Bundesministerium für Gesundheit
Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie:
Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen
nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)
Pitolisant
(neues Anwendungsgebiet: Narkolepsie, mit oder ohne Kataplexie,
(Kinder und Jugendliche, 6 bis 17 Jahre))
Vom 21. September 2023
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 21. September 2023 beschlossen, die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) in der Fassung vom 18. Dezember 2008/22. Januar 2009 (BAnz. Nr. 49a vom 31. März 2009), die zuletzt durch die Bekanntmachung des Beschlusses vom 21. September 2023 (BAnz AT 11.10.2023 B3) geändert worden ist, wie folgt zu ändern:
I.
In Anlage XII werden den Angaben zur Nutzenbewertung von Pitolisant gemäß dem Beschluss vom 19. Januar 2017 nach Nummer 4 folgende Angaben angefügt:
Pitolisant
Neues Anwendungsgebiet (laut Zulassung vom 24. Februar 2023):
Wakix wird angewendet bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab einem Alter von sechs Jahren zur Behandlung der Narkolepsie mit oder ohne Kataplexie.
Anwendungsgebiet des Beschlusses (Beschluss vom 21. September 2023):
Wakix wird angewendet bei Kindern und Jugendlichen (6 bis 17 Jahre) zur Behandlung der Narkolepsie mit oder ohne Kataplexie.
1.
Ausmaß des Zusatznutzens und Aussagekraft der Nachweise
Das Arzneimittel Wakix mit dem Wirkstoff Pitolisant ist zugelassen als Arzneimittel zur Behandlung eines seltenen Leidens nach der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden. Gemäß § 35a Absatz 1 Satz 11 1. Halbsatz SGB V gilt der medizinische Zusatznutzen durch die Zulassung als belegt.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bestimmt gemäß 5. Kapitel § 12 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 der Verfahrensordnung des G-BA (VerfO) in Verbindung mit § 5 Absatz 8 AM-NutzenV unter Angabe der Aussagekraft der Nachweise das Ausmaß des Zusatznutzens für die Anzahl der Patienten und Patientengruppen, für die ein therapeutisch bedeutsamer Zusatznutzen besteht. Diese Quantifizierung des Zusatznutzens erfolgt am Maßstab der im 5. Kapitel § 5 Absatz 7 Nummer 1 bis 4 VerfO festgelegten Kriterien.
Kinder und Jugendliche (6 bis 17 Jahre) mit Narkolepsie mit oder ohne Kataplexie
Ausmaß des Zusatznutzens und Aussagekraft der Nachweise von Pitolisant:
Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen, weil die wissenschaftliche Datengrundlage eine Quantifizierung nicht zulässt.
Studienergebnisse nach Endpunkten:1
Kinder und Jugendliche (6 bis 17 Jahre) mit Narkolepsie mit oder ohne Kataplexie
Zusammenfassung der Ergebnisse relevanter klinischer Endpunkte
Endpunktkategorie Effektrichtung/
Verzerrungspotential Zusammenfassung
Mortalität ↔ Es sind keine Todesfälle aufgetreten.
Morbidität ↑ Vorteil im Endpunkt übermäßige Tagesschläfrigkeit mittels CGI-C EDS.
Gesundheitsbezogene Lebensqualität ∅ Es liegen keine Daten vor.
Nebenwirkungen ↔ Keine für die Nutzenbewertung relevanten Unterschiede; im Detail Vorteil bei einzelnen spezifischen UEs (SOC Infektionen und parasitäre Erkrankungen).
Erläuterungen:
↑: positiver statistisch signifikanter und relevanter Effekt bei niedriger/unklarer Aussagesicherheit
↓: negativer statistisch signifikanter und relevanter Effekt bei niedriger/unklarer Aussagesicherheit
↑↑: positiver statistisch signifikanter und relevanter Effekt bei hoher Aussagesicherheit
↓↓: negativer statistisch signifikanter und relevanter Effekt bei hoher Aussagesicherheit
↔: kein statistisch signifikanter bzw. relevanter Unterschied
∅: Es liegen keine Daten vor.
n. b.: nicht bewertbar
Studie P11-06:
RCT über acht Wochen (plus eine Woche Auswaschphase), Pitolisant vs. Placebo
Mortalität
Endpunkt Pitolisant
N = 72 Placebo
N = 38 Intervention vs.
Kontrolle
Na Patientinnen und
Patienten mit Ereignis
bis Woche 9
n (%) Na Patientinnen und
Patienten mit Ereignis
bis Woche 9
n (%) Effektschätzerb
p-Wertb
Gesamtmortalität
Todesfällec 73 0 (0,0) 37 0 (0,0) –
Morbidität
Endpunkt Pitolisant
N = 72 Placebo
N = 38 Intervention vs.
Kontrolle
Kataplexie-Symptomatik mittels CGI-Cd, e
N Patientinnen und
Patienten mit Ereignis
bis Woche 8
n (%)f N Patientinnen und
Patienten mit Ereignis
bis Woche 8
n (%)f RR [95 %-KI]g
p-Werth
Verbesserungi
≤ 3 Punkte 56j 28 (38,9) 28j 9 (23,7) 1,64 [0,87; 3,11]
0,12
Übermäßige Tagesschläfrigkeit mittels CGI-C EDSd
N Patientinnen und
Patienten mit Ereignis
bis Woche 8
n (%)k N Patientinnen und
Patienten mit Ereignis
bis Woche 8
n (%)k RR [95 %-KI]g
p-Werth
Verbesserungi
≤ 3 Punkte 69j 43 (59,7) 37j 14 (36,8) 1,62 [1,03; 2,55]
0,016
Depressive Symptomatik mittels CDI-2 SFd, l
Na Baseline
MW
(SD) Ende
Woche 7
MW
(SD) Na Baseline
MW
(SD) Ende
Woche 7
MW
(SD) Effektschätzerb
p-Wertb
Gesamtscore
(0–24 Punkte) 71m 4,4
(3,5) 3,6
(3,2) 36m 3,8
(3,0) 3,5
(2,8) k. A.
Suizidalität mittels C-SSRSl
Na Patientinnen und
Patienten mit Ereignis,
n (%) Na Patientinnen und
Patienten mit Ereignis,
n (%) Effektschätzerb
p-Wertb
Suizid-Risikon 73m 1 (1,4) 37m 2 (5,3) k. A.
Narkolepsie-Symptome mittels UNSd (ergänzend dargestellt)
N Baseline
MW
(SD) Ende
Woche 8
MW
(SD) N Baseline
MW
(SD) Ende
Woche 8
MW
(SD) SMDo [95 %-KI]
p-Wert
Gesamtscore
(0–44 Punkte) 72 24,63
(7,80) 18,23
(8,14) 38 23,7
(9,1) 21,77
(9,25) –0,53 [–0,93; –0,13]
k. A.
Nebenwirkungen
Endpunkt Pitolisant
N = 72 Placebo
N = 38 Intervention vs.
Kontrolle
Zusammenfassung der UEp
Na Patientinnen und
Patienten mit Ereignis,
n (%) Na Patientinnen und
Patienten mit Ereignis,
n (%) RR [95 %-KI]r
p-Werts
UE (ergänzend dargestellt) 73 22 (30,1) 37 13 (35,1) –
Schwere UEq 73 2 (2,7) 37 0 (0,0) 2,57 [0,13; 52,14]
k. A.
SUEq 73 0 (0,0) 37 0 (0,0) –
UE, das zum Abbruch der Studienmedikation führte 73 0 (0,0) 37 0 (0,0) –
Spezifische unerwünschte Ereignisse mit Inzidenz ≥ 10 % (MedDRA-Systemorganklasse, PT)
Erkrankungen des Nervensystems (SOC) 73 14 (19,2) 37 4 (10,8) 1,77 [0,63; 5,01]
k. A.
psychiatrische Erkrankungen (SOC) 73 11 (15,1) 37 4 (10,8) 1,39 [0,48; 4,08]
k. A.
Infektionen und parasitäre Erkrankungen (SOC) 73 3 (4,1) 37 7 (18,9) 0,22 [0,06; 0,79]
k. A.
Kopfschmerzen (PT) 73 14 (19,2) 37 3 (8,1) 2,37 [0,72; 7,72]
k. A.
a SAS-Population: Die Sicherheitspopulation unterscheidet sich geringfügig von der FAS-Population (Intervention: N = 72; Kontrolle: N = 38).
b Es waren lediglich deskriptive Analysen vorgesehen.
c Todesfälle wurden über die Sicherheit erhoben.
d Höhere Werte deuten auf eine höhere Krankheitsaktivität hin.
e Der Endpunkt wurde nur bei Personen mit Kataplexie-Symptomatik, wie Narkolepsie Typ 1, ausgewertet. Zu Baseline wurde eine Narkolepsie Typ 1 bei 61 (84,7 %) Personen im Interventions- bzw. bei 29 (76,3 %) Personen im Kontrollarm diagnostiziert.
f Der prozentuale Anteil an Personen bezieht sich auf die Teilpopulation mit Kataplexie-Symptomatik (Narkolepsie Typ 1).
g Relatives Risiko [95 %-KI] post-hoc nicht-stratifiziert anhand der verfügbaren Daten berechnet.
h Der p-Wert wurde mittels Chi2-Tests anhand der verfügbaren Daten berechnet. Imputationen waren gemäß SAP nicht vorgesehen. Gemäß SAP war keine stratifizierte/adjustierte Analyse vorgesehen.
i Ansprechen war definiert als ein CGI-C-Score von 1 (erheblich verbessert), 2 (sehr verbessert) oder 3 (geringfügig verbessert).
j Die Anzahl entspricht denjenigen Personen, die für die Berechnung der jeweiligen Maßzahlen herangezogen wurden. Die Anzahl an verfügbaren Daten unterscheidet sich zur Anzahl an verfügbaren Daten zu Visite V7 (Tag 56) nach 8-wöchiger Behandlung.
k Der prozentuale Anteil wurde bezogen auf die FAS-Population berechnet.
l Der Endpunkt wurde in der Studie P11-06 als Sicherheitsendpunkt erfasst, wird jedoch in der vorliegenden Nutzenbewertung der Kategorie Morbidität zugeordnet.
m Die Anzahl entspricht denjenigen Personen, die für die Berechnung der jeweiligen Maßzahlen herangezogen wurden. Die Anzahl an verfügbaren Daten zu Baseline (Intervention: n = 73; Kontrolle: n = 37) unterscheidet sich geringfügig zur Visite V6 (Tag 49) nach 7-wöchiger Behandlung.
n Die Erhebung des Suizidrisikos (ja/nein) erfolgte mittels semi-strukturiertem Interview durch das Prüfpersonal.
o Die Berechnung erfolgte post-hoc für Modul 4.
p Es werden die Ergebnisse zu den Sicherheitsendpunkten dargestellt: Beginn Einnahme der Studienmedikation bis Ende Einnahme der Studienmedikation + 7 Tage (Ausschleichphase). Der Erhebungszeitraum entspricht der verblindeten 9-wöchigen Studienphase.
q Es erfolgte eine studienindividuelle Schweregradeinteilung nach Ermessen des ärztlichen Prüfpersonals.
r Das relative Risiko wurde post-hoc berechnet. Es konnten keine Angaben zum statistischen Analyseverfahren identifiziert werden.
s Gemäß SAP war eine deskriptive Auswertung vorgesehen. Es erfolgte keine Berechnung der p-Werte für das Dossier bzw. im Rahmen der schriftlichen Stellungnahme des pUs.
Verwendete Abkürzungen:
CDI-2 SF: Childhood Depression Inventory – 2 Short Form; C-SSRS: Columbia-Suicide Severity Rating Scale; CGI-C: Clinical Global Impression of Change; EDS: Übermäßige Tagesschläfrigkeit (excessive daytime sleepiness); FAS: Full Analysis Sample; k. A.: keine Angabe; KI: Konfidenzintervall; MedDRA: Medical Dictionary for Regulatory Activities; MW: Mittelwert; n. b.: nicht bestimmbar; RR: Relatives Risiko; PT: Preferred Term; SAP: Statistischer Analyseplan; SAS: Safety Analysis Set; SD: Standardabweichung; SMD: Standardisierte Mittelwertdifferenz; SOC: Systemorganklasse; (S)UE: (Schwerwiegendes) Unerwünschtes Ereignis; UNS: Ullanlinna Narcolepsy Scale
2.
Anzahl der Patientinnen und Patienten bzw. Abgrenzung der für die Behandlung infrage kommenden Patientengruppen
Kinder und Jugendliche (6 bis 17 Jahre) mit Narkolepsie mit oder ohne Kataplexie
ca. 120 bis 650 Patientinnen und Patienten
3.
Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung
Die Vorgaben der Fachinformation sind zu berücksichtigen. Die europäische Zulassungsbehörde European Medicines Agency (EMA) stellt die Inhalte der Fachinformation zu Wakix (Wirkstoff: Pitolisant) unter folgendem Link frei zugänglich zur Verfügung (letzter Zugriff: 1. September 2023):
https://www.ema.europa.eu/documents/product-information/wakix-epar-product-information_de.pdf
Die Einleitung und Überwachung der Behandlung mit Pitolisant sollte durch in der Therapie von Schlafstörungen erfahrene Ärztinnen und Ärzte erfolgen.
4.
Therapiekosten
Jahrestherapiekosten:
Bezeichnung der Therapie Jahrestherapiekosten/Patientin bzw. Patient
Zu bewertendes Arzneimittel:
Pitolisant 2 891,85 €2 – 5 935,14 €3
Kosten nach Abzug gesetzlich vorgeschriebener Rabatte (Stand Lauer-Taxe: 1. September 2023)
Kosten für zusätzlich notwendige GKV-Leistungen: entfällt
5.
Benennung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen gemäß § 35a Absatz 3 Satz 4 SGB V, die in einer Kombinationstherapie mit dem bewerteten Arzneimittel eingesetzt werden können
Im Rahmen der Benennung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen gemäß § 35a Absatz 3 Satz 4 SGB V werden die folgenden Feststellungen getroffen:
Kinder und Jugendliche (6 bis 17 Jahre) mit Narkolepsie mit oder ohne Kataplexie
Kein in Kombinationstherapie einsetzbares Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, für das die Voraussetzungen des § 35a Absatz 3 Satz 4 SGB V erfüllt sind.
Die Benennung von Kombinationen dient ausschließlich der Umsetzung des Kombinationsabschlags nach § 130e SGB V zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmern. Die getroffenen Feststellungen schränken weder den zur Erfüllung des ärztlichen Behandlungsauftrags erforderlichen Behandlungsspielraum ein, noch treffen sie Aussagen über Zweckmäßigkeit oder Wirtschaftlichkeit.
II.
Der Beschluss tritt mit Wirkung vom Tag seiner Veröffentlichung auf den Internetseiten des G-BA am 21. September 2023 in Kraft.
Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.
Berlin, den 21. September 2023
Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V
Der Vorsitzende
Prof. Hecken
1
Daten aus der Dossierbewertung des G-BA (veröffentlicht am 3. Juli 2023) und dem Amendment zur Dossierbewertung vom 25. August 2023, sofern nicht anders indiziert.
2
Die niedrigsten Jahrestherapiekosten entstehen für die Tagesdosis von 18 mg.
3
Die höchsten Jahrestherapiekosten werden bei einer Tagesdosis von 9 mg pro Tag erreicht.
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