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Bekanntmachung einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission – Medizinisches Management von Strahlennotfällen – Voraussetzungen und Organisation vom: 07.11.2023

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Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit
und Verbraucherschutz

Bekanntmachung
einer Empfehlung der Strahlenschutzkommission
Medizinisches Management
von Strahlennotfällen – Voraussetzungen und Organisation

Vom 7. November 2023

Nachfolgend wird die Empfehlung der Strahlenschutzkommission (SSK), verabschiedet in der 327. Sitzung der Kommission am 11./​12. September 2023, bekannt gegeben (Anlage).

Bonn, den 7. November 2023

S II 2 – 1702/​004-2023.0005

Bundesministerium
für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit
und Verbraucherschutz

Im Auftrag
Engelhardt

Anlage

Medizinisches Management
von Strahlennotfällen – Voraussetzungen und Organisation

Empfehlung der Strahlenschutzkommission
Verabschiedet in der 327. Sitzung der Strahlenschutzkommission
am 11./​12. September 2023

Vorwort

In ihren Empfehlungen „Erforderliche medizinische Kapazitäten für die Versorgung und Betreuung der Bevölkerung im radiologischen und nuklearen Notfall“ und „Erforderliche medizinische Kapazitäten für die Versorgung und Betreuung der Bevölkerung im radiologischen und nuklearen Notfall – Ausbildungsqualifikation“ hat die SSK 2017 die Erstellung von Vorgaben für zertifizierte Aus-, Weiter- und Fortbildungen mit regelmäßigen Übungen für das im medizinischen Bereich tätige und im radiologischen und nuklearen Notfall benötigte Personal sowie deren notwendige Qualifizierung empfohlen. Im Kontext der Empfehlungen wurden Qualifizierungsvoraussetzungen neu aufgestellt und der in Frage kommende Personenkreis sowie der Inhalt eines Qualifikationsnachweises „Strahlennotfallmanagement“ und „Strahlennotfallärztin/​-arzt“ dargestellt.

Mit einem Beratungsauftrag vom 24. Januar 2020 wurde die SSK gebeten, in Ergänzung zu diesen Empfehlungen Mindestanforderungen an Kliniken hinsichtlich struktureller, personeller und apparativer Kapazitäten, Inhalte für ein Curriculum sowie einen Vorschlag zur Implementierung dieser Empfehlungen in das Notfallmanagementsystem des Bundes und der Länder zu erarbeiten.

Zur Erfüllung dieses Beratungsauftrages wurde die Arbeitsgruppe „Medizinisches Notfallmanagement“ der Ausschüsse „Notfallschutz“ und „Strahlenschutz in der Medizin“ der SSK eingesetzt, der folgende Mitglieder angehörten:

Dipl.-Phys. Franz Fehringer, Blankenheim, Vorsitzender der Arbeitsgruppe
Prof. Dr. Wolfgang Burchert, Bad Oeynhausen
Dr. Werner Kirchinger, Neuherberg
Dipl.-Phys. Jürgen Kopp, Adelsried
Prof. Dr. Matthias Port, München
Prof. Dr. Christoph Reiners, Würzburg
Dr. Rita Schneider, Würzburg
Prof. Dr. Johann Wilhelm Weidringer, München

Dipl.-Phys. Franz Fehringer

Vorsitzender der
Arbeitsgruppe „Medizinisches
Notfallmanagement“

Prof. Dr. Matthias Port

Vorsitzender des
Ausschusses „Notfallschutz“

Prof. Dr. Ursula Nestle

Vorsitzende der
Strahlenschutzkommission

Inhalt

1 Einleitung

2 Beratungsauftrag

3 Empfehlung

4 Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten

4.1 Situation in Deutschland

4.1.1 Überblick zu vorhandenen klinischen Kapazitäten und Kompetenzen zur Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten

4.1.2 System der Regionalen Strahlenschutzzentren der Berufsgenossenschaften (RSZ)

4.1.3 Einrichtungen zur Spezialdiagnostik

4.1.3.1 Inkorporationsmessstellen

4.1.3.2 Wundmessplätze

4.1.3.3 Retrospektive Dosimetrie

4.1.4 Vorhaltung von Schutzwirkstoffen

4.1.5 Versorgungsstrukturen für konventionelle Verletzungen und Erkrankungen in Deutschland

4.1.5.1 Brandverletztenzentren und zentrale Anlaufstelle für Schwerbrandverletzte

4.1.5.2 Überregionale Traumazentren und Traumanetzwerke

4.1.5.3 System für die strategische Verlegung von (intensivpflichtigen) Patientinnen und Patienten

4.2 Internationale Situation

4.2.1 WHO-REMPAN-Netzwerk

4.2.2 IAEA Response and Assistance Network (RANET)

4.2.3 Beispiele für Versorgungsstrukturen im Ausland

5 Etablierung eines Netzwerkes und Mindestanforderungen für die Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten in Krankenhäusern

5.1 Einrichtung und Aufgaben einer zentralen Koordinierungsstelle

5.2 Derzeitige generelle Regelungen zur stationären Notfallversorgung

5.3 Erforderliche Krankenhausinfrastruktur

5.3.1 Fachdisziplinen und spezielle stationäre Einrichtungen

5.3.1.1 Zentren der erweiterten Versorgung

5.3.1.2 Zentren der umfassenden Versorgung

5.3.2 Bauliche und räumliche Voraussetzungen

5.3.3 Führungsorganisation und -aufgaben

5.4 Personelle Kapazitäten, Teams

5.5 Material und apparative Kapazitäten

5.5.1 Messtechnik

5.5.2 Persönliche Schutzausrüstung (PSA)

5.5.3 Ausstattung Dekontamination

5.5.4 Schutzwirkstoffe

5.5.5 Probenentnahme für Inkorporationsmessungen und biologische und retrospektive physikalische Dosimetrie

5.6 Anforderungsprofil, Qualitätssicherung

5.6.1 Überprüfung und Umsetzung des Anforderungsprofils

5.6.2 Qualitätssicherung

6 Qualifizierung, Kompetenzentwicklung des Personals

6.1 Zielgruppen für die Qualifikation

6.2 Curricula Strahlennotfallärztin/​-arzt und Strahlennotfallmanagement

6.3 Kompetenzerhalt der Ausbildungsstätten

6.4 Schaffung von Anreizsystemen

7 Schulungen und Übungen

7.1 Schulungen

7.2 Übungen

8 Finanzierung des Netzwerks zur Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten

9 Einbindung der Empfehlungen in das Notfallmanagementsystem des Bundes und der Länder

9.1 Gesetzlicher Rahmen – Umsetzung des Verzahnungsprinzips

9.2 Einbindung von Koordinierungsstelle, Strahlennotfallärztinnen und -ärzten sowie im Strahlennotfallmanagement qualifiziertem Personal

9.3 Kommunikation

Literatur

Anhang A 1: Schutzwirkstoffe und Medikamente

Anhang A 2: Lerninhalte der drei Module

Anhang A 3: Ausstattung inklusive Dekontaminationsmittel

1 Einleitung

In Umsetzung der Richtlinie EURATOM 59/​2013 sieht § 97 des Strahlenschutzgesetzes (StrlSchG 2017) vor, dass der Bund und die Länder aufeinander abgestimmte Notfallpläne erstellen. Sie sollen geplante angemessene Reaktionen auf mögliche Notfälle anhand bestimmter Referenzszenarien darstellen und somit die an der Notfallreaktion beteiligten Behörden und Organisationen in die Lage versetzen, im Notfall unverzüglich abgestimmte Entscheidungen zu treffen und angemessene Maßnahmen rechtzeitig durchzuführen. Der Allgemeine Notfallplan des Bundes (ANoPl-Bund) gibt hierzu als übergreifendes Dokument insbesondere grundlegende Schutzstrategien für unterschiedliche Arten von Notfällen mit unterschiedlich schweren Auswirkungen vor. Er soll durch sachbereichsspezifische besondere Notfallpläne des Bundes (BNoPl-Bund) sowie die allgemeinen und besonderen Notfallpläne der Länder ergänzt und konkretisiert werden.

Die Planungen und Vorkehrungen für die medizinische Notfallvorsorge und -reaktion sollen im besonderen Notfallplan des Bundes für den Katastrophenschutz, die allgemeine Gefahrenabwehr und Hilfeleistung sowie für die medizinische Behandlung und Vorsorge nach einer Strahlenexposition der Bevölkerung und der Einsatzkräfte dargestellt werden (§ 99 Absatz 2 Nummer 1 StrlSchG).

Als Leitfaden für die medizinische Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten soll zukünftig die Veröffentlichung der SSK „Strahlennotfallmedizin – Handbuch für die medizinische Versorgung und Ausbildung“ dienen (SSK 2022). Hierin werden Notfallmaßnahmen für Szenarien mit einigen wenigen Betroffen (zum Beispiel Unfall in einem Forschungslabor oder einer Industrieanlage), aber auch mit einem Massenanfall von Betroffenen (wie bei einem Kernkraftwerksunfall oder terroristischen Anschlag) detailliert beschrieben.

Die vorliegende Empfehlung zu den Voraussetzungen und der Organisation des medizinischen Managements von Strahlennotfällen ergänzt und konkretisiert zwei vorangegangene Empfehlungen der SSK aus dem Jahr 2017. In ihrer Empfehlung „Erforderliche medizinische Kapazitäten für die Versorgung und Betreuung der Bevölkerung im radiologischen und nuklearen Notfall“ (SSK 2017a) empfahl die SSK die Erstellung eines abgestuften, integrierten Vor­sorge- und Versorgungskonzepts, welches in Abhängigkeit von den Szenarien und den damit verbundenen erforderlichen Kapazitäten sowohl die Beratung und Versorgung von Einzelnen abdeckt, als auch die Vorsorge für die Betreuung vulnerabler Gruppen (zum Beispiel Schwerkranke) und den Massenanfall von exponierten oder besorgten Personen. Dazu gehört unter anderem auch, die aktuelle Bestandsaufnahme der klinischen Behandlungskapazitäten und -kompetenzen durch die Fortführung regelmäßiger Erhebungen zu sichern und Mindestanforderungen an strukturelle, personelle und apparative Kapazitäten der Kliniken im Sinne eines verbindlichen Anforderungsprofils zu definieren. Die SSK empfahl weiterhin die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle, die betroffene Personen länderübergreifend geeigneten medizinischen Einrichtungen zuweist. Diese Koordinierungsstelle soll Informationen über die jeweils aktuellen Behandlungskompetenzen und -kapazitäten der medizinischen Einrichtungen sowie über die für den Notfall speziell qualifizierten Ärztinnen und Ärzte sowie das weitere medizinische Personal zur Verfügung stellen. Die SSK wies abschließend darauf hin, dass zur Umsetzung die Beteiligung weiterer Ressorts neben dem Bundesumweltministerium erforderlich ist.

In einer weiteren Empfehlung (SSK 2017b) wurde die notwendige Qualifizierung des benötigten, im medizinischen Bereich der Notfallversorgung tätigen Personals beschrieben. Im Kontext der Empfehlungen wurden Qualifizierungsvoraussetzungen neu definiert und der in Frage kommende Personenkreis sowie der Inhalt eines Qualifikationsnachweises „Strahlennotfallmanagement“ und „Strahlennotfallärztin/​-arzt“ dargestellt.

Die SSK hatte unter anderem bereits die Bildung von Teams für die Durchführung der Notfallbehandlung vor Ort empfohlen, deren Mitglieder sich hinsichtlich ihrer Qualifikation ergänzen und möglichst Vorerfahrungen im Umgang mit ionisierender Strahlung am Menschen haben.

Für die Erstversorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten am Unfallort und den Transport ins Krankenhaus verfügen Notärztinnen, Notärzte, Rettungsdienste und Feuerwehren nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung, und die Einsatzkräfte sind bisher nur rudimentär auf die besonderen Herausforderungen der medizinischen Versorgung bei Strahlennotfällen vorbereitet. Mit der Übergabe von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten an ein Krankenhaus kommt es zu einer Schnittstellenproblematik in der Versorgungskette, da in der Regel in den Kliniken weder die notwendige Infrastruktur und Geräteausstattung noch ausreichend qualifiziertes Personal vorhanden ist.

Die Gründe dafür sind vielschichtig: So ist zum einen das Personal nicht hinreichend qualifiziert, zum anderen sind bei den Ressorts und Behörden auf Bundes- und Länderebene die Zuständigkeiten für Strahlenschutz, Katastrophenschutz und Gesundheit äußerst komplex. Mit dem System der Notfallpläne des Bundes und der Länder soll hier Klarheit geschaffen werden. Es bleiben aber Grundsatzfragen zur Organisation und Finanzierung der medizinischen Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten im Krankenhaus offen, zu deren Lösung die SSK mit dieser Empfehlung beitragen möchte.

2 Beratungsauftrag

In Ergänzung zu den Beratungsaufträgen zum medizinischen Notfallschutz wurde die SSK um eine Empfehlung gebeten, die Folgendes beinhalten soll:

Die Formulierung von Mindestanforderungen für Kliniken hinsichtlich der strukturellen, personellen und apparativen Kapazitäten im Sinne eines verbindlichen Anforderungsprofils.
Die Erstellung der Inhalte für ein Curriculum für das geplante Qualifizierungsniveau „Strahlennotfallmanagement“ und „Strahlennotfallärztin/​-arzt“.
Einen Vorschlag, wie die Empfehlungen der SSK in das Notfallmanagementsystem des Bundes und der Länder praktisch eingebunden werden könnten.

Die folgende Empfehlung baut auf Analysen des Status quo (Anfang 2023) zur Organisation des medizinischen Strahlennotfallmanagements in Deutschland und international auf. Sie berücksichtigt auch allgemeine Aspekte des Kompetenzerhalts im medizinischen Strahlenschutz und der Strahlenforschung, die in Zusammenhang mit der Aufgabenstellung stehen.

3 Empfehlung

In diesem Kapitel sind die wesentlichen Empfehlungen zusammengefasst. Weitergehende Darstellungen und Anregungen sind in den nachfolgenden Abschnitten zu finden.

Die SSK empfiehlt, ein Netzwerk zur adäquaten medizinischen Versorgung von Patientinnen und Patienten bei Strahlennotfällen aufzubauen und Mindestanforderungen an die beteiligten Kliniken zu stellen.

Für die Ausstattung von Krankenhäusern mit Infrastruktur, mit Geräten/​Material und hinsichtlich des Personals empfiehlt sie weiterhin,

ein bundesweites zweistufiges Netzwerk von Kliniken mit ausreichender Ausstattung zur Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten (Strahlennotfallzentren) zu schaffen: 20 bis 30 Kliniken mit Bereitschaft zur Aufnahme von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten (erweiterte Versorgung) und fünf bis sieben Spezialeinrichtungen in großen Kliniken (umfassende Versorgung),
die Kliniken der sogenannten erweiterten Versorgung in die Lage zu versetzen, eine erste Sichtung und Initial­behandlung der Strahlennotfallpatientinnen und -patienten zu gewährleisten (zum Beispiel bei Kombinationsverletzungen) und nichtkomplexe Fälle von strahlenbedingten Gesundheitsschäden zu behandeln,
die Spezialeinrichtungen der umfassenden Versorgung in die Lage zu versetzen, bei Strahlennotfällen mit höherer Exposition und zu erwartendem komplexem Verlauf eine zweite Sichtung, spezielle Dekontaminations- und De­korporationsbehandlungen bis hin zur Komplexbehandlung des akuten Strahlensyndroms (ARS) vornehmen zu können,
Konzepte und Vorhaltungen für die Versorgung kontaminierter Strahlennotfallpatientinnen und -patienten bereits in der Planung interdisziplinär anzulegen. Beteiligte Fachdisziplinen sind insbesondere Akut- und Notfallmedizin, Anästhesie, Hämatologie, Unfallchirurgie, Dermatologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin.
Vorhaltungen für die spezielle Notfallversorgung zu schaffen und zu unterhalten, welche nicht in der derzeitigen Standardausstattung der Krankenhäuser vorhandenen sind (zum Beispiel geeignete Raumordnung und Wege­führung, Dekontaminationseinrichtungen, spezielle Messgeräte, ausreichend bestückte Depots für Medikamente, Geräte und medizinisches Material, persönliche Schutzausrüstung),
die Klinikapotheke eines Strahlennotfallzentrums in die Lage zu versetzen, falls indiziert unverzüglich über Medikamente verfügen zu können, die zur Behandlung des ARS und von strahlenbedingten Schäden der Haut und Weichteile benötigt werden, und
in den beteiligten Krankenhäusern für die Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten Teams aufzubauen, die aus qualifizierten Ärztinnen/​Ärzten, Medizintechnologinnen/​-technologen, Pflegekräften, Rettungskräften, Medizinphysikerinnen/​-physikern, Technikerinnen/​Technikern, Strahlenschutzexpertinnen/​-experten und Kriseninterventionskräften bestehen, und
mobile Teams zur Unterstützung der Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten zu bilden, in die auch Strahlenschutzexpertinnen und -experten von Einrichtungen außerhalb von Strahlennotfallzentren eingebunden werden können.

Für die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle empfiehlt die SSK,

eine Koordinierungsstelle einzurichten und zu betreiben, zum Beispiel in Anlehnung an das bundesweite System für die Verteilung intensivpflichtiger Patientinnen und Patienten nach dem sogenannten Kleeblattkonzept,
der Koordinierungsstelle einen Beirat aus Expertinnen und Experten im Strahlenschutz und zur Behandlung von Strahlennotfällen zur Seite zu stellen,
die Koordinierungsstelle in die Lage zu versetzen, notwendige Informationen über freie Behandlungskapazitäten, die vorhandene apparative und personelle Ausstattung in den Kliniken sowie die aktuelle Verfügbarkeit mobiler Expertinnen und Experten, die die Notfallversorgung vor Ort unterstützen, zu liefern,
die deutschlandweite Verteilung der Strahlennotfallpatientinnen und -patienten durch die Koordinierungsstelle auf der Basis tagesaktuell erfasster freier Behandlungskapazitäten und der aktuell vorhandenen apparativen und personellen Ausstattung in den teilnehmenden Kliniken durchführen zu lassen,
die Koordinierungsstelle unter Beteiligung ihres Beirats in die Überprüfung des Anforderungsprofils und der Qualitätssicherung der Kliniken einzubinden, wobei die Vorgaben hierzu verbindlich zu regeln sind, und
der Koordinierungsstelle zu ermöglichen, mobile Expertinnen und Experten für die Unterstützung der Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten sowie auch für Strahlennotfälle selbst vor Ort zu vermitteln.

Zur Etablierung der Curricula „Strahlennotfallmanagement“ und „Strahlennotfallärztin/​-arzt“ wird empfohlen,

die Grundlagen für eine Qualifizierung im Sinne des beschriebenen Wissens zukünftig schon in Schule und Studium zu legen,
die Curricula zur Weiterqualifizierung für alle Berufsgruppen modular aufzubauen:

Modul 1: Grundlagen und präklinische Versorgung
Modul 2: Psychosoziale Versorgung/​Krisenkommunikation
Modul 3: Stationäre klinische Versorgung (nur Ärztinnen und Ärzte)
zum Erwerb der Qualifikation „Strahlennotfallmanagement“ die erfolgreiche Teilnahme an den beiden ersten Modulen, zum Erwerb der Qualifikation „Strahlennotfallärztin/​-arzt“ zusätzlich noch das dritte Modul zu fordern. Zum Erwerb der Qualifikation ist eine Teilnahme an einer Notfallübung obligatorisch,
die Qualifikation mindestens alle fünf Jahre durch Teilnahme an einem Kurs, an einer Übung oder durch Mitarbeit bei der Bewältigung eines Strahlennotfalls zu aktualisieren und
in regelmäßigen Abständen Übungen sowohl auf Strahlennotfallzentrums- als auch auf Landes- und Bundesebene durchzuführen. Dabei könnten neben unerlässlichen Einsatzübungen unter Realbedingungen auch virtuelle Übungen erfolgen.

Zur Einbindung in das Notfallmanagementsystem des Bundes und der Länder empfiehlt die SSK,

die vorliegenden Empfehlungen der SSK im Rahmen des Verzahnungsprinzips (vergleiche insbesondere § 92 Absatz 1 und § 109 StrlSchG) in den für den jeweiligen Sachbereich geltenden Vorschriften von Bund und Ländern umzusetzen,
insbesondere für die Etablierung des von der SSK empfohlenen Netzwerks zur Versorgung von Strahlennotfall­patientinnen und -patienten in Deutschland eine enge Zusammenarbeit von BMUV, BMG, BMI, BfS und BBK sowie der Länder aufzubauen und
den Kommunikationsfluss von der Koordinierungsstelle in das Notfallmanagementsystems des Bundes und der Länder zu gewährleisten.

Die Finanzierung der für die Umsetzung dieser SSK-Empfehlungen notwendigen Aufwendungen soll im Verbund der Bundes- und Länderressorts für Umwelt, Gesundheit und Inneres zur Verfügung gestellt werden. Es wird empfohlen,

Ausstattung, Funktion und Unterhalt des Netzwerks von Krankenhäusern (Infrastruktur, Geräte und Material, Personal) mittelgebunden zu finanzieren,
Einrichtung und Betrieb der zentralen Koordinierungsstelle (digitale Infrastruktur, Personal) sicherzustellen und
Aufwendungen für Freistellungen und Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen, Schulungen und Übungen sowie Mittel für die Entwicklung virtueller Trainings- und Entscheidungssysteme zu übernehmen.

4 Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten

4.1 Situation in Deutschland

4.1.1 Überblick zu vorhandenen klinischen Kapazitäten und Kompetenzen zur Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten

Seit 2007 wird im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) in einem Forschungsvorhaben ein flächendeckender Überblick vorhandener klinischer Kapazitäten und Kompetenzen zur Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten in Deutschland erstellt. Das Vorhaben erfolgte zunächst unter Federführung des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) und später der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) (SSK 2017a).

Jährliche Erhebungen an (nichtrepräsentativ) ausgewählten Krankenhäusern erfragen verfügbare Kapazitäten (allgemeine Klinikinformationen, besondere Struktur- und Leistungsdaten und die personelle Ausstattung), ermitteln die subjektive Selbsteinschätzung der Behandlungskompetenz für Strahlennotfallpatientinnen und -patienten sowie die Bereitschaft der Kliniken zu deren Aufnahme und Behandlung. Eine jährlich aktualisierte, datenbankgestützte Webanwendung soll die Identifizierung behandlungsbereiter Kliniken erleichtern (Schneider und Reiners 2010).

Ein fester Stamm von ca. 35 Kliniken bekundet seit 2007 durchgehend seine Bereitschaft, Strahlennotfallpatientinnen und -patienten aufzunehmen und zu behandeln und am freiwilligen Vermittlungsverfahren teilzunehmen. Damit stünden deutschlandweit nur wenige klinische Versorgungseinrichtungen zur Verfügung. Über den Zugang zur Liste der teilnehmenden Einrichtungen verfügt das BMUV (SSK 2017a).

Das derzeitige Konzept der Krankenhauserhebung weist einige im Folgenden beschriebene Schwächen auf; diese betreffen das Erhebungsinstrument selbst, die Durchführung der Erhebung und die Interpretation der Ergebnisse. Mängel bestehen auch im Hinblick auf die Weiterentwicklung, Finanzierung und Verfügbarkeit sowie den Zugang zur Krankenhausdatenbank.

Da die Angaben im Erhebungsbogen eine Selbsteinschätzung darstellen, bleibt offen, ob die Resultate als zuverlässiger Indikator für die Qualität einer Klinik im Falle eines tatsächlichen Strahlennotfalls gelten können. Darüber hinaus fehlen bisher im Erhebungsbogen einige relevante Fragen, zum Beispiel nach der Bevorratung von speziellen Medikamenten zur Dekorporation oder nach der technischen Ausstattung der Kliniken. Die Aussagekraft der Erhebung ist zudem eingeschränkt, weil Daten nur unvollständig oder überhaupt nicht mitgeteilt wurden.

Auch die fehlende Aktualität der Daten stellt ein Problem dar, da sie mit einer zeitlichen Verzögerung von mindestens einem Jahr erhoben werden.

Die Auskunft über fachliche Kompetenzen und vorhandene personelle und strukturelle Kapazitäten beruht auf der subjektiven Selbsteinschätzung der Kliniken, die bisher keiner Überprüfung oder externen Kontrolle unterliegt. Da eine objektive, externe Kontrolle bislang fehlt, lassen die vorliegenden Erhebungen keinen definitiven Rückschluss auf die tatsächlich vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten der Kliniken zu. Zudem hängen die Ergebnisse vom Wissen, von der Genauigkeit und der Motivation der antwortenden Kliniken ab. Insofern ist ein „responder bias“ wie auch eine Über- oder Unterschätzung der Kapazitäten und Kompetenzen nicht auszuschließen.

Weitere offene Fragen betreffen die Überprüfung der Kompetenz etwa durch die Teilnahme an Schulungen, Trainings und Übungen sowie die Zertifizierung der Kliniken.

Ungeklärt sind zudem Fragen der Projektfortsetzung und Finanzierung der Erhebung sowie Fragen der Zugangs- und Zugriffsberechtigung zur Datenbank.

4.1.2 System der Regionalen Strahlenschutzzentren der Berufsgenossenschaften (RSZ)

Schon Ende der 1970er Jahre haben die Berufsgenossenschaften aufgrund einer Änderung des Strahlenschutzrechts mit einer dadurch steigenden Anzahl der als beruflich strahlenexponierten Personen die Notwendigkeit erkannt, spezielle Einrichtungen vorzuhalten, die in der Lage sind, Personen nach berufsbedingten Unfällen mit ionisierender Strahlung aufzunehmen und zu versorgen. Hierbei hatte man nicht den Notfall mit vielen betroffenen Personen im Blick, sondern den „kleinen Strahlenunfall“, der bei der beruflichen Tätigkeit auftreten kann und nur wenige Personen betrifft. Außerdem traten nach Beobachtungen der Berufsgenossenschaften auch bei medizinischem Personal in Folge persönlicher Ängste und der zunehmenden Politisierung des Themas „ionisierende Strahlung“ Probleme (zum Beispiel Verzögerung oder Verweigerung der Patientenaufnahme) beim Umgang mit strahlenexponierten Personen auf.

In medizinischen Einrichtungen an Universitätskliniken und Forschungszentren konnte in den Folgejahren eine Zusammenarbeit auf eine vertragliche Basis mit zeitweise bis zu elf dieser Einrichtungen und Zentren gestellt werden. Sie werden als Regionale Strahlenschutzzentren (RSZ)1 bezeichnet. Über die Jahre hat die Anzahl der RSZ vorwiegend aus ökonomischen Gründen und veränderter Schwerpunktsetzung der beteiligten Institutionen auf aktuell sieben abgenommen.

Das System der RSZ soll sicherstellen, dass im Anforderungsfall die betroffenen Personen mit den vor Ort zur Verfügung stehenden Mitteln versorgt werden. Dies beinhaltet, neben diagnostischen Untersuchungsverfahren, wenn notwendig und möglich, auch die stationäre Aufnahme dieser Personen. Die RSZ können in einem Strahlennotfall beratende Funktion für den Betrieb, den betrieblichen Strahlenschutz, die/​den Strahlenschutzärztin/​-arzt (ermäch­tigte/​-r Ärztin/​Arzt oder Strahlennotfallärztin/​-arzt), die/​den Notärztin/​-arzt und, falls notwendig, auch für involvierte Krankenhäuser übernehmen. Aus diesem Grund sind Mitarbeitende des RSZ rund um die Uhr erreichbar.

Zur Unterstützung der RSZ ist in das System der Versorgung auch die BG-Klinik Ludwigshafen-Oggersheim ein­gebunden. Dort wurde in den 90er Jahren eine spezielle Station für Strahlennotfallpatientinnen und -patienten mit einem Aufnahmetrakt zur Dekontamination und einem speziellen OP eingerichtet. Die Klinik steht insbesondere für exponierte Personen mit konventionellen Unfallschäden zur Verfügung. Für spezielle Behandlung sind Verträge mit externen Einrichtungen geschlossen worden.

Um die Zusammenarbeit unter den RSZ und mit den Berufsgenossenschaften zu organisieren und zu koordinieren, wurde 1982 von der Berufsgenossenschaft Feinmechanik und Elektrotechnik sowie der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie das Institut für Strahlenschutz (IfS) gegründet. Auch die nach mehreren Fusionen entstandenen Folge-Berufsgenossenschaften, Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) und Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI), sehen die Notwendigkeit, das Institut und das System der RSZ fortzuführen.

Besonders hervorzuheben ist, dass das IfS attraktive Fortbildungen für die Mitarbeitenden der RSZ und der BG-Klinik anbietet. Die jährlichen Fortbildungsveranstaltungen dienen auch dazu, die Vernetzung zwischen den RSZ-Mitarbeitenden sowie den Strahlenschutzexpertinnen und -experten herzustellen, die in einen Strahlennotfall eingebunden sind. Des Weiteren organisiert und unterstützt das Institut Strahlennotfallübungen.

4.1.3 Einrichtungen zur Spezialdiagnostik

Die Diagnostik von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten benötigt Fachexpertise, die in der klassischen medizinischen Versorgung weder ambulant noch stationär flächendeckend vorhanden ist. Aufgrund der Seltenheit der Ereignisse wird diese auch zukünftig nicht flächendeckend vorhanden sein.

Folgende diagnostische Spezialeinrichtungen werden für medizinische Fragestellungen bei Exposition durch ionisierende Strahlung und radioaktive Stoffe benötigt: Inkorporationsmessstellen, Labore für retrospektive Dosimetrie, Simulationssysteme zur Abschätzung der Isodosen bei deterministischen Schäden (Gewebe-Schäden) und Wundmessplätze.

Explizit wird hier weder auf klassische Dosimetrieanwendungen noch auf Kontaminationsnachweisgeräte einge­gangen.

4.1.3.1 Inkorporationsmessstellen

Inkorporationsmessungen können an behördlich bestimmten Messstellen durchgeführt werden2. Von diesen Messstellen verfügt etwa die Hälfte über In-vitro-Methoden zur Ausscheidungsanalytik und dreiviertel über In-vivo-Messtechnik (Ganz- und Teilkörperzähler). Neben den behördlich bestimmten Messstellen bieten weitere Einrichtungen und Labore In-vitro- oder In-vivo-Messungen an. Auch ein mobiler Ganzkörperzähler ist in Deutschland verfügbar. Das BfS führt derzeit regelmäßig Ringversuche zur Qualitätssicherung durch.

Die Einbindung aller genannten Messstellen in Konzepte für die Notfallversorgung ist derzeit nicht geregelt. Diese Messstellen sollen in Zukunft zur Versorgung der Bevölkerung bei Strahlennotfällen in die besonderen Notfallpläne des Bundes und der Länder einbezogen werden.

4.1.3.2 Wundmessplätze

In Deutschland sind derzeit keine Wundmessplätze vorhanden, die alle Anforderungen eines Einsatzes im Strahlennotfall erfüllen. Daher ist beim BfS ein entsprechendes System in Entwicklung, das auch durch eine Teilnahme an internationalen Ringversuchen qualitätsgesichert wird.

Daneben wäre denkbar, dass die in vielen Kliniken vorhandenen Wächterlymphknoten-Messplätze auch in Strahlennotfällen eingesetzt werden könnten. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich bei den zu detektierenden Nukliden um Gammastrahler handelt. Geeignete Geräte und die notwendigen Einstellungen sowie die Anforderungen an die Qualitätssicherung für diesen Einsatzzweck müssten jedoch noch ermittelt beziehungsweise festgelegt werden.

4.1.3.3 Retrospektive Dosimetrie

Für die retrospektive Dosimetrie eignen sich Verfahren der retrospektiven physikalischen Dosimetrie und Verfahren der Biodosimetrie. Es ist geplant, die retrospektive physikalische Dosimetrie (Optisch Stimulierte Lumineszenz (OSL) und paramagnetische Elektronenresonanz (Englisch EPR)) am BfS aufzubauen. Möglichkeiten des Zugriffs auf diese Verfahren in Deutschland sollten vorgehalten werden.

Biologische Dosimetrie wird derzeit vom BfS und vom Institut für Radiobiologie der Bundeswehr (InstRadBioBw) für die klassische zytogenetische Analyse angeboten. Ferner stehen weitere, derzeit im Hinblick auf die biologische Dosimetrie noch mit etwas weniger Evidenz belegte Verfahren zur Verfügung wie Genexpressionsanalysen oder Analysen auf gamma-H2AX-Foci. Neben den genannten Institutionen gibt es noch einzelne Arbeitsgruppen, die sich mit Biodosimetrie beschäftigen. Der europäische Verein für retrospektive physikalische und biologische Dosimetrie (RENEB) bietet regelmäßig Ringversuche für seine Mitglieder an und unterhält ein informelles europäisches Netzwerk mit Verbindungen zu Institutionen und einzelnen Mitgliedern aus anderen Kontinenten. Über RENEB ist ein Zugang zu den weltweiten Laboren der retrospektiven physikalischen und biologischen Dosimetrie möglich.

Für den Fall einer unklaren, nicht näher spezifizierten möglichen Exposition durch ionisierende Strahlung sollte kurzfristig mit Expertinnen und Experten aus den Netzwerken für physikalische oder biologische Dosimetrie Kontakt aufgenommen werden. Zur sensitiven und schnellen Analyse müssen bei Inkorporation geeignete Verfahren beider Dosimetriearten ausgewählt und teilweise kombiniert werden. Für den Fall einer möglichen Kontamination müssen entsprechende Schutzmaßnahmen beachtet werden. Wird eine reine externe Exposition vermutet, kommen bei sehr früher Diagnostik sensitive Methoden der biologischen Dosimetrie in Frage. Langfristig wäre zudem eine durch künstliche Intelligenz gestützte Analyse von klinischen Befunden inklusive Differentialblutbilddaten denkbar, um eine Exposition auch ohne konkreten Verdacht nachweisen und weiter analysieren zu können. Hier besteht eindeutig Forschungs- und Entwicklungsbedarf.

Derzeit ist in Deutschland keine Einrichtung bekannt, die nach Exposition durch Simulation Isodosen für die an­gemessene chirurgische Versorgung von Gewebeschäden (ehemals Deterministische Weichteilschäden) qualitäts­gesichert bestimmen könnte.

4.1.4 Vorhaltung von Schutzwirkstoffen

Unter Schutzwirkstoffen versteht man Medikamente, die bei einer internen Kontamination mit Radionukliden (beispielsweise nach Ingestion oder Inhalation) zum Einsatz kommen.

Unspezifische Medikamente werden eingesetzt, um Radionuklide möglichst schnell wieder aus dem Körper zu eliminieren sowie eine Aufnahme aus dem Magen-Darmtrakt in den Körper zumindest zu verzögern und eine Ausscheidung auch über die Niere zu beschleunigen. Dazu zählen beispielsweise Abführmittel oder Flüssigkeiten zur Spülung des Verdauungstraktes. Diese Substanzen sind in der akutmedizinischen Behandlung von Vergiftungen fest etabliert und stellen auch bei Ereignissen mit einer erhöhten Anzahl von Patientinnen und Patienten normalerweise keinen Engpass dar.

Spezifische Medikamente zur Dekorporation hingegen werden eingesetzt, um die Folgedosis möglichst gering zu halten, wenn eine Inkorporation trotz oben genannter Maßnahmen nicht zu verhindern ist beziehungsweise bereits eingesetzt hat. Dabei handelt es sich um nuklidspezifische Therapeutika, die ebenfalls in Einrichtungen der akut­medizinischen Versorgung eingesetzt werden. Derzeit sind die Bestände allenfalls für eine Dekorporation einzelner Patientinnen und Patienten in spezialisierten Einrichtungen ausgerichtet. Einen besonderen Wirkstoff bei den De­korporationsmedikamenten stellt Kaliumiodid dar, da es bei Exposition der Bevölkerung gegenüber radioaktiven Iodisotopen breitflächig und außerhalb medizinischer Einrichtungen im Sinne einer frühen Schutzmaßnahme verabreicht wird.

Nach § 192 Absatz 1 in Verbindung mit § 104 StrlSchG ist das BfS zuständig für die Beschaffung von Schutzwirkstoffen zur Versorgung der Bevölkerung im Bundesgebiet bei Notfällen. Die Schutzwirkstoffe werden den Ländern zur Bevorratung, Verteilung und Abgabe an die Bevölkerung zur Verfügung gestellt.

Auf dieser Basis hat das BfS im Jahr 2019 189,5 Millionen Kaliumiodidtabletten à 65 mg neu beschafft. Eine langfristige Lagerung und die Abgabe durch nichtfachliches Personal an den Endverbraucher ist durch wesentliche Ausnahmen vom Arzneimittelgesetz (AMG) in der Kaliumiodidverordnung (KIV) geregelt. Die Vorhaltung und Abgabe der Kaliumiodidtabletten im Notfall ist in den Ländern unterschiedlich geregelt, Übungen hierzu finden nur unregelmäßig statt.

Eine strategische Beschaffung und Bevorratung von nuklidspezifischen Dekorporationsmedikamenten wird derzeit geplant. Ziel ist es, zeitnah die Fähigkeit zur Dekorporationsbehandlung von mindestens 100 Patientinnen und Patienten sicherzustellen. Im Sinne der schnellen Verfügbarkeit sollten auch Dekorporationsmedikamente dezentral vorgehalten werden, von wo sie kurzfristig an eine akutmedizinische Einrichtung transportiert werden können (siehe Abschnitt 5.5.4).

4.1.5 Versorgungsstrukturen für konventionelle Verletzungen und Erkrankungen in Deutschland

In Deutschland gibt es mehrere Netzwerke, die in erster Linie der Verlegung von Schwerkranken in Einrichtungen mit aktuell freien Behandlungsbetten dienen. Die Expertise in der Behandlung der entsprechenden Erkrankungen und die dafür nötige Infrastruktur wird nach einem Stufenmodell vorgehalten. Für das in dieser SSK Empfehlung dargestellte Konzept zur Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten soll die notwendige Infrastruktur ergänzt, aufgebaut und in entsprechende Strukturen integriert werden.

4.1.5.1 Brandverletztenzentren und zentrale Anlaufstelle für Schwerbrandverletzte

Die Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin e. V. (DGV) unterstützt laut ihrer Satzung Maßnahmen zur Sicherstellung und Verbesserung der Versorgungsqualität in der Behandlung Brandverletzter. Eine große Rolle spielen dabei die von der DGV herausgegeben Empfehlungen zur strukturellen und personellen Ausstattung von Brandverletztenzentren. Ab einem in diesen Empfehlungen definierten Schweregrad soll die Versorgung von Brandverletzten in zertifizierten Brandverletztenzentren erfolgen, deren baulich, apparative und personelle Ausstattung über derjenigen üblicher Intensivstationen liegt. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Brandverletztenzentren an Krankenhäuser angegliedert sind, die von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung eine Zulassung für die stationäre und ambulante Behandlung von Arbeits-, Schul- und Wegeunfällen haben.

Für die Vermittlung von Krankenhausbetten für Schwerbrandverletzte steht eine zentrale Anlaufstelle (ZA-Schwerbrandverletzte) zur Verfügung, deren Aufgaben seit 1999 von der Rettungsleitstelle der Feuerwehr in Hamburg wahrgenommen werden (https:/​/​verbrennungs​medizin.de/​brandverletztenzentren). Aufgabe der ZA-Schwerbrandverletzte ist es, auf telefonische Anfrage die dem Schadensort am nächsten gelegene und geeignete Einrichtung mit freien Kapazitäten und den dortigen Ansprechpersonen zu benennen. Die an diesem Vermittlungsverfahren beteiligten Krankenhäuser melden der ZA-Schwerbrandverletzte umgehend alle Veränderungen der Belegungssituation. Derzeit nehmen knapp 40 Brandverletztenzentren mit rund 150 Spezialbetten (davon ¼ für Kinder) an dem Verfahren teil.

4.1.5.2 Überregionale Traumazentren und Traumanetzwerke

Ein überregionales Traumazentrum ist ein von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e. V. (DGU) zertifiziertes Krankenhaus, welches die Maximalversorgung von schwerverletzten Patientinnen und Patienten wahrnehmen kann. Die Traumazentren sind seit dem Start der Initiative im Jahr 2008 dreistufig im Traumanetzwerk miteinander verbunden, sodass Patientinnen und Patienten von einem lokalen oder regionalen Traumazentrum in ein überregionales Traumazentrum übernommen werden können3. Gründe für die Versorgung in einem überregionalen Traumazentrum können sowohl Diagnosen wie schwere Blutungen als auch Therapien wie die Behandlung komplexer Weichteilverletzungen sowie auch Begleitumstände wie eine aufwändige Behandlung zur Vermeidung der Blutgerinnung sein. Derzeit kooperieren in Deutschland knapp 600 Traumazentren der verschiedenen Versorgungstufen (darunter rund 120 überregionale) in rund 50 Traumanetzwerken miteinander. Eine zentrale Anlaufstelle wie für Schwerbrandverletzte wird nicht vorgehalten.

4.1.5.3 System für die strategische Verlegung von (intensivpflichtigen) Patientinnen und Patienten

Ein System für die strategische Verlegung von intensivpflichtigen COVID-19-Patientinnen und -Patienten nach dem sogenannten Kleeblattkonzept wurde 2021 entwickelt. Der Grundgedanke ist, bei Notwendigkeit einer strategischen Verlegung sowohl eine geeignete Behandlung- als auch Transportressource sicherstellen zu können. Hierzu wurde Deutschland in fünf Regionen (sogenannte „Kleeblätter“) aufgeteilt. Die Koordinierung der Verlegung von Patientinnen und Patienten erfolgt über „Single-Points-of-Contact“ in jedem Kleeblatt. Für die medizinische Fachberatung der Kleeblattpartner ist die am Robert-Koch-Institut angesiedelte Expertengruppe von Intensivmedizinerinnen/​-medizinern, Infektiologinnen/​Infektiologen und Notfallmedizinerinnen/​-medizinern „COVRIIN“ zuständig (Gräsner et al. 2021).

Das Kleeblattkonzept wird seit 2022 für die Übernahme und Verteilung von Patientinnen und Patienten mit Indikation zur (akut-)stationären Krankenhausbehandlung aus der Ukraine erfolgreich genutzt (BBK 20234). Dafür wurde die Expertengruppe für die medizinische Fachberatung um weitere medizinische Fachdisziplinen zur „COVRIIN +“ erweitert (Gräsner et al. 2022). Zudem wurde das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ) im BBK als sechstes Kleeblatt hinzugefügt. Es vernetzt Informationen im Kleeblattkonzept und koordiniert, moderiert und vermittelt notwendige Transporte und Transportressourcen (BBK 20233). Das GMLZ übernimmt auch die – je nach Lage gegebenenfalls anfallende – Koordinierung mit dem Ausland und steuert die Hilfeleistungsersuche, welche an Deutschland gestellt werden, in den nationalen Prozess ein und sorgt mit den Kleeblattpartnern für die Bereitstellung von Behandlungs- und Transportressourcen sowie die dazugehörige Koordination und Abstimmung.

4.2 Internationale Situation

4.2.1 WHO-REMPAN-Netzwerk

Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahr 1986 wurde mit zwei internationalen Übereinkommen über die frühzeitige Benachrichtigung und über Hilfeleistung unter Federführung der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) ein System zur internationalen Bewältigung von Strahlennotfällen geschaffen. Im Jahr 1987 trat die Welt­gesundheitsorganisation (WHO) beiden Abkommen bei und baute in Folge das Netzwerk REMPAN (Radiation Emergency Medical Preparedness and Assistance Network) auf. Die Aktivitäten des Netzwerks umfassen die Ver­mittlung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten, Forschung und Entwicklung medizinischer Maßnahmen zur Bewältigung von Strahlennotfällen sowie die Bereiche Strahlendosimetrie und Strahlenepidemiologie.

Die Mitgliedschaft im Netzwerk ist dreigestuft:

1)
WHO Collaborating Centers (WHO CC) werden durch die WHO in Abstimmung mit den nationalen Gesundheitsbehörden formell als WHO CC für einen Zeitraum von vier Jahren designiert. Es handelt sich bei den WHO CC in der Regel um Regierungseinrichtungen, zum Teil aber auch um Forschungszentren oder Universitätsklinika. Die Zahl der im REMPAN-Netzwerk designierten CC entwickelt sich dynamisch, derzeit gibt es ca. 20 WHO CC aus rund 15 Nationen5. Darunter verfügen etwa die Hälfte über eigene medizinische Kapazitäten (Betten) zur Behandlung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten.
In Deutschland ist die Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universität Würzburg seit 2005 als WHO CC designiert. 2018 kam als weiteres deutsches WHO-CC das Bundesamt für Strahlenschutz hinzu.
2)
Liaison Institutions (LI) stehen in einer informellen Beziehung zur WHO. Grundlage ist der Austausch von „letters of intent“ zur Zusammenarbeit auf bestimmten Fachgebieten. Die Zahl der LI ist mit 33 Einrichtungen aus 25 Ländern im Vergleich zu den WHO CC höher. Auf deutscher Seite verfügen folgende Einrichtungen über den Status einer LI: Institut für Radiobiologie der Bundeswehr (InstRadBioBw), München; Institut für Strahlenschutz der Berufsgenossenschaften (IfS), Köln.
3)
Observer sind einzelne Expertinnen und Experten mit Fachkenntnissen auf dem Gebiet des medizinischen Strahlennotfallmanagements. Die Zahl der Observer liegt derzeit bei etwas über 30.

Im Rahmen der Designierung werden von den WHO CC mit der WHO spezifische Aufgaben als „terms of reference (TOR)“ gemeinsam festgelegt.

Die TOR der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin des Universitätsklinikums Würzburg beinhalten die Unterstützung der WHO bei der Vorbereitung und der Reaktion des öffentlichen Gesundheitswesens auf Strahlennotfälle, bei der Ausbildung und der Informationsverbreitung im Bereich des Strahlenschutzes und des Strahlennotfallmanagements, sowie im Bereich des medizinischen Strahlenschutzes in der Krankenversorgung auf dem Fokus „best practice“ in der klinischen Nuklearmedizin.

Die TOR des BfS sind sehr viel breiter angelegt. Sie decken den Bereich der Vorbereitung und Response des öffentlichen Gesundheitswesens auf Strahlennotfälle ab (REMPAN und Aktivitäten des Global Biodosimetry Network for Radiation Emergencies der WHO (BioDoseNet) eingeschlossen). Hinzu kommen Aufgaben zur nichtionisierenden Strahlung, der medizinischen Strahlenanwendung und zu bestehenden, meist natürlichen Strahlenexpositionen.

4.2.2 IAEA Response and Assistance Network (RANET)

Das IAEA Response and Assistance Network (RANET) wurde im Jahr 2000 gegründet und ist Teil der Umsetzung des Übereinkommens über Hilfeleistung. Länder, die in einem Strahlennotfall Hilfe benötigen, können diese bei einem im RANET registrierten Mitgliedsstaat anfragen, entweder über die IAEA oder direkt bilateral. Das Netzwerk standardisiert und harmonisiert den Hilfeleistungsprozess und soll eine schnelle internationale Hilfe zum Schutz von Menschen­leben, Gesundheit, Eigentum und Umwelt ermöglichen.

Der RANET-Mechanismus wurde bereits mehrfach aktiviert. Die über RANET von den entsprechenden Mitglieds­staaten bereitgestellten Fähigkeiten und Kapazitäten gliedern sich in acht Kategorien (Functional Areas), darunter zum Beispiel medizinische Unterstützung (Medical Support). Über RANET kann Expertise (auch die Aussendung von Expertenteams) zur medizinischen Behandlung von Betroffenen, in Einzelfällen und in Notfallsituationen, erbeten werden. Dies schließt auch Hilfe bei der Triage und die psychologische Unterstützung für die Patientinnen und Patienten selbst, ihre Familien, Erste Hilfe leistende Personen und medizinisches Personal ein. Deutschland ist RANET im August 2013 beigetreten, das BMUV ist die deutsche Koordinierungsstelle. Zurzeit sind Fähigkeiten und Kapazitäten des BfS und des InstRadBioBw gemeldet.

4.2.3 Beispiele für Versorgungsstrukturen im Ausland

Als Beispiel für eine stark zentralisierte Versorgungsstruktur kann das Konzept der Russischen Föderation dienen. Bereits 1948 wurde die Klinik Nummer 6 mit 200 Betten in Moskau vom russischen Gesundheitsministerium mit der Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten beauftragt und auf dem Gelände der Klinik das Institut für Biophysik etabliert. Die Klinik wurde bekannt durch Behandlung von Opfern der Havarie des Reaktors in Tschernobyl, die am akuten Strahlensyndrom erkrankt waren. 2007 wurden Klinik und Institut in „Burnasyan Federal Medical Biophysical Center“ umbenannt. Bettenkapazitäten für Strahlennotfallpatientinnen und -patienten in der Russischen Föderation werden außerdem vorgehalten am Nikiforov Center of Emergency Medicine in St. Petersburg, dem A. Tsyb Medical Radiological Research Center in Obninsk und dem Urals Research Center for Radiation Medicine in Chelyabinsk. Bei allen diesen Einrichtungen handelt es sich um Forschungszentren mit angeschlossenen Kliniken, die auch am REMPAN-Netzwerk teilnehmen.

In Japan wurde auf der Grundlage der Erfahrungen des Reaktorunfalls von Fukushima ein zweistufiges System etabliert, das eine größere Zahl peripherer Krankenhäuser in die Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten einbezieht (Tatsuzaki 2022). Dabei wird unterschieden zwischen medizinischen „high level“-Strahlennotfallzentren (Nuclear Emergency Medical Support Centers) und peripheren, an der Versorgung von Strahlennotfällen beteiligten Krankenhäusern (Nuclear Emergency Core Hospitals). Bei den vier „high level“-Zentren handelt es sich um über Japan verteilte Einrichtungen an den Universitäten Hirosaki, Fukushima, Hiroshima und Nagasaki. Die organisatorische Leitung des Netzwerks liegt bei der Universität Hirosaki; unterstützt wird es vom Core Advanced Radiation Emergency Medical Support Center an den National Institutes for Quantum Sciences and Technology (QST) in Chiba. Die an der Versorgung von Strahlennotfällen beteiligten peripheren Krankenhäuser sind Einrichtungen in der Nachbarschaft von japanischen Kernkraftwerken; bis 2019 wurden 41 solcher Einrichtungen benannt (Ogasawara 2019). Das QST unterstützt alle an der Versorgung beteiligten Krankenhäuser mit mobilen Expertenteams.

Im Vereinigten Königreich (UK) ist die UK Health Security Agency (UKHSA) zuständig für die Beratung und Unter­stützung bei Strahlennotfällen. Die stationäre Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten übernehmen reguläre Einrichtungen des nationalen Versorgungssystems (NHS). Im Falle eines akuten Strahlensyndroms mit Entwicklung eines akuten hämatologischen Syndroms wird auf die in der europäischen Gesellschaft „European Society for Blood and Marrow Transplantation“ (EBMT) aktiven Krankenhäuser und deren Expertise verwiesen. Für die Spezialdiagnostik unterhält die UKHSA eigene Laboratorien.

In Frankreich sind für den Fall von Strahlennotfällen neben einer Reihe ziviler Krankenhäuser auch Militärkrankenhäuser (Hôpital d’Instruction des Armées, HIA) ausdrücklich zur Aufnahme von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten benannt. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das HIA Percy in Clamart (bei Paris), das kontaminierte Patientinnen und Patienten versorgen kann und über Fachabteilungen zur Behandlung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten verfügt (Hämatologie, Verbrennungszentrum). Das HIA Percy ist in internationale Netzwerke zur Hilfeleistung bei Strahlennotfällen eingebunden (zum Beispiel RANET) und hat auch schon mehrfach internationale Hilfeleistungen erbracht.

In den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) sind vor allem zwei Institutionen für ihr Engagement für mögliche Strahlennotfallpatientinnen und -patienten zu erwähnen.

Das REAC/​TS (Radiation Emergency Assistance Center/​Training Site) ist eine Einrichtung des US-Energieministeriums (DOE) und führend hinsichtlich des Know-hows in der medizinischen Versorgung von Strahlennotfällen. Es ist ein wesentlicher Partner für IAEA und WHO. Es berät die „National Nuclear Security Administration“ (NNSA) bezüglich Terrorismus- und Proliferationsbekämpfung und hat eine zentrale Rolle in der medizinischen Ausbildung in Hinblick auf Strahlennotfälle. In der Vergangenheit war REAC/​TS wiederholt in die Versorgung von Patientinnen und Patienten durch die Entsendung multidisziplinärer Teams eingebunden. REAC/​TS unterhält keine eigene stationäre Behandlungseinrichtung.

Das RITN (Radiation Injury Treatment Network) ist eine Kooperation des „National Marrow Donor Program“ und der „American Society for Blood and Marrow Transplantation“. Die Ziele von RITN bestehen darin, Hämatologinnen/​Hämatologen, Onkologinnen/​Onkologen und Stammzelltransplantationsexpertinnen/​-experten über ihre potenzielle Beteiligung an der Reaktion auf einen Strahlennotfall aufzuklären und Behandlungsexpertise bereitzustellen. Dies beinhaltet auch Übungen. Im zweijährigen Rhythmus finden interdisziplinäre Tagungen statt, bei denen sich Klinikerinnen/​Kliniker, Physikerinnen/​Physiker und Radiobiologinnen/​-biologen austauschen. Das Netzwerk verfügt allerdings nicht über eine ausgewiesene Versorgungsstruktur für Kombinationsverletzungen.

5 Etablierung eines Netzwerkes und Mindestanforderungen für die Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten in Krankenhäusern

Nach Einschätzung der SSK ist die Voraussetzung für die Entwicklung eines integrierten klinischen Versorgungs­konzepts für Strahlennotfallpatientinnen und -patienten für Deutschland die Definition von Mindestanforderungen an strukturelle, personelle und apparative Kapazitäten von Krankenhäusern und deren Vernetzung über eine Koordi­nierungsstelle. Ziel ist es, die Behandlung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten in dafür spezialisierten Krankenhäusern auf einem möglichst einheitlichen und hohen Standard durchzuführen. Das daraus abgeleitete An­forderungsprofil und die Überprüfung seiner Umsetzung sind Grundlage für eine adäquate Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten (SSK 2017a).

Ein angemessenes Versorgungskonzept umfasst sowohl die klinische Versorgung als auch eine fallbezogene Betreuung und Nachsorge sowohl organischer als auch sozialer und psychischer Probleme der Betroffenen. Die Anforderungen an die Kliniken, deren Leitungen und Mitarbeitende, sind daher vielfältig und richten sich unter anderem nach der Art des Strahlennotfalls, der Zahl der Betroffenen sowie der Art und dem Ausmaß des Schadens bei den Patientinnen und Patienten. Daher werden in diesem Konzept der Vorsorge für den Strahlennotfall verschiedene Szenarien betrachtet. Aufgrund der derzeitigen politischen und gesellschaftlichen Lage ist zu erwarten, dass zukünftig dem Kernkraftwerksunfall in Deutschland weniger Bedeutung zukommen wird. Das Risiko eines schweren Kernkraft­werksunfalls im grenznahen Ausland bleibt allerdings vorhanden. In Deutschland können Unfälle im industriellen und medizinischen Einsatz sowie terroristische Anschläge, bei denen ionisierende Strahlung oder radioaktive Stoffe, die in krimineller Absicht eingesetzt werden, zum Risikofaktor werden. Neben dem Terrorismus kann auch der Einsatz von Kernwaffen nicht ausgeschlossen werden.

Dabei wird Kombinationsverletzungen (Unfall- oder Brandverletzung plus Strahlenexposition) eine größere Bedeutung als bisher zugemessen. Aus diesem Grund ist der Ausbildung des mit Unfall- oder Brandverletzungen betrauten Personals auch im Strahlennotfallmanagement besonderes Gewicht zu geben.

Im Folgenden werden die notwendigen, auch international beschriebenen Vorhaltungen insbesondere für den schweren Kernkraftwerksunfall dargestellt. Die SSK betrachtet diese Vorhaltungen als exemplarisch für die medizinische Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten in Deutschland auch für andere Notfallszenarien, wie zum Beispiel den Einsatz von Kernwaffen.

5.1 Einrichtung und Aufgaben einer zentralen Koordinierungsstelle

Für die stationäre Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten in einem Netzwerk von Krankenhäusern, die den in den folgenden Abschnitten dargestellten Anforderungen entsprechen, ist die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle obligat.

Diese Koordinierungsstelle soll Informationen über die jeweils aktuellen Behandlungskompetenzen und -kapazitäten der medizinischen Einrichtungen sowie über die für den Notfall speziell qualifizierten Ärztinnen und Ärzte sowie das weitere medizinische Personal zur Verfügung stellen. Daher benötigt die Koordinierungsstelle zeitnah eine tagesaktuelle Liste verfügbarer Betten für die Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten sowie des Bestandes spezieller Medikamente für den Strahlennotfall.

Bei der Vermittlung freier Betten könnte die Koordinierungsstelle auf Erfahrungen des Systems für die strategische Verlegung von intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten nach dem Kleeblattprinzip zurückgreifen (vergleiche Abschnitt 4.1.5). Bei der Vermittlung ist die Einbeziehung spezifischer strahlennotfallmedizinischer Expertise uner­lässlich.

Zusätzliche Aufgaben der Koordinierungsstelle sind die Einbindung von Strahlennotfallexpertinnen und -experten in die Überprüfung des Anforderungsprofils, die Qualitätssicherung der beteiligten Krankenhäuser und die Vermittlung von mobilen Expertinnen und Experten für die Unterstützung vor Ort bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten (vergleiche Abschnitt 5.6.2).

5.2 Derzeitige generelle Regelungen zur stationären Notfallversorgung

Nach den Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses werden Zentren für die Notfallversorgung gemäß § 136c SGB V allgemein eingeteilt in Zentren für die Basisnotfallversorgung, erweiterte Notfallversorgung und umfassende Notfallversorgung (GBA 2020).

Krankenhäuser der Basisnotfallversorgung verfügen über Fachabteilungen für Innere Medizin, Chirurgie und Anästhesie und halten eine Intensivstation mit mindestens sechs Betten vor, von denen mindestens drei zur Versorgung beatmeter Patientinnen und Patienten ausgestattet sind (GBA 2020).

Für Krankenhäuser, die an der erweiterten Notfallversorgung teilnehmen, sind zusätzlich Abteilungen für Hämatologie und Onkologie sowie Unfallchirurgie nötig. Krankenhäuser der erweiterten Notfallversorgung halten eine Intensiv­station mit mindestens zehn Intensivbetten vor, die auch zur Versorgung beatmeter Patientinnen und Patienten ausgestattet sind.

Zentren für die umfassende Notfallversorgung verfügen über weitere Spezialressourcen, zum Beispiel über Abtei­lungen für Knochenmarkstransplantation und Schwerbrandverletzte. Die zentrale Notfallaufnahme hat eine organisatorisch der Notaufnahme angeschlossene Beobachtungsstation von mindestens sechs Betten; dort sollten Notfallpatientinnen und -patienten in der Regel bis zu höchstens 24 Stunden verbleiben, bis der weitere Behandlungsweg medizinisch und organisatorisch geklärt ist.

Diese Regelungen berücksichtigen jedoch nicht die besonderen Erfordernisse für die Versorgung im Strahlennotfall. Die Einteilung in drei Versorgungsstufen ist derzeit Gegenstand der politischen Diskussion. Die besonderen Anforderungen an die Versorgung im Strahlennotfall werden bisher und voraussichtlich auch zukünftig nicht vom GBA berücksichtigt; sie werden deshalb detailliert in den folgenden Abschnitten beschrieben (siehe auch Kapitel 8 zur Finanzierung).

5.3 Erforderliche Krankenhausinfrastruktur

5.3.1 Fachdisziplinen und spezielle stationäre Einrichtungen

Für die Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten in Strahlennotfallzentren kommen in erster Linie Zentren der erweiterten und der umfassenden Notfallversorgung in Betracht (zum Beispiel Krankenhäuser der Maximalversorgung und Universitätsklinken). Bei Notfällen mit Kontaminationen und Inkorporationen können mehrere Hundert Personen betroffen sein (SSK 2017a). Daraus ist die Notwendigkeit abzuleiten, über die Bundesrepublik Deutschland verteilt mindestens 20 bis 30 Einrichtungen vorzuhalten, die befähigt und zudem bereit sind, diese Betroffenen adäquat zu versorgen.

5.3.1.1 Zentren der erweiterten Versorgung

Für das Screening und die meist ambulante Erstversorgung dieser Personen sind prinzipiell Notfallzentren der er­weiterten Versorgung geeignet, die über Fachabteilungen für Nuklearmedizin (unterstützt durch Medizinphysik­expertinnen/​-experten), Zentrale Notaufnahme, Anästhesie, Innere Medizin, Chirurgie und Dermatologie verfügen und die im Notfall auf die Unterstützung von für den Strahlennotfall ausgebildeten Kriseninterventionsteams zurückgreifen können.

5.3.1.2 Zentren der umfassenden Versorgung

Die Behandlung des akuten Strahlensyndroms (ARS) in Umkehrisolation, wie unter anderem bei der Stammzell­transplantation üblich, stellt auf dafür vorzuhaltenden Stationen die größte Herausforderung bei der Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten dar. Es handelt sich beim ARS um eine Erkrankung, die nicht selten zum Multiorganversagen führt und deshalb der Vorhaltungen eines Notfallzentrums der umfassenden Versorgung (mit Spezialausstattung) bedarf. Deshalb sollen auch zusätzlich Expertinnen und Experten aus der Intensivmedizin, speziell für Schwerbrandverletzte, sowie für Hämatologie, Transfusionsmedizin, Gastroenterologie, Neurologie, Immunologie, Infektiologie und Psychiatrie verfügbar sein.

Zur akuten klinischen Versorgung in einem Notfallzentrum der umfassenden Versorgung (mit Spezialausstattung) sollen neben der oben beschriebenen Infrastruktur für Zentren der erweiterten Versorgung auch Kapazitäten für eine zweite Sichtung und erweiterte Dekontamination (unter anderem Wunddekontamination) von bis zu zehn Exponierten vorgehalten werden. Einer Spezialbehandlung lokaler Strahlenschäden bedürfen im Falle von Unfällen im industriellen und medizinischen Einsatz sowie bei terroristischen Anschlägen voraussichtlich weniger als zehn Personen; in der gleichen Größenordnung sollte sich die maximale Zahl der wegen eines ARS zu Versorgenden bewegen (SSK 2017a). Wegen des Aufwands der Intensivbehandlung des ARS sollten pro Strahlennotfallzentrum der umfassenden Versorgung außerhalb von Massenanfallsszenarien nur zwei bis maximal drei Patientinnen und Patienten behandelt werden. Bei ca. zehn zu versorgenden ARS-Patientinnen und -Patienten ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Vorhaltung von fünf bis sieben Notfallzentren der umfassenden Versorgung (mit Spezialausstattung) über Deutschland verteilt. Für den Fall eines Kernwaffenangriffs auf europäische Staaten sollten internationale Vorkehrungen geschaffen werden.

5.3.2 Bauliche und räumliche Voraussetzungen

Mindestanforderungen an die Versorgung und den Strahlenschutz betreffen die baulichen Voraussetzungen, eine effiziente Raumanordnung und vorausschauende Wegeführung, die im Voraus zu erstellen sind (BBK 2020), um die unkontrollierte Ausbreitung radioaktiver Stoffe im Krankenhaus zu verhindern oder zu minimieren und das Risiko einer Sekundärkontamination (Verschleppung einer Kontamination) zu senken (BBK 2020).

Die Raumanordnung und Wegeführung soll nach dem Unrein-Rein-Modell (schwarz/​weiß) ausgelegt sein und nach dem Einbahnstraßenprinzip funktionieren (Cwojdzinski et al. 2008a).

Eine solche Planung gilt unter anderem für die Registrierung, Sichtungsstelle, Notfall- und Patientenaufnahme, den Dekontaminationsraum, die Behandlungsbereiche und Personalschleuse. Die Wegeführung ist im Krankenhausalarm- und -einsatzplan (KAEP) zu beschreiben. Dabei können Notfallpläne entwickelt werden, die für unterschiedliche Notfallarten gelten können.

Gesonderte Zugangs-, Warte-, Aufnahme- und Behandlungsbereiche sollen für Strahlennotfallpatientinnen und -patienten festgelegt und vorgehalten werden (Haeseler et al. 2008). Absperrbereiche, Schleusenraum, Zugangskontrollen, Wegeführung, die den Dekontaminationsbereich vor dem Zutritt Unberechtigter sichern, sind vorzusehen.

Materialablagen im unreinen Bereich und ein Materiallager im reinen Bereich sind vorzuhalten (SSK 2022).

Absperrungen der Zufahrtswege und Zugangskontrollen des Patienteneinlasses ins Krankenhausgebäude sind so zu planen und einzurichten, dass das Krankenhaus als kritische Infrastruktur gesichert ist (Haeseler et al. 2008). Dazu ist eine detaillierte Absprache mit den Ordnungskräften, wie zum Beispiel der Polizei, schon in der Planungsphase notwendig.

Für den Massenanfall von Patientinnen und Patienten ist eine Dekontaminationsmöglichkeit außerhalb des Klinikgebäudes (zum Beispiel in Zelten) oder in sonst anders genutzten Räumen des Krankenhauses einzuplanen und bereitzustellen (Martens 2008). Eine Verkehrsplanung (Parkmöglichkeiten von Fahrzeugen, Führung der Personen zu den Aufnahmebereichen etc.) ist im KAEP vorzusehen.

Alle Räume im Dekontaminationsbereich sowie Patientenzimmer, Toiletten- und Operationsräume sind an spezielle Auffangbehälter der Abwasseranlage für radioaktive Abwässer anzuschließen, mindestens muss eine Sammlung der Abwässer in speziellen Auffangbehältern vorgesehen werden.

Dekontaminationsräume sind mit deckenhängender Brause, Haarwaschbecken und Augendusche sowie Wasser­becken zur lokalen Dekontamination von Extremitäten und einer Ganzkörperdusche auszustatten.

Möglichkeiten zur intensivmedizinischen Versorgung und Umkehrisolation von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten im Kontrollbereich der nuklearmedizinischen Therapiestation sind wünschenswert, wie zum Beispiel die Doppelnutzung der Therapiestation für die reguläre Krankenversorgung und für Strahlennotfälle, wie zum Beispiel im Universitätsklinikum Würzburg vorgehalten. Eine schnelle Verfügbarkeit doppelgenutzter Versorgungsstrukturen sollte allerdings sichergestellt werden. Für diese Stationen, insbesondere im Hinblick auf die vorgelagerte Dekontamination, sind zukünftig übergreifende Lösungen für weitere seltene Ereignisse aus dem Bereich der CBRN6-Gefährdungen zu erwägen, auch aus wirtschaftlichen Gründen.

5.3.3 Führungsorganisation und -aufgaben

Im KAEP für den Strahlennotfall ist die Führungsstruktur der Klinik zu beschreiben.

Alle Abläufe und Prozesse von der Alarmierungsauslösung bis zur Beendigung des Notfalls sind vorab zu definieren und zu üben, zum Beispiel Meldewege, Alarmierungskaskade, Bildung einer Krankenhauseinsatzleitung (KEL) und Medizinischen Einsatzleitung (MEL), Personalplanung und -steuerung, Material- und Ressourcenmanagement und Aufarbeitung des Einsatzes.

Die klinische Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten soll in die länderspezifischen Konzepte des Katastrophenschutzes integriert werden, die besonderen Notfallpläne des Bundes und der Länder sind dabei zu berücksichtigen.

5.4 Personelle Kapazitäten, Teams

Die Erfahrungen aus früheren Strahlennotfällen haben gezeigt, dass Teams aus unterschiedlichen Gesundheitsberufen für die Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten benötigt werden, bestehend aus Ärztinnen/​Ärzten, Medizintechnologinnen/​-technologen, Pflegekräften, Rettungskräften, Medizinphysikerinnen/​-physikern, Technikerinnen/​Technikern und Strahlenschutzbeauftragten, die in der Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten qualifiziert sind (IAEA 2020a, IAEA 2020b). Die Zusammenarbeit der einzelnen Funktionsträgerinnen und -träger der Teams im Krankenhaus und ihre Rollen sind im KAEP zu definieren und die Aufgaben in Auftragsblättern mit Handlungsanweisungen festzuhalten.

Zusätzliche Mitarbeitende sind erforderlich für die Logistik, Sicherheit (Absperrungen, Verkehrslenkung etc.), für Aufbau und Inbetriebnahme der Dekontaminationsstelle (Martens 2008). Bereits im KAEP für den Strahlennotfall ist eine Übersicht über das aktuell mobilisierbare Personal zu erstellen (BBK 2020). Aus Gründen des Selbstschutzes sollen nur zwingend erforderliche Mitarbeitende eingesetzt werden (Adams et al. 2012), die ausreichend ausgebildet und geschützt sind.

Als Minimum für Sichtung und Behandlung bei einem Strahlennotfall werden zwei Behandlungsteams benötigt. Bei einem Verdacht auf Kontamination arbeitet je ein Behandlungsteam im „reinen“ und „unreinen“ Bereich. Ein spezielles Dekontaminationsteam, ausgebildet und geübt im Umgang mit persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und der Versorgung kontaminierter Patientinnen und Patienten, übernimmt die Behandlung im „unreinen“ Bereich (Haeseler et al. 2008). Des Weiteren wird in der Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen/​-patienten ausgebildetes Personal für das psychosoziale Krisenmanagement zur Betreuung von Patientinnen und Patienten, Angehörigen und Personal benötigt (siehe oben).

Zur Unterstützung insbesondere der in Abschnitt 5.3.1.1 dargestellten Zentren der erweiterten Versorgung sollen von der Koordinierungsstelle nach Abschnitt 5.1 geleitete, mobile Teams gebildet werden, in die auch Strahlenschutzexpertinnen und -experten von Einrichtungen außerhalb von Strahlennotfallzentren eingebunden werden können. Die Aufgaben dieser mobilen Teams sind Unterstützung mit spezifischer Expertise vor Ort, wie zum Beispiel Diagnostik, Therapieeinleitung, Probennahme und Beratung.

Die mobilen Teams sollten mindestens die Möglichkeit haben, den behördlichen Digitalfunk zu nutzen und auf Transportmöglichkeit durch Einsatzfahrzeuge zuzugreifen, und ähnlich wie leitende Notärztinnen und Notärzte Sonder­signalanlagen zu nutzen. Die Kommunikation im Notfall mit allen Funktionsstellen sollte sichergestellt werden.

Eine behördlich anerkannte Qualifikation auf Basis der Curricula (Abschnitt 6.2, Anhang A2) mit regelmäßigen Übungen des für die Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten benötigten Personals ist erforderlich. Diese Zusatzqualifikation ist ein wesentlicher Bestandteil eines abgestuften, integrierten Vorsorge- und Versorgungskonzepts von betroffenen Personen (exponierten und besorgten Personen) bei einem Strahlennotfall (SSK 2017b).

Zur psychosozialen Betreuung der Betroffenen und der Einsatzkräfte sollen Kriseninterventionshelferinnen/​-helfer, Seelsorgerinnen/​-sorger, Psychologinnen/​Psychologen, Psychotherapeutinnen/​-therapeuten und Psychiaterinnen/​Psychiater in den Grundlagen des Strahlenschutzes und den Prinzipien der Notfallversorgung qualifiziert und bei der Zusammensetzung der Teams berücksichtigt werden.

Der Schulungs- und Fortbildungsbedarf der Mitarbeitenden ist von der Klinikleitung regelmäßig zu ermitteln. Es soll ein strukturiertes Fortbildungskonzept vorliegen. Die Qualifikation des Personals ist durch entsprechende Fort- und Weiterbildungen nachzuweisen.

Auch Personen der verschiedenen Berufsgruppen mit Leitungsfunktionen sollten im Strahlennotfallmanagement fortgebildet werden.

5.5 Material und apparative Kapazitäten

Neben den allgemeinen Vorgaben für Zentren der umfassenden Notfallversorgung für den konventionellen Notfall sind weitere Ressourcen speziell für den Strahlennotfall im Rahmen der Vorsorge- und Alarmplanung erforderlich. Ein Teil davon ist in nuklearmedizinischen Abteilungen im täglichen Gebrauch, wie zum Beispiel Kontaminationsmessgeräte. Zusätzlich erforderlich sind PSA, Dekontaminationsmöglichkeiten und -mittel sowie die erforderlichen Medikamente zur Dekorporation. Einzurichtende Depots sollen die Ergänzungsausstattung und insbesondere die in Abschnitt 5.5.4 aufgeführten Medikamente vorhalten.

Depot-Standorte in Kliniken sollen Erfassung, Wartung, Qualitätskontrolle und gegebenenfalls Sachverständigen-Prüfung und deren Dokumentation gewährleisten, um die ständige Nutzbarkeit des Materials sicherzustellen (Bail et al. 2009).

5.5.1 Messtechnik

Die apparative Ausstattung für Strahlenschutzmessungen umfasst Messinstrumente zur Kontaminationsmessung und Dosisleistungsmessung etc. In allen Strahlenschutzzentren sollen mindestens vorhanden sein:

zwei Kontaminationsmessgeräte,
zwei Dosisleistungsmessgeräte.

Der Zugang zur spektroskopischen Strahlungsmessung zur Nuklididentifizierung soll vorhanden sein.

Zur fakultativ apparativen Ausstattung können insbesondere bei Spezialeinrichtungen der umfassenden Versorgung ein Ganzkörperzähler, Schilddrüsenmessplatz, Halbleiterdetektor und handgeführte Sonden für Wundmessungen beziehungsweise intraoperative Messungen zählen.

Als Mindestausrüstung für alle Strahlenschutzzentren sind sechs direkt ablesbare elektronische Personendosimeter mit einstellbaren Alarmschwellen vorzuhalten, die bestimmten Personen oder Personengruppen zuzuordnen sind. Sie sind als Gruppendosimeter für die Personen vorzusehen, die nicht den beruflichen exponierten Personen zuzuordnen sind.

5.5.2 Persönliche Schutzausrüstung (PSA)

Für die Einsatzteams (geplant im Dreischichtbetrieb plus Reserve7 ) soll die Klinik mindestens PSA für 100 Personen vorhalten, die entsprechend dem bestehenden Risiko und der Praktikabilität einzusetzen sind (Anhang A3).

5.5.3 Ausstattung Dekontamination

Für Personal, das in der Dekontamination eingesetzt wird, sind zusätzlich zur PSA wasserfeste Materialien als Schutz einzusetzen, wie wasserdichte Überschuhe, Plastikschürzen, Kunststoffvisiere etc.

Die für die Dekontamination selbst, die Entsorgung, Absperrung und Probenasservierung benötigten Materialien finden sich in der SSK-Publikation „Strahlennotfallmedizin – Handbuch für die medizinische Versorgung und Ausbildung“ (SSK 2022) und auszugsweise in den Anhängen A2 und A3.

5.5.4 Schutzwirkstoffe

Die meisten Krankenhäuser sind bisher auf den Einsatz nuklidspezifischer Dekorporationsmedikamente nicht vor­bereitet, da diese Substanzklasse im alltäglichen akutmedizinischen Versorgungsspektrum ungebräuchlich ist. Ein besonderes Augenmerk liegt deshalb auf der engen Zusammenarbeit zum Beispiel mit Einrichtungen, die zur Therapiesteuerung Messungen der Radioaktivität in Körperflüssigkeiten und -geweben durchführen können (siehe Abschnitt 5.5.5) sowie dem Entsorgungsmanagement nuklidbelasteter Ausscheidungen (zum Beispiel Einrichtungen mit nuklearmedizinischen Therapiestationen).

Zusätzlich zu den Mitteln zur Dekontamination oder Dekorporation sind Therapeutika zu nennen, die sich zur Behandlung anderer Strahlenfolgen wie dem akuten Strahlensyndrom (ARS) oder der Schädigung der Haut eignen. Die Klinikapotheke eines Strahlennotfallzentrums soll in die Lage versetzt werden, unverzüglich und indikationsbezogen auf die Schutzwirkstoffe (Anhang A1) zugreifen zu können.

In der Behandlung des ARS haben Zytokine und zytokinähnliche Stoffe inzwischen einen herausragenden Stellenwert. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um Schutzwirkstoffe, sondern um Therapeutika, die im Bereich der Hämatoonkologie regelmäßig zur Anwendung kommen. Zu den weltweit diskutierten und in den USA durch die Food and Drug Administration (FDA) bisher zugelassen Medikamenten zählen:

Granulocyte Colony Stimulating Factor (G-CSF),
Granulocyte-Macrophage Colony Stimulating Factor (GM-CSF) und
Romiplostim (siehe Anhang A1.2).

Hinzu kommen Therapeutika für das kutane Strahlensyndrom beziehungsweise schwere lokale Strahlenschäden der Haut und des darunter liegenden Gewebes (Local Radiation Injury – LRI). Hier sind zurzeit vornehmlich Stammzellprodukte (unter anderem mesenchymale Stammzellen MSM) zu nennen, die derzeit als Zellprodukte nicht Medikamente im klassischen Rahmen darstellen. Für diese Medikamente ist die strategische Beschaffung und Bevorratung, ihre Herstellung, Qualitätssicherung und Zulassung für die Anwendung am Menschen für den Strahlennotfall zukünftig zu regeln.

Zu beachten ist, dass keine Substanz zur Therapie von ARS oder LRI bisher einen isolierten Erfolg nachweisen konnte. Die Medikamente sind in der Regel in eine komplexe klinische Versorgung zu integrieren, die weitere Therapeutika aus zum Beispiel den Bereichen Antibiotika, Antimykotika, Virostatika, Blutprodukte, Antiemetika oder weiterer symptomorientierter Medikamente zur optimierten Therapie erfordern.

Details zu Schutzstoffen und Therapeutika finden sich auch in einer Leitlinie zum Aufbau von Stockpiles der WHO8.

5.5.5 Probenentnahme für Inkorporationsmessungen und biologische und retrospektive physikalische Dosimetrie

Für die Inkorporationsmessung kommen in der Regel Urin- und Stuhlproben in Frage. Dazu soll die jeweilige Probe über einen Zeitraum von 24 Stunden gesammelt werden. Geeignete Sammelbehälter oder Vorgaben hierzu können zum Beispiel die Inkorporationsmessstellen im Ereignisfall zur Verfügung stellen. Wenn mit der Sammlung unmittelbar im Anschluss an eine Inkorporation begonnen wird, sollten mindestens drei 24-Stunden-Proben über die ersten drei Tage nach der Zufuhr gesammelt werden.

Für die biologische und retrospektive physikalische Dosimetrie kommen verschiedene Körpermaterialien in Frage. Während die biologische Dosimetrie üblicherweise Blutproben verarbeitet, kommen für die retrospektive physikalische Dosimetrie besonders Zähne (auch in vivo) und Finger- oder Zehennägel in Betracht. In Spezialfragestellungen sind aber auch Biopsien aus anderen Geweben denkbar.

Für die Zytogenetik ist als Blutentnahmesystemen Lithium-Heparin geeignet. 5 ml bis 10 ml venösen Vollbluts müssen ungekühlt und zeitgerecht im Speziallabor ankommen. Für andere Verfahren (Genexpression, gH2AX) sind andere Blutentnahmesysteme erforderlich.

Damit die Messstellen und Labore ihren Messaufgaben angemessen nachgehen können, ist bereits vor Probeentnahme der Kontakt mit der jeweiligen Einrichtung aufzunehmen, um von Anfang an eine optimale Prozesskette sicherzu­stellen.

5.6 Anforderungsprofil, Qualitätssicherung

5.6.1 Überprüfung und Umsetzung des Anforderungsprofils

In Abschnitt 4.2.3 wurde das auf den Erfahrungen des Reaktorunfalls in Fukushima basierende, neu aufgestellte Versorgungssystem in Japan beschrieben. Auf Deutschland übertragen, könnte an Universitätskliniken oder Kranken­häusern der Maximalversorgung eine ähnliche zweistufige Struktur mit fünf bis sieben Medizinischen Strahlennotfallzentren der umfassenden Versorgung (siehe Abschnitt 5.3.1.2) aufgebaut werden. Spezialeinrichtungen, die für die Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten besonders ausgewiesen sind, aber Patientinnen und Patienten mit akutem Strahlensyndrom nicht selbst behandeln können, sollten deren Versorgung über Kooperationsverträge mit benachbarten Krankenhäusern realisieren.

Zusätzlich sollten pro Bundesland mindestens ein bis zwei Zentren der erweiterten Versorgung (siehe Abschnitt 5.3.1.1) an beteiligten Krankenhäusern aufgebaut werden.

Beim Aufbau dieses zweistufigen Systems könnte auf bereits bestehende Einrichtungen des etablierten Netzwerks der RSZ und auf ausgewiesene Einrichtungen der Bundeswehr zurückgegriffen werden.

Nach Auffassung der SSK sollen die Anforderungen an Krankenhäuser und Versorgungsstrukturen verbindlich geregelt werden. Zur Überprüfung der Erfüllung von Mindestanforderungen bedarf es eines Verfahrens zur Qualitätssicherung, das von der zentralen Koordinierungsstelle nach Abschnitt 5.1 unter Beteiligung eines Gremiums medizinischer Expertinnen und Experten für den Strahlennotfall übernommen werden soll.

5.6.2 Qualitätssicherung

Gemäß § 136c Absatz 5 SGB V definiert der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten mit besonderen Aufgaben und die zu erfüllenden Qualitätsanforderungen. Sinngemäß zitiert stellen sich diese folgendermaßen dar:

Die besonderen Aufgaben können sich ergeben aus:

1)
einer überörtlichen Aufgabenwahrnehmung,
2)
dem Erfordernis besonderer Vorhaltungen an den einzelnen Standorten (insbesondere in Zentren für seltene Erkrankungen),
3)
der Notwendigkeit der Versorgung an einzelnen Standorten wegen außergewöhnlicher technischer und personeller Voraussetzungen. Soweit dies für die Erfüllung der besonderen Aufgaben erforderlich ist, sind Qualitätsanforderungen festzulegen, insbesondere Vorgaben zur Art und Anzahl von Fachabteilungen.

Die Nummern 1 bis 3 der obigen Aufzählung treffen auf Zentren für die Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten zu. Das Verfahren zur Qualitätssicherung für die medizinische Behandlung und Vorsorge nach einer Exposition soll verbindlich festgelegt werden. Die SSK empfiehlt, die einzurichtende Koordinierungsstelle und diese Einrichtung unterstützende Strahlennotfallexpertinnen und -experten in die Qualitätssicherung einzubinden (vergleiche Abschnitt 5.1).

6 Qualifizierung, Kompetenzentwicklung des Personals

Grundlagen für eine Qualifizierung im Sinne dieses Kapitels sollten zukünftig – in größerem Maße als bisher – schon in Schule und Studium gelegt werden.

Im schulischen Bereich sind hierfür die Fächer Biologie und Physik ab Sekundarstufe 1 geeignet. Im Medizinstudium sind Belange des Strahlenschutzes im Nationalen Lernzielkatalog NKLM 2.0 nur unzureichend abgebildet. Von künftigen Ärztinnen und Ärzten ist zu fordern, dass sie fachkompetent die Fragen der Patientinnen und Patienten beantworten können. Dazu gehören Kenntnisse im Strahlenschutz sowie Kenntnisse über medizinische Besonderheiten zu Schutzmaßnahmen. Als Unterrichtsumfang wäre in den Semestern 5 oder 6 mindestens eine Semesterwochenstunde zu fordern.

6.1 Zielgruppen für die Qualifikation

Im aktuellen Sprachgebrauch findet man derzeit die Begriffe „Strahlenschutzärztin/​-arzt“ und „ermächtigte Ärztin/​ermächtigter Arzt“. Dabei wird bisher in vielen Fällen der ermächtigte Arzt nach StrlSchV als Synonym für den nicht definierten Begriff „Strahlenschutzärztin/​-arzt“ verwendet. Mit zunehmendem Rückzug aus der Kernenergie wurde der Anteil der ermächtigten Ärztinnen und Ärzte mit profunden Erfahrungen im Umgang mit offenen radioaktiven Stoffen in Routine oder Notfall gegenüber arbeitsmedizinisch spezialisierten ermächtigten Ärztinnen und Ärzten zunehmend geringer, sodass die SSK 2017 (2017a) empfohlen hat, neben dem im Strahlenschutzrecht beschriebenen „ermächtigten Arzt“ (§ 175 StrlSchV), die/​den „Strahlennotfallärztin/​-arzt“ zu definieren, welche oder welcher im Hinblick auf die Versorgung und Behandlung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten tätig werden soll.

Die Qualifikation „Strahlennotfallärztin/​-arzt“ soll durch eine modulare Ausbildung erworben werden. Für diese Qualifizierung sind primär Ärztinnen und Ärzte geeignet, die durch ihre berufliche Tätigkeit Erfahrungen mit ionisierender Strahlung oder offenen Radionukliden haben (wie aus den Bereichen Nuklarmedizin, Radiologie und Strahlentherapie). Hinzu kommen Berufsgruppen, deren Angehörige Erfahrung im Umgang mit den Erkrankungen- und Folgeerkrankungen der Exposition haben. Diese Ärztinnen und Ärzte rekrutieren sich neben ermächtigten Ärztinnen und Ärzten aus verschiedensten Fachrichtungen, wie zum Beispiel Notfallmedizin, Intensivmedizin, Chirurgie, Hämatologie, Dermatologie (SSK 2017).

Für das nichtärztliche Personal zur Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten (siehe Abschnitt 6.2) soll eine Zusatzqualifikation „Strahlennotfallmanagement“ eingeführt werden, die Module der Qualifikation „Strahlennotfallärztin/​-arzt“ enthält.

6.2 Curricula Strahlennotfallärztin/​-arzt und Strahlennotfallmanagement

Die rechtlichen Grundlagen für die Qualifikationen „Strahlennotfallärztin/​-arzt“ und „Strahlennotfallmanagement“ sollen rasch geschaffen werden. Zum Erwerb der Qualifikationen schlägt die SSK ein modular aufgebautes Curriculum vor (SSK 2017b). Es besteht aus drei aufeinander aufbauenden Modulen, die Grundlagen und präklinische Versorgung, psychosoziale Betreuung sowie Krisenkommunikation und die stationäre klinische Versorgung beinhalten.

Zur Erlangung der Qualifikation „Strahlennotfallmanagement“ ist die Teilnahme an den beiden ersten Modulen erforderlich. Zum Erwerb der Qualifikation „Strahlennotfallärztin/​-arzt“ ist zusätzlich noch das dritte Modul erforderlich. Die Qualifikation wird dadurch erhalten, dass die notwendigen Module erfolgreich absolviert wurden und an einer Notfallübung teilgenommen wurde. Für die Dauer der Module sind sechs Tage vorgesehen, die sich auf die drei Module wie folgt verteilen:

Modul 1: Grundlagen und präklinische Versorgung 2,5 Tage9
Modul 2: Psychosoziale Versorgung/​Krisenkommunikation 1 Tag
Modul 3: stationäre klinische Versorgung 2,5 Tage

Die erfolgreiche Teilnahme an den Modulen soll durch ein Fachgespräch oder eine Prüfung nachgewiesen werden. Der Qualifikationsnachweis wird nach Teilnahme an einer praktischen Übung ausgestellt. Die zwei beziehungsweise drei Module sollten in einem Zeitraum von einem Jahr absolviert werden.

Diese Qualifikationen sollen analog zur Fachkunde im Strahlenschutz mindestens alle fünf Jahre aktualisiert werden. Dabei könnte die Teilnahme an einem Kurs, einer Übung oder die aktive Teilnahme an der medizinischen Bewältigung eines Strahlennotfalls innerhalb der genannten Frist als Aktualisierung gewertet werden.

Für die Zertifizierung von Qualifizierungen, Übungen und Aktualisierungen sowie für die Anerkennungen der Kursstätten ist eine geeignete Regelung festzulegen.

Didaktische Methoden zum Vermitteln der Qualifizierung zum Strahlennotfallärztin/​-arzt sind themenadäquat beispielsweise Präsenz-Lehrformen (zum Beispiel problemorientiertes Lernen, optional Einsatzübungen), eLearning (auch vorbereitend), insbesondere auch kompetenzorientierte Ausbildung/​Qualifizierung, Hybrid-/​Online-Lehre und Virtual Reality Training.

Im Anhang findet sich ein Vorschlag zur Ausgestaltung von Unterrichtseinheiten für diese drei Module (Anhang A2).

6.3 Kompetenzerhalt der Ausbildungsstätten

Die SSK stellte 2021 in ihrer Stellungnahme zur „Langfristige Sicherung der Kompetenz auf dem Gebiet der Strahlenforschung und -anwendung in Deutschland (SSK 2021)“ fest, dass qualifiziertes Personal für die komplexe, fach­übergreifende Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten nur dann in ausreichender Breite zur Verfügung stehen wird, wenn akademische Forschungs- und Bildungseinrichtungen adäquate Schulungskapazitäten und -konzepte über lange Zeit bereitstellen können. Die hier geforderte, aktuell rückläufige Kapazität solcher akademischen Einrichtungen soll nicht nur erhalten bleiben, sondern vielmehr gestärkt werden.

6.4 Schaffung von Anreizsystemen

Die personelle Situation an Kliniken lässt den dort Tätigen neben den von ihrem Arbeitgebenden geforderten Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen oftmals kaum Zeit für den Erwerb der in dieser Empfehlung genannten Zusatzqualifikationen. Da darüber hinaus der Strahlennotfall in Deutschland ein eher seltenes Ereignis ist, werden sich viele, die prinzipiell für eine der genannten Zusatzqualifikationen geeignet sind, die Frage nach der Rentabilität der zeitlichen Aufwendung stellen. Hinsichtlich der Ausbildung wird eine Kostenteilung vorgeschlagen: Einerseits sollen Bund und Länder die Kosten für geeignete Kurse übernehmen, sodass die Teilnahme kostenlos ist. Die Arbeitgebenden sollen die entsprechenden Mitarbeitenden für den Erwerb dieser Qualifikation in Analogie zu § 3 des THW-Gesetzes, den Feuerwehrgesetzen sowie weiterer gesetzlicher Vorschriften freistellen. Dies bedeutet allerdings, dass für die Vertretung der freigestellten Mitarbeitenden zusätzliche Personalkapazitäten finanziert werden sollen.

Außerdem wird empfohlen, für die Durchführung der nachgehenden Untersuchungen beruflich exponierter Personen (§ 78 StrlSchV) zusätzlich zu den ermächtigten Ärztinnen und Ärzten den „Strahlennotfallarzt“ im Sinne der SSK-Empfehlung (SSK 2017) zu benennen. Im Rahmen der nachgehenden Untersuchungen sollen frühzeitig Erkrankungen diagnostiziert werden, die mit einer ehemals erhaltenen beruflichen Strahlenexposition in Verbindung gebracht werden können. Hierbei sind fundierte Kenntnisse über die Strahlenbiologie und das Strahlenrisiko notwendig. Gerade solche Kenntnisse werden über die hier für die/​den „Strahlennotfallärztin/​-arzt“ beschriebenen Qualifikationen vermittelt. Es wird daher empfohlen, § 78 und 175 StrlSchV entsprechend anzupassen.

7 Schulungen und Übungen

7.1 Schulungen

Strahlennotfälle sollen in den an der Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten teilnehmenden Krankenhäusern in den Krankenhausalarm- und -einsatzplan (KAEP) aufgenommen werden. Um einen hohen Durch­dringungsgrad der speziellen Kenntnisse zu erhalten, sollten möglichst viele Mitarbeitende aus unterschiedlichen Bereichen geschult werden. Am ehesten wird dieses Ziel erreicht, indem regelmäßig Schulungen in den am Strahlennotfallschutz teilnehmenden Krankenhäusern analog zu den Schulungen zum Brandschutz durchgeführt werden. Die Schulungen sollten möglichst knapp und bündig gehalten werden und sollten sich für den Strahlennotfall auf die Rolle der Krankenhauseinsatzleitung, die Rolle der Notaufnahme, der Nuklearmedizin und weiterer beteiligter klinischer Fächer sowie spezielle Aufgaben der Krankenhauslogistik fokussieren.

7.2 Übungen

Die Prozesse des Krankenhausalarm- und -einsatzplans (KAEP) müssen etabliert, ausgebildet und trainiert werden, weil ein Notfallgeschehen vom Krankenhausalltag abweicht. Da der KAEP einen Zyklus darstellt, soll er zumindest in Teilphasen immer wieder aufgegriffen, überprüft und gegebenenfalls angepasst werden (BBK 2020). Stabs-, Tabletop-, virtuelle und vor allem Real-Übungen, die den jeweiligen KAEP auch bezüglich der Strahlennotfälle validieren, erscheinen empfehlenswert.

Auch wenn Übungen im Krankenhaus einen großen Arbeitsaufwand erfordern und – insbesondere im Falle von Vollübungen – erhebliche Kosten verursachen können, stellen sie die einzige Möglichkeit dar, die Vorbereitungen auf Strahlennotfälle zu optimieren und das Personal entsprechend auszubilden. Es wird empfohlen, eine Übungskultur zu etablieren und weiterzuentwickeln, die durch realistische, regelmäßig stattfindende Übungen einen hohen Grad an Vorbereitung auf Strahlennotfälle sicherstellt (Miska 2010).

Aus einschlägigen Übungen zum Beispiel der Nuklearmedizinischen Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Uniklinik Würzburg, der BG-Unfallklinik Ludwigshafen sowie des Bundeswehrkrankenhauses Ulm liegen Erfahrungen zu Organisation und Realisierung vor.

In regelmäßigen Abständen sind Übungen auf Strahlennotfallzentrums- sowie auf Landes- und Bundesebene durchzuführen. Neben unerlässlichen Einsatzübungen unter Realbedingungen können heute auch zunehmend virtuelle Übungen unter Verwendung von Augmented-Reality-Methoden10, insbesondere für komplexe Szenarien wie Strahlennotfälle, effektive Maßnahmen zur Vorbereitung auf den Ernstfall darstellen.

Die Evaluierung einer Übung ist genauso wichtig wie die Übung selbst. In einer unmittelbaren Übungsnachbesprechung mit den Beteiligten werden erste Eindrücke gesammelt. Eine detaillierte Analyse der gewonnenen Erkenntnisse und eine breite Diskussion stellen die Basis für die Verbesserung der Konzepte und Maßnahmen dar (IAEA 2005).

Strahlennotfallbedingte Szenarien werden im Regelfall als unwahrscheinlich angesehen, sodass die Motivation der Krankenhäuser für Übungsvorhaben weder stetig noch prioritär ist. Meist wird nur im Zusammenhang mit einer „fassbaren Bedrohungslage“ durch akute global-bedeutsame Ereignisse die Motivation zu Übungen gesteigert. Generell sollten Notfallübungen für alle Mitarbeitenden mindestens jährlich durchgeführt werden.

Wenn es um die medizinische Versorgung von kontaminierten Strahlennotfallpatientinnen und -patienten präklinisch oder im klinischen Setting geht, sollte mit messbaren Aktivitäten geübt werden, um die Realitätsnähe entsprechend abbilden zu können und die Motivation und den Lerneffekt der Akteure zu steigern. Dies erfordert einen logistischen Mehraufwand, die Anwesenheit von Strahlenschutzfachpersonal und eventuell das Einholen entsprechender strahlenschutzrechtlicher Genehmigungen.

Da im Krankenhaus die Sicherstellung der allgemeinen Krankenversorgung oberste Priorität hat, führt dies dazu, dass meist weder mit vollem Personalansatz noch in der realen Infrastruktur geübt werden kann. Wünschenswert sind Übungen mit Abbildung der vollständigen Versorgungskette (präklinisch ⇨ Notaufnahme ⇨ Chirurgie/​Innere/​Nuklearmedizin) unter Einbeziehung der zuständigen Behörden. Aufgrund der Komplexität zeigt sich aber in der Realität, dass Übungen jeweils nur Teilabläufe der Versorgung abbilden können.

Selbst im Umfeld von Übungen ist die Risikokommunikation im Zusammenhang mit ionisierender Strahlung stets eine Herausforderung (Umgang mit Ängsten) und sollte angemessen adressiert werden. Dazu gehört möglicherweise auch die unberechtigte Sorge von Entscheidungsträgern im Krankenhaus, aufgrund dieser Übungen zu einem Zentrum zu werden, das zukünftig eine Vielzahl von Strahlennotfällen zu versorgen hat.

8 Finanzierung des Netzwerks zur Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Regelung zur Konkretisierung der besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten nach § 136c SGB V (GBA 2020) die Grundlagen für die Vereinbarung von Zuschlägen für solche Einrichtungen gemäß § 5 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) im Hinblick auf Qualitätsanforderungen und besondere Aufgaben allgemein festgelegt.

Für eine Reihe solcher Einrichtungen wie Zentren für Seltene Erkrankungen oder Onkologische Zentren, Trauma­zentren, Rheumazentren, Herzzentren, Schlaganfallzentren und eine Reihe weiterer Organzentren werden diese Anforderungen spezifiziert, sodass damit nach Ausweisung der Zentren im Krankenhausplan des Bundeslandes die Grundlage für die Ansprüche der Krankenhäuser auf Erstattung dieser Zuschläge gegeben ist. Besondere infrastrukturelle Aufwendungen, wie bei Strahlennotfallzentren erforderlich, finden dabei aber keine Beachtung.

Es besteht somit dringender Regelungsbedarf für die Finanzierung der Infrastruktur, von spezifischen Vorhaltungen und von Fachpersonal für das in Kapitel 5 dargestellte Netzwerk von Strahlennotfallzentren, um die an der Notfallreaktion beteiligten Behörden und Organisationen des Bundes und der Länder in die Lage zu versetzen, im Notfall unverzüglich abgestimmte Entscheidungen zu treffen und rechtzeitig die angemessenen Maßnahmen durchzuführen (§ 97 Absatz 1b StrlSchG von 2017).

Eine zentrale Rolle spielt dabei die einzurichtende Koordinierungsstelle (siehe Abschnitt 5.1). Die Logistik dieser Einrichtung könnte ähnlich wie bei dem Konzept für die strategische Verlegung von intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten nach dem Kleeblattkonzept aufgebaut werden; unter Umständen könnte auch teilweise auf vorhandene Strukturen zurückgegriffen werden. Es muss aber betont werden, dass bei dem genannten Konzept für die strategische Verlegung keine Expertise für den Strahlennotfall gegeben und diese erst aufzubauen ist. Die Expertise im Strahlennotfall ist unerlässlich für die regelmäßige Überprüfung der Qualifizierung der an der Versorgung teilnehmenden Krankenhäuser, die Entscheidung über Verlegungen und die Weiterentwicklung des Systems der medizinischen Strahlennotfallversorgung.

Im Krankenhaus ist bei Kontamination oder Inkorporation mit Radionukliden neben der Bereithaltung der klinischen Behandlungsexpertise die Unterbringung kontaminierter Patientinnen und Patienten in dafür eingerichteten Bereichen wichtig. Derartige Vorhaltungen für die Notfallversorgung (mit zum Beispiel separaten Möglichkeiten der Dekontamination und der Abwasserentsorgung – vergleiche Abschnitt 5.3.2) gehören nicht zum Standard der allgemeinen nuklearmedizinischen Versorgung und müssen deshalb geschaffen werden. Ansonsten sind in nuklearmedizinischen Kliniken in der Regel die baulichen Voraussetzungen des Strahlenschutzes gegeben und Messgeräte vorhanden. Zusätzlich erforderlich sind persönliche Schutzausrüstung, persönliche Dosimeter, Dekontaminationsmöglichkeiten und -präparate sowie die erforderlichen Medikamente zur Dekorporation (siehe Abschnitt 5.5.4).

Für die Behandlung der Patientinnen und Patienten mit akutem Strahlensyndrom spielt außerdem eine verläss­liche, breit aufgestellte klinische Versorgung für die Diagnostik und intensivmedizinische Behandlung von Organ- und hämatologischen Schäden eine wichtige Rolle. Hierzu soll eine ausreichende Zahl von Zentren der umfassenden Notfallversorgung (siehe Abschnitt 5.2.1) die Infrastruktur für eine derartige intensivmedizinische Behandlung unter Strahlenschutzbedingungen belastbar bereitstellen, was aber eine auskömmliche Finanzierung aller genannter Vorhaltungen unabdingbar macht.

Die Kosten für die Ausbildung von Strahlennotfallärztinnen und -ärzten sowie den Qualifikationserwerb nichtärztlicher Mitarbeitenden im „Strahlennotfallmanagement“ (siehe Abschnitt 6) sowie die Schulung und das Training (siehe Abschnitt 7) bereichsübergreifender Gruppen von Krankenhausmitarbeitenden sind nicht Bestandteil der Krankenhausfinanzierung und sollen ebenfalls finanziert werden.

9 Einbindung der Empfehlungen in das Notfallmanagementsystem des Bundes und der Länder

9.1 Gesetzlicher Rahmen – Umsetzung des Verzahnungsprinzips

In Umsetzung der Richtlinie EURATOM 59/​2013 integriert das Strahlenschutzgesetz durch sein Verzahnungsprinzip die rechtlichen und fachlichen Vorgaben des Bundes für den Strahlenschutz bei Notfällen in das komplexe, föderative System des Bevölkerungsschutzes (unter anderem die §§ 92 bis 96, 99, 109 bis 111 StrlSchG).

Nach § 97 StrlSchG sind von Bund und Ländern Notfallpläne aufzustellen, in denen die geplanten angemessenen Reaktionen auf mögliche Notfälle dargestellt werden. Diese umfassen auch Maßnahmen zur medizinischen Behandlung oder Vorsorge nach einer Exposition.

Die Planungen und Vorkehrungen für die medizinische Notfallvorsorge und -reaktion sollen im besonderen Notfallplan (BNoPl) des Bundes für den Katastrophenschutz, die allgemeine Gefahrenabwehr und Hilfeleistung sowie für die medizinische Behandlung und Vorsorge nach einer Strahlenexposition der Bevölkerung und der Einsatzkräfte dargestellt werden (§ 99 Absatz 2 Nummer 1 StrlSchG). In diesen BNoPl sollen die konkreten Planungen und Vorbereitungen für den Aufbau eines Netzwerks zur medizinischen Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten aufgenommen werden, wie von der SSK in dieser Empfehlung dargestellt.

In Zusammenhang mit dieser Empfehlung der SSK zum medizinischen Management bei Strahlennotfällen ist die Umsetzung von § 110 StrlSchG von eminenter Bedeutung. Dieser Paragraph regelt die Zusammenarbeit und Abstimmung bei Strahlennotfällen in allgemeiner Form und gibt vor, dass Behörden und Organisationen nach Maßgabe der Notfallpläne zusammenarbeiten sollen. Die Planung des von der SSK empfohlenen Netzwerks von Kliniken zur Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen und -patienten in Deutschland erfordert auf Bundesebene eine enge Abstimmung der zuständigen Bundes- und Länderministerien für die Bereiche Strahlenschutz, Gesundheit und Inneres, der Bundesämter für Strahlenschutz (BfS) und für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Da sowohl für den Katastrophenschutz als auch die Planung und vor allem die Finanzierung der Krankenhausinfrastruktur die Länder verantwortlich sind, sollen die zuständigen Länderministerien eng in die Erstellung der besonderen Notfallpläne des Bundes einbezogen werden.

9.2 Einbindung von Koordinierungsstelle, Strahlennotfallärztinnen und -ärzten sowie im Strahlennotfallmanagement qualifiziertem Personal

Das Managementsystem des Bundes für Strahlennotfälle liefert derzeit keine tagesaktuellen Informationen über verfügbare medizinische Versorgungskapazitäten (wie die Zahl freier klinischer Spezialbetten). Ein solches Informationstool soll bei der zu schaffenden Koordinierungsstelle dringend etabliert werden (vergleiche Abschnitt 5.1). Weiterhin können zusätzliche Entscheidungshilfesysteme, zum Beispiel bei der Logistik der Verteilung von Dekorporations­mitteln und Medikamenten zur Behandlung des ARS oder bei der Evakuierung von Krankenhauspatientinnen und -patienten, hilfreich sein.

Die Personen mit der Qualifikation „Strahlennotfallärztin/​-arzt“ oder „Strahlennotfallmanagement“ sollten in einer zentralen Datei für den Einsatzfall bei der zentralen Koordinierungsstelle nach Abschnitt 5.1 geführt werden. Dadurch wäre gewährleistet, dass im Bedarfsfall auch die Länder oder spezifische Institutionen um Hilfe nachfragen können, wie dies auch zum Beispiel bei der Bestimmung der Körperdosis bei Inkorporation und bei der biologischen Dosimetrie vorgesehen ist.

Entsprechend qualifizierte Personen können zum Beispiel spezielle fachliche Beratung und Unterstützung zur Dosisermittlung bei externer Strahlenexposition und Kontaminationen geben.

In der Datei geführte Strahlennotfallärztinnen und -ärzte als ärztliche Fachberaterinnen und -berater könnten sowohl in der Notfallstation tätig werden als auch bei Strahlennotfällen mit wenigen Beteiligten beratend als Ansprechpartner für die/​den Notärztin/​-arzt vor Ort oder die Leitende Notärztin oder den Leitenden Notarzt zur Verfügung stehen. Dieser Personenkreis sollte die Möglichkeit haben, mit Sondersignal und BOS-Funk11 an die Einsatzstelle zu gelangen.

9.3 Kommunikation

Nach § 106 StrlSchG ist es Aufgabe des Radiologischen Lagezentrums (RLZ) des Bundes beim BMUV, Schutzmaßnahmen und Maßnahmen zur Information der Bevölkerung sowie von Hilfeleistung ressortübergreifend sowohl mit den Ländern als auch auf internationaler Ebene zu koordinieren. Unterstützt wird das BMUV dabei vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) und vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).

In der SSK-Empfehlung „Strahlennotfallmedizin – Handbuch für die medizinische Versorgung und Ausbildung“ (SSK 2022) wird im Kapitel 15 ausführlich auf die Krisen- und Risikokommunikation eingegangen.

Hierin wird unter Krisenkommunikation zur Informationsvermittlung über Art und Umfang des Notfalls sowie auf die Zusammenarbeit der beteiligten Behörden und Organisationen eingegangen. Auch die Information Betroffener über notwendige Schutzmaßnahmen ist Teil der Krisenkommunikation.

Die Risikokommunikation bezieht sich auf die Gefährdung des Einzelnen in einem spezifischen Notfall. Ziel der Risikokommunikation ist es, unter Beachtung gesundheitlicher Risiken den Betroffenen eine möglichst realistische Einschätzung ihrer Situation zu ermöglichen. Die Ergebnisse der Risikoanalyse sollten in die Krisenkommunikation einfließen und dadurch das Verständnis für notwendige Schutzmaßnahmen erhöhen.

Insbesondere die Möglichkeit einer sehr schnellen Informationsverbreitung durch soziale Medien fordert von den Verantwortlichen eine schnelle, inhaltlich korrekte und vor allem verständliche Krisen- und Risikokommunikation. Dies gelingt nur, wenn bereits im Vorfeld Rollen und Aufgaben personenbezogen festgelegt werden, nicht erst, wenn ein Notfall eingetreten ist. Rollen und Aufgaben sollen regelmäßig, möglichst im Rahmen realistischer Notfallszenarien, trainiert werden.

Informationsflüsse zu Behörden, Mitarbeitenden, Medien sowie der Bevölkerung sollen vorbereitet sein und Hintergrundmaterial aufbereitet zur Verfügung stehen. Dabei ist darauf zu achten, dass im Strahlennotfall auch medizinisches Personal oft nicht über hinreichende Kenntnisse über Strahlenrisiken verfügt. Spezielle Schulungen hierzu hält die SSK für dringend erforderlich.

Eine Zusammenstellung der aktuellen Informationen zum Bevölkerungsschutz sollte auf einer integrierten, staatlich autorisierten Internet-Plattform erfolgen (zum Beispiel BfS, BBK).

Die Internet-Plattform sollte in übersichtlicher Weise Informationen zu folgenden Themen bereitstellen:

allgemeiner Strahlenschutz,
Strahlenrisiko,
praktischer Strahlenschutz
sowie aktuelle Informationen zu bestehenden oder zu erwartenden außergewöhnlichen Expositionen der Bevölkerung.

Die Informationen können in Form von Texten, Grafiken oder Videoaufnahmen zur Verfügung stehen.

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SSK 2015 Strahlenschutzkommission (SSK). Weiterentwicklung des Notfallschutzes durch Umsetzen der Erfahrungen aus Fukushima. Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 274. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 19./​20. Februar 2015 (Bekanntmachung vom 24. September 2015, BAnz AT 04.01.2016 B3); urn:nbn:de:101:1-201512213326
SSK 2017a Strahlenschutzkommission (SSK). Erforderliche medizinische Kapazitäten für die Versorgung und Betreuung der Bevölkerung im radiologischen und nuklearen Notfall. Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 287. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 23./​24. März 2017 (Bekanntmachung vom 29. März 2018, BAnz AT 10.04.2018 B4); urn:nbn:de: 101:1-201804238529
SSK 2017b Strahlenschutzkommission (SSK). Erforderliche medizinische Kapazitäten für die Versorgung und Betreuung der Bevölkerung im radiologischen und nuklearen Notfall – Ausbildungsqualifikation. Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet in der 289. Sitzung der Strahlenschutzkommission am 25./​26.09.2017 (Bekanntmachung vom 8. Juni 2018, BAnz AT 27.06.2018 B2); urn:nbn:de: 101:1-2018071613312276553270
SSK 2022 Strahlenschutzkommission (SSK). Strahlennotfallmedizin – Handbuch für die medizinische Versorgung und Ausbildung. Empfehlung der Strahlenschutzkommission, verabschiedet im Umlaufverfahren am 28. August 2022. https:/​/​www.ssk.de/​SharedDocs/​Beratungsergebnisse/​2022/​
2022-09-05_​Empf_​Strahlennotfallmedizin.html, zuletzt aufgerufen am 19. Oktober 2023
Anhang A1

Schutzwirkstoffe und Medikamente

A1-1 Schutzwirkstoffe zur Dekorporation (weitere Information siehe SSK 2022)

1)
Preußisch Blau (Eisenhexacyanoferrat), wirksam bei Cäsium-Inkorporation (auch bei Thallium, Indium oder Spaltproduktemischung (Off-Label)).
2)
Calcium-Trinatrium-Pentetat (Ca(DTPA)), wirksam bei Inkorporationen mit Americium, Plutonium, Curium, Califor­nium, Berkelium (auch wahrscheinlich wirksam in unterschiedlichem Maße bei zahlreichen weiteren bi- bis pentavalenten Kationen).
3)
Zink-Trinatrium-Pentetat (Zn(DTPA)), wirksam bei Inkorporationen mit Americium, Plutonium, Curium, Californium, Berkelium (Alternative zu Ca(DTPA)).
4)
Dimercaptopropansulfonsäure (DMPS), off-label bei Inkorporationen von Polonium als individueller Heilversuch (zugelassen aber nur für Quecksilbervergiftungen).
5)
Kaliumiodid (KI), zur Iodblockade der Schilddrüse.

A1-2 Zusätzliche Medikamente

1)
Granulocyte Colony Stimulating Factor (G-CSF/​PEG-G-CSF), wirksam bei einer Strahlenexposition, die ein ARS auslösen kann (Indikation in den USA > 2 Gy).
2)
Granulocyte-Macrophage Colony Stimulating Factor (GM-CSF), wirksam bei einer Strahlenexposition, die ein ARS auslösen kann (Indikation in den USA > 2 Gy).
3)
Romiplostim, wirksam bei einer Strahlenexposition, die ein ARS auslösen kann (Indikation in den USA > 2 Gy).

Während G-CSF und Romiplostim eine andere arzneimittelrechtliche Zulassung für andere Indikationen in Europa haben und off-label angewendet werden können, kann GM-CSF bisher nur über patientenspezifische Zugangs­programme (named patient program) angefordert werden.

Weitere Medikamente umfassen Antiemetika, Mittel gegen Diarrhoe, Antibiotika, Antimykotika und mesenchymale Stammzellen. Für einen Überblick zum gegenwärtigen (2022) Stand der Erkenntnisse siehe (WHO 2023, https:/​/​apps.who.int/​iris/​rest/​bitstreams/​1488994/​retrieve).

Anhang A2

Lerninhalte der 3 Module zum Erwerb der Qualifikationen „Strahlennotfallmanagement“ und „Strahlennotfallärztin/​-arzt“

Zeitlich überlappend mit dieser Empfehlung wurde durch eine Arbeitsgruppe der SSK das Handbuch „Strahlennotfallmedizin – Handbuch für die medizinische Versorgung und Ausbildung“ erarbeitet. Die zu vermittelnden Inhalte der 3 Module werden im Handbuch detailliert ausgeführt. Im Folgenden wird unter Benennung der entsprechenden Kapitel darauf verwiesen.

Tabelle A2-1: Inhalte und Kompetenzen des Moduls 1

Modul 1 Grundlagen und präklinische Versorgung 22 UE
Gegenstand Dauer
(UE)
Kompetenzen Kapitel
(SSK 2022)
Inhalt Kapitel
Strahlennotfall­bezogene Strahlenphysik, Strahlenbiologie und Strahlenrisiko, Dosimetrie 4 Basiswissen zu strahlennotfallbezogener Strahlenphysik, Strahlenbiologie und Strahlenrisiken 4 Strahlenarten, Radioaktivität, Dosisgrößen, 3-A-Regel, biologische Strahlenwirkung, deterministische und stochastische Effekte, LNT-Hypothese, Basiswissen zu physika­lischer und biologischer Dosimetrie
Handhabung von Strahlenmess­technik 2 Kenntnisse und praktische Übung der Handhabung von Strahlenmessgeräten 10 Unterschiedliche Messgeräte und deren Einsatzmöglichkeit
Notfallszenarien 2 Kenntnisse der Notfalls­zenarien für ionisierende Strahlung und offene radioaktive Stoffe 3 Unterschiedliche Notfallszenarien in Hinblick auf externe und interne Exposition, mögliche Risiken und die damit verbundene Zahl betroffener Personen
Unterschiedliche Formen der Strahlenschäden 2 Kenntnisse der unterschied­lichen Formen der Strahlenschäden 8 Ausprägungen akuter und chronischer Strahlenschäden sowie deren Diagnostik
Eigenschutz und persönliche Schutzausrüstung 2 Kenntnisse und praktische Übung bei der Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung 12, Anhang 2 Mögliche Gefährdungen, risikoangepasste persönliche Schutzausrüstung
Präklinische Notfallmaßnahmen, Erstversorgung von Verletzten 3 Kenntnisse der präklinischen Notfallmaßnahmen inklusive der Erstversorgung von Verletzten 5 Vorgehensweise bei Notfall- und Katastrophensituationen unter Beachtung des Selbstschutzes, des c-ABCDE-Prinzips, der aktuellen Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung sowie der aktuellen Standards zur Reanimation
Radiologische Sichtung und gegebenenfalls Dekontamination 2 Kenntnisse der Möglichkeiten von Kontaminationen oder Inkorporationen und deren Nachweis,

Kenntnisse und praktische Übung der radiologischen Sichtung und Dekontamination

5.1, 6 Sichtungskategorien und Kennzeichnung, Kontaminationskontrolle; systematische Personendekontamination, Dekontaminationsverfahren
Transport und Logistik von Strahlennotfallpatientinnen/​-patienten 3 Kenntnisse und praktische Übung des Transports von Strahlennotfallpatientinnen/​-patienten 13, 14 Schutzmöglichkeiten von Transportmitteln und -personal; präventive Maßnahmen im Krankenhaus, Personal- und Material-Ressourcen, notwendige Infrastruktur und Logistik, Arbeiten im Team
Klinische Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen/​
-patienten
1 Kenntnisse der klinischen Versorgung von Strahlennotfall­patientinnen/​-patienten 8 Schnittstelle zum Basiskenntnisse, Modul 3
Notfallorganisation, zum Beispiel auch nationale und internationaleRessourcen und Netzwerke 1 Kenntnis der Notfallorganisation (auch nationale und inter­nationale Netzwerke und Ressourcen) 16, 17 Notfallmanagementsystem des Bundes und der Länder, allgemeine und besondere Notfallpläne, Einbindung des Katastrophenschutzes, Notfallstationen, internationale Netzwerke

Tabelle A2-2: Inhalte und Kompetenzen des Moduls 2

Modul 2 Psychosoziale Versorgung und Krisenkommunikation 8 UE
Gegenstand Dauer
(UE)
Kompetenzen Kapitel
(SSK 2022)
Inhalt Kapitel
Psychosoziale Versorgung beim Strahlennotfall 3 Kenntnisse der psychosozialen Versorgung beim Strahlennotfall 9 Psychosoziale Versorgung von Betroffenen und Einsatzkräften, psychische Erste Hilfe, weitere Akuthilfen, frühzeitiges Erkennen posttraumatischer Belastungsstörungen
Strategien zur Risiko- und Krisenkommunikation mit betroffenen Personen und Einsatzkräften 3 Kenntnisse und praktische Übung der Krisen- und Risikokommunikation mit betroffenen Personen und Einsatzkräften 9 Rollenverteilung bei der Risiko- und Krisenkommunikation, Kommunikationsstrategien, spezielle Aufgaben für das medizinische Personal
Untersuchungs- und Nachsorge­programme nach Strahlennotfällen 2 Kenntnisse von Untersuchungs- und Nachsorgeprogrammen bei Strahlennotfällen 9 Mittel- bis langfristige psychosoziale Nachsorge, vulnerable Gruppen, Umgang mit besorgten Personen, Sinnhaftigkeit des Massenscreenings auf stochastische Strahlenschäden, Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen

Tabelle A2-3: Inhalte und Kompetenzen des Moduls 3

Modul 3 Klinische Versorgung 20 UE
Gegenstand Dauer
(UE)
Kompetenzen Kapitel
(SSK 2022)
Inhalt Kapitel
Unterschiedliche Formen der akuten und chronischen Strahlenschäden und deren Ein­teilung, Strahlensyndrom (ARS) 2 Vertiefte Kenntnisse der unterschiedlichen Formen der akuten und chronischen Strahlen­schäden und deren Einteilung, Symptome und Verläufe 8 Darstellung der Pathophysiologie unterschiedlicher Strahlensyndrome (kutan, hämatopoetisch, gastrointestinal, zerebrovaskulär), Kombinationsschäden, Behandlungsprinzipien des ARS
Lokale Strahlen­schäden an der Haut (LRI) 1 Vertiefte Kenntnisse zu Aspekten des LRI 8 Darstellung der Pathophysiologie des kutanen Strahlensyndroms, Behandlungsprinzipien des LRI
Notwendige Infrastruktur und Logistik im Krankenhaus (KH) 1 Kenntnisse der für die Versorgung von Notfallpatientinnen/​-patienten notwendigen Infrastruktur im KH 13, 14 Inhalte der Alarmierungs- und Einsatzpläne für RN-Szenarien. Vorhaltungen für Infrastruktur und Personaleinsatzplanung.

Transport kontaminierter Patientinnen/​Patienten im KH

Möglichkeiten vorbereitender Maßnahmen (zum Beispiel Dekontamination) für die Klinikaufnahme

Phasenbezogene klinische Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen/​-patienten 3 Vertiefte Kenntnisse der Notfallszenarien und Abschätzung der Zahl der Betroffenen und der erforderlichen Behandlungskapazitäten

Kenntnisse der Behandlung der unterschiedlichen Formen der akuten und chronischen Strahlenschäden (akutes Strahlensyndrom, lokale Strahlen­schäden)

5, 6, 8 Radiologische Sichtung und Scoringsysteme,

vorrangige lebensrettende Sofortmaßnahmen, Erstversorgung von Wunden.

Frühsymptome des akuten Strahlensyndroms, Schweregrade, Responsekategorien

Frühe/​späte Manifestation des LRI und deren Behandlung

Dekontamination und Dekorporation 4 Spezielle Kenntnisse zur Dekontamination und Übungen

Kenntnisse der unspezifischen und spezifischen Verfahren der Dekorporationstherapie und deren Durchführung (inklusive Iodblockade)

6, 7, 11 Dekontamination kontaminierter Wunden, Vermeidung sekundärer Inkorporationen, Richtwerte für Dekontaminationsmaßnahmen.

Resorptionshemmung oder Ausscheidungsbeschleunigung durch unspezifische Maß­nahmen.

Einsatzmöglichkeiten, Nebenwirkungen und Kontraindikationen spezifischer Dekorpora­tionsmedikamente.

Bestimmung von radioaktivem Iod in der Schilddrüse, Prinzipien der Iodblockade der Schilddrüse. Informationsquellen für die Bevölkerung (SSK, www.iodblockade.de).

Psychologische Betreuung und Behandlung 2 Vertiefte Kenntnisse der psychosozialen Versorgung beim Strahlennotfall (Schwerpunkt posttrauma­tisches Belastungssyndrom) 9 Psychologische Betreuung und Behandlung, insbesondere Prävention, Diagnose und Therapie des posttraumatischen Belastungssyndroms
Übung: sequenzielle Versorgung von Strahlennotfall­patientinnen/​-patienten von Portal-/​Präklinik über Klinik bis zu inter-/​nationaler Verlegung sowie Rehabilitation (Präsentation oder besser virtuelle Realität) 4 Vertieftes Handlungswissen für die sequentielle Versorgung von Strahlennotfallpatientinnen/​-patienten in Präklinik und Klinik Arbeiten im Team; Vermittlung von Fähig­keiten der Führungsaufgabe; Abarbeitung von Einsatzszenarien unter Zeitdruck
Management von Behandlungs­strategien über das Krankenhaus hinaus,

Management der Verlegung von Strahlennotfall­patientinnen/​-patienten regional, national, inter­national

1 Vertiefte Kenntnisse über Vernetzungsstrukturen bei der klinischen Behandlung von Strahlennotfallpatientinnen/​-patienten 16, 3.3 Vermittlung der im Strahlennotfall möglich agierenden Fachstellen und Behördenvertreter, von Dosimetrieeinrichtungen, Inkorpora­tionsmessstellen, Ansprechpartnern der Regionalen Strahlenschutzzentren, des internationalen REMPAN-Netzwerks der WHO und so weiter
Möglichkeiten der Dosimetrie bei der klinischen Behandlung von Strahlennotfallpatientinnen/​​-patienten 1 Vertiefte Kenntnisse der Verfahren und Aussagen der Dosimetrie 10, 11 Arten der biologischen Dosimetrie, Möglichkeiten des Inkorporationsnachweises, Dosimetrie des Personals
Nachsorge exponierter Patientinnen/​Patienten 1 Kenntnisse zu Strahlen­spätschäden (Krebs, kardiovaskuläre Erkrankungen etc.) und entsprechenden Nachsorgeprogrammen 8.2 Erfahrungen mit Nachsorgeprogrammen nach den Atombombentests und -abwürfen auf Hiroshima und Nagasaki sowie den KKW-Unfällen von Tschernobyl und Fukushima
Nachsorge exponierten Personals 1 Einschätzung der Notwendigkeit einer nachgehenden Untersuchung (ärztliche Unter­suchung nach Beendigung der Aufgabenwahrnehmung der exponierten Person) und Be­fähigung zur Durchführung der entsprechenden Untersuchung (§ 78 StrlSchV) siehe auch § 78 StrlSchV Ziele und Inhalte nachgehender Untersuchung des exponierten Personals
Anhang A3

Ausstattung inklusive Dekontaminationsmittel

Im Krankenhaus sollen als Mindestanforderungen unter anderem folgende Materialien und Geräte vorgehalten werden. Adäquate (Material-)Bevorratung, – Umwälzung, gegebenenfalls – Entsorgung sind zu berücksichtigen:

Checklisten Material

Persönliche Schutzausrüstung (PSA)

Benötigte Anzahl Artikel PSA Vorhanden?
10 Gebläseschutzsysteme, flüssigkeitsdichter Körperschutz plus Kommunikationsausstattung
200 Mund-Nase-Maske (FFP 3)
100 Overall Spritzschutz-Kunststoffvlies
10 Packungen/​Größe Einmal-Handschuhe, Nitril (doppelt, wenn möglich)
Alle Größen (übliche Bevorratung im Krankenhaus)
100 Paar Stabile Überschuhe
100 Plastikschürze
100 Schutzbrille
100 OP-Haube
20 Elektronische Dosimeter zusätzlich zu personenbezogenen amtlichen Dosimetern

Dekontamination

Artikel zur Dekontamination Vorhanden?
Dekontaminationslösungen
Topografisch – physiologisch geeignete Dekontaminationsmittel, wie in der Nuklearmedizin und in Forschungslaboratorien üblich
Zitronensäurelösung
NaEDTA/​DTPA-Lösung
Physiologische Kochsalzlösung
Dekontaminationsmaterial
Feuchttücher
Trockene Tücher
Einmal-Rasierer
Bürste, Schwamm
Nagelbürste, Nagelschere, Nagelfeile
Scheren, Verbandsscheren
Föhn
Handtücher
Ersatzkleidung
Decken
Probennahme
Standard-Probenbehälter (mindestens 20 pro Dekontamination)
Probenbehälter für biologische Dosimetrie und Spezialuntersuchungen
Watte, Wattestäbchen
Becher
Klebestreifen
Permanente Filzstifte
Materialien zur Vermeidung von Kontaminationsverschleppung Vorhanden?
Stabile Plastikfolie zum Abdecken des Bodens und Inventars
Flatterband mit Strahlenwarnzeichen zur Absperrung
Sammelbehältnisse für den kontaminierten Abfall, wie genutzte Dekontaminationsmittel und Abwasser, für die personalisierte und gesicherte Aufbewahrung von kontaminierter Kleidung oder sonstiger persönlicher Besitztümer
Einmal-Abdecktücher
Strahlenwarnzeichen
Klebebänder zur Folienbefestigung

Messgeräte

Benötigte Anzahl Messgeräte Vorhanden?/​Zugang zu?
2 Tragbares Kontaminationsmessgerät
2 Dosis-/​Dosisleistungsmessgerät
1 oder Zugang Mobiles Dosisleistungsmessgerät zur spektroskopischen Messung von Gammastrahlung
1 oder Zugang Halbleitermessplatz
1 oder Zugang Ganzkörpermessplatz
1
https:/​/​www.bgetem.de/​arbeitssicherheit-gesundheitsschutz/​institute/​institut-fuer-strahlenschutz-1/​regionale-strahlenschutzzentren, zuletzt aufgerufen am 20. Juli 2023
2
https:/​/​www.bfs.de/​DE/​themen/​ion/​service/​inkorporation/​messstellen/​messstellen.html, zuletzt aufgerufen am 20. Juli 2023
3
https:/​/​www.traumanetzwerk-dgu.de, zuletzt aufgerufen am 20. Juli 2023
4
https:/​/​www.bbk.bund.de/​DE/​Infothek/​Fokusthemen/​Corona-Pandemie/​Kleeblattkonzept/​Was-ist-Kleeblattkonzept/​was-ist-kleeblattkonzept_​node.html#vt-sprg-5, zuletzt aufgerufen am 20. Juli 2023
5
https:/​/​apps.who.int/​whocc/​Default.aspx, zuletzt aufgerufen am 20. Juli 2023
6
CBRN: Chemisch, Biologisch, Radiologisch und Nuklear
7
Zwei Teams arbeiten parallel und im Mehrschichtbetrieb, kontaminierte PSA muss gewechselt werden:
Teamgröße ca. zehn Personen, zwei Teams parallel = 20 Personen
Dreischichtbetrieb = 60 Personen, + Reserve für Kontaminationen etc. = 100 Personen
8
https:/​/​www.who.int/​publications-detail-redirect/​9789240067875, zuletzt aufgerufen am 20. Juli 2023
9
Ein Tag sollte acht Unterrichtseinheiten à 45 Minuten entsprechen.
10
https:/​/​okat-sim.geo.uni-potsdam.de/​, zuletzt aufgerufen am 20. Juli 2023
11
Der BOS-Funk ist ein nicht öffentlicher mobiler UKW-Landfunkdienst in Deutschland und Österreich, der von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) und der Bundeswehr verwendet wird.
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