Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: § 4a und Abschnitt N §§ 44 bis 45 (Cannabisarzneimittel)

Published On: Donnerstag, 29.06.2023By Tags:

Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie:
§ 4a und Abschnitt N §§ 44 bis 45 (Cannabisarzneimittel)

Vom 16. März 2023

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 16. März 2023 beschlossen, die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) in der Fassung vom 18. Dezember 2008/​22. Januar 2009 (BAnz. Nr. 49a vom 31. März 2009), die zuletzt durch die Bekanntmachung des Beschlusses vom 16. März 2023 (BAnz AT 16.06.2023 B6) geändert worden ist, wie folgt zu ändern:

I.

Die AM-RL wird wie folgt geändert:

1.
Nach § 4 wird folgender § 4a eingefügt:

„§ 4a

Cannabisarzneimittel

Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon (Cannabisarzneimittel). Das Nähere regeln die §§ 44 ff.“

2.
Abschnitt N §§ 44 bis 45 werden wie folgt gefasst:

„N. Verordnungsfähigkeit von Cannabisarzneimitteln gemäß § 31 Absatz 6 Satz 9 SGB V

§ 44

Verordnungsvoraussetzungen

(1) Zu den Cannabisarzneimitteln nach § 31 Absatz 6 Satz 1 SGB V zählen Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und Arzneimittel mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon.

(2) Verordnungsfähig ist Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität, sofern es einen nach Deutschem Arzneibuch (DAB) bestimmten Tetrahydrocannabinol(THC)-Gehalt von mindestens 0,2 Prozent besitzt. Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität mit einem geringeren THC-Gehalt ist vom Leistungsanspruch nach § 31 Absatz 6 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Vor einer Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten ist zu prüfen, ob andere cannabishaltige Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen, die zur Behandlung geeignet sind. Die Verordnung von Cannabis in Form von getrockneten Blüten ist zu begründen.

(3) Die Verordnung von Cannabisarzneimitteln ist zulässig für Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung

a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann und
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.

Die verordnende Ärztin oder der verordnende Arzt hat die beabsichtigte Verordnung hinsichtlich der Auswahl des Cannabisarzneimittels zu konkretisieren.

(4) Bei einer Therapie mit Cannabisarzneimitteln nach Absatz 3 ist die Zweckmäßigkeit einer Weiterbehandlung innerhalb der ersten drei Monate engmaschig und anschließend in regelmäßigen Abständen zu beurteilen. Art, Dauer und Ergebnis des Einsatzes von Cannabisarzneimitteln sind durch die verordnende Ärztin oder den verordnenden Arzt in ihrer bzw. seiner Patientenakte zu dokumentieren.

(5) Eine Krankheit ist schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.

(6) Der Anspruch auf Versorgung mit zugelassenen Arzneimitteln nach § 31 Absatz 1 SGB V bleibt unberührt.

§ 45

Genehmigungsvorbehalt

(1) Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist.

(2) Die Krankenkasse hat über die Genehmigung der Leistung innerhalb der Frist gemäß § 13 Absatz 3a Satz 1 SGB V auf Grundlage der begründeten Einschätzung des verordnenden Arztes oder der verordnenden Ärztin zu entscheiden. Abweichend von Satz 1 hat die Krankenkasse bei Anschlussverordnung aufgrund einer Versorgung mit Cannabisarzneimitteln im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts oder bei Verordnungen im Rahmen einer Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV) innerhalb von drei Tagen zu entscheiden. Erfolgt die Verordnung von Cannabisarzneimitteln im Rahmen der Versorgung nach § 37b SGB V (SAPV), entfällt der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 1. Dies gilt auch für den Zeitraum gemäß § 8 Satz 1 der SAPV-RL.

(3) Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Cannabisarzneimittels angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Absatz 1 Satz 1. In allen anderen Fällen bedarf der Wechsel des Cannabisarzneimittels der erneuten Genehmigung nach Absatz 1 Satz 1.

(4) Der Anspruch der oder des Versicherten für genehmigte Leistungen nach Absatz 1 besteht fort bei Verordnung durch eine andere oder einen anderen als die erstverordnende Ärztin oder den erstverordnenden Arzt. Die Pflichten aus § 44 Absatz 4 gelten entsprechend.“

II.

Die Änderung der Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 16. März 2023

Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende
Prof. Hecken

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