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Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Erstfassung der Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf

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Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über die Erstfassung der Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende,
koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte
mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf

Vom 2. September 2021

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Sitzung am 2. September 2021 folgende Erstfassung der Richtlinie über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf (KSVPsych-RL) beschlossen:

I.

Die Richtlinie wird wie folgt gefasst:

„Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit komplexem psychiatrischen oder psycho­therapeutischen Behandlungsbedarf

A.
Allgemeines
§ 1
Zweck und Versorgungsziele
(1) Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gemäß § 92 Absatz 6b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) beschlossene Richtlinie regelt die Anforderungen an die Ausgestaltung einer berufsgruppenübergreifenden, koordinierten und strukturierten Versorgung (im Folgenden: Versorgung nach dieser Richtlinie) insbesondere für schwer psychisch erkrankte Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Sie umfasst auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs zwischen der stationären und der ­ambulanten Versorgung.

(2) Ziel der Versorgung nach dieser Richtlinie ist eine Verbesserung der Versorgung insbesondere von schwer psychisch erkrankten Patientinnen und Patienten mit komplexem psychiatrischen, psychosomatischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Unter Einnahme der Betroffenenperspektive sollen neben dem grundsätzlichen Ziel nach Satz 1 folgende Unterziele erreicht werden:

1.
Die Versorgung nach dieser Richtlinie erreicht insbesondere die schwer psychisch erkrankten Patientinnen und Patienten besser als bestehende Versorgungsformen und strebt an, die Bildung einer leicht erreichbaren und flexiblen Versorgungsstruktur zu fördern.
2.
Die Versorgung nach dieser Richtlinie stellt im Vergleich zu den bestehenden Versorgungsformen zeitnähere Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten insbesondere für schwer psychisch erkrankte Patientinnen und Patienten zur Verfügung.
3.
Die Versorgung nach dieser Richtlinie unterstützt für die schwer psychisch erkrankten Patientinnen und Patienten im Vergleich zu den bestehenden Versorgungsformen auch eine Verkürzung oder Vermeidung von stationären Aufenthalten sowie die Möglichkeit der Versorgung in der häuslichen Umgebung.
4.
Die Versorgung nach dieser Richtlinie soll bei schwer psychisch erkrankten Patientinnen und Patienten mit langfristigem Behandlungsbedarf die patientenindividuell notwendige Koordinierung der Versorgungsangebote gewährleisten. Sie soll hierbei eine bedarfsgerechte Behandlung sicherstellen und eine gezielte Überleitung in die ­Versorgung außerhalb dieser Richtlinie ermöglichen.

(3) Das Ziel dieser Richtlinie soll unter Einbeziehung des Patientenwillens durch folgende Maßnahmen erreicht ­werden:

1.
Verbesserung des Zugangs zu einer bedarfsgerechten, berufsgruppenübergreifenden Krankenbehandlung,
2.
Zeitnahe Diagnostik und Feststellung des Versorgungsbedarfs,
3.
Qualitätsgesicherte und leitliniengerechte Behandlung,
4.
Behandlungsleitung durch eine Bezugsärztin oder einen Bezugsarzt oder eine Bezugspsychotherapeutin oder einen Bezugspsychotherapeuten,
5.
Koordination der Versorgung der Patientinnen und Patienten im Netzverbund,
6.
Abgestimmter, verbindlicher Gesamtbehandlungsplan,
7.
Erleichterung des Übergangs zwischen stationärer und ambulanter Behandlung,
8.
Einbezug des sozialen Umfelds,
9.
Strukturierter Austausch und Erleichterung der Kooperation mit Einrichtungen außerhalb des SGB V.
§ 2
Definition der Patientengruppe
(1) Diese Richtlinie regelt die berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung von Patientinnen und Patienten ab dem vollendeten 18. Lebensjahr mit einer psychischen Erkrankung nach Absatz 2, bei denen deutliche Einschränkungen in verschiedenen Funktions- und Lebensbereichen nach Absatz 3 vorliegen und bei denen ein komplexer psychiatrischer oder psychosomatischer oder psychotherapeutischer Behandlungsbedarf nach Absatz 4 besteht.
(2) Es liegt eine psychische Erkrankung aus dem V. Kapitel (F10 bis F99) des ICD-10-GM vor.
(3) Zur Bestimmung des Ausmaßes der Beeinträchtigungen in den verschiedenen Funktions- und Lebensbereichen der Patientin oder des Patienten ist die GAF-Skala1 heranzuziehen. Orientierungswert für deutliche Einschränkungen des psychosozialen Funktionsniveaus und Indikationskriterium für eine Behandlung nach dieser Richtlinie ist ein GAF-Wert von höchstens ≤ 50.
(4) Ein komplexer Behandlungsbedarf liegt vor, wenn zur Erreichung des Behandlungsziels (Heilung, Linderung oder Verhütung von Verschlimmerung) pro Quartal der Einsatz von mindestens zwei Maßnahmen der Krankenbehandlung durch Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer unterschiedlicher Disziplinen gemäß § 3 Absatz 2 bis 3 notwendig ist.
§ 3
Teilnahmeberechtigte Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer

(1) Zur Teilnahme an der Versorgung nach dieser Richtlinie berechtigt sind Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer, wenn sie entweder

1.
Mitglied in einem Netzverbund nach Absatz 2 sind,
2.
in Absatz 3 Satz 1 genannte Leistungserbringerinnen oder Leistungserbringer sind und einen Kooperations­vertrag mit einem Netzverbund nach Absatz 3 abgeschlossen haben oder
3.
gemäß Absatz 4 bei Bedarf oder gemäß Absatz 12 in die Versorgung nach dieser Richtlinie einbezogen werden
sowie dem Netzverbund eine Genehmigung nach Absatz 9 vorliegt.

(2) Der Netzverbund ist ein vertraglicher Zusammenschluss von zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Ver­sorgung zugelassenen Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern nach Satz 2 einer Region (Netzverbundmitglieder), die unter Beachtung der jeweiligen berufs- und leistungsrechtlichen Vorgaben eine kontinuierliche, vernetzte, berufsgruppenübergreifende und sektorenübergreifende Versorgung von psychisch Erkrankten im Sinne des § 2 in der Region gewährleisten. Netzverbundmitglieder können Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer sein, die jeweils selbst eine oder einer der im Folgenden genannten Ärztinnen und Ärzte oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind oder eine dieser Qualifikationen über eine Anstellungsgenehmigung bereithalten:

1.

Fachärztinnen und Fachärzte für

a)
Psychiatrie und Psychotherapie,
b)
Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,
c)
Nervenheilkunde oder Neurologie und Psychiatrie,
2.
ärztliche und psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie
3.
Fachärztinnen und Fachärzte für Neurologie.
Für die Versorgung nach dieser Richtlinie stehen im Netzverbund mindestens insgesamt 10 der Fachärztinnen und Fachärzte und Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nach Satz 2 zur Verfügung; von diesen mindestens vier Fachärztinnen und Fachärzte gemäß Satz 2 Nummer 1 und vier Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten gemäß Satz 2 Nummer 2. Die Netzverbundmitglieder schließen einen Netzverbundvertrag, der insbesondere die Ausgestaltung der Festlegungen in § 6 regelt.

(3) Voraussetzung für die Teilnahmeberechtigung nach Absatz 1 ist, dass der Netzverbund Kooperationsverträge, die den Vorgaben des § 6 entsprechen, abschließt mit mindestens

1.
einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus mit psychiatrischen oder psychosomatischen Einrichtungen für Erwachsene

und mindestens einer Leistungserbringerin oder einem Leistungserbringer der Nummern 2 bis 4:

2.
einer Leistungserbringerin oder einem Leistungserbringer für Ergotherapie mit einer Zulassung nach § 124 SGB V oder
3.
einer Leistungserbringerin oder einem Leistungserbringer, die oder der einen Vertrag zur Soziotherapie gemäß § 132b SGB V abgeschlossen hat oder
4.
einem Leistungserbringer, der einen Vertrag für die Erbringung von psychiatrischer häuslicher Krankenpflege gemäß § 132a Absatz 4 SGB V abgeschlossen hat.
Mindestens eines der kooperierenden Krankenhäuser muss in der Region des Netzverbundes für die regionale psychiatrische Pflichtversorgung zuständig sein. Zusätzlich ist die Kooperation mit einem Krankenhaus anzustreben, das über psychosomatische Kompetenzen verfügt.
(4) Kann der Behandlungsbedarf nach dieser Richtlinie nicht von den Netzverbundmitgliedern und den Koopera­tionsvertragspartnern gedeckt werden, können im begründeten Einzelfall zusätzliche Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer in die Versorgung nach dieser Richtlinie einbezogen werden. Einbezogen werden können insbesondere Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Kinder- und Jugend­lichenpsychotherapeutinnen und -psychotherapeuten für die Behandlung von Heranwachsenden bis zum vollendeten 21. Lebensjahr.

(5) Darüber hinaus sollen zur Adressierung des Versorgungsziels nach § 1 Absatz 3 Nummer 9 bei Bedarf insbesondere berücksichtigt werden:

1.
Sozialpsychiatrische Dienste und, soweit vorhanden, Krisendienste,
2.
Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer der Eingliederungshilfe,
3.
Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer zur Teilhabe am Arbeitsleben,
4.
zugelassene vollstationäre und teilstationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste, die einen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI abgeschlossen haben,
5.
Rehabilitationseinrichtungen nach § 111 SGB V mit Leistungsangeboten für Menschen mit einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung,
6.
Psychosoziale Beratungsstellen und Suchtberatungsstellen,
7.
Traumaambulanzen nach § 31 SGB XIV,
8.
Selbsthilfeorganisationen für Menschen mit einer psychischen Erkrankung und
9.
Psychosoziale Einrichtungen zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung von Geflüchteten.
(6) Die in dieser Richtlinie verwendeten Facharzt-, Schwerpunkt- und Zusatzbezeichnungen richten sich nach der (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer und der Musterweiterbildungsordnung der Bundes­psychotherapeutenkammer für Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und schließen auch die Ärztinnen und Ärzte ein, welche eine entsprechende Bezeichnung nach altem Recht führen.
(7) Die Versorgung der Patientin und des Patienten nach dieser Richtlinie erfolgt therapiezielorientiert auf Basis eines Gesamtbehandlungsplans unter Leitung einer Bezugsärztin oder eines Bezugsarztes oder einer Bezugspsycho­therapeutin oder eines Bezugspsychotherapeuten gemäß § 4 in Verbindung mit einer Koordination der Versorgung gemäß § 5 und in Kooperation mit Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern nach Absatz 3 und bei Bedarf in Zusammenarbeit mit weiteren Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern gemäß Absatz 4 und Absatz 12.
(8) Die Versorgung nach dieser Richtlinie von Patientinnen und Patienten mit psychischen Erkrankungen durch ­psychotrope Substanzen (gemäß ICD-10-GM F10-F19) setzt voraus, dass eines der mit dem Netzverbund gemäß Absatz 3 kooperierenden Krankenhäuser eine qualifizierte Entzugsbehandlung Abhängigkeitskranker bei Erwachsenen durchführen kann.
(9) Netzverbundverträge und Kooperationsverträge sind der jeweils zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zur Prüfung vorzulegen. Erfüllen diese die Voraussetzungen nach dieser Richtlinie, ist dem Netzverbund durch die ­zuständige Kassenärztliche Vereinigung eine Genehmigung zu erteilen. Die Genehmigung ist Voraussetzung für die Berechtigung der Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer nach Absatz 1 zur Teilnahme an der Versorgung nach dieser Richtlinie; sie gilt auch für nach dem Zeitpunkt der Genehmigungserteilung hinzutretende Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer nach Absatz 1. Änderungen in der Zusammensetzung des Netzverbundes sowie der Kooperationsvertragspartner nach Absatz 3 sind der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung mitzuteilen. Bei Netzverbünden, die über die Mindestvoraussetzungen nach Absatz 2 hinausgehen, ist die Aufnahme von neuen Netzverbundmitgliedern und das Ausscheiden von Netzverbundmitgliedern innerhalb von drei Monaten mitzuteilen; das Bestehen des Netzverbundes ist dadurch nicht berührt.
(10) Das Unterschreiten der Mindestvoraussetzungen nach Absatz 2 und 3 ist der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung unverzüglich anzuzeigen. Innerhalb von sechs Monaten ist die Wiedererfüllung der Anforderung an die Mindestvoraussetzungen gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung nachzuweisen. Bis zum Zeitpunkt der Wiedererfüllung der Mindestvoraussetzungen ist die Versorgung der durch die Netzverbundmitglieder behandelten Patientinnen und Patienten durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Ist innerhalb der sechs Monate keine Wiedererfüllung der Mindestvoraussetzungen erfolgt, hat die zuständige Kassenärztliche Vereinigung die Genehmigung nach Absatz 9 nach dieser Richtlinie zu entziehen. Satz 3 gilt bei einer Beendigung der Teilnahmeberechtigung an der Versorgung nach dieser Richtlinie entsprechend.
(11) Die Netzverbünde teilen ihr Angebot sowie ihre Erreichbarkeit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung und der zuständigen Landeskrankenhausgesellschaft zur Information der Patientinnen und Patienten mit. Die Kassenärztlichen Vereinigungen stellen im Internet ein öffentliches Verzeichnis der Netzverbünde bereit; sie stellen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen das Verzeichnis in maschinenlesbarer Form zur Verfügung.
(12) Zur Gewährleistung der Kontinuität der Versorgung kann eine bereits wegen der psychischen Erkrankung nach § 2 begonnene Behandlung fortgesetzt werden. Ärztliche, psychotherapeutische und nichtärztliche Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer nach dem SGB V, die bereits die Patientin oder den Patienten wegen der psychischen Erkrankung im Sinne des § 2 behandeln, sollen auf Wunsch der Patientin oder des Patienten und in ­Absprache mit der Bezugsärztin oder dem Bezugsarzt oder der Bezugspsychotherapeutin oder dem Bezugs­psychotherapeuten in die Versorgung gemäß dieser Richtlinie einbezogen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer, die dem Netzverbund nicht angeschlossen sind, dem ­Gesamtbehandlungsplan zustimmen und für die Teilnahme an Fallbesprechungen und für erforderliche sonstige ­Absprachen für ihre Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen.
§ 4
Bezugsärztin oder Bezugsarzt und Bezugspsychotherapeutin oder Bezugspsychotherapeut

(1) Die Bezugsärztin oder der Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder der Bezugspsychotherapeut ist der zentrale Ansprechpartner und trägt die Verantwortung für die Erstellung und Fortschreibung des Gesamt­behandlungsplans sowie ein dem Gesamtbehandlungsplan entsprechendes Ineinandergreifen der Versorgungs­bestandteile für die Patientin oder den Patienten im Rahmen der Versorgung nach dieser Richtlinie. Sie oder er muss über einen vollen Versorgungsauftrag verfügen und in der Lage sein, die Koordination der Versorgung der Patientinnen und Patienten an eine nichtärztliche Person nach § 5 Absatz 2 zu delegieren. Sie oder er ist Netzverbundmitglied oder bei einem solchen Netzverbundmitglied angestellt und gehört einer der folgenden Fachgruppen an:

1.
Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie,
2.
Fachärztinnen und Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie,
3.
Fachärztinnen und Fachärzte für Nervenheilkunde oder Fachärztinnen und Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie,
4.
Ärztliche oder Psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.
Ist ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus mit einer psychiatrischen Institutsambulanz nach § 118 SGB V ­Ko­operationsvertragspartner, kann auch eine Fachärztin oder ein Facharzt oder eine Psychotherapeutin oder ein ­Psychotherapeut nach Satz 3 Nummer 1 bis 4 Bezugsärztin oder Bezugsarzt oder Bezugspsychotherapeutin oder Bezugspsychotherapeut sein.
(2) Die Netzverbünde nach § 3 Absatz 2 legen Regelungen fest, in welcher Weise eine Patientin oder ein Patient nach Prüfung des Anspruchs auf Versorgung nach dieser Richtlinie in der Eingangssprechstunde und nach ­differenzialdiagnostischer Abklärung nach § 8 Absatz 1 eine Bezugsärztin oder einen Bezugsarzt oder eine Bezugspsychotherapeutin oder einen Bezugspsychotherapeuten erhält. Die Fachärztin oder der Facharzt oder die Psychotherapeutin oder der Psychotherapeut, die oder der den Gesamtbehandlungsplan nach § 9 auf Basis der differenzialdiagnostischen Abklärung erstellt, bleibt in der Regel während des gesamten Zeitraums der Versorgung nach dieser Richtlinie die Bezugsärztin oder der Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder der Bezugspsychotherapeut für die Patientin oder den Patienten. Ein Wechsel der Bezugsärztin oder des Bezugsarztes oder der Bezugspsychotherapeutin oder des Bezugspsychotherapeuten zu einer anderen Leistungserbringerin oder zu einem anderen Leistungs­erbringer nach Absatz 1 ist möglich. Die Wünsche der Patientin oder des Patienten sind zu berücksichtigen.

(3) Die Bezugsärztin oder der Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder der Bezugspsychotherapeut ist verantwortlich für

1.
die Erstellung, dokumentierte Überprüfung und Fortschreibung des Gesamtbehandlungsplans in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten und in Zusammenarbeit mit der koordinierenden Person nach § 5,
2.
die unverzügliche Einleitung einer ambulanten, teilstationären, stationsäquivalenten oder vollstationären Behandlung,
3.
die Einleitung einer somatischen Abklärung und, falls erforderlich, die Veranlassung einer Behandlung.
§ 5
Zuständige Berufsgruppen für die Koordination der Versorgung der Patientinnen und Patienten
(1) Die Koordination der Versorgung der Patientinnen und Patienten nach dieser Richtlinie im Sinne des § 10 erfolgt durch eine nichtärztliche Person nach Absatz 2. Die Koordinationsaufgaben werden entsprechend der berufsrechtlichen Vorgaben durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Be­zugspsychotherapeuten an eine der in Absatz 2 genannten Berufsgruppen übertragen. Dabei soll darauf geachtet werden, dass die die Koordination durchführende Person der Patientin oder dem Patienten vertraut ist.

(2) Die Koordination der Versorgung der Patientinnen und Patienten kann nur durch eine der folgenden Berufsgruppen ausgeübt werden:

1.
Soziotherapeutische Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer, die einen Vertrag zur Erbringung von ­Soziotherapie nach § 132b SGB V abgeschlossen haben,
2.
Zugelassene Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten nach § 124 SGB V,
3.
Leistungserbringer, die einen Vertrag für die Erbringung von psychiatrischer häuslicher Krankenpflege gemäß § 132a SGB V abgeschlossen haben,
4.
Medizinische Fachangestellte,
5.
Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter,
6.
Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen,
7.
Pflegefachpersonen,
8.
Psychologinnen und Psychologen.
Voraussetzung für die Koordination der Versorgung der Patientinnen und Patienten durch eine Berufsgruppe des Satzes 1 Nummern 4 bis 8 ist eine fachspezifische Zusatzqualifikation, die Kenntnisse im Umgang mit psychischen Störungen belegt, oder eine zweijährige Berufserfahrung (inklusive Ausbildungszeiten) in der Versorgung von ­Patientinnen und Patienten mit psychischen Erkrankungen.
§ 6
Aufgaben und Organisation des Netzverbundes

(1) Die Netzverbundmitglieder haben durch eine geeignete Organisation und Infrastruktur sowie durch die Vereinbarung gemeinsamer Standards Sorge zu tragen, dass

1.
die Koordination der berufsgruppenübergreifenden, strukturierten und sektorenübergreifenden Versorgung der jeweiligen Patientin oder des jeweiligen Patienten entsprechend den Vorgaben nach § 5 erfolgt,
2.
die Herstellung des Erstkontakts zum Netzverbund in einer Eingangssprechstunde nach Überweisung oder Empfehlung zeitnah erfolgt (in der Regel innerhalb von sieben Werktagen); die Eingangssprechstunde dient der Abklärung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 2, vorbehaltlich der Ergebnisse der differenzialdiagnostischen Abklärung,
3.
die differenzialdiagnostische Abklärung zeitnah nach der Eingangssprechstunde erfolgt (in der Regel innerhalb von sieben Werktagen nach Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 2),
4.
der Beginn der Behandlung innerhalb des Netzverbundes zeitnah erfolgt,
5.
eine einheitliche Patientenkommunikation (gemeinsame Entscheidungsfindung, unterstützte Kommunikation) gewährleistet ist,
6.
eine einheitliche Befund- und Behandlungsdokumentation unter Wahrung der datenschutzrechtlichen sowie ­berufsrechtlichen Bestimmungen erfolgt,
7.
eine den Vorgaben der IT-Sicherheit und des Datenschutzes entsprechende elektronische Kommunikation innerhalb des Netzverbundes gewährleistet ist,
8.
Patientinnen und Patienten in Krisen jederzeit betreut werden können. Dies kann auch in Kooperation mit ärztlichen Bereitschaftsdiensten oder anderen geeigneten Kooperationspartnern wie beispielsweise ambulante ­psychiatrische Pflegedienste oder Krankenhäuser gewährleistet werden,
9.
Regelungen zur Terminfindung innerhalb des Netzverbundes getroffen werden,
10.
patientenorientierte Fallbesprechungen insbesondere unter Einbeziehung der an der Versorgung der jeweiligen Patientin oder des jeweiligen Patienten beteiligten Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer nach § 3 ­Absatz 1 in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. In der Regel sollte dies erstmals spätestens einen Monat nach dem Erstkontakt mit der Patientin oder dem Patienten, darauffolgend mindestens zweimal im Quartal erfolgen,
11.
Qualitätsmanagementverfahren vereinbart und eingehalten werden sowie eine regelmäßige Beteiligung an Fortbildungsinitiativen innerhalb des Netzverbundes (bspw. Qualitätszirkel) erfolgt.
(2) Die Versorgung nach dieser Richtlinie erfolgt auf Basis einer informierten Einwilligung der Patientin oder des Patienten. Patientinnen und Patienten sind vor Beginn der Versorgung nach dieser Richtlinie umfassend über das Versorgungsangebot in allgemeinverständlicher Sprache zu informieren, insbesondere allgemein über die Struktur und den Inhalt des Versorgungsangebots. Auf Basis des (vorläufigen) Gesamtbehandlungsplans erfolgt eine Information über alle im konkreten Einzelfall voraussichtlich an der Behandlung beteiligten Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer und Einrichtungen sowie den für eine Versorgung nach dieser Richtlinie erforderlichen Austausch von relevanten patientenbezogenen Informationen zwischen diesen.
Es ist sicherzustellen, dass auf Basis der Informationen nach Satz 1 bis 3 die erforderlichen Einwilligungserklärungen der Patientinnen und Patienten eingeholt werden und insbesondere bei der Hinzuziehung von weiteren zu Beginn der Versorgung nach dieser Richtlinie noch nicht beteiligten Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern und Einrichtungen auch hierfür entsprechende Einwilligungserklärungen im Laufe der Teilnahme an der ­Versorgung nach dieser Richtlinie eingeholt werden.
(3) Die Beratung und Behandlung können auch über Kommunikationsmedien ergänzt sowie durch digitale Anwendungen unterstützt werden. Die Regelungen für die Leistungserbringung mittels digitaler Medien gemäß SGB V sind dabei einzuhalten.
(4) Die Einhaltung der in den Absätzen 1 bis 3 geregelten Aufgaben und Anforderungen ist durch geeignete ­Regelungen im Netzverbundvertrag sicherzustellen.
B.
Patientenversorgung
§ 7
Zugang
(1) Die Versorgung nach dieser Richtlinie bedarf der Überweisung oder der Empfehlung, sofern der direkte Zugang nicht bei einem Netzverbundmitglied erfolgt ist.
(2) Eine Überweisung oder Empfehlung für die Versorgung einer Patientin oder eines Patienten nach dieser Richtlinie kann bei Vorliegen oder Verdacht auf eine Indikation nach § 2 ausgesprochen werden durch alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psycho­therapeuten sowie Sozialpsychiatrische Dienste oder ermächtigte Einrichtungen.
(3) Eine Empfehlung für eine Behandlung nach dieser Richtlinie kann im Rahmen des Entlassmanagements vor Entlassung aus einer teil-, vollstationären oder stationsäquivalenten psychiatrischen, psychotherapeutischen oder psychosomatischen Krankenhaus- oder Rehabilitationsbehandlung der Einrichtung ausgesprochen werden.
(4) Mit der Empfehlung oder Überweisung wird die Patientin oder der Patient über das Versorgungsangebot informiert und erhält eine Übersicht der regional zugänglichen Netzverbünde. Mit Zustimmung der Patientin oder des Patienten vermittelt die Leistungserbringerin oder der Leistungserbringer nach Absatz 2 oder 3, die oder der die Überweisung oder Empfehlung ausspricht, bei dem von der Patientin oder dem Patienten gewählten Netzverbund unmittelbar einen Termin nach § 6 Absatz 1 Nummer 2. Bei der Wahl des Netzverbundes ist der Patientenwille zu berücksichtigen.
§ 8
Diagnostik und Behandlung im Rahmen der strukturierten Versorgung

(1) Das Vorliegen der Kriterien gemäß § 2 wird in der Eingangssprechstunde geprüft, dies erfolgt durch eine ­Leistungserbringerin oder einen Leistungserbringer nach § 3 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder 2. Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer gemäß § 3 Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 überprüfen das Vorliegen der Kriterien gemäß § 2 in der Psychotherapeutischen Sprechstunde gemäß § 11 Psychotherapie-Richtlinie, sofern die Richtlinie über die Durchführung der Psychotherapie für sie Anwendung findet. Die differenzialdiagnostische Abklärung ist eine psychische, somatische und soziale, soweit erforderlich interdisziplinär abzustimmende Diagnostik und Indikationsstellung, auf deren Grundlage zumindest ein vorläufiger Gesamtbehandlungsplan erstellt wird. Die ­differenzialdiagnostische Abklärung erfolgt durch eine Leistungserbringerin oder einen Leistungserbringer nach § 3 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1. Eine Leistungserbringerin oder ein Leistungserbringer nach § 3 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 wird Bezugsärztin oder Bezugsarzt, sofern bei Patientinnen und Patienten

1.
behandlungsleitende somatische Hauptdiagnosen vorliegen,
2.
für die Behandlung relevante somatische Komorbiditäten, die kontinuierlicher ärztlicher Behandlung oder Über­wachung bedürfen, vorliegen oder
3.
deren psychopharmakologische Behandlungen einer regelmäßigen Dosisanpassung oder einem häufig wechselnden Therapieschema unterliegen.
(2) Für die Versorgung im Rahmen dieser Richtlinie stehen die im SGB V verankerten Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung. Die jeweils zu wählenden Interventionen richten sich dabei nach der Diagnose und dem Schweregrad der Erkrankung. Erforderliche Behandlungsmaßnahmen werden unmittelbar eingeleitet.
(3) Die Patientin oder der Patient soll bei Bedarf auch auf Möglichkeiten oder Hilfeangebote von Einrichtungen außerhalb des SGB V hingewiesen werden. Zu Beginn und während der Versorgung nach dieser Richtlinie soll auf Hilfen für relevante Bezugspersonen der Patientin oder des Patienten, insbesondere für Kinder, hingewiesen werden, sofern diese erforderlich sind.
(4) Die parallele Behandlung einer Patientin oder eines Patienten im Rahmen mehrerer Netzverbünde nach dieser Richtlinie ist ausgeschlossen. Daher ist der Beginn der Versorgung in einem Netzverbund der zuständigen Krankenkasse durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugs­psychotherapeuten anzuzeigen.
(5) Eine parallele Behandlung durch nicht an der Versorgung der jeweiligen Patientin oder des jeweiligen Patienten nach dieser Richtlinie beteiligte Leistungserbringerinnen oder Leistungserbringer nach § 3 Absatz 1 ist ausgeschlossen, wenn sich diese Behandlung auf eine Diagnose nach § 2 Absatz 2 bezieht. Dies gilt auch für eine parallele Verordnung derselben Maßnahmen für dieselbe Diagnose, aber nicht für die Fortsetzung begonnener Behandlungen nach § 3 Absatz 12.
§ 9
Gesamtbehandlungsplan
(1) Auf Basis der differenzialdiagnostischen Abklärung wird in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten ein patientenindividueller, auf die jeweilige Krankheitssituation spezifisch ausgerichteter Gesamtbehandlungsplan durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten erstellt. Bei der Erstellung des Gesamtbehandlungsplanes sind die an der Versorgung der jeweiligen Patientin oder des jeweiligen Patienten nach dieser Richtlinie beteiligten Leistungserbringerinnen und Leistungs­erbringer insbesondere nach § 3 Absatz 1 sowie bei Bedarf relevante Bezugspersonen einzubeziehen. Der Gesamtbehandlungsplan enthält die Therapieziele sowie insbesondere Angaben zum Bedarf an ärztlichen, pharmakologischen und psychotherapeutischen Maßnahmen sowie den Bedarf an Heilmitteln, Soziotherapie und psychiatrischer häuslicher Krankenpflege. Der Gesamtbehandlungsplan beinhaltet auch Angaben zur Erforderlichkeit von Maßnahmen zur differenzialdiagnostischen somatischen Abklärung und zur Behandlungsnotwendigkeit von somatischen Komorbiditäten durch Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer außerhalb der Versorgung nach dieser Richtlinie. Bestandteil des Gesamtbehandlungsplans ist in Abstimmung mit dem Patienten oder der Patientin auch die namentliche Benennung der Person, die die Koordination nach § 10 durchführt.
(2) Der Gesamtbehandlungsplan beinhaltet auch einen Kriseninterventionsplan. Hierfür wird mit der Patientin oder dem Patienten und ihren oder seinen relevanten Bezugspersonen besprochen, wie Krisen vermieden werden ­können, wie mit Krisen umzugehen ist und welche Hilfen sie oder er im Krisenfall erhalten kann.
(3) Der Gesamtbehandlungsplan ist während des gesamten Zeitraums der Versorgung nach dieser Richtlinie für alle daran beteiligten Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer verbindlich. Ist eine Veränderung des ­Gesamtbehandlungsplans aus Sicht an der Versorgung nach dieser Richtlinie beteiligter Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer notwendig, haben sie den Änderungsbedarf der Bezugsärztin oder dem Bezugsarzt oder der Bezugspsychotherapeutin oder dem Bezugspsychotherapeuten mitzuteilen. Diese oder dieser entscheidet über die Anpassung des Gesamtbehandlungsplans; Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Bei Anpassung des Gesamtbehandlungsplans ist zu prüfen, ob hinsichtlich der Vorgaben in § 8 Absatz 1 Satz 5 Nummer 1 bis 3 Änderungen eingetreten sind.
§ 10
Koordination der Versorgung der Patientinnen und Patienten im Netzverbund

Die Koordination nach § 5 umfasst:

1.
die Vernetzung mit anderen an der Versorgung der jeweiligen Patientin oder des jeweiligen Patienten nach dieser Richtlinie beteiligten Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern,
2.
das Nachhalten der Umsetzung des Gesamtbehandlungsplans,
3.
die Vereinbarung von Terminen bei Leistungserbringerinnen und Leistungserbringern für die Patientin oder den Patienten auf Basis des Gesamtbehandlungsplanes,
4.
mit Einverständnis der Patientin oder des Patienten das Aufsuchen der Patientin oder des Patienten in ihrem oder seinem häuslichen Umfeld, sofern erforderlich,
5.
das Führen von Gesprächen im Lebensumfeld der Patientin oder des Patienten sowie die Einbeziehung von relevanten Bezugspersonen, sofern erforderlich,
6.
erforderlichenfalls den wöchentlichen telefonischen oder persönlichen Kontakt mit der Patientin oder dem ­Patienten und das Hinwirken auf Termintreue,
7.
Erarbeitung eines individuellen Rückmeldesystems mit der Patientin oder dem Patienten,
8.
Kontaktaufnahme und den Austausch zur Anbahnung von weiteren Leistungen und Hilfen für die jeweilige ­Patientin oder den jeweiligen Patienten.
§ 11
Regelungen zur Erleichterung des Sektorenübergangs
(1) Zur Gewährleistung eines nahtlosen Übergangs der Patientin oder des Patienten in eine Versorgung nach dieser Richtlinie wird während des stationären Aufenthalts in zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 SGB V mit psychiatrischen oder psychosomatischen Einrichtungen für Erwachsene im Rahmen des Entlassmanagements durch die Anwendung eines geeigneten Assessments gemäß § 39 Absatz 1a Satz 1 SGB V der patientenindividuelle Bedarf für die Anschlussversorgung möglichst frühzeitig erfasst und ein Entlassplan aufgestellt. Bei der Erstellung des Entlassplans ist den Bedürfnissen schwer psychisch Erkrankter Rechnung zu tragen und der komplexe ­Behandlungsbedarf im Sinne dieser Richtlinie zu berücksichtigen.
(2) Liegen dem Krankenhaus Informationen vor, dass eine Patientin oder ein Patient bereits nach dieser Richtlinie versorgt wird, übermittelt das Krankenhaus mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten den Entlassbrief gemäß des Rahmenvertrages über ein Entlassmanagement beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung an die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten. Die die Koordinationsaufgaben nach § 10 durchführende Person wird über das voraussichtliche ­Datum der Entlassung informiert.
(3) Stellt das Krankenhaus im Rahmen der Entlassdiagnostik nach Absatz 1 einen Verdacht auf eine Indikation nach § 2 und damit die Möglichkeit des Bedarfs für eine Versorgung nach dieser Richtlinie fest, empfiehlt das Krankenhaus die Möglichkeit einer erreichbaren Versorgung nach dieser Richtlinie und nimmt mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten Kontakt zu einem Netzverbund nach § 3 auf und übermittelt diesem das Ergebnis der Entlassdiagnostik. Es vereinbart für die Patientin oder den Patienten einen Termin zur Eingangssprechstunde. Der Termin hat spätestens sieben Werktage nach dem voraussichtlichen Entlassungstermin aus der stationären Behandlung zu erfolgen. Bei Ablehnung der Vermittlung in einen Netzverbund informiert das Krankenhaus die Patientin oder den Patienten über alternative Versorgungsmöglichkeiten.
(4) Wird im Rahmen der Versorgung einer Patientin oder eines Patienten nach dieser Richtlinie ein teilstationärer, vollstationärer oder stationsäquivalenter Behandlungsbedarf im Sinne des § 39 Absatz 1 SGB V festgestellt, sind dem aufnehmenden Krankenhaus mit Einwilligung der Patientin oder des Patienten die erforderlichen Informationen des bisherigen Behandlungsverlaufes und der Therapieziele durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten zur Verfügung zu stellen.
(5) Sofern sich nach der Krankenhausbehandlung eine Versorgung nach dieser Richtlinie anschließen soll, in deren Rahmen auch eine ambulante psychotherapeutische Behandlung durchgeführt werden soll, können erforderliche probatorische Sitzungen bereits frühzeitig noch während der Krankenhausbehandlung in der vertragsärztlichen Praxis wie auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden. Das Krankenhaus kann hierzu in Absprache mit der Patientin oder dem Patienten mit einem Netzverbund Kontakt aufnehmen zur Terminvermittlung für die probatorischen Sitzungen.
§ 12
Verlaufskontrolle und Beendigung der Versorgung nach dieser Richtlinie
(1) Eine Beurteilung des Behandlungsfortschritts und der Erreichung der im Gesamtbehandlungsplan festgehaltenen Therapieziele ist regelmäßig durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten und, soweit notwendig, in Abstimmung mit den weiteren an der Versorgung der jeweiligen Patientin oder des jeweiligen Patienten nach dieser Richtlinie beteiligten Berufsgruppen vorzunehmen. Sofern erforderlich, sind die Therapieziele des Gesamtbehandlungsplans anzupassen.
(2) Das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 2 für eine Versorgung nach dieser Richtlinie ist halbjährlich durch die Bezugsärztin oder den Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder den Bezugspsychotherapeuten zu überprüfen. Der Gesamtbehandlungsplan ist, soweit erforderlich, anzupassen. Sind die Therapieziele nachhaltig erreicht oder wird aus anderen Gründen die Versorgung nach dieser Richtlinie beendet, ist eine Überleitung in die fachärztliche oder psychotherapeutische Versorgung außerhalb dieser Richtlinie frühzeitig anzustreben; dabei soll nach Möglichkeit die personelle Kontinuität der an der Versorgung der jeweiligen Patientin oder des jeweiligen Patienten beteiligten Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer gewahrt werden. Hierzu erstellt die Bezugsärztin oder der Bezugsarzt oder die Bezugspsychotherapeutin oder der Bezugspsychotherapeut einen Überleitungsplan, der die wesentlichen Informationen über den Behandlungsverlauf enthält. Eine erneute Versorgung im Rahmen dieser Richtlinie kann erfolgen, wenn die Voraussetzungen nach dieser Richtlinie erfüllt sind; in diesem Fall ist die Behandlung durch denselben Netzverbund anzustreben.
C.
Evaluation
§ 13
Evaluation
Der G-BA evaluiert innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieser Richtlinie deren Auswirkungen auf die ­Versorgungsqualität insbesondere von schwer psychisch erkrankten Patientinnen und Patienten mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf und nimmt bei Bedarf auf Basis der Evaluation Anpassungen an der Richtlinie vor. In der Evaluation ist zu untersuchen, ob die in § 1 Absatz 2 festgelegten Versorgungsziele erreicht wurden und ob die Vorgaben der Richtlinie geeignet sind, diese zu erfüllen. Dabei sind auch unerwünschte Auswirkungen und Umsetzungshindernisse zu erheben und darzustellen.“

II.

Die Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 2. September 2021

Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende
Prof. Hecken

1
Global Assessment of Functioning Scale in DSM-IV-TR (Text Revision) von 2000, in deutscher Fassung von 2003, S. 24 f.

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