelle 15 sind die Ergebnisse der beiden Stellenrecherchen zusammengefasst. Auch wenn die Ergebnisse der beiden Jahre nicht unmittelbar vergleichbar sind (siehe oben), ist doch erkennbar, dass in beiden Jahren zwischen 200 und 300 Stellen angeboten wurden, in denen eine entsprechende Expertise nachgefragt wurde. In beiden Jahren scheint der größte Bedarf an medizinisch-technischen Radiologie-Assistentinnen und -Assistenten vorhanden zu sein, was plausibel ist, da sowohl die medizinische Diagnostik als auch die Therapie wichtige Anwendungsgebiete von ionisierender Strahlung sind. Dies spiegelt sich auch in der hohen Anzahl an ausgeschriebenen Stellen für Fachärztinnen und Fachärzte in der Radiologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin sowie für Oberärztinnen und Oberärzte in der Strahlentherapie und der Radiologe wider, in der Anzahl der ausgeschriebenen Stellen für Fachärztinnen und Fachärzte sowie für Assistenzärztinnen und Assistenzärzte, die sich für die Fächer Radiologie und Strahlentherapie weiter qualifizieren. Ein hoher Bedarf besteht auch für Medizinphysik-Expertinnen und -Experten, nicht zuletzt, da die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union entsprechend der Richtlinie 2013/​59/​Euratom sicherstellen müssen, dass bei medizinisch-radiologischen Tätigkeiten Medizinphysik-Expertinnen und -Experten in angemessener Weise hinzugezogen werden. Entsprechend hatte die SSK bereits 2017 empfohlen, dass „ein Medizinphysik-Experte im Bereich der Computertomographie, der interventionellen fluoroskopischen Verfahren und der nuklearmedizinischen Diagnostik in Zusammenarbeit und in Abstimmung mit den fachkundigen Ärzten/​Ärztinnen und dem in der technischen Durchführung eingebundenen Personal die Etablierung und Anwendung sinnvoller und optimierter Untersuchungsprotokolle vornehmen soll.“ (SSK 2017). Diese Vorgabe wurde mittlerweile im Vollzug umgesetzt.

Neben dem medizinischen Sektor werden auch in anderen Bereichen Ingenieurinnen und Ingenieure, Referentinnen und Referenten, Strahlenschutzfachkräfte, Strahlenschutzassistentinnen und Strahlenschutzassistenten sowie Sachverständige mit akademischer Qualifikation und Expertise im Strahlenschutz gesucht.

Tabelle 15 verdeutlicht, dass in Deutschland ein erheblicher Bedarf an gut ausgebildeten Arbeitskräften mit Kenntnissen im Strahlenschutz und der Strahlenforschung und deren Anwendung im weiteren Sinne besteht. Wie zu erwarten, spielt in diesem Zusammenhang der medizinische Sektor als potenzieller Arbeitgeber eine besonders große Rolle. Dies bestätigt die bereits in der Stellungnahme der SSK im Jahr 2021 zum Ausdruck gebrachte Überzeugung, dass neben einigen anderen Bereichen die Medizin einen Bereich darstellt, in dem in besonderem Maße Expertise im Bereich Strahlenforschung/​-anwendung/​-schutz benötigt wird. Stellenausschreibungen, bei denen explizit Expertise im Bereich der nichtionisierenden Strahlung (UV-Strahlung oder EMF) gefordert wurde, konnten nicht identifiziert werden. Zu beiden Stichworten ergaben sich keine Suchergebnisse. Im Bereich der nichtionisierenden Strahlung spielt möglicherweise „Training-on-the job“ eine große Rolle.

Tabelle 15:
Identifizierte Stellenangebote in Deutschland, bei denen Expertise in Strahlenforschung bzw. Strahlenschutz gefordert wurde, bzw. bei denen ionisierende Strahlung eine wichtige Rolle spielten.

Stichtag 22. August 2020 12. Oktober 2021
Stellenanzeigen insgesamt 175 317
Fachärztinnen und Fachärzte Radiologie, Strahlentherapie 19 18
Fachärztinnen und Fachärzte Nuklearmedizin 8
Oberärztinnen und Oberärzte Radiologe, Strahlentherapie 10
Assistenzärztinnen und Assistenzärzte sowie Fachärztinnen und Fachärzte in Weiterbildung Radiologie, Strahlentherapie 12
Medizinphysik-Experten und -Expertinnen 8 60
MTRA 71 104
Ingenieurinnen und Ingenieure, Referentinnen und Referenten, Sachverständige etc. mit akademischer Qualifikation oder leitender Position im Strahlenschutz 15 39
Strahlenschutzbeauftragte mittlerer Dienst 6 9
Fachkräfte, Assistentinnen und Assistenten im Strahlenschutz 17 41
Strahlenschutzwerker 7 2
Positionen Zuordnung unklar oder nicht relevant 7 14

3.3.3 Fazit

In die von der SSK durchgeführte Analyse von in den Jahren 2020 und 2021 veröffentlichten Stellenanzeigen mit Bezug zu Strahlenforschung und Strahlenschutz wurden ausgewählte relevante Jobportale einbezogen. Ein zeitlicher Trend konnte nicht untersucht werden, da zum einen nur zwei Jahre in die Analyse einbezogen werden konnten, und zudem die Art der Suche in den beiden Runden verschieden war. Dennoch demonstrieren die Ergebnisse aus Sicht der SSK, dass in Deutschland ein jährlicher Bedarf an mehreren hundert Fachkräften mit Expertise in Strahlenforschung oder Strahlenschutz besteht. Dieser Bedarf wird aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren weiterbestehen, zumal geburtenstarke Jahrgänge das Pensionsalter erreichen.

3.4 Situation der beruflichen Fortbildung in Deutschland

Um den Bedarf an Kompetenz im Strahlenschutz in Deutschland weiter zu untersuchen, hat die SSK die zeitliche Entwicklung der Zahlen von Teilnehmenden und Anbietenden von Kursen für den beruflichen Strahlenschutz als einen zusätzlichen Indikator näher betrachtet. An dieser Stelle sei allerdings darauf hingewiesen, dass auch weitere berufliche Qualifikationsmöglichkeiten im Strahlenschutz angeboten werden, wie z. B. berufsbegleitende Trainingskurse zur Krisenkommunikation, zum Erlernen bestimmter Analyse- und Messtechniken etc. Derartige weitere Qualifikationsmöglichkeiten sowie Bedarfe an aktuell noch fehlenden Qualifikationsangeboten sind in (BMU et al. 2021a, insbesondere Anhang 2) näher erläutert.

3.4.1 Anbieter von Strahlenschutzkursen in Deutschland

Das BfS bietet auf seiner Website ausführliche Informationen zum beruflichen Strahlenschutz an, auch zur Aus- und Weiterbildung im Strahlenschutz. Entsprechende Listen der in Deutschland in den einzelnen Bundesländern ange­botenen Strahlenschutzkurse sowie die entsprechenden Kursanbietenden sind auf den Internetseiten des BfS zu finden7. Auf der Basis dieser Informationen erstellte das BfS auf Bitte der SSK eine Liste von Veranstalterinnen und Veranstaltern, die zwischen 2010 und 2020 (einschließlich Oktober 2020) in Deutschland Strahlenschutzkurse angeboten hatten (Abbildung 6).

Da die fünf Richtlinien zur Durchführung der Strahlenschutzkurse (Richtlinie in der Tierheilkunde, Richtlinie nach Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) in der Medizin, nach StrlSchV in der Technik, nach Röntgenverordnung (RöV) in der Medizin und nach RöV in der Technik) noch nicht an die neue Gesetzeslage nach der Veröffentlichung des Strahlenschutzgesetzes im Jahr 2018 (StrlSchG 2017) angepasst waren, sind die ermittelten Zahlen noch gemäß der alten Rechtslage – d. h. gemäß der Röntgen- und der alten Strahlenschutzverordnung – strukturiert.

Laut BfS ist bei der Interpretation von Abbildung 6 zu beachten, „dass die berechnete Summe aller Einzelwerte, dargestellt als Gesamtsumme, nicht die reale Gesamtzahl der Kursanbieter darstellt. Viele Kursanbieter bieten Kurse nach mehr als einer Richtlinie an, die somit in verschiedenen Kategorien redundant vorkommen können. Ebenso kommen einige größere Kursanbieter in mehreren Bundesländern redundant vor, da sie in verschiedenen Bundesländern anerkannt worden sind. Bereinigt sind die Zahlen nur im Sinne von unterschiedlichen Kursanbietenden innerhalb des jeweiligen Bundeslandes und der entsprechenden Richtlinie“ (U. Häusler, pers. Mitteilung vom Dez. 2020).

Abbildung 6 verdeutlicht, dass die Gesamtsumme der registrierten Anbietenden mit einem Mittelwert von 968 und einer Standardabweichung von 62 über den Zeitraum 2010 bis 2020 relativ stabil geblieben ist. Nach wie vor besteht also in Deutschland ein deutlicher Bedarf an Strahlenschutzkursen und damit an entsprechend qualifizierten Kursleiterinnen und -leitern und Fachpersonal mit Kompetenz im Strahlenschutz. Zudem fällt auf, dass die mit Abstand meisten angebotenen Kurse den Strahlenschutz in der Medizin (sowohl nach StrSchV als auch nach RöV) betreffen. Dies spiegelt den bereits in der Stellungnahme der SSK (SSK 2021) thematisierten Sachverhalt wider, dass medizinische Anwendungen ionisierender Strahlung wichtige Treiberinnen für den Bedarf an Expertise Strahlenschutz sind.

3.4.2 Strahlenschutzkurse

Dargestellt ist die Anzahl an Anbietern für Fachkundekurse in Deutschland von Anfang 2010 bis Oktober 2020.

Abbildung 6:
Anzahl an Anbietern für Fachkundekurse in Deutschland von Anfang 2010 bis Oktober 2020. Quelle: U. Häusler, BfS. RL – Richtlinie; StrlSchV – Strahlenschutzverordnung; RöV – Röntgenverordnung. Einzelheiten siehe Text.

Um einen Überblick über die zeitliche Entwicklung der Nachfrage nach Strahlenschutzkursen zu bekommen, wurde eine Umfrage unter Mitgliedern des Arbeitskreises Ausbildung (AKA) des Fachverbandes für Strahlenschutz (FS) durchgeführt. Es antworteten 14 Kursstätten höchst unterschiedlicher Größe und Ausrichtung. Bei der Anzahl der jährlich Teilnehmenden reichte die Spanne von 30 bis ca. 5 000 pro Jahr. Einige Anbietende bedienen eine breite Palette von Fachkunderichtlinien, manche weisen ein spezialisiertes Profil auf. Auf mehrheitlichen Wunsch sind die Daten hier anonymisiert und nur summarisch wiedergegeben. Diese Auswahl ist nicht repräsentativ für alle Anbietenden von Strahlenschutzkursen, vermittelt aber ein recht gutes Bild der aktuellen Entwicklungen.

Dargestellt ist die Summe aller Teilnehmenden an Strahlenschutzkursen (Neuerwerb und Aktualisierung) sowohl im Bereich Technik als auch im Bereich Medizin in 14 Kursstätten über die Jahre 2011 bis 2021.

Abbildung 7:
Summe aller Teilnehmenden an Strahlenschutzkursen (Neuerwerb und Aktualisierung) sowohl im Bereich Technik als auch im Bereich Medizin in 14 Kursstätten über die Jahre 2011 bis 2021

Abbildung 7 zeigt die Summe aller Teilnehmenden an den Veranstaltungen der erwähnten 14 Kursstätten über die Jahre 2011 bis 2021. Die Abbildung beinhaltet sowohl Fachkundeerwerb als auch -aktualisierung, sowohl im technischen als auch im medizinischen Bereich. Seit dem Jahr 2015 ist ein deutlicher Anstieg erkennbar. Im Jahr 2021 absolvierten 18 400 Teilnehmende entweder einen Neuerwerb- oder Aktualisierungskurs in einer der 14 Kursstätten. Dies ist vor dem Hintergrund einer Zahl von ungefähr 125 000 Strahlenschutzbeauftragten in Deutschland und einer Aktualisierungsperiode von fünf Jahren zu sehen.

Im Bereich Technik ist der Bedarf auf weitgehend konstantem Niveau, mit einem leichten Pandemie-bedingten Einbruch im Jahr 2020 (Abbildung 8).

Dargestellt ist die zeitliche Entwicklung der Zahl der Teilnehmenden an Strahlenschutzkursen im Bereich Technik, aufgeschlüsselt nach Art des Kurses bzw. der Fachkunde sowie Aktualisierung

Abbildung 8:
Zeitliche Entwicklung der Zahl der Teilnehmenden an Strahlenschutzkursen im Bereich Technik, aufgeschlüsselt nach Art des Kurses bzw. der Fachkunde sowie Aktualisierung

Die Zahl der Teilnehmenden an Kursen zum Erwerb einer Fachkunde nach StrlSchV, z. B. für den Umgang mit offenen oder umschlossenen radioaktiven Stoffen, zeigt einen leicht abnehmenden Trend; die Zahl der Teilnehmenden an Kursen gemäß RöV ist auf gleichbleibend hohem Niveau. Die Zahl der Aktualisierungen schwankt stärker als die zuvor genannten Zahlen, ist aber eher ansteigend. Erwähnenswert ist auch das konstante Niveau der Nachfrage nach Kursen für Lehrkräfte und Mitarbeitende von Behörden.

Im Sektor Medizin ist ein Wachstum in allen Bereichen zu verzeichnen (Abbildung 9), besonders ausgeprägt ist dies bei den Grundkursen und den Spezialkursen für das Gebiet Röntgen. Die Nachfrage nach Aktualisierungskursen steigt noch deutlicher. Da in Zeiten der COVID-19-Pandemie ein großer Teil der Kurse kurzfristig online angeboten werden konnte und es auch im Gegensatz zum technischen Bereich keine Begrenzung der Teilnehmendenzahlen pro Kurs gibt, ist ein Einbruch im Jahr 2020 teils gar nicht erkennbar, teils nur gering ausgeprägt.

Dargestellt ist die zeitliche Entwicklung der Zahl der Teilnehmenden an Strahlenschutzkursen im Bereich Medizin, aufgeschlüsselt nach Art des Kurses bzw. der Fachkunde sowie Aktualisierung

Abbildung 9:
Zeitliche Entwicklung der Zahl der Teilnehmenden an Strahlenschutzkursen im Bereich Medizin, aufgeschlüsselt nach Art des Kurses bzw. der Fachkunde sowie Aktualisierung

3.4.3 Fazit

Die Informationen zur beruflichen Aus- und Weiterbildung im Strahlenschutz, die der SSK zur Verfügung standen, bestätigen, dass es in Deutschland in den letzten zehn Jahren eine relativ stabile Anzahl von Anbietenden für einschlägige Strahlenschutzkurse gab. Die von der SSK exemplarisch untersuchten Teilnehmerzahlen von 14 Kursstätten zeigten zudem in den letzten zehn Jahren eine ansteigende Tendenz. Dies deutet aus Sicht der SSK darauf hin, dass ionisierende Strahlung trotz des Beschlusses zum Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie im beruflichen Alltag auch weiterhin in großem Umfang angewandt wird. Ein Verlust an Kompetenz in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz wäre daher für den Wissenschafts- und Technologiestandort Deutschland nachteilig.

3.5 SWOT-Analyse der SSK

3.5.1 Einleitung und Methodik

Die sogenannte SWOT-Analyse ist ein in der Wirtschaft häufig verwendetes Instrument, um die Situation einer Firma im Umfeld ihres (nationalen und/​oder internationalen) Marktes zu analysieren. Das Akronym steht für „strengths, weaknesses, opportunities, threats“ – Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken. Die SSK entschied sich unter den verschiedenen verfügbaren Modellen für die gängige Methode von Minzberg et al. (Literatur bei https:/​/​de.m.wikipedia.org/​wiki/​SWOT-Analyse), die quasi aus der Perspektive von Unternehmerinnen und Unternehmern interne (durch die Firma selbst beeinflussbare) Faktoren und externe (durch die Firma nicht beeinflussbare Faktoren) unterscheidet. In einem ersten Schritt werden dabei sowohl die internen Faktoren, das heißt die Eigenschaften der Firma (Stärken und Schwächen), als auch die externen Faktoren, die die Stellung der Firma im entsprechenden Marktumfeld bestimmen (Chancen und Risiken), identifiziert. In einem zweiten Schritt werden dann die internen und die externen Faktoren zueinander in Beziehung gesetzt, um so Maßnahmen entwickeln zu können, mit denen die Situation der Firma verbessert werden kann. So untersucht man zum Beispiel, inwieweit die Chancen einer Firma vergrößert oder ihre Risiken verringert werden können, indem man die identifizierten Stärken nutzt und ausweitet und die identifizierten Schwächen behebt.

Die SSK hat sich bei der Erarbeitung der vorliegenden Empfehlung dieses Instrumentes bedient, um Maßnahmen abzuleiten, mit denen langfristig die Situation der Strahlenforschung und des Strahlenschutzes in Deutschland verbessert werden können. Die Mitglieder der für den Entwurf dieser Empfehlung verantwortlichen Arbeitsgruppe gaben ihre – auch in Kenntnis der übrigen Analysen gewonnene – Einschätzung ab, in welchen Bereichen die Strahlenforschung und der Strahlenschutz in Deutschland gut (Stärken) und in welchen sie weniger gut aufgestellt sind (Schwächen). Zudem wurde eruiert, welche Bedeutung der Erhalt und der Ausbau von Kompetenz in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz für die Gesellschaft hat (Chancen) und welche gesellschaftlichen Konsequenzen es haben würde, sollte weitere Kompetenz verloren gehen (Risiken).

Schließlich wurden, wie oben beschrieben, die internen und externen Faktoren in Beziehung gesetzt (das heißt, die Stärken und Chancen, Stärken und Risiken, Schwächen und Risiken sowie Schwächen und Chancen kombiniert), um daraus Maßnahmen zur Verbesserung der Strahlenforschung und des Strahlenschutzes in Deutschland zu entwickeln. Dabei ging es insbesondere darum,

Chancen zu verfolgen und neue Chancen zu identifizieren, die gut zu vorhandenen Stärken passen („Anpassungsstrategie S-O“),
neue Chancen zu nutzen durch die gezielte Behebung vorhandener Schwächen („Umwandlungsstrategie W-O“),
Risiken zu mindern unter Ausnutzung von Stärken („Neutralisierungsstrategie S-T“) und
Risiken zu erkennen und zu vermeiden, die sich aus existierenden Schwächen ergeben („Vermeidungsstrategie W-T“).

3.5.2 Interne Faktoren – Stärken

Als eine Stärke identifiziert die SSK die traditionell hohe Qualität der Strahlenforschung in Deutschland. Es existiert trotz Reduktion der Möglichkeiten immer noch eine relativ aktive Forschungslandschaft an Universitäten, Forschungszentren, Ressortforschungseinrichtungen und in der Industrie, und auch die benötigte Infrastruktur ist meist noch vorhanden. Diese Einschätzung der SSK wird durch das hohe internationale Ansehen deutscher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gestützt, was sich auch in ihrer starken internationalen Vernetzung und ihrer Präsenz in nationalen und internationalen Gremien niederschlägt.

Als weitere Stärke wird das hohe Maß an Interdisziplinarität der Strahlenforschung in Deutschland angesehen, wobei auch die von der SSK bereits in ihrer Stellungnahme von 2021 (SSK 2021) gelisteten Forschungsbereiche eine wichtige Rolle spielen, wie zum Beispiel die Strahlenbiologie, Dosimetrie, Messtechnik, Epidemiologie, Notfallmanagement und Kommunikation. Dort betonte die SSK, dass in vielen Bereichen die Forschung zu ionisierender und nichtionisierender Strahlung einschließlich UV an ähnlichen Fragestellungen arbeitet mit dem Ziel des Erkenntnisgewinns zu grund­legenden strahleninduzierten Mechanismen. Generell kann bei jeder Expositionsfrage in Deutschland auf eine sehr gute Expertise zurückgegriffen werden.

Eng mit diesen Überlegungen verbunden ist eine weitere Stärke der Strahlenforschung, nämlich die Fähigkeit von Strahlenforschenden, mit Kolleginnen und Kollegen auf vielen anderen Disziplinen und Gebieten zusammenzuarbeiten. Beispielhaft sind hier die Forschung im Bereich von Tumor- und Zellbiologie zu nennen, aber auch Material­wissenschaften, Messtechnik und Ökologie. Dies ermöglicht es der Strahlenforschung, zeitnah auf aktuelle Trends zu reagieren und neue Technologien in ihre Aktivitäten aufzunehmen und etwaige gesellschaftliche Veränderungen in ihre Arbeit einzubeziehen.

Ebenfalls wichtig erscheint bei der Analyse der Stärken, dass das Forschen für den Strahlenschutz eine Arbeit von gesellschaftlicher Relevanz darstellt. So haben Strahlenforschende über viele Jahre hinweg Erfahrungen gewonnen, die weit über ihr eigentliches Gebiet hinausgehen. Diese Erfahrungen berücksichtigen schon seit langem alters- und geschlechtsspezifisch Unterschiede und sind z. T. in gesellschaftlich relevante Bereiche wie die Regulierung von Strahlenanwendungen oder die Risikokommunikation eingeflossen, wobei die Kenntnis einerseits von strahlen­induzierten Gesundheitseffekten und andererseits das richtige Adressieren von Risikogruppen eine unverzichtbare Basis ist.

Für die interdisziplinäre Forschung in Deutschland und ihre technische Umsetzung bis hin zur kommerziellen Applikation neuartiger Strahlungsquellen werden hier stellvertretend nur drei Beispiele genannt:

a)
Die Entwicklung einer extrem ultravioletten (EUV) Strahlenquelle mit hoher Leistung (Wellenlänge 13,5 nm bzw. 92 eV Photonenenergie, mehr als 200 W Strahlleistung). Hiermit wird die Belichtung von Halbleiterstrukturen mit Abmessungen unterhalb 7 nm ermöglicht, eine Entwicklung die weltweit einzigartig ist und die für den Technologiestandort Deutschland einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil darstellt.
b)
Die Entwicklung von Ultrakurzpulslasern zur Material- und allgemein Oberflächenbearbeitung, die in Deutschland sowohl in Industrie wie in öffentlichen Forschungseinrichtungen vorangetrieben wird und die neuartige Applikationen ermöglicht.
c)
Entwicklungen auf dem Gebiet „Particle Acceleration on a chip“, dessen Anwendungspotenzial u. a. als Quelle ionisierender Strahlung mit kleinen Abmessungen z. B. zur ambulanten Strahlentherapie in Arztpraxen noch auszuloten sein wird.

3.5.3 Interne Faktoren – Schwächen

Als eine grundsätzliche Schwäche identifiziert die SSK die geringe Sichtbarkeit der Strahlenforschung in Deutschland. Vermutlich ist das Problem, die Relevanz und den fortwährenden Bedarf an Strahlenforschung und Strahlenschutz nicht vermitteln zu können, auch Folge einer gewissen Technikskepsis in der Gesellschaft und ungenügender Kommunikation. So ist z. B. die Verwendung des Begriffs „Strahlung“ in den Medien häufig negativ konnotiert. Ein weiterer Grund könnte ein geringes Selbstbewusstsein von Strahlenforschenden in ihrer Rolle als Grundlagenforschende sein, was es schwierig macht, eigene Interessen gegenüber anderen Wissenschaftszweigen adäquat durchzusetzen.

Im Hinblick auf die Nachwuchsförderung kommt ein Mangel an strukturierter Ausbildung hinzu. Zudem wirkt derzeit für junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine Spezialisierung auf Strahlenforschung wenig attraktiv: eine entsprechend spezialisierte Ausbildung an den Universitäten ist so gut wie nicht vorhanden, einschlägige Curricula fehlen, und Strahlenschutz und wissenschaftliche Forschung sind – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – nicht ausreichend verknüpft. Zudem sehen Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler nur wenige Karrierechancen innerhalb der Strahlenforschung, und es gibt für sie kaum gesicherte Positionen in der Strahlenforschung. Diese Situation führt häufig dazu, dass Absolventinnen und Absolventen erst nach Eintritt in das Berufsleben mit Strahlenschutz in Berührung kommen („Training on the job“). Alle diese Aspekte gefährden den in den nächsten Jahren verstärkt nötigen Generationswechsel im Strahlenschutz.

Schließlich führen strukturelle Defizite zur Vernachlässigung bestimmter für die Strahlenforschung und den Strahlenschutz wichtiger Forschungsgebiete (z. B. Radioökologie, Strahlenepidemiologie – siehe Abschnitt 3.2.3). Deutschland ist für viele wichtige wissenschaftliche Teilbereiche der Strahlenforschung zu arm an adäquat ausgestatteten Forschungsinstituten. Häufig stehen für die Strahlenforschung keine ausreichenden und verstetigten finanziellen Mittel zur Verfügung, was zu fehlender Infrastruktur in einigen Bereichen führt. So herrscht z. B. in Deutschland (wie auch in Europa) ein Mangel an Strahlenreferenzfeldern und vielseitig sowie flexibel einsetzbaren Expositionseinrichtungen.

Eng damit verbunden ist eine Inkompatibilität mancher Bereiche und Abläufe der Strahlenforschung mit aktuellen Praktiken des Wissenschaftsmanagements, wobei sich die Interdisziplinarität bei der Begutachtung von Forschungsanträgen nachteilig auswirken kann. Damit ist auch gemeint, dass bestehende Begutachtungssysteme sich vorwiegend auf Indikatoren wie den Impact-Faktor stützen, die im Vergleich zu medizinischen Journalen bei den für die Strahlenforschung weltweit relevanten Zeitschriften eher niedrig sind. Auch wird zurzeit bei der Bewertung wissenschaftlicher Exzellenz die Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien kaum oder gar nicht berücksichtigt, obwohl sie aufgrund der hohen gesellschaftlichen Relevanz der Strahlenforschung und des Strahlenschutzes sehr wichtig ist. Zudem ändern sich im Wissenschaftsmanagement die wissenschaftlichen Schwerpunkte relativ kurzfristig, um aktuelle wissenschaftliche Trends nicht zu versäumen. Die Strahlenforschung, deren Strategien und Ziele naturgemäß eher langfristig angelegt sind, hat es dadurch schwer, sich im Wissenschaftsbetrieb angemessen Gehör und Gewicht zur verschaffen.

Als Nachteil für das „Standing“ der Strahlenforschung per se ist bei den in Abschnitt 3.5.2 stellvertretend genannten Beispielen anzumerken, dass deren Entwicklung und Forschungsfinanzierung unter Themenbegriffen wie „EUV-Lithographie“, „Materialbearbeitung“ sowie „acceleration on a chip“ vorangetrieben wurden und werden. Damit wird jedoch überwiegend die Anwendungsorientierung dieser Beispiele betont. Der übergeordnete Begriff „Strahlenforschung“ kommt dagegen, wenn überhaupt, nur am Rande vor.

3.5.4 Externe Faktoren – Chancen

Die SSK sieht es als Chance an, dass die Strahlenforschung und der Strahlenschutz im Sinne von Begleitforschung gesellschaftlich relevante Entwicklungen flankieren und unterstützen können. Dazu gehört auch die Unterstützung der gesellschaftlichen Risikoabwägung zu neuen Technologien wie zum Beispiel dem Ausbau des 5G-Netzes. Zudem können die in der Strahlenforschung erzielten Ergebnisse auf andere Bereiche übertragen werden. So ermöglicht das Verständnis der Wechselwirkung von Strahlung mit Materie den übergreifenden Blick auf molekulare Mechanismen und das „prinzipielle Funktionieren“ biologischer Vorgänge. Dies stattet die Strahlenforschung mit einem soliden Grundkanon naturwissenschaftlicher sowie medizinischer Ausbildung aus. Strahlenforschung könnte zudem zu einem aufgeklärten, wissensbasierten Umgang der Gesellschaft mit Risiken beitragen.

Als Technologie- und Wissenschaftsstandort ist Deutschland in besonderem Maße auf Grundlagenforschung in verschiedensten Gebieten angewiesen. In diesem Zusammenhang ist die Strahlenforschung, die allzu häufig lediglich als ein Zweig der angewandten Forschung angesehen wird, als ein Zweig der Grundlagenforschung zu betrachten. Untersuchungen der Wechselwirkung von Strahlung mit belebter und unbelebter Materie liefern grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse, die für viele andere Gebiete relevant sind, wie zum Beispiel Kosmologie, Astrophysik, Teilchen- und Kernphysik, Geologie, Hydrologie, Biologie, Medizin oder Archäologie.

Für die Entwicklung des Standorts Deutschland spielt auch die Weiterentwicklung des Gesundheitssektors eine wichtige Rolle. Die Strahlenforschung und der Strahlenschutz leisten zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung unverzichtbare Beiträge, so z. B. in der Strahlentherapie von Krebserkrankungen oder bei bildgebenden diagnostischen Verfahren mit ionisierender und nichtionisierender Strahlung. Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von UVC zur Desinfektion beim Auftreten von Krankenhauskeimen oder, wie in der COVID-19-Pandemie, von Viren. Wichtig bei der Weiterentwicklung des Gesundheitssektors sind daher auch entsprechend ausgebildete Fachleute, die in einschlägigen Gremien Expertise in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz einbringen können.

Auch bei der Erstellung von Konzepten zum Schutz am Arbeitsplatz und in der Bevölkerung ist die Strahlenforschung unverzichtbar. Beispiele sind neben dem Arbeitsschutz im Umgang mit ionisierender und nichtionisierender Strahlung der Schutz der Bevölkerung vor UV-Exposition im Zeichen des Klimawandels oder die Entwicklungen von Maßnahmen im radiologischen Notfallschutz gerade in Zeiten zunehmender politischer und gesellschaftlicher Unsicherheiten.

Die in diesem Kapitel zusammengetragenen Chancen können von der Gesellschaft nur wahrgenommen werden, wenn entsprechend ausgebildetes Personal in ausreichender Zahl verfügbar ist. Es besteht aus Sicht der SSK zum Beispiel ein großer Bedarf an der Entwicklung von Curricula in der Aus- und Fortbildung z. B. in der Heilkunde. Aufgrund ihrer Interdisziplinarität kann die Strahlenforschung auch zur Qualifikation in Berufen außerhalb der Forschung beitragen (z. B. bei Behörden). Die SSK ist überzeugt, dass der Arbeitsmarkt exzellente Chancen für breit und interdisziplinär ausgebildete Strahlenforschende bietet. Zudem besteht im praktischen Strahlenschutz langfristig ein Bedarf an qualifiziertem Personal. Im Hinblick auf die aufgezählten Chancen ist also auf vielen Gebieten ein hoher Bedarf an Ausbildung vorhanden, zu dessen Abdeckung aufgrund ihrer Interdisziplinarität Strahlenforschende und Fachkräfte im Bereich Strahlenschutz in hohem Maße benötigt werden.

3.5.5 Externe Faktoren – Risiken

Eine der für die Strahlenforschung und den Strahlenschutz besorgniserregende Entwicklung ist die Fehleinschätzung der Bedeutung der Strahlenforschung durch sowohl Politik als auch Gesellschaft. Häufig wird die Auffassung vertreten, Strahlenforschung sei von der „Atomlobby“ dominiert und wegen des Ausstiegs aus der Nutzung der Kernenergie obsolet, das meiste sei bereits erforscht und müsse nur noch praktisch umgesetzt werden, Probleme mit Strahlung seien unter Kontrolle, solange nur Regeln beachtet würden, oder strahleninduzierte Risiken wie die durch UV-Expositionen würden überschätzt. Aus derartigen Auffassungen heraus resultiert ein weit verbreitetes Bild von Strahlenforschung und Strahlenschutz als altbackenes, konservatives und formalistisches, ja sogar überflüssiges Arbeitsgebiet. In letzter Konsequenz kann daraus die Gefahr einer Vernachlässigung von Prävention und Notfallschutz entstehen.

Eng damit einher geht eine häufige Verkennung der wissenschaftlichen Bedeutung der Strahlenforschung. So wird die Bedeutung der Strahlenforschung als Grundlagenforschung nicht wahrgenommen und das Potenzial der Strahlenforschung (sowohl im Hinblick auf ionisierende als auch auf nichtionisierende Strahlung) im Zusammenhang mit aktuellen Forschungsgebieten wie z. B. Epigenetik, Nanotechnologie, System-Biologie und künstliche Intelligenz unterschätzt. Strahlenforschung ist oft negativ besetzt und wird als Innovationsbremse gesehen, was zu reduzierten Anstrengungen bei der akademischen Ausbildung führt und den Nachwuchsmangel durch begrenzte Karrierechancen verstärkt. Hiervon zeugen Schwierigkeiten bei der Begutachtung von Projekten mit ausgeprägt interdisziplinärem Charakter, wie sie für die Strahlenforschung typisch sind, und auch die Schließung entsprechender Forschungs­institute in den letzten Jahren.

Bei begrenzten finanziellen Ressourcen ist die Konkurrenz mit anderen wissenschaftlichen Fachdisziplinen angesichts vieler weiterer relevanter Forschungsgebiete naturgemäß groß. Hier hat die Strahlenforschung einen schweren Stand – insbesondere, wenn sie als unmodern wahrgenommen wird. Es besteht die Gefahr, dass, wie häufig bei Wissensgebieten, die Sicherheits- und Vorsorgeaspekte für den Menschen als Leitthema haben, so lange eingespart und abgebaut wird, bis die aufgelaufenen Defizite angesichts konkreter Ereignisse offenbar werden und Schaden nur noch begrenzt werden kann. Um dieser Entwicklung zu begegnen, müsste man die Strahlenforschung stärker als integralen Bestandteil aller Wissenschaften weiterentwickeln und verankern.

Schließlich mögen auch Vorgaben des praktischen Strahlenschutzes als Behinderungen wahrgenommen werden – ein weiterer Beitrag zu einem negativen Image von Strahlenschutz und eine faktische Behinderung der Entfaltung der Strahlenforschung. So wird argumentiert, derartige Vorgaben zu erfüllen sei aufwändig und teuer, sie seien komplex und schwer zu vermitteln, und würden zu einer steigenden Bürokratie führen. Teilweise werden Forschungsideen verworfen – oder in anderen Ländern realisiert – weil die Koordinatoren sich nicht mit der administrativen Rigidität des praktischen Strahlenschutzes in Deutschland auseinandersetzen möchten.

Die genannten Entwicklungen tragen zweifellos zur schwindenden Finanzierung der Strahlenforschung bei. Weitere Ursachen dafür sind z. B. bestimmte Mechanismen der Forschungsförderung, die sich oft an der Höhe eingeworbener Drittmittel, der Anzahl erfolgreicher Patentanträge oder der Höhe von Impact-Faktoren wissenschaftlicher Publikationen orientieren. Anstatt Forschungsförderung strategisch auszurichten und eine nachhaltige Forschungsförderung zu etablieren, werden häufig eher kurzfristige oder politisch opportune Ziele verfolgt, was zu häufigen Themenwechseln in der Förderung führen kann. Dabei erhöht eine zu geringe institutionelle Förderung die Abhängigkeit von externen Strahlenforschungsgeldern (Drittmitteln). Dies unterstreicht die Bedeutung einer angemessenen Förderung zweckfreier Grundlagenforschung, auf die auch gerade die Strahlenforschung als interdisziplinärer Forschungszweig angewiesen ist.

3.5.6 Fazit

Die SWOT-Analyse ergab in Bezug auf die Strahlenforschung und den Strahlenschutz in Deutschland die in Tabelle 16 zusammengefassten Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken.

Tabelle 16:
Ergebnis der SWOT-Analyse zur Situation der Strahlenforschung und des Strahlenschutzes in Deutschland.

Stärken Schwächen Chancen Risiken
Hohe wissenschaftliche
Qualität
Hohe Interdisziplinarität
Ausgeprägte Koopera-
tionsfähigkeit
Bearbeitung von Themen
mit gesellschaftlicher Relevanz
Geringe Sichtbarkeit
Geringe Karrierechancen
Strukturelle Defizite (z. B.
zu geringe institutionelle Förderung)
Inkompatibilität mit Praktiken des Wissenschafts-Managements
Unterstützung
gesellschaftlicher Entwicklungen
Forschung am
Wissenschaftsstandort Deutschland
Hohe Bedeutung des
Gesundheitssektors
Hohe Bedeutung
des Schutzes der Bevölkerung
Hoher Bedarf an
Ausbildung
Unterschätzung der
gesellschaftlichen Bedeutung
Verkennung der
wissenschaftlichen Bedeutung
Konkurrenz mit anderen
Fachdisziplinen
Behinderungen durch
Regularien des praktischen Strahlenschutzes
Schwindende
Finanzierung

Auf der Basis der in Tabelle 16 zusammengefassten Ergebnisse der SWOT-Analyse zeigt Tabelle 17, welche Stärken eingesetzt bzw. welche Schwächen verändert werden müssten, um die für die Strahlenforschung und den Strahlenschutz identifizierten Chancen zu nutzen (Anpassungsstrategie (S-O) bzw. Umwandlungsstrategie (W-O)).

Tabelle 17:
Ergebnis der SWOT-Analyse – Ausnutzung von Chancen für die Strahlenforschung und den Strahlenschutz in Deutschland.

Chancen Einsetzbare Stärken Zu verändernde Schwächen
Bedarf an Unterstützung gesellschaftlicher Entwicklungen
Bearbeitung von Themen mit
gesellschaftlicher Relevanz
Hohe Interdisziplinarität
Ausgeprägte Kooperationsfähigkeit
Geringe Sichtbarkeit
Strukturelle Defizite (z. B. zu geringe
institutionelle Förderung)
Bedarf an Forschung am Wissenschaftsstandort Deutschland
Hohe wissenschaftliche Qualität
Hohe Interdisziplinarität
Ausgeprägte Kooperationsfähigkeit
Geringe Sichtbarkeit
Strukturelle Defizite (z. B. zu geringe
institutionelle Förderung)
Inkompatibilität mit Praktiken des
Wissenschafts-Managements
Geringe Karrierechancen
Hohe Bedeutung des Gesundheitssektors
Hohe wissenschaftliche Qualität
Hohe Interdisziplinarität
Ausgeprägte Kooperationsfähigkeit
Strukturelle Defizite (z. B. zu geringe
institutionelle Förderung)
Hohe Bedeutung des Schutzes der Bevölkerung
Bearbeitung von Themen mit
gesellschaftlicher Relevanz
Hohe Interdisziplinarität
Ausgeprägte Kooperationsfähigkeit
Geringe Sichtbarkeit
Geringe Karrierechancen
Hoher Bedarf an Ausbildung
Hohe Interdisziplinarität
Geringe Karrierechancen und
mangelnde Ausbildungskapazitäten

Entsprechend zeigt Tabelle 18, welche Stärken eingesetzt bzw. welche Schwächen verändert werden müssten, um die für die Strahlenforschung und den Strahlenschutz identifizierten Risiken zu verringern bzw. zu vermeiden (Neutralisierungsstrategie (S-T) und Vermeidungsstrategie (W-T)).

Tabelle 18:
Ergebnis der SWOT-Analyse – Verringerung bzw. Vermeidung von Risiken für die Strahlenforschung und den Strahlenschutz in Deutschland.

Risiken Einsetzbare Stärken Zu verändernde Schwächen
Unterschätzung der gesellschaftlichen Bedeutung
Bearbeitung von Themen mit
gesellschaftlicher Relevanz
Geringe Sichtbarkeit
Geringe Karrierechancen
Verkennung der wissenschaftlichen Bedeutung
Bearbeitung von Themen mit
gesellschaftlicher Relevanz
Hohe wissenschaftliche Qualität
Hohe Interdisziplinarität
Ausgeprägte Kooperationsfähigkeit
Geringe Sichtbarkeit
Strukturelle Defizite (z. B. zu geringe
institutionelle Förderung)
Inkompatibilität mit Praktiken des
Wissenschafts-Managements
Konkurrenz mit anderen Fachdisziplinen
Bearbeitung von Themen mit
gesellschaftlicher Relevanz
Hohe wissenschaftliche Qualität
Hohe Interdisziplinarität
Ausgeprägte Kooperationsfähigkeit
Geringe Sichtbarkeit
Inkompatibilität mit Praktiken des
Wissenschafts-Managements
Geringe Karrierechancen
Behinderungen durch Regularien des praktischen Strahlenschutzes
Bearbeitung von Themen mit
gesellschaftlicher Relevanz
Geringe Sichtbarkeit
Strukturelle Defizite (z. B. zu geringe
institutionelle Förderung)
Schwindende Finanzierung
Bearbeitung von Themen mit
gesellschaftlicher Relevanz
Hohe wissenschaftliche Qualität
Hohe Interdisziplinarität
Ausgeprägte Kooperationsfähigkeit
Geringe Sichtbarkeit
Inkompatibilität mit Praktiken des
Wissenschafts-Managements

Auf der Basis der in Tabellen 16 bis 18 zusammengefassten Ergebnisse der SWOT-Analyse werden in Kapitel 4 Maßnahmen vorgeschlagen, um die Situation der Strahlenforschung und des Strahlenschutzes in Deutschland zu verbessern.

3.6 Zusammenfassung

Die SSK hat im Rahmen der vorliegenden Empfehlung die Stellungnahme von 2021 (SSK 2021) ergänzt und weiterentwickelt und dazu eigene Analysen durchgeführt. Dies schließt eine Umfrage unter 80 Organisationen mit ver­mutetem Interesse in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz ein, eine Zusammenstellung von veröffentlichten Stellenangeboten aus den Jahren 2020 und 2021 mit geforderter Expertise im Bereich Strahlenforschung oder Strahlenschutz sowie eine exemplarische Analyse der Anzahl von Anbietenden und Teilnehmenden von Strahlenschutzkursen. Die erzielten Ergebnisse dieser Aktivitäten verdeutlichen aus Sicht der SSK ein nachhaltiges und breites Interesse an Strahlenforschung und Strahlenschutz in Deutschland sowie einen langfristigen Bedarf an entsprechend ausgebildetem Personal. Allerdings demonstriert die Umfrage auch die Sorge der meisten Teilnehmenden, dass die Kompetenz in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland schwindet. Basierend auf diesen Erkenntnissen hat die SSK zudem eine SWOT-Analyse der Situation der Strahlenforschung und des Strahlenschutzes in Deutschland durchgeführt, in der die aus Sicht der SSK wichtigsten Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken deutlich werden. Die Ergebnisse der SWOT-Analyse zusammen mit den Ergebnissen der Befragung bilden unter Berücksichtigung der Situation in anderen Ländern die Grundlage für die in Kapitel 4 vorgeschlagenen Maßnahmen zu Kompetenzerhalt und -entwicklung sowie -aufbau in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland.

4 Maßnahmenkatalog

Die SSK empfiehlt auf der Basis der oben gewonnenen Erkenntnisse eine Reihe von Maßnahmen. Diese werden in den folgenden Abschnitten näher beschrieben.

4.1 Etablierung einer nationalen Fortschrittsinitiative „Strahlenforschung“

Um die Umsetzung dieser Maßnahmen zu erleichtern und die Strahlenforschung nachhaltig zu sichern und zu stärken, empfiehlt sie, eine nationale Fortschrittsinitiative „Strahlenforschung“ einzurichten. Diese Initiative sollte die Mittelgeber bei der Verwendung aller für die Strahlenforschung verfügbaren Mittel unter bestmöglicher Nutzung mög­licher Synergien koordinierend unterstützen und dabei Grundlagenforschung, angewandte Grundlagenforschung und Ressortforschung berücksichtigen. Nur wenn alle für die Strahlenforschung im weitesten Sinne zur Verfügung stehenden Mittel in einer abgestimmten Weise verwendet werden, wird es möglich, große und gesellschaftlich relevante Forschungsthemen zu bearbeiten, bei denen die Strahlenforschung und der Strahlenschutz unverzichtbar sind. Die Identifizierung derartiger Forschungsthemen ist aus Sicht der SSK nötig, um auch Institutionen ansprechen zu können, bei denen der Fokus nicht nur auf reiner Strahlenforschung liegt, sondern darüber hinausweist. Es könnten dann zudem attraktive Doktoranden- und Postdoc-Projekte geschaffen werden und für Absolventen ergäben sich auf Grund des interdisziplinären Ansatzes, der für die vorgeschlagenen großen Forschungsthemen nötig ist, neue berufliche Perspektiven. Aus Sicht der SSK sollte diese Fortschrittsinitiative die folgenden Bereiche unterstützen und koordinieren:

a)
Identifizierung von Leuchtturmthemen,
b)
Vernetzung,
c)
Einbindung von Politik auf Bundes- und Landesebene,
d)
strukturelle Weiterentwicklung der Wissenschaft und langfristige Sicherstellung von Forschungsinfrastruktur,
e)
Wissensvermittlung sowie
f)
Kommunikation.

Hierbei müssen die verschiedenen Akteure koordiniert eingebunden werden, die in Deutschland Strahlenforschung betreiben oder fördern.

Ein derartiges Konzept zur Sicherstellung einer langfristig angelegten Strahlenforschung erfordert eine signifikante und nachhaltige finanzielle Ausstattung, die über die bis dato für die Strahlenforschung in den Budgets der Ressortforschung (BMUV) und der angewandten Grundlagenforschung (BMBF) zur Verfügung stehenden Mittel hinausgehen muss.

4.2 Identifizierung von Leuchtturmthemen

Ohne attraktive wissenschaftliche und gleichzeitig aktuelle sowie gesellschaftlich relevante Visionen und den zur Verwirklichung dieser Visionen benötigten Forschungsaktivitäten ist eine langfristige Stärkung von Strahlenforschung nicht realistisch. In dieser Hinsicht waren die in der Strahlenforschung Tätigen in der Vergangenheit aus Sicht der SSK nicht aktiv genug. Derartige Visionen und damit verbundene Leuchtturmthemen müssen im Sinne einer Denkfabrik von der Fortschrittsinitiative entwickelt und organisiert werden. Sie sollten vielfältige Themenbereiche umfassen, um alle im weitesten Sinne in der Strahlenforschung aktiven Organisationen in Deutschland anzusprechen und so eine interdisziplinäre und transdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern. Aufgrund ihrer Größe würden derartige Leuchtturmthemen über eine rein nationale Umsetzung hinausweisen und internationale Kooperationsprojekte mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in anderen Ländern anstoßen, in denen möglicherweise an ähnlichen Projekten gearbeitet wird. Zusätzlich wäre für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler attraktiv, dass die Bearbeitung von Leuchtturmthemen reichlich Möglichkeiten zu Publikationen in hochrangigen wissenschaftlichen Zeitschriften bietet. Für eine Realisierung derartiger Visionen muss ein Forschungsprogramm aufgestellt werden, das die Stärken der Strahlenforschung in Deutschland als Ganzes nutzt und gleichzeitig ermöglicht, ihre Schwächen zu verringern. Bestehende Kompetenzverbünde oder vergleichbare beratende Gremien könnten hierbei ihre Expertise zu aktuellen Entwicklungen und Bedarfen in der Strahlenforschung einbringen. Insbesondere haben deren Mitglieder die direkte Erfahrung, welche Forschungsthemen junge Menschen begeistern, um sie für die Strahlenforschung zu gewinnen.

Ein Beispiel für eine derartiges übergreifendes Leuchtturmthema könnte entwickelt werden, wenn Strahlung als Teil des Exposoms, der Gesamtheit aller nichtgenetischen, endogenen und exogenen Umwelteinflüsse, denen ein Mensch ausgesetzt ist, betrachtet würde. Eine mögliche Vision wäre es dann, ein umfassendes Verständnis dieser Einflüsse auf die Wirkung ionisierender Strahlung und auf die Gesundheit des Menschen zu erreichen und so einen wesent­lichen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge zu leisten. Zur Realisierung dieses Verständnisses wäre ein mögliches Leuchtturmthema die Untersuchung der Wechselwirkung zwischen ionisierender Strahlung, nichtionisierender Strahlung und weiteren Umweltfaktoren und Stressoren. Zu derartigen „Cocktail- oder Kombinationseffekten“ ist bis heute wenig bekannt – trotz hoher Relevanz für die Zukunft, so z. B. für personalisierte Medizin.

Eine weitere Vision könnte sein, dass die Strahlenforschung und der Strahlenschutz als gesellschaftliche Aufgaben begriffen werden, die zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, den sogenannten „Sustainable Development Goals – SDGs“ (UN 2015), beitragen und damit eine nachhaltige Entwicklung unseres Planeten unterstützen. Zur Realisierung dieser Vision könnten im Rahmen eines übergreifenden Leuchtturmthemas Projekte identifiziert und gefördert werden, die explizit ein oder mehrere der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen adressieren – hierbei gäbe es für die Strahlenforschung und den Strahlenschutz vielfältige Möglichkeiten, zum Beispiel die Erreichung der Ziele SDG3 „Good Health and Wellbeing“, SDG14 „Life on Land“ oder SDG15 „Life below Water“ zu unterstützen.

Die SSK ist sich bewusst, dass weitere derartige Visionen entwickelt und entsprechende Leuchtturmthemen identifiziert werden können. In jedem Fall würde die Bearbeitung derartiger Leuchtturmthemen Forschung über viele Jahre bedeuten und die Nutzung modernster technologischer Methoden erfordern.

Darüber hinaus sieht die SSK Potenzial, dass derartige Themen mit verschiedensten Initiativen der Bundesregierung verknüpft werden können, wie z. B. mit der „Nationalen Strategie für Künstliche Intelligenz“8, dem Ausbau des 5G- bzw. Entwicklung des 6G-Netzes, der „Nationalen Dekade gegen Krebs“9, der „Hightech-Strategie 2025“10 Strategie der Bundesregierung zur Energiewende11 (mit Themen wie Wasserstoff, Mobilität und Beendigung der Nutzung der Kernenergie zur kommerziellen Stromerzeugung) oder der „Deutschen Strategie zur Stärkung der Resilienz gegenüber Katastrophen“12 und der „Zukunftsstrategie Forschung und Innovation“13. Auch die jüngste Gigabitstrategie14 wäre in diesem Zusammenhang zu nennen.

Dabei könnte die Strahlenforschung alle ihre in der SWOT-Analyse identifizierten Stärken (wissenschaftliche Qualität, Interdisziplinarität, Kooperationsfähigkeit, Bearbeitung von Themen mit gesellschaftlicher Relevanz) ausspielen. Einige der identifizierten Schwächen würden behoben (geringe Sichtbarkeit, geringe Karrierechancen, Inkompatibilität mit Praktiken des Wissenschafts-Managements). Andere könnten, sofern eine entsprechende finanzielle Absicherung gewährleistet ist, reduziert werden, wie z. B. strukturelle Defizite. Zugleich könnten die identifizierten Chancen genutzt und der identifizierte Bedarf bedient werden (Unterstützung gesellschaftlicher Entwicklungen, Forschung am Wissenschaftsstandort Deutschland, Bedeutung des Gesundheitssektors, Schutz der Bevölkerung, Ausbildung) und die meisten der identifizierten Risiken verringert oder minimiert werden (Verkennung der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Bedeutung, Konkurrenz mit anderen Disziplinen, schwindende Finanzierung) (siehe Tabelle 16).

Neben der nationalen Ebene ist auch die europäische Ebene von zentraler Bedeutung für die Zukunft der Strahlenforschung. Daher ist es auch erforderlich, die Rolle des Strahlenschutzes auf EU-Ebene zu stärken und über die relevanten Netzwerke und Gremien auf eine Ausweitung entsprechender Forschungsmittel hinzuwirken.

Ebenso sollte durch eine organisierte, vorausschauende Analyse (sogenanntes „Horizon Scanning“) sichergestellt werden, dass der zukünftige Bedarf an Strahlenforschung in Zusammenhang mit technologischen Entwicklungen rechtzeitig eingebracht werden kann.

4.3 Vernetzung

Im Sinne einer besseren Vernetzung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Strahlenforschung gegenüber anderen Forschungszweigen sollte die Fortschrittsinitiative dort auf aktuelle Strukturen des Wissenschaftsmanagements Einfluss nehmen wo sie zu einer systematischen Benachteiligung der Strahlenforschung führen, z. B. bei der Bewertung von Forschungsergebnissen anhand von Impact-Faktoren. Mit anderen Forschungsbereichen auch jenseits der Strahlenforschung und des Strahlenschutzes sollte die Vernetzung vertieft werden, um einige der identifizierten Stärken der Strahlenforschung (Interdisziplinarität und Kooperationsfähigkeit) zu nutzen und ihre Themen und Expertise für andere gesellschaftlich relevante Forschungsgebiete nutzbar zu machen. Dabei können z. B. Methoden und Expertise in der Messtechnik, der Epidemiologie oder der radioökologischen Modellierung in gesundheitsbezogene Forschungsaktivitäten einfließen oder die Entwicklung des Notfallschutzes unterstützen. Die Vernetzung würde allen Beteiligten gegenseitig nützen, indem die Strahlenforschung andere Disziplinen bereichert und zugleich in Zusammenarbeit mit ihnen ihr Potenzial für wichtige Forschungsthemen der Zukunft voll ausschöpfen kann (vgl. Abschnitt 4.1.1). Durch eine Fortschrittsinitiative „Strahlenforschung“ könnte der Bedarf systematisch erfasst, Über­sichten erstellt und Akteure gezielt vernetzt werden.

4.4 Einbindung von Politik auf Bundes- und Landesebene

Zentrale Aufgabe der nationalen Fortschrittsinitiative im Kontakt zu Politik und Wissenschaft wäre es, politischen Entscheidungsträgern im Inland sowie Wissenschaftsorganisationen im In- und Ausland ein realistisches Bild der Bedeutung von Strahlenforschung zu vermitteln. Ziel ist es, auf den Erhalt und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Unterstützung von Strahlenforschung hinzuwirken, um eine langfristige, der Bedeutung von Strahlenforschung angemessene Förderung zu erreichen. Eine Möglichkeit dazu könnte sein, die Rolle der Strahlenforschung in Strategien wie der Zukunftsstrategie „Forschung und Innovation“ des BMBF15 deutlich zu machen. Dies müsste auch eine verbesserte Koordination von Bundes- und Landespolitik im Bereich universitärer Forschung einschließen.

In diesem Zusammenhang empfiehlt die SSK z. B., im Rahmen der Fortschrittsinitiative auf die Länderregierungen einzuwirken, die erste in Abbildung 1 abgebildete Säule der Forschungslandschaft in Deutschland (Universitäten und Hochschulen) im Sinne der Strahlenforschung zu stärken und Wege zu finden, dem weiteren Abbau von einschlägigen Lehrstühlen entgegenzuwirken sowie den Erhalt bestehender und die Einrichtung neuer Lehrstühle zu unterstützen.

Gleichzeitig empfiehlt die SSK, auf Bundesebene die zweite in Abbildung 1 abgebildete Säule der Forschungslandschaft in Deutschland (institutionelle Forschungseinrichtungen wie z. B. die Helmholtz-Gemeinschaft mit ihren nationalen Forschungszentren) dabei zu unterstützen, sich auch den großen und drängenden fachübergreifenden Fragen von Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft, mit denen sich die Strahlenforschung beschäftigt, zu widmen. Aufgrund des interdisziplinären Charakters der Strahlenforschung können dies universitäre Einrichtungen allein nicht leisten. Dabei ist es wichtig, die Bereitstellung von Infrastruktur für Strahlenforschung als hoheitliche Aufgabe zur Daseinsvorsorge zu begreifen und länderübergreifend zu verankern; dies umfasst sowohl die Einrichtung und den Erhalt von Instituten an Forschungszentren, für die der Bund zuständig ist, als auch die Bereitstellung moderner apparativer Instrumentierung.

Will man Forschungsbedarf identifizieren und langfristige, internationale Forschungsagenden entwickeln, müssen in der Strahlenforschung relevante Akteure mitwirken, ebenso bei gesellschaftlich wichtigen Entwicklungen in Deutschland, der Entwicklung nationaler Forschungsstrategien, der Erstellung von Research Roadmaps und nicht zuletzt bei der Qualitätssicherung im Rahmen der Besetzung und Arbeit von Gutachtergremien. Akteure müssen gezielt vernetzt werden, um Bedarfe, Angebote etc. zu bündeln und transparent zu machen und um Synergien zu nutzen (vgl. Abschnitt 4.1.3).

4.5 Strukturelle Weiterentwicklung der Wissenschaft und langfristige Sicherstellung von Forschungsinfrastruktur

Die SWOT-Analyse der SSK zeigt unter anderem strukturelle Defizite der Strahlenforschung auf. So ist z. B. die institutionelle Förderung zu schwach ausgelegt und es fehlen ausreichende Forschungsaktivitäten in bestimmten Fächern, wie z. B. in der Radioökologie und der Strahlenepidemiologie, einschlägige Ausbildungsgänge sowie Perspektiven für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Interesse an der Strahlenforschung. Zudem ist für zukunftsweisende aktuelle Forschung das Vorhalten der relevanten Infrastruktur unabdingbar, wie z. B. der Betrieb moderner Bestrahlungs- und Expositionseinrichtungen als dauerhaft verfügbare wissenschaftliche Dienstleistung. Dies gilt für den Bereich der ionisierenden Strahlung genauso wie für den der nichtionisierenden Strahlung. Häufig wird das für die Einrichtung von Expositionsanlagen notwendige Know-how im Rahmen von Forschungsprojekten aufwändig neu aufgebaut und geht mit Abschluss der Projekte wieder verloren. In den letzten zwei Jahrzehnten beobachtet die SSK dies insbesondere bei der Forschung im nichtionisierenden Bereich, bei Untersuchungen zur biologischen Wirkung von UV-Strahlung oder bei Studien, die Frequenzen des Mobilfunks oder Magnetfeldexpositionen im Rahmen der Energiewende betreffen. Diese Vorgehensweise wird als äußerst ineffizient angesehen. Es würde sich anbieten, eine gemeinsame Infrastruktur für Strahlenforschung auf den Gebieten ionisierende Strahlung und UV-Strahlung zu schaffen.

Es muss daher dringend auf eine Abstimmung der Forschungspolitik von Bund und Ländern hingewirkt werden, um an Hochschulen, Universitäten, nationalen Forschungszentren und Ressortforschungseinrichtungen die Attraktivität der Strahlenforschung zu stärken (siehe Abschnitt 4.4). Dies kann erreicht werden, indem unter Einbeziehung aller Akteure (Bundes- und Landesministerien, Projektträgerinnen und -träger, Fachgesellschaften, Vertreterinnen und Vertreter der forschenden Einrichtungen) eine abgestimmte eigene „strahlenforschungsgetriebene Grundlagenforschung“ auf den Gebieten ionisierender und nicht­ionisierender Strahlung etabliert und angemessen finanziert wird. Dies sollte insbesondere auch Leuchtturmprojekte (siehe Abschnitt 4.2) und interdisziplinäre Ausbildungsgänge einschließen. Unabdingbar ist dabei eine enge Abstimmung der beteiligten Akteure. Aufgrund eigener Erfahrungen in der Lehre können Mitglieder von Kompetenzverbünden wie dem KVSF oder dem KVKT auch Forschungsthemen identifizieren, für die sich der wissenschaftliche Nachwuchs begeistern kann.

Der Vorteil eines derartigen Ansatzes ist eine effektive Nachwuchsgewinnung und zugleich eine Stärkung der Attraktivität der Strahlenforschung, indem sich jungen Forschenden hierin eine berufliche Zukunftsperspektive mit entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet.

4.6 Wissensvermittlung

Eine große Mehrheit der Teilnehmenden an der SSK-Umfrage schlug Maßnahmen vor, die im weitesten Sinne zur Verbesserung des Wissens über Strahlung, Strahlenforschung und Strahlenschutz führen sollten. Als Zielgruppen wurden Schülerinnen und Schüler, Studierende, Promovierende und Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aufgeführt. Es wurde jedoch auch die Bedeutung der beruflichen Weiter- und Fortbildung betont (Abschnitt 3.2.4). Dies wurde durch eine Auswertung bestehender Angebote durch die SSK bestätigt (Abschnitt 3.4). Als geeignete Instrumente wurden beispielsweise die Anerkennung einschlägiger Lehrgänge genannt, die Einrichtung entsprechender Graduiertenkollegs und Universitätslehrstühle oder die Etablierung dualer Ausbildungsmöglichkeiten. Die identifizierten und in mehrfacher Hinsicht (z. B. Alter, Vorwissen, Mediennutzung, Interessen) unterschiedlichen Zielgruppen erfordern eine zielgruppenorientierte Wissensvermittlung (Lehrformate, Lehrinhalte), wobei der inter­disziplinäre Charakter der Strahlenforschung besonders berücksichtigt werden sollte. Aus Sicht der SSK müsste die vorgeschlagene Fortschrittsinitiative die Nutzung bestehender Angebote und die Entwicklung fehlender Angebote gezielt unterstützen. Dabei erscheint es sinnvoll, auch relevante Angebote im europäischen Ausland einzubeziehen.

4.7 Kommunikation

Die Fortschrittsinitiative sollte zudem dazu beitragen, dass die Bedeutung der Strahlenforschung der Gesellschaft zielgruppenorientiert kommuniziert wird, ebenso die Stärken der Strahlenforschung in Deutschland. Dies würde der mangelnden Sichtbarkeit der Strahlenforschung – einer ihrer wesentlichen Schwächen, die in der SWOT-Analyse identifiziert wurden – entgegenwirken.

Dabei gilt es, den Beitrag der Strahlenforschung (sowohl im Hinblick auf ionisierende als auch auf nichtionisierende Strahlung) für Zukunftsthemen wie Gesundheitsschutz, Lebensqualität und Daseinsvorsorge zu betonen z. B. zur Reduzierung der Mortalität von Krebserkrankungen durch entsprechende Schutzmaßnahmen und Empfehlungen an die Bevölkerung. Darüber hinaus kann kompetent und verständlich vermittelte Strahlenforschung dazu beitragen, die Bedenken gegenüber der Anwendung von ionisierender Strahlung und Radioaktivität, aber auch von nichtionisierender Strahlung zu verringern. Ein Beispiel hierfür ist die Nutzung moderner Mobilfunknetze. Ein besserer Informations- und Wissensstand der Bevölkerung könnte den flächendeckenden Ausbau moderner Mobilfunknetze erleichtern, was wiederum zur Daseinsvorsorge beiträgt. Auf diese Weise würde nämlich Redundanz bei der Kommunikation, u. a. in Notlagen, geschaffen und damit zur gesellschaftlichen Resilienz beigetragen, ein Thema, das im September 2022 im Rahmen des StrahlenschutzForums 2022 „Resilienz in der Multikrise“ des BfS behandelt wurde.16 In diesem Zusammenhang sei die Bedeutung der Risiko- und Krisenkommunikation betont. Neben dem wichtigen Beitrag der Strahlenforschung im Gesundheitssektor ist zudem eine realistische Beschreibung von Strahlenrisiken im Vergleich mit anderen Risiken wichtig.

Die Qualität und Breite der Strahlenforschung, ihre Interdisziplinarität, ihre Relevanz für andere Forschungsbereiche und die daraus resultierenden Chancen für gemeinsame Forschung müssen in Öffentlichkeit und Politik weit intensiver als bisher kommuniziert werden, um im Hinblick auf aktuelle Forschungsinitiativen der Bundesregierung oder von Forschungseinrichtungen auf die Stärken der Strahlenforschung effektiver aufmerksam zu machen. Es muss klar werden, dass die Strahlenforschung gesellschaftlich relevante Entwicklungen wissenschaftlich aktiv begleiten und unterstützen kann. Auch reicht es nicht aus, die Informationen wie bisher über die traditionellen Kanäle (Printmedien wie Zeitungen und Zeitschriften, Pressemitteilungen, Internetauftritte etc.) zu vermitteln. Moderne Kommunikationstechniken haben eine beachtliche Durchschlagskraft und können wesentlich zur Intensivierung der Kommunikation beitragen.

4.8 Zusammenfassung

Zur Koordinierung der oben aufgelisteten Maßnahmen schlägt die SSK vor, eine nationale Fortschrittsinitiative „Strahlenforschung“ auf den Weg zu bringen.

Im Rahmen dieser Fortschrittsinitiative sollen auf der Basis übergreifender wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Visionen Leuchtturmthemen identifiziert werden, deren wissenschaftliche Bearbeitung zum Erhalt und Ausbau der Kompetenz in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland wesentlich beitragen. Strahlenschutz ist bereits vom Ansatz her interdisziplinär – entsprechend wichtig ist die Vernetzung der Strahlenforschung mit anderen Forschungszweigen. Die föderale Struktur der Bundesrepublik erfordert zur Abstimmung und Realisierung der nötigen Forschungsprogramme und zur Einbindung von nationalen Forschungszentren und Universitäten eine enge Zusammenarbeit auf Bundes- und Länderebene, auch zur systematischen Weiterentwicklung und langfristigen Sicherung der benötigten Forschungsinfrastruktur. Wissensvermittlung zum Thema Strahlung und Strahlenschutz ist dabei essentiell und muss verschiedenste Zielgruppen von Schülerinnen und Schülern bis zu Berufstätigen erreichen. Der Beitrag der Strahlenforschung zu Deutschlands Zukunftsthemen muss in Politik und Öffentlichkeit wirksam und verständlich dargelegt werden, um effektiver als bisher klarzustellen, dass die Strahlenforschung gesellschaftlich relevante Entwicklungen wissenschaftlich aktiv begleiten und unterstützen kann.

5 Zusammenfassende Empfehlung

In einem Beratungsauftrag vom 11. November 2020 hat das Bundesumweltministerium die SSK gebeten, die im Jahr 2006 formulierte Empfehlung der SSK zum Thema „Langfristige Sicherung des Kompetenzerhaltes auf dem Gebiet der Strahlenforschung in Deutschland“ (SSK 2006) zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten. In einer Stellungnahme (SSK 2021) identifizierte die SSK in einem ersten Schritt bei der Bearbeitung des Beratungsauftrags die wichtigsten wissenschaftlichen Disziplinen und Agierende in der Strahlenforschung. Darauf aufbauend schlägt die SSK in einem zweiten Schritt mit der vorliegenden Empfehlung einen Maßnahmenkatalog zum Kompetenzerhalt vor, um Forschung im Bereich ionisierender und nichtionisierender Strahlung in Deutschland zu stützen und die Kompetenz im Strahlenschutz langfristig zu sichern. Dies soll sicherstellen, dass Deutschland auch zukünftig in der Lage ist, an der Weiterentwicklung des internationalen Strahlenschutzes unter Einbringung nationaler Interessen mitzuwirken.

Zur Beantwortung des Beratungsauftrags hat die SSK zunächst die Sichtweise anderer Institutionen im In- und Ausland analysiert (siehe Kapitel 2). Es zeigte sich weitgehende Einigkeit darin, dass es langfristiger und nachhaltiger Anstrengungen bedarf, um die Forschung zu Gesundheitseffekten von Strahlung voranzutreiben. Stets wurde dabei die Interdisziplinarität der Strahlenforschung hervorgehoben, da bei ihr sowohl grundlagen- als auch anwendungsorientierte Disziplinen mitwirken. Nur so lassen sich auf der Basis aktueller Strahlenforschung sinn- und verantwortungsvolle Strahlenanwendungen sowie wissenschaftlich fundierte Strahlenschutzkonzepte entwickeln und umzusetzen.

Anschließend hat die SSK zur Ergänzung und Weiterentwicklung der Stellungnahme von 2021 (SSK 2021) eigene Analysen durchgeführt.

Die SSK befragte 80 Organisationen in Deutschland zu den zentralen Aussagen der 2021 veröffentlichten Stellungnahme (SSK 2021) und zu möglichen Maßnahmen, die dem Kompetenzerhalt und der Kompetenzentwicklung bzw. dem Kompetenzausbau dienen würden (siehe Abschnitt 3.2). Die von der SSK 2021 als für die Strahlenforschung wichtig identifizierten Forschungsbereiche wurden von den Teilnehmenden der Online-Umfrage im Großen und Ganzen bestätigt. Ergänzend wurden die Forschungsfelder Risikokommunikation und Radiochemie genannt. Der überwiegende Anteil der Teilnehmenden sah bei den identifizierten Forschungsbereichen mehr oder weniger stark ausgeprägte Kompetenzdefizite.

Wie die SSK vertraten die Teilnehmenden die Ansicht, dass ein breites Spektrum der Grundlagenforschung, der angewandten Forschung sowie der Technologieentwicklung in Deutschland von Kompetenz in der Strahlenforschung profitieren können bzw. könnten. Umgekehrt müssen die von den Teilnehmenden aufgezählten aktuellen technologischen Entwicklungen, die für die Strahlenforschung und den Strahlenschutz wichtig sind oder werden könnten, genutzt werden, damit die Strahlenforschung und der Strahlenschutz auch in Zukunft den Anforderungen an eine moderne Wissenschaftsdisziplin gerecht werden können. Die von den Teilnehmenden vorgeschlagenen wissenschaftlichen, technischen, organisatorischen, wirtschaftlichen und sonstigen Maßnahmen wurden von der SSK analysiert und fanden Eingang in die von der SSK in dieser Empfehlung vorgeschlagenen Maßnahmen.

Eine von der SSK durchgeführte Analyse von in den Jahren 2020 und 2021 veröffentlichten Stellenanzeigen mit Bezug zu Strahlenforschung und Strahlenschutz ergab, dass in Deutschland in diesen beiden Jahren ein jährlicher Bedarf an mehreren hundert Fachkräften mit Expertise in Strahlenforschung und/​oder Strahlenschutz bestand. Dieser Bedarf wird aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren weiter anhalten, zumal geburtenstarke Jahrgänge das Pensionsalter erreichen (siehe Abschnitt 3.3).

Zudem bestätigte die Auswertung der der SSK zur Verfügung stehenden Informationen zur beruflichen Aus- und Weiterbildung im Strahlenschutz, dass es in Deutschland in den letzten zehn Jahren eine relativ stabile Anzahl von Anbietenden für einschlägige Strahlenschutzkurse gab. Die exemplarisch untersuchte Anzahl an Teilnehmenden der Veranstaltungen von 14 Kursstätten zeigten zudem in den letzten zehn Jahren eine ansteigende Tendenz. Dies deutet aus Sicht der SSK darauf hin, dass im beruflichen Alltag ionisierende Strahlung auch nach dem Beschluss zum Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie nach wie vor auf hohem Niveau angewandt wird. Ein Verlust an Kompetenz in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz wäre daher für den Wissenschafts- und Technologiestandort Deutschland nachteilig.

Alle drei Analysen verdeutlichen ein nachhaltiges und breites Interesse an Strahlenforschung und Strahlenschutz in Deutschland sowie einen langfristigen Bedarf an entsprechend ausgebildetem Personal. Die Umfrage demonstriert die Sorge der meisten Teilnehmenden, dass die Kompetenz in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland schwindet.

Basierend auf diesen Erkenntnissen hat die SSK eine SWOT-Analyse der Situation der Strahlenforschung und des Strahlenschutzes in Deutschland durchgeführt, in der die aus Sicht der SSK wichtigsten Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken deutlich wurden. Die Ergebnisse der SWOT-Analyse zusammen mit den Ergebnissen der Fragebogenaktion bilden unter Berücksichtigung der internationalen Situation die Grundlage für die Vorschläge zu Maßnahmen für Kompetenzerhalt, -entwicklung und -aufbau in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland (siehe Abschnitt 3.5).

Zusammenfassend kommt die SSK zu dem Schluss, dass ein breites Spektrum der Grundlagenforschung, der angewandten Forschung sowie der Technologieentwicklung in Deutschland in der Vergangenheit von Kompetenz in der Strahlenforschung profitiert hat und bei Umsetzung entsprechender Maßnahmen auch in Zukunft profitieren wird (siehe Abschnitt 3.2.3, Antworten auf Frage 5). Dies gilt unabhängig von dem in Deutschland vollzogenen Ausstieg aus der Stromerzeugung mittels kerntechnischer Anlagen, der die Bedeutung der Strahlenforschung für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung in keiner Weise schmälert. Strahlung, sowohl ionisierende als auch nichtionisierende, begegnet uns an den verschiedensten Stellen im Alltag. Ein angemessener Schutz ist in jedem Fall erforderlich. Zur Stärkung des Forschungs- und Technologiestandorts Deutschland empfiehlt die SSK daher die folgenden Maßnahmen:

Etablierung einer nationalen Fortschrittsinitiative „Strahlenforschung“
Die SSK schlägt vor, eine nationale Fortschrittsinitiative „Strahlenforschung“ ins Leben zu rufen, die die folgenden Maßnahmen unterstützt und koordiniert und dadurch die Strahlenforschung nachhaltig sichert und stärkt. Hierbei müssen insbesondere die verschiedenen Agierenden koordiniert eingebunden werden, die in Deutschland Strahlenforschung betreiben und fördern.
Identifizierung von Leuchtturmthemen
Im Rahmen dieser Fortschrittsinitiative sollen auf der Basis übergreifender gesellschaftlicher Visionen wissenschaftliche Leuchtturmthemen identifiziert werden, deren Bearbeitung zum Erhalt und Ausbau der Kompetenz in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz in Deutschland beiträgt. Durch die Breite derartiger Leuchtturmthemen würden auch Institutionen angesprochen, bei denen der Fokus nicht auf reiner Strahlenforschung liegt. Es könnten attraktive Doktoranden- und Postdoc-Projekte geschaffen werden und für Absolventinnen und Absolventen ergäben sich auf Grund des interdisziplinären Ansatzes, der für die vorgeschlagenen Leuchtturmthemen nötig ist, neue berufliche Perspektiven.
Vernetzung
Da der Strahlenschutz vom Grundsatz her interdisziplinär ist, soll auf eine Vernetzung der Strahlenforschung mit anderen Forschungszweigen geachtet werden.
Einbindung von Politik auf Bundes- und Landesebene
Zur Abstimmung und Realisierung der nötigen Forschungsprogramme soll aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik auf eine enge Zusammenarbeit auf Bundes- und Länderebene hingewirkt werden. Damit soll insbesondere eine enge Abstimmung nationaler Forschungszentren, Universitäten und Ressortforschungseinrichtungen erreicht werden.
Strukturelle Weiterentwicklung der Wissenschaft und langfristige Sicherstellung von Forschungsinfrastruktur
Mit einer derartigen Weiterentwicklung sollen eine institutionelle Förderung der Strahlenforschung gestärkt, in relevanten Fächern Forschungsanstrengungen verstärkt sowie einschlägige Ausbildungsgänge und Perspektiven für junge Wissenschaftler/​Wissenschaftlerinnen mit Interesse an der Strahlenforschung geschaffen werden. Für eine zukunftsweisende aktuelle Forschung soll relevante Infrastruktur erhalten oder geschaffen werden.
Wissensvermittlung
Da die Wissensvermittlung zum Thema Strahlung, Strahlenforschung und Strahlenschutz aus Sicht der SSK verschiedenste Zielgruppen von Schülerinnen und Schülern, über Studierende bis zu Berufstätigen erreichen sollte, sollten entsprechende Veranstaltungen über eine zentrale Einrichtung zielgruppenorientiert angeboten und um fehlende Angebote ergänzt werden, wobei auch relevante Veranstaltungen im angrenzenden Ausland einbezogen werden sollten.
Kommunikation
Es sollen verstärkte Anstrengungen zur Betonung des Beitrags der Strahlenforschung zu Zukunftsthemen, die für Deutschland wichtig sind, unternommen werden, um darauf hinzuweisen, dass die Strahlenforschung gesellschaftlich relevante Entwicklungen gemeinsam mit anderen Disziplinen voranbringen kann.

Ein derartiges Programm zur Sicherstellung einer langfristig angelegten Strahlenforschung erfordert eine signifikante und nachhaltige finanzielle Ausstattung, die über die bis dato für die Strahlenforschung in den Budgets der Ressortforschung (BMUV) und der angewandten Grundlagenforschung (BMBF) zur Verfügung stehenden Mittel hinausgehen muss.

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Newhauser et al. 2022a Newhauser WD, Williams JP, Noska MA, Borras C, Holahan EV, Dewji SA, Johnson TE, Hiatt JW, Poston JW, Hertel N, Gress DA, Mills MD, Jordan DW, Sutlief SG, Martin MC, Jackson E, Bluth EI, Frush DP, Oates ME, LaBerge J, Pan HY, Rosenthal SA, Townsend LW, Brady L, Lindegard J, Hall HL, McAndrew-Benavides E, Abelquist E, Anscher MS, Vazquez M, Kronenberg A, Willey JS, Lawrence T, Woloschak GE, Marples B, Wong R, Story M, Howell RW, Hei TK, Tolmachev SY, Auxier JD, Rucker TL, Nilsson M, Sudowe R, Powell BA, Jensen MP. The professional radiation workforce in the United States. J Appl Clin Med Phys. Dec;23 Suppl 1(Suppl 1):e13848, doi: 10.1002/​acm2.13848, Epub 2023/​01/​28
Newhauser et al. 2022b Newhauser WD, Gress DA, Mills MD, Jordan DW, Sutlief SG, Martin MC, Jackson E. Medical physics workforce in the United States. J Appl Clin Med Phys. Dec;23 Suppl 1(Suppl 1):e13762, doi: 10.1002/​acm2.13762, Epub 2023/​01/​28
Newhauser et al. 2022c Newhauser WD, Williams JP, Noska MA, Borras C, Holahan EV, Dewji SA, Johnson TE, Hiatt JW, Poston JW, Hertel N, Gress DA, Mills MD, Jordan DW, Sutlief SG, Martin MC, Jackson E, Bluth EI, Frush DP, Oates ME, LaBerge J, Pan HY, Rosenthal SA, Townsend LW, Brady L, Lindegard J, Hall HL, McAndrew-Benavides E, Abelquist E, Anscher MS, Vazquez M, Kronenberg A, Willey JS, Lawrence T, Woloschak GE, Marples B, Wong R, Story M, Howell RW, Hei TK, Tolmachev SY, Auxier JD, Rucker TL, Nilsson M, Sudowe R, Powell BA, Jensen MP. Summary and conclusions, and abbreviations and acronyms. J Appl Clin Med Phys. Dec;23 Suppl 1(Suppl 1):e13846, doi: 10.1002/​acm2.13846, Epub 2023/​01/​28
Newhauser et al. 2023 Newhauser WD, Williams JP, Noska MA, Bluth EI, Townsend LW, Tolmachev SY, Dewji SA. In support of ICRP’s call to action to strengthen expertise in radiological protection worldwide. Radiat Environ Biophys. Aug;62(3):287-8, doi: 10.1007/​s00411-023-01038-z, Epub 2023/​07/​12
Noska et al. 2022 Noska MA, Borras C, Holahan EV, Dewji SA, Johnson TE, Hiatt JW, Newhauser WD, Poston JW, Hertel N. Health physics workforce in the United States. J Appl Clin Med Phys. Dec;23 Suppl 1(Suppl 1):e13757, doi: 10.1002/​acm2.13757, Epub 2023/​01/​28
Rühm et al. 2023 Rühm W, Cho K, Larsson CM, Wojcik A, Clement C, Applegate K, Bochud F, Bouffler S, Cool D, Hirth G, Kai M, Laurier D, Liu S, Romanov S, Schneider T. Vancouver call for action to strengthen expertise in radiological protection worldwide. Radiat Environ Biophys. May;62(2):175-80, doi: 10.1007/​s00411-023-01024-5, Epub 2023/​04/​25
SSK 2006 Strahlenschutzkommission (SSK). Zukunftsprojekt Strahlenforschung. Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 206. Sitzung der SSK am 01.03.2006. Veröffentlichungen der Strahlenschutzkommission, Band 61, Empfehlungen und Stellungnahmen der Strahlenschutzkommission 2006, H. Hoffmann GmbH – Fachverlag, Berlin, 2007, ISBN 987-3-87344-141-5
SSK 2021 Strahlenschutzkommission (SSK). Langfristige Sicherung der Kompetenz auf dem Gebiet der Strahlenforschung und -anwendung in Deutschland – wichtigste wissenschaftliche Disziplinen und Hauptakteure in der Forschung. Stellungnahme der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 312. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 09. Juni 2021. Bekanntmachung im BAnz AT 05.05.2022 B5.
https:/​/​www.ssk.de/​SharedDocs/​Beratungsergebnisse_​PDF/​2021/​2021-06-09_​Kompetenzerhalt.pdf?_​_​blob=publicationFile
StrlSchG 2017 Gesetz zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (Strahlenschutzgesetz – StrlSchG) vom 27. Juni 2017 (BGBl. I S. 1966), das zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2510) geändert worden ist
Tolmachev et al. 2022 Tolmachev SY, Auxier JD, 2nd, Nilsson M, Powell BA, Rucker TL, Sudowe R. Radiochemistry and nuclear chemistry workforce in the United States. J Appl Clin Med Phys. Dec;23 Suppl 1(Suppl 1):e13789, doi: 10.1002/​acm2.13789, Epub 2022/​09/​22
Townsend et al. 2022 Townsend LW, Brady L, Lindegard J, Hall HL, McAndrew-Benavides E, Poston JW. Nuclear engineering workforce in the United States. J Appl Clin Med Phys. Dec;23 Suppl 1(Suppl 1):e13808, doi: 10.1002/​acm2.13808, Epub 2022/​10/​29
UN 2015 UN GA. Transforming our world: The 2030 Agenda for sustainable development. In: United Nations, New York, USA
Williams et al. 2022 Williams JP, Anscher MS, Vazquez M, Kronenberg A, Willey JS, Lawrence T, Woloschak GE, Marples B, Wong R, Howell RW. Radiation biology workforce in the United States. J Appl Clin Med Phys. Dec;23 Suppl 1(Suppl 1):e13743, doi: 10.1002/​acm2.13743, Epub 2023/​01/​28
Anhang

Fragebogen zum Kompetenzerhalt
4. März 2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

als Vorsitzender der Strahlenschutzkommission (SSK) möchte ich Sie mit diesem Schreiben bitten, die SSK zu unterstützen: Die SSK möchte die Situation der Strahlenforschung und des Strahlenschutzes in Deutschland in Bezug auf ionisierende und nichtionisierende Strahlung evaluieren, um politischen Entscheidungsträger*innen gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge unterbreiten zu können.

In einem Beratungsauftrag aus dem Jahr 2020 hat das Bundesumweltministerium die SSK gebeten, die Fragen zu beantworten, „wer zukünftig in Deutschland noch die Möglichkeit haben wird, Grundlagenforschung im Strahlenschutz zu betreiben, und welche Maßnahmen zur Förderung der Strahlenforschung ergriffen werden können“. Ziel sollte sein, einen Maßnahmenkatalog zu erstellen „durch dessen Umsetzung die Forschung im Bereich ionisierender und nichtionisierender Strahlung in Deutschland gestützt und die Kompetenz langfristig gesichert werden kann“.

Hintergrund des Beratungsauftrages war der Eindruck, dass die Unterstützung für die Strahlenforschung in Deutschland in den vergangenen Jahren abgenommen hat und dadurch der Erhalt der Kompetenz in der Strahlenforschung und im Strahlenschutz gefährdet sein könnte. Eine derartige Entwicklung bewertet die SSK als kritisch, da die Strahlenforschung auf vielen gesellschaftlich relevanten Gebieten grundlegende Beiträge liefert bzw. liefern kann.

Die SSK hat daher in einem ersten Schritt die für die Strahlenforschung in Deutschland aus ihrer Sicht wichtigsten Forschungsbereiche sowie die in der deutschen Forschungslandschaft aktiven Institutionen identifiziert (Stellungnahme der SSK vom 9. Juni 2021).

In einem nächsten Schritt möchte die SSK Empfehlungen entwickeln, welche Maßnahmen ergriffen werden können, damit Forschung im Bereich ionisierender und nichtionisierender Strahlung in Deutschland gestützt und die Kompetenz im Strahlenschutz langfristig gesichert werden kann. Aus diesen Gründen wäre mir sehr daran gelegen, von Ihnen zu erfahren, ob und, wenn ja, wo Sie Bedarf für Kompetenz in den genannten Bereichen sehen.

Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn Sie uns bis zum 25. März 2022 über den folgenden Link Ihre Antworten zukommen lassen würden:

https:/​/​survey.lamapoll.de/​Kompetenzerhalt/​ 

Mit freundlichen Grüßen

gez. W. Rühm
Vorsitzender der Strahlenschutzkommission

Adressatenliste

Fachgesellschaften und -verbände
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) office@awmf.org; treede@awmf.org
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi) geschaeftsstelle@dgepi.de
Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) info@dvgw.de
Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) info@bdew.de
Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCH) gdch@gdch.de
Medizinischer Fakultätentag (MFT) berlin@mft-online.de
Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) info@uniklinika.de
Deutsche Gesellschaft für muskuloskelettale Radiologie (DGMSR) info@dgmsr.de
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) office@degro.org
Deutsche Gesellschaft für medizinische Physik (DGMP) office@dgmp.de
Deutsche Röntgengesellschaft (DRG) office@drg.de
Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN) office@nuklearmedizin.de
Deutsch-Schweizerischer Fachverband für
Strahlenschutz (FS)
FS-sek@fs-ev.org
Deutsche Gesellschaft für Zerstörungsfreie Prüfung (DGZfP) mail@dgzfp.de
Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) dpg@dpg-physik.de
Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) service@krebsgesellschaft.de
Deutsche Gesellschaft für Biologische Strahlenforschung e. V. (DeGBS) verena.jendrossek@uni-due.de
Deutsche Gesellschaft für DNA-Reparaturforschung (DGDR) caroline.kisker@virchow.uni-wuerzburg.de
Verband Deutscher Ingenieure (VDI) vdi@vdi.de
Industrieverbände
Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) zvei@zvei.org
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) serviceteam@vdma.org
Deutscher Industrieverband für Optik, Photonik, Analysen- und Medizintechnik (SPECTARIS) info@spectaris.de
Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) info@bvmed.de
Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) bah@bah-bonn.de
Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) info@bauindustrie.de
Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden (BBS) info@bvbaustoffe.de
Verband der chemischen Industrie (VCI) vci@vci.de
Bundesverband der deutschen Recycling-Baustoffe (BRB) info@recyclingbaustoffe.de
Forschungseinrichtungen
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) info@kit.edu
GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung info@gsi.de
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) kontakt@dkfz.de
Forschungszentrum Jülich (FZJ) info@fz-juelich.de
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) contact-dlr@dlr.de
Helmholtzzentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) kontakt@hzdr.de
Deutsches Elektronen-Synchrotron (DESY) desyinfo@desy.de
Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) info@ipp.mpg.de

Fragebogen zum Kompetenzerhalt

1.
Moderner Strahlenschutz (ionisierende und nichtionisierende Strahlung) soll auf den aktuellsten wissenschaft­lichen Erkenntnissen beruhen. Welche der folgenden Bereiche der Strahlenforschung hält Ihre Organisation für Deutschland für wichtig?
⃞ Strahlenbiologie
⃞ Strahlenepidemiologie
⃞ Strahlenrisikobewertung
⃞ Radioökologie
⃞ Strahlenmesstechnik
⃞ Dosimetrie
⃞ Strahlenphysik
⃞ praktischer Strahlenschutz
⃞ Notfallschutz
⃞ medizinische Strahlenanwendung
⃞ andere                     
zusätzliche Bemerkungen                     
2.
Besteht die Gefahr, dass in Deutschland Kompetenz im Strahlenschutz und/​oder in der Strahlenforschung verloren geht? Wenn ja, in welchen Bereichen (gerne auch unabhängig von Ihrem eigenen Fachgebiet) und was sind mögliche Gründe dafür?
3.
In welchen der unter Punkt 1 genannten Bereichen ist der Aufbau von zusätzlicher Kompetenz nötig, um in Deutschland die Strahlenforschung und den Strahlenschutz weiter zu verbessern?
4.
Gibt es andere Forschungsfelder, die sich mit der Nutzung von Strahlung bzw. der Strahlenforschung entwickeln könnten?
5.
Welche neuen technologischen Entwicklungen könnten von Kompetenz in der Strahlenforschung bzw. im Strahlenschutz profitieren?
6.
Von welchen neuen technologischen Entwicklungen könnten Strahlenforschung bzw. Strahlenschutz profitieren?
7.
Welche Maßnahmen zur Verbesserung der Strahlenforschung bzw. des Strahlenschutzes würden Sie vorschlagen und was versprechen Sie sich konkret davon?
⃞ wissenschaftliche Maßnahmen (z. B. Untersuchung von bestimmten Wirkmechanismen)
⃞ technische Maßnahmen (z. B. bestimmte instrumentelle Entwicklungen)?
⃞ organisatorische Maßnahmen (z. B. zur Verbesserung der Ausbildung)?
⃞ wirtschaftliche Maßnahmen (z. B. strukturelle Förderungen)
⃞ sonstige Maßnahmen
8.
Hat Ihre Organisation bereits eigene Maßnahmen ergriffen, um die Kompetenz in der Strahlenforschung bzw. im Strahlenschutz zu erhalten bzw. zu verbessern?
9.
Für welche Art Organisation haben Sie Ihre Antworten gegeben?
⃞ Fachgesellschaft oder -verband
⃞ Industrieverband
⃞ Forschungseinrichtung, Universität oder Hochschule
⃞ Behörde oder Ressortforschungseinrichtung
⃞ Expertenkommission
⃞ Berufsgenossenschaft
⃞ Sachverständigenorganisation oder -büro
⃞ Wirtschaftsunternehmen
⃞ sonstige
10.
In welchem Bereich sind Sie/​ist Ihre Organisation tätig?
⃞ Strahlenbiologie
⃞ Strahlenepidemiologie
⃞ Strahlenrisikobewertung
⃞ Radioökologie
⃞ medizinische Strahlenanwendung
⃞ Strahlenmesstechnik
⃞ Dosimetrie
⃞ Strahlenphysik
⃞ praktischer Strahlenschutz
⃞ Notfallschutz
⃞ andere

1
https:/​/​www.ssk.de/​SharedDocs/​Beratungsergebnisse/​2021/​2021-06-09_​Stgn_​Kompetenzerhalt.html.
2
https:/​/​www.bmbf.de/​bmbf/​de/​forschung/​zukunftsstrategie/​zukunftsstrategie_​node.html
3
https:/​/​www.dekade-gegen-krebs.de/​
4
https:/​/​www.ki-strategie-deutschland.de/​home.html
5
https:/​/​www.bundesregierung.de/​breg-de/​themen/​klimaschutz/​energiewende-im-ueberblick-229564
6
https:/​/​bmdv.bund.de/​SharedDocs/​DE/​Anlage/​K/​gigabitstrategie.pdf?_​_​blob=publicationFile
7
https:/​/​www.bfs.de/​DE/​themen/​ion/​strahlenschutz/​beruf/​fachkunde/​aus-und-weiterbildung_​node.html
8
https:/​/​www.ki-strategie-deutschland.de
9
https:/​/​www.dekade-gegen-krebs.de/​
10
https:/​/​www.hightech-strategie.de
11
http:/​/​swww.bundesregierung.de/​breg-de/​themen/​energiewende/​energiewende-im-ueberblick-229564
12
https:/​/​www.bundesregierung.de/​breg-de/​suche/​deutsche-strategie-zur-staerkung-der-resilienz-gegenueber-katastrophen-2062054
13
https:/​/​www.bmbf.de/​bmbf/​de/​forschung/​zukunftsstrategie/​zukunftsstrategie_​node.html
14
https:/​/​bmdv.bund.de/​SharedDocs/​DE/​Anlage/​K/​gigabitstrategie.pdf?_​_​blob=publicationFile
15
https:/​/​www.bmbf.de/​bmbf/​de/​forschung/​zukunftsstrategie/​zukunftsstrategie_​node.html
16
https:/​/​www.bfs.de/​SharedDocs/​Pressemitteilungen/​BfS/​DE/​2022/​015.html

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