Bekanntmachung eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Rehabilitations-Richtlinie: Anpassung der Rehabilitations-Richtlinie aufgrund des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes und weitere Änderungen

Published On: Mittwoch, 16.02.2022By

Bundesministerium für Gesundheit

Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über eine Änderung der Rehabilitations-Richtlinie:
Anpassung der Rehabilitations-Richtlinie aufgrund des Intensivpflege- und
Rehabilitationsstärkungsgesetzes und weitere Änderungen

Vom 16. Dezember 2021

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 16. Dezember 2021 beschlossen, die Reha­bilitations-Richtlinie in der Fassung vom 16. März 2004 (BAnz. S. 6769), die zuletzt durch die Bekanntmachung vom 19. Dezember 2019 (BAnz AT 17.03.2020 B3) geändert worden ist, wie folgt zu ändern:

I.

Die Richtlinie wird wie folgt geändert:

1.
Im Klammerzusatz der Überschrift wird nach dem Wort „Rehabilitations-Richtlinie“ die Angabe „/​Reha-RL“ ein­gefügt.
2.

§ 2 wird wie folgt geändert:

a)
Dem Absatz 6 wird folgender Satz angefügt:
„Die Besonderheiten bei der Verordnung von Leistungen der geriatrischen Rehabilitation (§ 40 Absatz 3 Satz 2 SGB V) sind in § 15 geregelt.“
b)
In Absatz 8 werden die Wörter „der Krankenversicherung (MDK)“ durch die Angabe „(MD)“ sowie die Wörter „des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS)“ durch die Wörter „Bund (MD-BUND)“ ersetzt.
3.

§ 3 wird wie folgt geändert:

a)
In Absatz 3 wird der zweite Spiegelstrich aufgehoben.
b)
In Absatz 3 vierter Spiegelstrich wird die Angabe „MDK“ durch die Angabe „MD“ ersetzt.
c)
Folgender Absatz 4 wird angefügt:
„Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung (Anschlussrehabilitation) gilt die Richtlinie nur in Bezug auf die nach § 40 Absatz 3 Satz 10 SGB V festzulegenden Fälle der Anschlussrehabilitation. Es gilt § 16.“
4.

§ 4 wird wie folgt geändert:

a)
In Absatz 1 Satz 3 wird der Klammerzusatz „(www.dimdi.de)“ durch die Wörter „(https:/​/​www.dimdi.de/​dynamic/​de/​klassifikationen/​icf/​) und der Systematik der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin und Präven­tion e. V. zu den personbezogenen Faktoren im bio-psycho-sozialen Modell der WHO (https:/​/​www.dgsmp.de/​systematik-der-dgsmp/​)“ ersetzt.
b)
In Absatz 2 Satz 2 zweiter Spiegelstrich werden nach dem Wort „ambulanten“ die Wörter „und stationären“ eingefügt.
5.

§ 6 wird wie folgt geändert:

a)
In Absatz 1a Satz 1 wird die Angabe „Absatz 5“ durch die Angabe „Absatz 6“ ersetzt.
b)
Folgender Absatz 4 wird angefügt:
„Im Rahmen der Verordnung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation informiert die Verordnerin oder der Verordner die oder den Versicherten über die Möglichkeit der Einwilligung zur Übermittlung der gutachterlichen Stellungnahme nach § 40 Absatz 3 Satz 5 SGB V an die Verordnerin oder den Verordner. Die Information bezieht sich auch auf die Möglichkeit der Einwilligung der oder des Versicherten zur Übermittlung der Krankenkassenentscheidung an ihre oder seine Angehörigen oder Vertrauenspersonen sowie Pflege- und Betreuungseinrichtungen. Der Inhalt der abgegebenen Einwilligung wird über das Muster 61 an die Krankenkasse übermittelt.“
6.

§ 12 wird wie folgt geändert:

a)

Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa)
Im zweiten Spiegelstrich wird der Angabe „Muster 61“ ein Komma angefügt.
bb)
Im dritten Spiegelstrich werden die Wörter „Medizinischen Dienst der Krankenversicherung“ durch die Angabe „MD“ ersetzt.
b)
Folgender Absatz 3 wird angefügt:
„Von einer verordneten Leistung zur medizinischen Rehabilitation darf die Krankenkasse hinsichtlich der medizinischen Erforderlichkeit nur dann abweichen, wenn eine von der Verordnung abweichende gutachterliche Stellungnahme des MD vorliegt. Diese ist der oder dem Versicherten und mit deren oder dessen Einwilligung in Textform auch der Verordnerin oder dem Verordner zur Verfügung zu stellen. § 15 Absatz 3 und 4 bleibt unberührt.“
7.

Nach § 14 werden die folgenden §§ 15 und 16 angefügt:

㤠15

Geriatrische Rehabilitation

(1) Im Verfahren zur Verordnung einer geriatrischen Rehabilitation dokumentiert die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt im Verordnungsformular Muster 61 die Indikation einer medizinischen Rehabilitation gemäß § 7 Absatz 1 (Rehabilitationsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit, positive Rehabilitationsprognose und Rehabilitationsziele).

(2) Für die Zuweisung in eine geriatrische Rehabilitation, bei der die Krankenkasse die medizinische Erforderlichkeit nicht überprüft, sind folgende Kriterien abzuklären und im Verordnungsformular Muster 61 darzulegen:

1.
Bestehen eines erhöhten Lebensalters, 70 Jahre oder älter und
2.
Vorliegen von mindestens einer rehabilitationsbegründenden Funktionsdiagnose und zwei geriatrietypischen Diagnosen (Teil B des Musters 61 in Abschnitt I).

Die aus den Diagnosen gemäß Nummer 2 resultierenden Schädigungen sind mit mindestens zwei geeigneten Funktionstests aus unterschiedlichen Schädigungsbereichen nachzuweisen, wobei ein Funktionstest für die rehabilitationsbegründende Funktionsdiagnose zu erfolgen hat. Die Ergebnisse der durchgeführten Funktionstests sind unter Angabe des Funktionstests im Verordnungsformular Muster 61 einzutragen. Näheres zu Auswahl und Einsatz von Funktionstests ist in Anlage II geregelt.

(3) Die Krankenkasse kann die medizinische Erforderlichkeit der Verordnung einer geriatrischen Rehabilitation

für Versicherte über 60 und unter 70 Lebensjahren mit einer erheblich ausgeprägten geriatrietypischen Multimorbidität oder
bei der die Voraussetzungen nach Absatz 1 oder Absatz 2 nicht vorliegen,

überprüfen.

(4) Abweichend von § 2 Absatz 8 ist die Verordnung von geriatrischer Rehabilitation nach § 40 Absatz 3 Satz 2 SGB V von der Prüfung durch den MD ausgenommen, sofern die Voraussetzungen nach Absatz 1 und 2 erfüllt sind (§ 275 Absatz 2 Nummer 1 SGB V).

(5) Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt sowie die Krankenkasse beraten die Versicherten über das Verfahren der Verordnung einer geriatrischen Rehabilitation. Die Krankenkasse berät die Versicherten auch über das Verfahren zur Bewilligung einer geriatrischen Rehabilitation.

§ 16

Anschlussrehabilitation

(1) Bei Anschlussrehabilitationen (AR) nach § 40 Absatz 6 Satz 1 SGB V wird die medizinische Erforderlichkeit der Rehabilitation durch die Krankenkasse nicht überprüft, wenn die Voraussetzungen nach § 7 und eine der folgenden ausgewählten Diagnosen der Indikationsgruppen 1 oder 4 oder eine Indikation der Indikationsgruppen 7, 10 (in den unter Buchstabe d genannten Fällen), 11 oder 13 gemäß dem AHB-Indikationskatalog der Deutschen Rentenversicherung Bund in der Fassung 12/​2017 vorliegen:

a)

Indikationsgruppe 1: Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufsystems

Myokardinfarkte
Koronar-Arterielle Bypass-Operation auch in Kombination mit einem Herzklappenersatz
Herzinsuffizienzen ab NYHA II,
b)

Indikationsgruppe 4: Konservativ und operativ behandelte Erkrankungen des Bewegungsapparates und Unfallfolgen

nach endoprothetischer Versorgung von Knie- oder Hüftgelenk
spezifische Rückenschmerzen mit hohem Chronifizierungsrisiko
Spinalkanalstenose/​Enger Spinalkanal/​Rezessusstenose
Major Amputation an der unteren Extremität (proximal des Fußes),
c)
Indikationsgruppe 7: Krankheiten der Atmungsorgane einschließlich Operationen,
d)
Indikationsgruppe 10: Neurologische Krankheiten einschließlich Operationen an Gehirn, Rückenmark und an peripheren Nerven, wenn sich eindeutig eine Phasenzuordnung zur Phase D (gemäß BAR-Phasenmodell) aus den Feststellungen im ärztlichen Befundbericht sowie den Antragsunterlagen ableiten lässt,
e)
Indikationsgruppe 11: Onkologische Krankheiten,
f)
Indikationsgruppe 13: Organ-Transplantationen und -Unterstützungssysteme.

Satz 1 gilt auch für die Indikation einer geriatrischen Anschlussrehabilitation bei Patientinnen und Patienten mit einer geriatrietypischen Multimorbidität und einem erhöhten Lebensalter (70 Jahre oder älter).

(2) Für die Darlegung der Fallkonstellation nach Absatz 1 ist das Vorliegen der Indikation für eine Anschlussrehabilitation einschließlich der damit einhergehenden Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Teilhabe im ärztlichen Befundbericht zu dokumentieren. Die Darlegung der Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Teilhabe erfolgt mit dem SINGER Patientenprofil.“

8.
Nach Anlage I wird folgende Anlage II angefügt:
„Anlage II
Funktionstests im Rahmen der Verordnung von geriatrischer Rehabilitation im Muster 61

Für die gemäß § 15 Absatz 2 durchzuführenden Funktionstests gelten folgende Voraussetzungen:

Die aus den Diagnosen resultierenden Schädigungen sind mit mindestens zwei Funktionstests aus unterschiedlichen Schädigungsbereichen nachzuweisen.
Es sollen die Funktionstests gewählt werden, die die Schädigungen medizinisch am besten abbilden.
Einer der Funktionstests hat für die rehabilitationsbegründende Funktionsdiagnose zu erfolgen.
Das Ergebnis der Funktionstests soll nicht älter als sechs Wochen sein.
Die Ergebnisse der Funktionstests sind im Verordnungsformular Muster 61 einzutragen.

Insbesondere die nachfolgend aufgeführten Funktionstests können als geeignet angesehen werden:

Schädigungsbereich Muster 61 Funktionstest Interpretation
Mentale Funktionen MMST Mini Mental Status Test 24 bis 30 Punkte: keine oder leichte kognitive Funktionseinschränkung, 17 bis 23 Punkte: mittlere kognitive Funktionseinschränkung, 0 bis 16 Punkte: schwere kognitive Funktionseinschränkung
GDS 15 Geriatrische Depressions-Skala 0 bis 5 Punkte: unauffällig, ≥ 6 Punkte: depressive Störung wahrscheinlich
Uhrentest Uhrentest nach Watson Fehler in den Quadranten I bis III: je 1 Fehlerpunkt, Fehler im Quadranten IV: 4 Fehlerpunkte, ab 4 Fehlerpunkten Interpretation als auffällige Einschränkungen
Sinnesfunktionen
und Schmerz
Schmerzskala Visuelle Analogskala für Schmerzintensität oder Numerical Pain Rating Scale 0 (keine Schmerzen) bis 10 (stärkster vorstellbarer Schmerz)
Funktionen des kardiovaskulären, hämato­logischen, Immun- und Atmungssystems Ergo Ergometrie in Watt deutliche Abweichung vom alters- und geschlechts­spezifischen Normwert
FEV1+VK Spirometrie deutliche Abweichung vom alters- und geschlechts­spezifischen Normwert
NYHA New York Heart Association NYHA I (asymptomatisch), NYHA II (leicht), NYHA III (mittelschwer), NYHA IV (schwer)
Neuromuskuloskeletale und bewegungs­bezogene Funktionen TUG und Chair-Rise Timed „Up & Go“ in Verbindung mit Chair-Rise TUG: ≤ 10 Sekunden: Alltagsmobilität uneingeschränkt, 11 bis 19 Sekunden: geringe Mobilitätseinschränkung, in der Regel noch ohne Alltagsrelevanz, 20 bis 29 Sekunden: abklärungsbedürftige, funktionell relevante Mobilitätseinschränkung, ≥ 30 Sekunden: ausgeprägte Mobilitätseinschränkung, in der Regel Interventions-/​Hilfsmittelbedarf

Chair-Rise: Werte über 12 Sekunden: erhöhte Sturzgefahr

DEMMI de Morton Mobilitäts Index Höhere Scores bedeuten einen höheren Mobilitätsgrad. Der geringste klinisch relevante Unterschied wird mit 10 Punkten angegeben.
Tinetti Motilitätstest nach Tinetti unter 20 Punkten: erhöhtes Sturzrisiko, unter 15 Punkte: deutlich erhöhtes Sturzrisiko
Handkraft Handkraft in kPa deutliche Abweichung vom alters- und geschlechtsspezifischen Normwert; deutliche Seitendifferenz; Normwerte für gesunde, über 65-jährige: Männer: 332 N (ca. 132 kPa oder 993 mmHg) und Frauen: 191 N (ca. 76 kPa oder 573 mmHg)“
II.

Die Änderung der Richtlinie tritt am ersten Tag des auf die Veröffentlichung im Bundesanzeiger folgenden Quartals in Kraft, frühestens jedoch am 1. Juli 2022.

Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.

Berlin, den 16. Dezember 2021

Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V

Der Vorsitzende
Prof. Hecken

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