Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) – Angiotensin-II-Acetat (Hypotonie)

Published On: Mittwoch, 09.03.2022By

Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie:
Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen
nach § 35a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)
Angiotensin-II-Acetat
(Hypotonie)

Vom 6. Januar 2022

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 6. Januar 2022 beschlossen, die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) in der Fassung vom 18. Dezember 2008/​22. Januar 2009 (BAnz. Nr. 49a vom 31. März 2009), die zuletzt durch die Bekanntmachung des Beschlusses vom 3. Februar 2022 (BAnz AT 23.02.2022 B2) geändert worden ist, wie folgt zu ändern:

I.

Die Anlage XII wird in alphabetischer Reihenfolge um den Wirkstoff Angiotensin-II-Acetat wie folgt ergänzt:

Angiotensin-II-Acetat

Anwendungsgebiet (laut Zulassung vom 23. August 2019):

„GIAPREZA ist für die Behandlung der refraktären Hypotonie bei Erwachsenen mit einem septischen oder anderen distributiven Schock indiziert, die trotz einer angemessenen Wiederherstellung des Volumens und der Anwendung von Katecholaminen und anderen verfügbaren gefäßverengenden Therapien hypotensiv bleiben.“ 1

Anwendungsgebiet des Beschlusses (Beschluss vom 6. Januar 2022):

siehe Anwendungsgebiet laut Zulassung

1.
Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie
Erwachsene mit einem septischen oder anderen distributiven Schock, die trotz einer angemessenen Wieder­herstellung des Volumens und der Anwendung von Katecholaminen und anderen verfügbaren gefäßverengenden Therapien hypotensiv bleiben.
Zweckmäßige Vergleichstherapie:
Eine optimierte Standardtherapie.
Hinweis: Von der Standardtherapie sind insbesondere Flüssigkeitssubstitution, Vasopressoren und Antibiotika umfasst.
Ausmaß und Wahrscheinlichkeit des Zusatznutzens von Angiotensin-II-Acetat gegenüber der optimierten Standardtherapie:
Ein Zusatznutzen ist nicht belegt.
Studienergebnisse nach Endpunkten:2
Erwachsene mit einem septischen oder anderen distributiven Schock, die trotz einer angemessenen Wieder­herstellung des Volumens und der Anwendung von Katecholaminen und anderen verfügbaren gefäßverengenden Therapien hypotensiv bleiben.

Zusammenfassung der Ergebnisse relevanter klinischer Endpunkte

Endpunktkategorie Effektrichtung/​
Verzerrungspotential
Zusammenfassung
Mortalität Keine für die Nutzenbewertung relevanten Unterschiede.
Morbidität Keine für die Nutzenbewertung relevanten Unterschiede.
Gesundheitsbezogene
Lebensqualität
Es liegen keine Daten vor.
Nebenwirkungen Keine für die Nutzenbewertung relevanten Unterschiede.
Erläuterungen:

↑: positiver statistisch signifikanter und relevanter Effekt bei niedriger/​unklarer Aussagesicherheit
↓: negativer statistisch signifikanter und relevanter Effekt bei niedriger/​unklarer Aussagesicherheit
↑↑: positiver statistisch signifikanter und relevanter Effekt bei hoher Aussagesicherheit
↓↓: negativer statistisch signifikanter und relevanter Effekt bei hoher Aussagesicherheit
↔: kein statistisch signifikanter bzw. relevanter Unterschied
∅: Es liegen keine für die Nutzenbewertung verwertbaren Daten vor.
n. b.: nicht bewertbar

Studie ATHOS-3: Angiotensin-II-Acetat vs. Placebo (jeweils zusätzlich zu einer Vasopressortherapie)3

Mortalität

Endpunkt Angiotensin-II-Acetat +
optimierte Standardtherapie
Placebo +
optimierte Standardtherapie
Intervention
vs. Kontrolle
Na Mediane
Überlebenszeit
in Tagen[95 %-KI] Patientinnen und
Patienten mit
Ereignis n (%)
Na Mediane
Überlebenszeit
in Tagen[95 %-KI] Patientinnen und
Patienten mit
Ereignis n (%)
Effektschätzer[95 %-KI] p-Wertg
Absolute
Differenz (AD)f
Gesamtmortalität (Tag 28) 163 n. e. [19,12; n. e.] 75 (46,0) 158 15,50 [10,03; n. e.] 85 (53,8) HR = 0,78[0,57; 1,07];
0,123

Morbidität

Endpunkt Angiotensin-II-Acetat +
optimierte Standardtherapie
Placebo +
optimierte Standardtherapie
Intervention
vs. Kontrolle
Na Mediane
Überlebenszeit
in Tagen[95 %-KI] Patientinnen und
Patienten mit
Ereignis n (%)
Na Mediane
Überlebenszeit
in Tagen[95 %-KI] Patientinnen und
Patienten mit
Ereignis n (%)
Effektschätzer[95 %-KI] p-Wertg
Absolute
Differenz (AD)f
Entlassung aus der
Intensivstation
163 16 [14; 20] 72 (44,2) 158 17 [14; 20] 62 (39,2) HR = 0,99[0,71; 1,39];
0,957
Absetzen der künstlichen
Beatmung
keine verwertbaren Datenb
Absetzen der
Nierenersatztherapie
keine verwertbaren Datenc
MAP-Ansprechrateh
(ergänzend dargestellt)
163 114 (69,9) 158 37 (23,4) RR = 2,99[2,21; 4,03];
< 0,001
AD = 46,5 %

Gesundheitsbezogene Lebensqualität

Endpunkt wurde nicht erhoben.

Nebenwirkungen

Endpunkt Angiotensin-II-Acetat +
optimierte Standardtherapie
Placebo +
optimierte Standardtherapie
Intervention
vs. Kontrolle
Na Patientinnen und
Patienten mit
Ereignis n (%)
Na Patientinnen und
Patienten mit
Ereignis n (%)
Effektschätzer[95 %-KI] p-Wertd
Absolute
Differenz (AD)f
Unerwünschte Ereignisse gesamt
163 142 (87,1) 158 145 (91,8)
Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (SUE)
163 99 (60,7) 158 106 (67,1) RR = 0,91[0,77; 1,07];
0,258
Therapieabbrüche aufgrund von unerwünschten Ereignissen
163 23 (14,1) 158 34 (21,5) RR = 0,66[0,41; 1,06];
0,085
Spezifische unerwünschte Ereignisse
Embolie- und Thrombose­ereignisse (SMQ, SUEs) 163 9 (5,5) 158 4 (2,5) RR = 2,18[0,69; 6,94];
0,226
periphere Ischämie (PT, SUEs) 163 5 (3,1) 158 3 (1,9) RR = 1,62[0,39; 6,65];
0,539
Arrhythmien keine verwertbaren Datene
a mITT-Population
b Der Endpunkt ist definiert als Zeitraum zwischen Behandlungsbeginn und Ende der künstlichen Beatmung und es liegen Auswertungen mit einem Beobachtungszeitraum von 7 Tagen vor. Die vom pU vorgelegten Ergebnisse zeigen, dass nach 7 Tagen jedoch noch ein Großteil der Patientinnen und Patienten künstlich beatmet wurde, sodass der Median bei dieser Auswertung nicht erreicht wurde. Der Beobachtungszeitraum von 7 Tagen ist daher zu kurz, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Für diesen Endpunkt liegen somit keine verwertbaren Daten vor.
c Der Endpunkt ist definiert als Zeitraum zwischen Behandlungsbeginn und Absetzen der Nierenersatztherapie und wurde als Zulassungsauflage post hoc ausgewertet. Die vorgelegten Auswertungen berücksichtigen nur Patientinnen und Patienten, die zu Behandlungsbeginn ein akutes Nierenversagen erlitten hatten, welches eine Nierenersatztherapie erforderlich machte. Da dieser Anteil sehr gering ist, erlauben die Daten keine Aussagen für alle Patientinnen und Patienten in der Studie. Darüber hinaus ist der Beobachtungszeitraum von 7 Tagen zu kurz, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Insgesamt liegen für diesen Endpunkt damit keine verwertbaren Daten vor.
d Berechnung des IQWiG von RR, 95 %-KI (asymptotisch) und p-Wert (unbedingter exakter Test, CSZ-Methode nach Andrés et al., 1994)
e Der pU erläutert nicht, welche Ereignisse in diese Auswertung eingehen, somit ist keine Unterscheidung zwischen Nebenwirkungen der Intervention und Symptomatik der Grunderkrankung möglich. Die Ergebnisse der prädefinierten Auswertungen (SMQ Herzrhythmusstörungen und SMQ Torsade de pointes/​QT-Verlängerung) legt der pU nicht vor. Für den Endpunkt Arrhythmien liegen daher keine verwertbaren Daten vor.
f Angabe zur absoluten Differenz (AD) nur bei statistisch signifikantem Unterschied; eigene Berechnung.
g Cox-Proportional-Hazard-Modell und Log-Rank-Test
h Die Ansprechrate war definiert als Anteil derjenigen Patientinnen und Patienten, deren MAP zum Zeitpunkt 3 Stunden nach Behandlungsbeginn ≥ 75 mmHg betrug oder um ≥ 10 mmHg gegenüber dem Ausgangswert (Baseline) angestiegen war.
Verwendete Abkürzungen:

AD = Absolute Differenz; HR = Hazard Ratio; KI = Konfidenzintervall; MAP = Mittlerer arterieller Druck; mITT = modifizierte Intention to treat; N = Anzahl ausgewerteter Patientinnen und Patienten; n = Anzahl Patientinnen und Patienten mit (mindestens einem) Ereignis; n. b. = nicht berechenbar; n. e. = nicht erreicht; pU = pharmazeutischer Unternehmer; RR = relatives Risiko; SMQ = Standardisierte MedDRA-Abfrage; SUE = schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis; UE = unerwünschtes Ereignis; vs. = versus

2.
Anzahl der Patientinnen und Patienten bzw. Abgrenzung der für die Behandlung infrage kommenden Patientengruppen
Erwachsene mit einem septischen oder anderen distributiven Schock, die trotz einer angemessenen Wieder­herstellung des Volumens und der Anwendung von Katecholaminen und anderen verfügbaren gefäßverengenden Therapien hypotensiv bleiben.
ca. 3 980 bis 37 625 Patientinnen und Patienten
3.
Anforderungen an eine qualitätsgesicherte Anwendung
Die Vorgaben der Fachinformation sind zu berücksichtigen. Die europäische Zulassungsbehörde European Medicines Agency (EMA) stellt die Inhalte der Fachinformation zu Giapreza (Wirkstoff: Angiotensin-II-Acetat) unter folgendem Link frei zugänglich zur Verfügung (letzter Zugriff: 1. Dezember 2021):
https:/​/​www.ema.europa.eu/​en/​documents/​product-information/​giapreza-epar-product-information_​de.pdf
Die Einleitung und Überwachung der Behandlung mit Angiotensin-II-Acetat soll von einer/​einem in der Schockbehandlung erfahrenen Ärztin/​Arzt durchgeführt werden und ist für die Anwendung als akute Behandlung und im Krankenhaus vorgesehen.
4.
Therapiekosten
Jahrestherapiekosten:

Erwachsene mit einem septischen oder anderen distributiven Schock, die trotz einer angemessenen Wieder­herstellung des Volumens und der Anwendung von Katecholaminen und anderen verfügbaren gefäßverengenden Therapien hypotensiv bleiben.

Bezeichnung der Therapie Jahrestherapiekosten/​Patientin bzw. Patient
Zu bewertendes Arzneimittel:
Angiotensin-II-Acetat 3 570 € − 7 140 €4
+ optimierte Standardtherapie patientenindividuell unterschiedlich
Zweckmäßige Vergleichstherapie:
optimierte Standardtherapie patientenindividuell unterschiedlich

Kosten nach Abzug gesetzlich vorgeschriebener Rabatte (Stand Lauer-Taxe: 1. Dezember 2021)

Kosten für zusätzlich notwendige GKV-Leistungen: entfällt

II.

Der Beschluss tritt mit Wirkung vom Tag seiner Veröffentlichung auf den Internetseiten des G-BA am 6. Januar 2022 in Kraft.

Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 6. Januar 2022

Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende
Prof. Hecken

1
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat bestätigt, dass es sich beim deutschen Zulassungstext um einen Übersetzungsfehler handelt, sodass für die Nutzenbewertung auf die „und-Verknüpfung“ (analog zum englischen Zulassungstext) abgestellt wird.
2
Daten aus der Dossierbewertung des IQWiG (A21-95) und dem Addendum (A21-147), sofern nicht anders indiziert.
3
Die Gesamtpopulation der Studie ATHOS-3 umfasst Patientinnen und Patienten, die als Vortherapie ein oder mehrere Katecholamine und ggf. zusätzlich einen weiteren Vasopressor erhielten und trotzdem hypotensiv sind.
4
Angiotensin-II-Acetat ist in der Lauer-Taxe nur als Klinikpackung gelistet. Der Wirkstoff unterliegt demnach derzeit nicht der Arzneimittelpreisverordnung und es fallen keine Rabatte nach § 130 bzw. § 130a SGB V an. Der Berechnung wird der Einkaufspreis der Klinikpackung zzgl. 19 % Mehrwertsteuer zugrunde gelegt.

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