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Bundespolitik

Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Erstfassung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf

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Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über die Erstfassung der
Richtlinie
des Gemeinsamen Bundesausschusses
über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung
insbesondere für schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche
mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf

Vom 21. März 2024

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 21. März 2024 folgende Erstfassung der Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Kinder und Jugendliche mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf beschlossen:

I.

Die Richtlinie wird wie folgt gefasst:

„Richtlinie
des Gemeinsamen Bundesausschusses
über die berufsgruppenübergreifende,
koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch
kranke Kinder und Jugendliche mit komplexem psychiatrischen oder
psychotherapeutischen Behandlungsbedarf (KJ-KSVPsych-RL)

A.

Allgemeines

§ 1

Zweck und Versorgungsziele

(1) Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gemäß § 92 Absatz 6b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) beschlossene Richtlinie regelt die Anforderungen an die Ausgestaltung einer berufsgruppenübergreifenden, koordinierten und strukturierten Versorgung (im Folgenden: Versorgung nach dieser Richtlinie) insbesondere für schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeu­tischen Behandlungsbedarf. Sie umfasst auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs zwischen der teil­stationären, vollstationären oder stationsäquivalenten, im Folgenden: stationären Versorgung, und der ambulanten Versorgung. Die Regelungen streben zudem eine sozialgesetzbuchübergreifende Zusammenarbeit (weitere Hilfe­systeme anderer SGB) unter Einbeziehung relevanter Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld an. Hierzu gehört auch die Zusammenarbeit mit anderen Unterstützungssystemen (insbesondere Kindertagesstätte, Schule und Ausbildungsstätte).

(2) Unter Einnahme der Betroffenenperspektive insbesondere von schwer psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen mit komplexem Behandlungsbedarf sollen insbesondere folgende Unterziele erreicht werden:

1.
Die Versorgung nach dieser Richtlinie stellt eine individuelle und bedarfsgerechte Versorgung insbesondere für schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche unter Einbeziehung relevanter Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld zur Verfügung. Relevante Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld sind insbesondere die Familienangehörigen und Sorgeberechtigten. Die Versorgung nach dieser Richtlinie erreicht insbesondere die schwer psychisch erkrankten Patientinnen und Patienten besser als bestehende Versorgungsformen.
2.
Die Versorgung nach dieser Richtlinie fördert die Behandlungskontinuität. Sie verbessert die Möglichkeit der Kriseninterventionen und dient der Vermeidung von Behandlungsabbrüchen insbesondere beim Wechsel von Versorgungsbereichen.
3.
Die Versorgung nach dieser Richtlinie stellt im Vergleich zu den bestehenden Versorgungsformen zeitnähere Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten für diese Patientinnen und Patienten zur Verfügung.
4.
Die Versorgung nach dieser Richtlinie unterstützt insbesondere schwer psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche durch einen partizipativen Behandlungsansatz bei der Förderung und Sicherung ihrer individuellen Teilhabe- und Entwicklungsziele.
5.
Die Versorgung nach dieser Richtlinie unterstützt für die insbesondere schwer psychisch erkrankten Patientinnen und Patienten im Vergleich zu den bestehenden Versorgungsformen auch eine Verkürzung oder Vermeidung von stationären Aufenthalten sowie die Möglichkeit der Versorgung in der häuslichen Umgebung.
6.
Die Versorgung nach dieser Richtlinie sichert bei insbesondere schwer psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen mit komplexem Behandlungsbedarf die patientenindividuell notwendige Koordinierung der Versorgungsangebote sowie die Kooperation der Leistungserbringer untereinander mit dem Ziel einer fachlich synergistischen Zusammenarbeit. Sie soll hierbei eine bedarfsgerechte berufsgruppenübergreifende Behandlung sicherstellen und insbesondere einen besseren Austausch und Zusammenarbeit an Schnittstellen unterschiedlicher Hilfesysteme sowie eine gezielte Überleitung in die Versorgung außerhalb dieser Richtlinie ermöglichen.
7.
Die Versorgung nach dieser Richtlinie soll bei Bedarf eine koordinierte und möglichst nahtlose Überleitung der Patientinnen und Patienten in der Transitionsphase von der Jugend- in die Erwachsenenbehandlung sicherstellen. Dabei sind weitere Hilfe- und Unterstützungssysteme zu berücksichtigen.

(3) Das Ziel dieser Richtlinie soll unter Einbeziehung des Willens der jungen Patientinnen und Patienten und deren Sorgeberechtigten durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

1.
Verbesserung des Zugangs zu einer bedarfsgerechten berufsgruppenübergreifenden Krankenbehandlung,
2.
Vernetzung der notwendigen Leistungsangebote und Förderung einer schnittstellenübergreifenden Kooperation und Organisation der bedarfsgerechten Versorgung durch einen partizipativen Ansatz mit konkreten Teamstrukturen und einen verbindlichen Gesamtbehandlungsplan,
3.
zeitnahe Diagnostik unter Berücksichtigung der verschiedenen Bereiche des Lebensumfeldes und Feststellung des Versorgungsbedarfs,
4.
qualitätsgesicherte und leitliniengerechte Behandlung,
5.
Behandlungsleitung durch eine Bezugsärztin oder einen Bezugsarzt oder eine Bezugspsychotherapeutin oder einen Bezugspsychotherapeuten,
6.
sektoren- und berufsgruppenübergreifende Koordination der Versorgung der Kinder und Jugendlichen,
7.
Erleichterung des Übergangs zwischen stationärer und ambulanter Behandlung,
8.
Einbezug relevanter Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld und Angebote aufsuchender Versorgung und
9.
kontinuierlicher und strukturierter Austausch und Erleichterung der Kooperation mit Einrichtungen und Akteuren weiterer Hilfesysteme einschließlich regelmäßiger Fallbesprechungen.
§ 2

Definition der Patientengruppe

(1) Die Richtlinie regelt die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung von insbesondere schwer psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen mit einem komplexen Behandlungsbedarf von der Geburt bis zum vollendeten 21. Lebensjahr, bei denen neben einer psychischen Erkrankung gemäß Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 deutliche Einschränkungen in verschiedenen Funktions- und Lebensbereichen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 und 3 vorliegen und bei denen ein komplexer psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlungsbedarf nach Absatz 3 besteht.

(2) Zur Bestimmung der psychischen Erkrankung und des Ausmaßes der Einschränkungen in verschiedenen Funktions- und Lebensbereichen der Patientin oder des Patienten ist das „Multiaxiale Klassifikationsschema für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters nach ICD-10“ (MAS) zu verwenden. Eine psychische Erkrankung und deutliche Einschränkungen in verschiedenen Funktions- und Lebensbereichen liegen dann vor, wenn

1.
mindestens eine psychische Störung gemäß der ersten Achse des MAS aus dem V. Kapitel (F1-F6, F84, F9) oder F7x.1 des ICD-10-GM,
2.
mindestens ein psychosozialer Umstand aus den neun Kategorien „assoziierte aktuelle abnormale psychosoziale Umstände“ gemäß der fünften Achse des MAS und
3.
mindestens eine ernsthafte soziale Beeinträchtigung des psychosozialen Funktionsniveaus gemäß den Stufen vier bis acht auf der sechsten Achse des MAS

gegeben sind.

(3) Ein komplexer Behandlungsbedarf im Sinne dieser Richtlinie liegt vor, wenn zur Erreichung des Behandlungsziels (Heilung, Linderung oder Verhütung von Verschlimmerung) pro Quartal der Einsatz von mindestens zwei Maßnahmen der Krankenbehandlung durch Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer unterschiedlicher Berufsgruppen notwendig ist.

(4) Vor einer Versorgung nach dieser Richtlinie von jungen Erwachsenen im Alter ab 18 Jahren ist zu prüfen, ob vergleichbare Versorgungsmöglichkeiten im Versorgungssystem für Erwachsene vorliegen. Ist dies der Fall, so sollte in der Regel die Versorgung in der entsprechenden Struktur für Erwachsene angestrebt werden.

§ 3

Transition

(1) Im Rahmen der Versorgung nach dieser Richtlinie wird, soweit eine weitere Versorgung erforderlich ist, die nahtlose Überleitung für Jugendliche und junge Erwachsene in die Erwachsenenversorgung (Transition) unter Berücksichtigung weiterer Hilfesysteme gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten sowie mit relevanten Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld geplant und gestaltet. Ziel dessen ist die Sicherstellung von Versorgungskontinuität und die Vermeidung von Versorgungsabbrüchen.

(2) Die Transition soll frühzeitig vorbereitet und strukturiert im Gesamtbehandlungsplan festgelegt werden; hierbei ist der Transitionsbedarf zu definieren und sind die Transitionsmaßnahmen zu benennen. Die folgenden Regelungen sind bei der Transition vorzusehen:

1.
Der Transitionszeitpunkt orientiert sich am Entwicklungsstand und an der Erkrankung der Patientin oder des Patienten.
2.
Die Transition wird von der Bezugsärztin oder dem Bezugsarzt oder der Bezugspsychotherapeutin oder dem Bezugspsychotherapeuten mit der Patientin oder dem Patienten und den relevanten Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld abgesprochen.
3.
Die Transition ist interdisziplinär; die Fachärztinnen und Fachärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie weitere relevante Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer des SGB V werden in Fallbesprechungen einbezogen.
4.
Die Bezugsärztin oder der Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder der Bezugspsychotherapeut führt bei der Transition der Patientin oder des Patienten mindestens eine Fallbesprechung mit der weiterbehandelnden Ärztin oder dem weiterbehandelnden Arzt oder der weiterbehandelnden Psychotherapeutin oder dem weiterbehandelnden Psychotherapeuten durch.
5.
Die Transition wird durch die nichtärztliche koordinierende Person gemäß § 6 Absatz 2 koordiniert.

(3) Bei der Planung der Transition soll insbesondere auch die Kontaktaufnahme und Überleitung in Hilfe- und Unterstützungssysteme für Erwachsene außerhalb des SGB V, wie beispielsweise die Rehabilitation, das soziale Entschädigungsrecht gemäß Vierzehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XIV), die Teilhabe gemäß Neuntes Buch Sozialgesetzbuch, die Teilhabe am Arbeitsleben sowie Hilfen für selbstständiges Wohnen und Leben, berücksichtigt werden.

(4) Im Sinne dieser Richtlinie sind Kinder Personen, die noch nicht 14 Jahre alt sind, und Jugendliche Personen, die 14 Jahre, aber noch nicht 21 Jahre alt sind. Eine Versorgung nach dieser Richtlinie ist ausnahmsweise auch nach Vollendung des 21. Lebensjahres zulässig, wenn zur Sicherung des Therapieerfolgs bei Jugendlichen eine vorher mit Mitteln der Jugendpsychiatrie oder Jugendlichenpsychotherapie begonnene Behandlung erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres abgeschlossen werden kann. Grundsätzlich haben Patientinnen und Patienten ab 18 Jahren Anspruch auf eine Erwachsenenversorgung.

(5) Zur Förderung der Transition von insbesondere schwer psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen soll, sofern in der Region vorhanden, ein patientenbezogener oder patientenübergreifender strukturierter Austausch und eine Abstimmung mit den Netzverbünden der Erwachsenenversorgung nach der Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf (KSVPsych-RL), beispielsweise im Rahmen von Fallbesprechungen, stattfinden.

§ 4

Teilnahmeberechtigte Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer

(1) Zur Teilnahme an der Versorgung nach dieser Richtlinie berechtigt sind folgende zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer, wenn sie unter Beachtung der jeweiligen berufs- und leistungsrechtlichen Vorgaben eine kontinuierliche, vernetzte, berufsgruppen- und sektorenübergreifende Versorgung von insbesondere schwer psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen im Sinne des § 2 gewährleisten und jeweils selbst eine oder einer der im Folgenden genannten Ärztinnen und Ärzte oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind oder eine dieser Qualifikationen über eine Anstellungsgenehmigung bereithalten:

1.
Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten und Fachpsychotherapeutinnen oder Fachpsychotherapeuten für Kinder und Jugendliche,
3.
Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Nervenheilkunde, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie mit mindestens zweijähriger Weiterbildung im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Fachärztinnen und Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie mit mindestens zweijähriger Erfahrung in der Behandlung von schwer psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen (insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie) und
4.
Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit der fachlichen Befähigung zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen entsprechend den in § 4 Absatz 2 und 4 der Psychotherapie-Vereinbarung in der Fassung vom 2. Februar 2017, zuletzt geändert am 4. Januar 2024 und in Kraft getreten am 1. April 2024, festgelegten Anforderungen und ärztliche Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit der fachlichen Befähigung zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen entsprechend den in § 3 Absatz 2 und 4 der Psychotherapie-Vereinbarung in der Fassung vom 2. Februar 2017, zuletzt geändert am 4. Januar 2024 und in Kraft getreten am 1. April 2024, festgelegten Anforderungen.

(2) Voraussetzung für die Teilnahmeberechtigung nach Absatz 1 ist die Erklärung gegenüber der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung, dass die Anforderungen für die Versorgung nach dieser Richtlinie umgesetzt werden und dass der Veröffentlichung der Angaben gemäß Absatz 8 zugestimmt wird. Eine erneute Meldung erfolgt, wenn die Voraussetzungen für die Versorgung nach dieser Richtlinie nicht mehr gegeben sind oder die Bereitschaft zur Erfüllung der Anforderungen der Richtlinie nicht mehr besteht.

(3) Für die Versorgung nach dieser Richtlinie wirken mindestens eine oder ein der in Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 3 genannten Ärztinnen und Ärzte und eine oder ein der in Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 4 genannten Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten zur Erfüllung der Aufgaben gemäß § 7 und eine nichtärztliche koordinierende Person gemäß § 6 zur Koordination gemäß § 7 Absatz 2 Nummer 3 als patientenindividuelles zentrales Team, im Folgenden: Zentrales Team, zusammen. Die Intensität des Zusammenwirkens dieses Teams bestimmt sich patientenindividuell, mindestens gemäß den Anforderungen nach § 7 Absatz 2 Nummer 5 Buchstabe a sowie nach § 10 Absatz 1. Das Zentrale Team stellt sicher, dass eine telefonische Erreichbarkeit an mindestens vier Tagen pro Woche von jeweils mindestens 50 Minuten besteht.

(4) Bei Bedarf kann zur Adressierung der Versorgungziele nach § 1 ein patientenindividuelles erweitertes Team mit den in Absatz 5 oder Absatz 6 Genannten, im Folgenden: Erweitertes Team, gebildet werden.

(5) Folgende Leistungserbringer des SGB V können einbezogen werden und sind damit zur Teilnahme an der Versorgung nach dieser Richtlinie berechtigt:

1.
Krankenhäuser gemäß § 108 SGB V mit einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Einrichtung und mit einer Psychiatrischen Institutsambulanz nach § 118 SGB V,
2.
Leistungserbringerinnen oder Leistungserbringer für Ergotherapie, Physiotherapie oder Stimm-, Sprech-, Sprach- oder Schlucktherapie mit einer Zulassung nach § 124 SGB V,
3.
Leistungserbringerinnen oder Leistungserbringer für psychiatrische häusliche Krankenpflege mit einer Zulassung nach § 132a SGB V,
4.
Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin und
5.
im Rahmen der Transition: Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer für Soziotherapie mit einer Zulassung nach § 132b SGB V.

(6) Mit weiteren, nicht zur Teilnahme an der Versorgung nach dieser Richtlinie berechtigten Akteuren wird eine Zusammenarbeit angestrebt. Es werden daher ebenfalls für das Erweiterte Team je nach Bedarf insbesondere berücksichtigt:

1.
Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste und, soweit vorhanden, Krisendienste,
2.
Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer der Eingliederungshilfe,
3.
Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer zur Teilhabe am Arbeitsleben,
4.
Jugendämter,
5.
Öffentlicher Gesundheitsdienst,
6.
Einrichtungen der Jugendhilfe,
7.
Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kindertagesstätten,
8.
Schulpsychologische Dienste und Beratungsstellen,
9.
zugelassene vollstationäre und teilstationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste, die einen Versorgungsvertrag nach § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch abgeschlossen haben,
10.
Psychosoziale Beratungsstellen und Suchtberatungsstellen,
11.
Traumaambulanzen nach § 31 SGB XIV,
12.
Selbsthilfeorganisationen für Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder deren Angehörige,
13.
Psychosoziale Einrichtungen zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung von Geflüchteten und
14.
Rehabilitationseinrichtungen nach § 111 SGB V mit Leistungsangeboten für Kinder und Jugendliche mit einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung.

(7) Die in dieser Richtlinie verwendeten Facharzt-, Schwerpunkt- und Zusatzbezeichnungen richten sich nach der (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer und der Musterweiterbildungsordnung der Bundespsychotherapeutenkammer für Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten und schließen auch die Ärztinnen und Ärzte ein, welche eine entsprechende Bezeichnung nach altem Recht führen.

(8) Die Kassenärztlichen Vereinigungen stellen im Internet ein öffentliches Verzeichnis der Teilnahmeberechtigten gemäß Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 und deren Erreichbarkeitszeiten bereit; sie stellen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen und den zuständigen Landeskrankenhausgesellschaften das Verzeichnis quartalsweise in maschinenlesbarer Form zur Verfügung. Zum Zweck der differenzierten Kontaktaufnahme mit einer Leistungserbringerin oder einem Leistungserbringer nach § 4 Absatz 1, die oder der eine Erklärung gemäß § 4 Absatz 2 abgegeben haben, sollen diese Verzeichnisse der Arztsuche des Nationalen Gesundheitsportals nach § 395 Absatz 2 SGB V zur Verfügung gestellt werden.

§ 5

Bezugsärztin oder Bezugsarzt und Bezugspsychotherapeutin
oder Bezugspsychotherapeut

(1) Die Bezugsärztin oder der Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder der Bezugspsychotherapeut ist die zentrale Ansprechpartnerin oder der zentrale Ansprechpartner und trägt die Verantwortung für die Koordination der Versorgung nach dieser Richtlinie. Sie oder er gewährleistet die erforderliche Beziehungsstabilität für insbesondere psychisch schwer erkrankte Kinder- und Jugendliche. Sie oder er trägt die Verantwortung für das erforderliche, dem Gesamtbehandlungsplan entsprechende Ineinandergreifen der Versorgungsbestandteile für die Patientin oder den Patienten im Rahmen der Versorgung nach dieser Richtlinie.

(2) Die Bezugsärztin oder der Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder der Bezugspsychotherapeut gehört einer der in § 4 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 definierten Fachgruppen an. Sie oder er ist Teil des Zentralen Teams nach § 4 Absatz 3 und überträgt gemäß § 6 die Koordination der Versorgung der Patientinnen und Patienten, die Leistungen gemäß § 7 Absatz 2 Nummer 3, an eine nichtärztliche koordinierende Person gemäß § 6.

(3) Die Ärztin oder der Arzt und die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut, die beabsichtigen, in einem Zentralen Team nach § 4 Absatz 3 zusammenzuwirken, legen jeweils patientenindividuell fest, wer die Funktion der Bezugsärztin oder des Bezugsarztes oder der Bezugspsychotherapeutin oder des Bezugspsychotherapeuten übernimmt. Bei der Wahl der Bezugsärztin oder des Bezugsarztes oder der Bezugspsychotherapeutin oder des Bezugspsychotherapeuten werden sowohl die Patientinnen und Patienten alters- und entwicklungsentsprechend, als auch die relevanten Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld einbezogen. Die Festlegung erfolgt im Anschluss an die Eingangssprechstunde.

(4) Die Bezugsärztin oder der Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder der Bezugspsychotherapeut, die oder der den Gesamtbehandlungsplan nach § 10 auf Basis der differenzialdiagnostischen Abklärung erstellt, hat in der Regel während des gesamten Zeitraums der Versorgung nach dieser Richtlinie diese Funktion inne. Ein Wechsel der Bezugsärztin oder des Bezugsarztes oder der Bezugspsychotherapeutin oder des Bezugspsychotherapeuten ist möglich. Die Wünsche der Patientin oder des Patienten und die Gewährleistung einer möglichst großen Behandlungskontinuität sind zu berücksichtigen.

(5) Die Bezugsärztin oder der Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder der Bezugspsychotherapeut ist verantwortlich für

1.
die Erstellung und Entwicklung, die dokumentierte Überprüfung und Fortschreibung des Gesamtbehandlungsplans nach § 10 in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten und in Zusammenarbeit mit der koordinierenden Person nach § 6. Dabei werden die Patientinnen und Patienten alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung beteiligt unter Einbeziehung der Sorgeberechtigten,
2.
die unverzügliche Anbahnung einer ambulanten oder stationären Behandlung,
3.
die Einleitung einer somatischen Abklärung und, falls erforderlich, die Veranlassung einer Behandlung,
4.
die Kooperation und Abstimmung mit der oder den jeweils Beteiligten des Zentralen Teams und bei Bedarf des Erweiterten Teams und
5.
die Initiierung der patientenorientierten Fallbesprechungen nach § 7 Absatz 2 Nummer 5.
§ 6

Zuständige Berufsgruppen für die Koordination der Versorgung
der Patientinnen und Patienten

(1) Die Koordination der Versorgung der Patientinnen und Patienten nach dieser Richtlinie gemäß § 7 Absatz 2 Nummer 3 zielt auf die Umsetzung der im Gesamtbehandlungsplan erfassten Maßnahmen sowie auf die Förderung und Unterstützung der individuellen Krankenbehandlung des Kindes oder Jugendlichen sowohl einrichtungs- als auch leistungsbereichsübergreifend durch eine nichtärztliche koordinierende Person nach Absatz 2. Die Koordinationsaufgaben werden entsprechend den berufsrechtlichen Vorgaben und dem patientenindividuellen Bedarf durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten an eine der in Absatz 2 genannten Berufsgruppen übertragen.

(2) Die Koordination der Versorgung der Patientinnen und Patienten nach dieser Richtlinie wird gemäß § 7 Absatz 2 Nummer 3 durch eine der folgenden Berufsgruppen ausgeübt:

1.
nach § 124 Absatz 1 SGB V zugelassene Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten,
2.
Leistungserbringer, die einen Vertrag für die Erbringung von psychiatrischer häuslicher Krankenpflege gemäß § 132a SGB V abgeschlossen haben,
3.
Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer, die einen Vertrag für die Erbringung von Soziotherapie gemäß § 132b SGB V abgeschlossen haben,
4.
Medizinische Fachangestellte,
5.
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen oder gleichwertig,
6.
Pflegefachpersonen,
7.
Psychologinnen und Psychologen,
8.
Heilpädagoginnen und Heilpädagogen,
9.
Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger,
10.
nach § 124 Absatz 1 SGB V zugelassene Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer für Stimm-, Sprech-, Sprach- oder Schlucktherapie oder
11.
Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer für Physiotherapie mit einer Zulassung nach § 124 SGB V.

Voraussetzung für die Koordination der Versorgung der Patientinnen und Patienten durch eine Berufsgruppe des Satzes 1 ist eine fachspezifische Zusatzqualifikation, die Kenntnisse im Umgang mit psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen belegt, oder eine zweijährige Berufserfahrung (inklusive Ausbildungszeiten) in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen.

§ 7

Aufgaben und Organisation der Versorgung

(1) Die Versorgung nach dieser Richtlinie erfolgt therapiezielorientiert auf Basis eines Gesamtbehandlungsplans unter Leitung einer Bezugsärztin oder eines Bezugsarztes oder einer Bezugspsychotherapeutin oder eines Bezugspsychotherapeuten gemäß § 5 in einem Zentralen Team gemäß § 4 Absatz 3. Dieses gewährleistet in Zusammenarbeit und unter bedarfsweiser Einbeziehung der Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer nach § 4 Absatz 5 des Erweiterten Teams und bei Bedarf unter Berücksichtigung der Akteure nach § 4 Absatz 6 des Erweiterten Teams die interdisziplinäre, berufsgruppenübergreifende und koordinierte Versorgung.

(2) Die folgenden Leistungen der Nummern 1 bis 5 ergänzen die im Rahmen der in der Versorgung bereits geregelten Diagnostik- und Behandlungsleistungen der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung auch durch die Berücksichtigung von Leistungserbringern anderer Sozialgesetzbücher:

1.
Eingangssprechstunde

a)
Ermöglichung der zeitnahen Herstellung des Erstkontakts in einer Eingangssprechstunde nach Kontaktaufnahme durch die Patientin oder den Patienten (in der Regel innerhalb von zehn Werktagen) und, sofern die Voraussetzungen nach § 2 erfüllt sind, der zeitnahe Beginn der Behandlung gemäß § 9. Die Leistung wird erbracht durch eine Leistungserbringerin oder einen Leistungserbringer gemäß § 4 Absatz 1, die oder der eine Erklärung gemäß § 4 Absatz 2 abgegeben hat.
b)
Abstimmung der vorgesehenen Leistungen mit den bereits erfolgenden Behandlungsmaßnahmen und Überprüfung der Einhaltung der Regelungen gemäß § 9 Absatz 4; das Ergebnis der Überprüfung ist zu dokumentieren. Sofern die Überprüfung ergibt, dass bereits eine Behandlung gemäß § 9 Absatz 4 in Anspruch genommen wird, besteht vor deren Beendigung kein Anspruch auf eine Versorgung und Vergütung im Rahmen dieser Richtlinie.
2.
Die differenzialdiagnostische Abklärung gemäß § 9 Absatz 1 zeitnah nach der Eingangssprechstunde.
3.
Koordination der Versorgung
Die Koordination der Versorgung der Patientin oder des Patienten nach dieser Richtlinie sowie der Netzwerkarbeit wird gemäß § 6 durch die nichtärztliche koordinierende Person übernommen. Im Rahmen der Koordination hält die nichtärztliche koordinierende Person nach § 6 die Umsetzung des Gesamtbehandlungsplans nach und trägt die Verantwortung für einen kontinuierlichen Informationsaustausch, indem sie als Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner für das Kind oder den Jugendlichen sowie Sorgeberechtigte und an der Versorgung der jeweiligen Patientin oder des jeweiligen Patienten beteiligte Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer zur Verfügung steht. Die individuelle Begleitung zielt zudem darauf ab, mit Hilfe der nichtärztlichen koordinierenden Person die Behandlungskontinuität nachhaltig sicherzustellen.
Zur Koordination gehören insbesondere folgende Aufgaben:

a)
die Vereinbarung von Terminen bei Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern für die Patientin oder den Patienten auf Basis des Gesamtbehandlungsplans,
b)
Erarbeitung eines individuellen Rückmeldesystems mit der Patientin oder dem Patienten,
c)
Organisation und Durchführung einer an den Bedürfnissen des Kindes oder Jugendlichen ausgerichteten Netzwerkarbeit mit den relevanten Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld des Kindes oder Jugendlichen sowie Einbindung von für die Behandlung relevanten Einrichtungen der Sozialgesetzbücher. Die Netzwerkarbeit umfasst insbesondere die Verbesserung der Kommunikation, die Koordination der Behandlung sowie die Unterstützung bei der Abstimmung der Zielsetzungen der erbrachten Leistungen, sofern erforderlich auch über die Sozialgesetzbücher hinaus, sowie die Unterstützung der sozialen Inklusion.
d)
Organisation von interdisziplinären Fallbesprechungen.
Die Koordination umfasst darüber hinaus auch die folgenden Aufgaben, sofern ein patientenindividueller Bedarf besteht und die Ausprägung der Symptomatik der Delegation nicht entgegensteht:

e)
mit Einverständnis der Patientin oder des Patienten das Aufsuchen der Patientin oder des Patienten in ihrem oder seinem häuslichen Umfeld,
f)
das Führen von Gesprächen im Lebensumfeld der Patientin oder des Patienten sowie die Einbeziehung von relevanten Bezugspersonen,
g)
der mindestens wöchentliche telefonische oder persönliche Kontakt mit der Patientin oder dem Patienten oder den Sorgeberechtigten und das Hinwirken auf Termintreue.
4.
Erstellen und Überprüfung eines Gesamtbehandlungsplans gemäß § 10

a)
In Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten wird ein individueller, auf die jeweilige Krankheitssituation spezifisch ausgerichteter Gesamtbehandlungsplan gemäß § 10 durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten erstellt. Die an der Versorgung der jeweiligen Patientinnen und Patienten Beteiligten des Zentralen Teams und bedarfsweise die Beteiligten des Erweiterten Teams nach § 4 Absatz 5 sind hierbei einzubeziehen und Beteiligte des Erweiterten Teams nach § 4 Absatz 6 zu berücksichtigen.
b)
Psychoedukation und Schulung des Kindes oder des Jugendlichen sowie relevanter Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld.
c)
Das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 2 für eine Versorgung nach dieser Richtlinie ist halbjährlich durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten nach § 5 zu überprüfen.
5.
Interdisziplinäre Fallbesprechungen

a)
Patientenorientierte Fallbesprechungen des Zentralen Teams werden in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Sie sollen erstmals spätestens einen Monat nach der Eingangssprechstunde und darauffolgend mindestens einmal im Quartal erfolgen. An mindestens einer der Fallbesprechungen im Quartal nehmen alle Beteiligten des Zentralen Teams teil.
b)
Die Beteiligten des Erweiterten Teams können bedarfsweise an Fallbesprechungen nach Buchstabe a teilnehmen.
c)
Leistungserbringer gemäß § 4 Absatz 3 und 5 können an SGB-übergreifenden Hilfekonferenzen mit Vertretern der Schnittstellen zur Planung und Koordination der notwendigen Leistungen und Unterstützungssysteme, insbesondere bei den Übergängen (zum Beispiel von der Schule in das Arbeitsleben), teilnehmen.

Die Berücksichtigung von Leistungserbringern anderer Sozialgesetzbücher ist nur möglich, sofern dem keine Regelungen des jeweiligen Sozialgesetzbuches entgegenstehen; Verpflichtungen für Leistungserbringerinnen, -erbringer oder -träger des SGB V ergeben sich hieraus nicht.

(3) Die an der Versorgung nach dieser Richtlinie teilnehmenden Leistungserbringer haben dafür Sorge zu tragen, sich mit der Prävention von und der Intervention bei (sexueller) Gewalt und Missbrauch (Risiko- und Gefährdungsanalyse) bei insbesondere schwer psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen gemäß der Qualitätsmanagement-Richtlinie zu befassen und konkrete Schritte und Maßnahmen zur Prävention und Verbesserung des Schutzes von psychisch schwer erkrankten Kindern und Jugendlichen (Schutzkonzepte) zu erarbeiten.

(4) Die Beratung und Behandlung können auch über Kommunikationsmedien ergänzt sowie durch digitale Anwendungen unterstützt werden. Die Vorgaben für die Leistungserbringung mittels digitaler Medien gemäß SGB V und Bundesmantelvertrag–Ärzte (BMV-Ä) sind dabei einzuhalten.

B.

Patientenversorgung

§ 8

Zugang

(1) Die Versorgung nach dieser Richtlinie bedarf keiner Überweisung. Eine Empfehlung für die Versorgung nach dieser Richtlinie kann bei Vorliegen oder Verdacht der Kriterien nach § 2 sowohl von Ärztinnen und Ärzten als auch von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten oder von Leistungserbringerinnen, Leistungserbringern und Akteuren nach § 4 Absatz 5 und 6 Nummer 1 und 5 ausgesprochen werden.

(2) Eine Empfehlung für eine Versorgung nach dieser Richtlinie kann auch im Rahmen des Entlassmanagements vor Entlassung aus einer stationären psychiatrischen, psychotherapeutischen oder psychosomatischen Krankenhaus- oder Rehabilitationsbehandlung der Einrichtung ausgesprochen werden.

(3) Mit der Empfehlung soll die Patientin oder der Patient über das Versorgungsangebot informiert werden und eine Übersicht ausgewählter, geeigneter regional zugänglicher Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer gemäß § 4 Absatz 1, die eine Erklärung gemäß § 4 Absatz 2 abgegeben haben, erhalten. Mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten vermitteln die Empfehlenden gemäß Absatz 1 oder Absatz 2 unmittelbar einen Termin (in der Regel innerhalb von zehn Werktagen) bei der oder dem von der Patientin oder dem Patienten gewählten Leistungserbringerin oder Leistungserbringer gemäß § 4 Absatz 1, die oder der eine Erklärung gemäß § 4 Absatz 2 abgegeben hat.

(4) Es gelten die gesetzlichen und berufsrechtlichen Regelungen sowie die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung über die Aufklärung und Erteilung der Einwilligung bei einwilligungsfähigen und einwilligungsunfähigen Patientinnen und Patienten.

§ 9

Diagnostik und Behandlung im Rahmen der strukturierten Versorgung

(1) Das Vorliegen der Kriterien gemäß § 2 wird in der Eingangssprechstunde geprüft, dies erfolgt durch eine Leistungserbringerin oder einen Leistungserbringer nach § 4 Absatz 1, die oder der eine Erklärung gemäß § 4 Absatz 2 abgegeben hat. Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 2 oder Nummer 4 überprüfen das Vorliegen der Kriterien gemäß § 2 in der Psychotherapeutischen Sprechstunde gemäß § 11 der Psychotherapie-Richtlinie, sofern die Richtlinie über die Durchführung der Psychotherapie für sie Anwendung findet. Die differenzialdiagnostische Abklärung der Patientin oder des Patienten erfolgt unter Berücksichtigung aller bereits vorliegenden relevanten Befunde. Dies beinhaltet unter anderem die psychische, somatische und soziale, soweit erforderlich, interdisziplinär abzustimmende Diagnostik und Indikationsstellung, auf deren Grundlage zumindest ein vorläufiger Gesamtbehandlungsplan erstellt wird. Relevante Bezugspersonen werden bei Bedarf einbezogen.

(2) Für die Versorgung im Rahmen dieser Richtlinie stehen die im SGB V verankerten Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung. Die jeweils zu wählenden Interventionen richten sich dabei nach der Diagnose und dem Schweregrad der Erkrankung. Erforderliche Behandlungsmaßnahmen werden unmittelbar eingeleitet.

(3) Zu Beginn und während der Versorgung nach dieser Richtlinie soll auf Hilfen für relevante Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld der Patientin oder des Patienten, insbesondere für Familienangehörige und weitere Bezugspersonen, hingewiesen werden, sofern diese erforderlich sind.

(4) Die parallele Behandlung einer Patientin oder eines Patienten nach dieser Richtlinie ist ausgeschlossen. Wird eine Patientin oder ein Patient im Rahmen der Vereinbarung gemäß § 85 Absatz 2 Satz 4 und § 43a SGB V über besondere Maßnahmen zur Verbesserung der sozialpsychiatrischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen (Sozialpsychiatrie-Vereinbarung) behandelt, ist die Versorgung nach dieser Richtlinie ausgeschlossen.

§ 10

Gesamtbehandlungsplan

(1) Der Gesamtbehandlungsplan zielt auf Basis der differenzialdiagnostischen Abklärung darauf ab, die verschiedenen Versorgungsmaßnahmen zusammenzubringen und eine einheitliche Zielrichtung der Maßnahmen herbeizuführen. Er wird auf der Basis der medizinischen und therapeutischen Befunde durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten erstmalig zu Beginn der Behandlung erstellt. Dabei werden die Patientinnen und Patienten alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung unter Einbeziehung der Sorgeberechtigten beteiligt. Bei der Erstellung des Gesamtbehandlungsplans sind die an der Versorgung der jeweiligen Patientin und des jeweiligen Patienten beteiligten Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer insbesondere des Zentralen Teams sowie bei Bedarf des Erweiterten Teams nach § 4 Absatz 5 sowie relevante Bezugspersonen einzubeziehen.

(2) Ausgehend von Schwere und Ausmaß der psychischen Störung, deren Auswirkungen in den unterschiedlichen Lebensbereichen und den Erfordernissen der Teilhabe wird mit den Beteiligten des Zentralen Teams und bei Bedarf des Erweiterten Teams nach § 4 Absatz 5 und den relevanten Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld der Patientin oder des Patienten unter Berücksichtigung der Akteure des Erweiterten Teams nach § 4 Absatz 6 ein gemeinsames ärztliches und therapeutisches Vorgehen entwickelt. Der Gesamtbehandlungsplan enthält die Therapieziele sowie insbesondere Angaben zum Bedarf an ärztlichen und psychotherapeutischen Maßnahmen sowie den Bedarf an Arzneimitteln, Heilmitteln und weiterer einzuleitender Maßnahmen. Der Gesamtbehandlungsplan beinhaltet auch Angaben zur Erforderlichkeit von Maßnahmen zur weiterführenden differenzialdiagnostischen somatischen Abklärung und zur Behandlungsnotwendigkeit von somatischen Komorbiditäten durch Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer außerhalb der Versorgung nach dieser Richtlinie. Bestandteil des Gesamtbehandlungsplans ist in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten sowie deren sorgeberechtigter Person auch die namentliche Benennung der nichtärztlichen koordinierenden Person, die die Koordinationsaufgaben nach § 7 Absatz 2 Nummer 3 durchführt. Für die Bestimmung der Therapieziele ist die Entwicklungsförderung und die kontinuierliche, situativ anzupassende Begleitung der Patientinnen und Patienten maßgeblich. Für den Fall, dass eine Person aus einem Leistungsbereich außerhalb des SGB V, zum Beispiel in der Jugendhilfe, koordinative Tätigkeit außerhalb des SGB V erbringt, wird dies im Gesamtbehandlungsplan zur Erleichterung der angestrebten Zusammenarbeit mit der nichtärztlichen koordinierenden Person nach § 6 Absatz 2 dokumentiert.

(3) Der Gesamtbehandlungsplan beinhaltet auch einen Kriseninterventionsplan. Der Kriseninterventionsplan wird zusammen mit der Patientin oder dem Patienten und relevanten Bezugspersonen aus dem sozialen Umfeld erstellt. Er beinhaltet konkrete Maßnahmen zur Krisenprävention, konkrete Ansprechpartner und deren Erreichbarkeiten und einen Handlungsplan bei Krisen. Die kontinuierliche Betreuung von Patientinnen und Patienten in Krisen kann dabei auch in Kooperation mit ärztlichen Bereitschaftsdiensten oder anderen geeigneten Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern gewährleistet werden. Der Kriseninterventionsplan soll dabei helfen, Behandlungsabbrüche zu vermeiden.

(4) Der Gesamtbehandlungsplan ist während des gesamten Zeitraums der Versorgung nach dieser Richtlinie für alle daran Beteiligten des Zentralen Teams und des Erweiterten Teams nach § 4 Absatz 5 verbindlich. Während der Behandlung werden die Ziele und Maßnahmen durch das Zentrale Team regelmäßig geprüft und unter Einbezug der Betroffenen angepasst. Ist eine Veränderung des Gesamtbehandlungsplans aus Sicht der an der Versorgung nach dieser Richtlinie Beteiligten des Zentralen Teams und des Erweiterten Teams nach § 4 Absatz 5 notwendig, haben sie den Änderungsbedarf der Bezugsärztin oder dem Bezugsarzt oder der Bezugspsychotherapeutin oder dem Bezugspsychotherapeuten mitzuteilen und abzustimmen. Die Bezugsärztin oder der Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder der Bezugspsychotherapeut entscheidet über die Anpassung des Gesamtbehandlungsplans; Absatz 1 Satz 3 und 4 gelten entsprechend.

§ 11

Regelungen zur Erleichterung des Sektorenübergangs

(1) Zur Gewährleistung eines nahtlosen Übergangs der Patientin oder des Patienten in eine Versorgung nach dieser Richtlinie wird während des stationären Aufenthalts in zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 SGB V mit psychiatrischen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche im Rahmen des Entlassmanagements durch die Anwendung eines geeigneten Assessments gemäß § 39 Absatz 1a Satz 1 SGB V der patientenindividuelle Bedarf für die Anschlussversorgung möglichst frühzeitig erfasst und ein Entlassplan aufgestellt. Bei der Erstellung des Entlassplans ist den Bedürfnissen schwer psychisch Erkrankter Rechnung zu tragen und der komplexe Behandlungsbedarf im Sinne dieser Richtlinie zu berücksichtigen.

(2) Liegen dem Krankenhaus Informationen vor, dass eine Patientin oder ein Patient bereits nach dieser Richtlinie versorgt wird, übermittelt das Krankenhaus mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten den Entlassbrief gemäß des Rahmenvertrags über ein Entlassmanagement beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung an die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten. Die die Koordinationsaufgaben durchführende Person nach § 6 wird über das voraussichtliche Datum der Entlassung informiert, um die Weiterbehandlung zeitnah zu veranlassen.

(3) Stellt das Krankenhaus im Rahmen der Entlassdiagnostik nach Absatz 1 einen Verdacht auf eine Indikation nach § 2 und damit die Möglichkeit des Bedarfs für eine Versorgung nach dieser Richtlinie fest, empfiehlt das Krankenhaus die Möglichkeit einer erreichbaren Versorgung nach dieser Richtlinie und nimmt mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten Kontakt zu einer Leistungserbringerin oder einem Leistungserbringer gemäß § 4 Absatz 1 auf, die oder der die Versorgung nach dieser Richtlinie anbietet, und übermittelt dieser oder diesem das Ergebnis der Entlassdiagnostik. Es vereinbart einen Termin zur Eingangssprechstunde. Der Termin hat in der Regel innerhalb von zehn Werktagen nach dem voraussichtlichen Entlassungstermin aus der stationären Behandlung zu erfolgen. Bei Ablehnung der Vermittlung an eine weiterbehandelnde Leistungserbringerin oder einen weiterbehandelnden Leistungserbringer gemäß § 4 Absatz 1, die oder der eine Erklärung gemäß § 4 Absatz 2 abgegeben hat, informiert das Krankenhaus das Kind oder den Jugendlichen und die Sorgeberechtigten über alternative Versorgungsmöglichkeiten.

(4) Wird im Rahmen der Versorgung einer Patientin oder eines Patienten nach dieser Richtlinie ein stationärer Behandlungsbedarf im Sinne des § 39 Absatz 1 SGB V festgestellt, sind dem aufnehmenden Krankenhaus mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten oder der Sorgeberechtigten die erforderlichen Informationen des bisherigen Behandlungsverlaufs und der Therapieziele durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsycho­therapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten zur Verfügung zu stellen.

(5) Sofern sich nach der Krankenhausbehandlung eine Versorgung nach dieser Richtlinie anschließen soll, in deren Rahmen auch eine ambulante psychotherapeutische Behandlung durchgeführt werden soll, können erforderliche probatorische Sitzungen bereits frühzeitig noch während der Krankenhausbehandlung in der vertragsärztlichen Praxis wie auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden. Das Krankenhaus kann hierzu in Absprache mit der Patientin oder dem Patienten oder den Sorgeberechtigten mit einer Ärztin oder einem Arzt oder einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten aus dem veröffentlichten Verzeichnis gemäß § 4 Absatz 8 Kontakt aufnehmen zur Terminvermittlung für die probatorischen Sitzungen.

§ 12

Verlaufskontrolle und Beendigung der Versorgung nach dieser Richtlinie

(1) Eine Beurteilung des Behandlungsfortschritts und der Erreichung der im Gesamtbehandlungsplan festgehaltenen Therapieziele ist regelmäßig durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten und, soweit notwendig, in Abstimmung mit den weiteren an der Versorgung des jeweiligen Kindes oder Jugendlichen nach dieser Richtlinie beteiligten Berufsgruppen vorzunehmen. Sofern erforderlich, sind die Therapieziele und Behandlungsmaßnahmen des Gesamtbehandlungsplans anzupassen.

(2) Das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 2 für eine Versorgung nach dieser Richtlinie ist halbjährlich zu überprüfen. Der Gesamtbehandlungsplan ist, soweit erforderlich, anzupassen. Sind die Therapieziele nachhaltig erreicht oder wird aus anderen Gründen die Versorgung nach dieser Richtlinie beendet, ist eine Überleitung in die fachärztliche oder psychotherapeutische Versorgung, sofern weiterhin erforderlich, außerhalb dieser Richtlinie frühzeitig anzustreben. Dabei soll nach Möglichkeit die personelle Kontinuität der an der Versorgung der jeweiligen Patientin oder des jeweiligen Patienten beteiligten Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer gewahrt werden. Hierzu erstellt die Bezugsärztin oder der Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder der Bezugspsychotherapeut einen Überleitungsplan, der die wesentlichen Informationen über den Behandlungsverlauf enthält. Eine erneute Versorgung im Rahmen dieser Richtlinie kann erfolgen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 2 erfüllt sind; in diesem Fall ist die Behandlung durch dieselbe Bezugsärztin oder denselben Bezugsarzt oder dieselbe Bezugspsychotherapeutin oder denselben Bezugspsychotherapeuten anzustreben.

C.

Evaluation

§ 13

Evaluation

Der G-BA evaluiert innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieser Richtlinie deren Auswirkungen auf die Versorgungsqualität insbesondere von schwer psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf und nimmt bei Bedarf auf Basis der Evaluation Anpassungen an der Richtlinie vor. In der Evaluation ist zu untersuchen, ob die in § 1 festgelegten Versorgungsziele erreicht wurden und ob die Vorgaben der Richtlinie geeignet sind, diese zu erfüllen. Dabei sind auch unerwünschte Auswirkungen und Umsetzungshindernisse zu erheben und darzustellen.“

II.

Die Erstfassung der Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 21. März 2024

Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende
Prof. Hecken

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