Bundesministerium für Gesundheit
Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über eine Richtlinie zur Erprobung gemäß § 137e
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch:
High-Flow-Therapie bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)
und chronisch respiratorischer Insuffizienz Typ 1
Vom 17. Februar 2022
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Sitzung am 17. Februar 2022 folgende Richtlinie zur Erprobung der High-Flow-Therapie bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und chronisch respiratorischer Insuffizienz Typ 1 beschlossen:
I.
Die Richtlinie wird wie folgt gefasst:
„Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Erprobung der High-Flow-Therapie bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) und chronisch respiratorischer Insuffizienz Typ 1
§ 1
Zielsetzung
1Um den Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in die Lage zu versetzen, eine abschließende Bewertung des Nutzens der High-Flow-Therapie (HFT) zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit COPD und chronisch respiratorischer Insuffizienz Typ 1 durchzuführen, sollen im Wege der Erprobung die hierfür nach § 135 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit den Vorgaben der Verfahrensordnung des G-BA (VerfO) notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode gewonnen werden. 2Die hierfür notwendige Studie soll durch eine unabhängige wissenschaftliche Institution (UWI) nach Maßgabe dieser Richtlinie entworfen, durchgeführt und ausgewertet werden. 3Die Ausgestaltung des Studiendesigns ist – soweit nicht im Folgenden näher bestimmt – von der UWI auf der Basis des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse vorzunehmen und zu begründen. 4Bei der Erstellung des Studienprotokolls ist das Wirtschaftlichkeitsprinzip zu beachten.
§ 2
Fragestellung
1Die Erprobung soll der Beantwortung der Frage dienen, ob bei Patientinnen und Patienten mit COPD und chronisch respiratorischer Insuffizienz Typ 1 eine HFT zusätzlich zu einer Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) im Vergleich zu einer alleinigen LTOT zu einer Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität führt. 2Es handelt sich um eine Überlegenheitsfragestellung.
§ 3
Population
1In die Erprobungsstudie einzuschließen sind Patientinnen und Patienten mit COPD und chronisch respiratorischer Insuffizienz Typ 1,
–
die noch nicht mit der High-Flow-Therapie behandelt wurden,
–
bei denen nach aktueller Leitlinienempfehlung der Nationalen Versorgungsleitlinie COPD die Indikation zu einer LTOT besteht.
2Bei der Studienplanung soll geprüft werden, ob die Festlegung weiterer Ein- oder Ausschlusskriterien geeignet ist zur Förderung der in § 1 gesetzten Ziele. 3Weitere Ein- und Ausschlusskriterien (z. B. Alter, Komorbiditäten) sind so festzulegen, dass eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Zielpopulation gemäß Satz 1 ermöglicht wird.
§ 4
Intervention und Vergleichsintervention
(1) 1Die Prüfintervention ist die mit Sauerstoff angereicherte High-Flow-Therapie in Selbstanwendung zusätzlich zu einer LTOT über eine Dauer von zwölf Monaten. 2Eine weitere Konkretisierung der Anwendungsempfehlungen (z. B. HFT-Mindestanwendungsdauer in Stunden, Tageszeit, Ausmaß der Sauerstoffzufuhr) ist durch die UWI vorzunehmen.
(2) Die Vergleichsintervention ist die LTOT in Selbstanwendung gemäß Leitlinienempfehlung.
(3) 1Maßnahmen zum Monitoring der Durchführung der Intervention und Vergleichsintervention gemäß den Anwendungsempfehlungen und Maßnahmen zur Steigerung der Therapieadhärenz bei erheblichen Abweichungen von den Anwendungsempfehlungen sollen vorgesehen werden. 2Die Abbruchkriterien in Bezug auf die Indikation zur LTOT sollen sowohl für die Prüf- als auch für die Vergleichsintervention gemäß Leitlinienempfehlungen berücksichtigt werden.
§ 5
Endpunkte
(1) 1Der primäre Endpunkt ist gesundheitsbezogene Lebensqualität nach zwölf Monaten gemessen mittels eines spezifischen validierten Instruments für Patientinnen und Patienten mit COPD und chronisch respiratorischer Insuffizienz. 2Es ist eine Responderanalyse durchzuführen, die den Anteil der Studienteilnehmenden mit einem klinisch relevant angesehenen Effekt in Bezug auf den primären Endpunkt aufzeigt. 3Als klinisch relevanter Effekt gilt eine Differenz mindestens in der Höhe von 15 % der Spannweite des zugrundeliegenden Erhebungsinstruments.
(2) 1Als sekundäre Endpunkte sind insbesondere zu erfassen:
–
Gesamtmortalität,
–
Auftreten und Schwere von Exazerbationen,
–
Schwere der Dyspnoe,
–
körperliche Belastbarkeit,
–
Entwicklung einer chronisch respiratorischen Insuffizienz Typ 2,
–
Krankenhausverweildauer und
–
unerwünschte Ereignisse.
2Die Operationalisierung der Endpunkte sowie die Erhebung und die Operationalisierung weiterer Endpunkte sind jeweils zu begründen.
(3) Sofern vorhanden, sind für alle Endpunkte validierte Erhebungsinstrumente zu verwenden.
§ 6
Studientyp und Beobachtungszeitraum
(1) 1Die Erprobungsstudie ist als randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) zu konzipieren und durchzuführen. 2Die Studie soll multizentrisch durchgeführt werden.
(2) Die Personen, die die Endpunkte erheben und die Personen, die die Endpunkte auswerten, sollen gegen die Intervention verblindet sein.
(3) 1Der Beobachtungszeitraum ist so zu bestimmen, dass die Gewinnung hinreichender Informationen zu Langzeiteffekten der Intervention sichergestellt ist und soll mindestens zwölf Monate umfassen. 2Eine darüberhinausgehende Nachbeobachtungszeit kann von der UWI festgelegt werden.
(4) Die Art und Anzahl weiterer therapeutischer Interventionen mit Bezug zur Grunderkrankung oder mit möglichem Einfluss auf die zu erfassenden Endpunkte sollen dokumentiert werden.
§ 7
Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringer im Rahmen der Erprobung
Es ist in jedem Studienzentrum sicherzustellen, dass die Behandlung gemäß dem Studienprotokoll unter Berücksichtigung aller erforderlichen, anerkannten, nach ethischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten aufgestellten Regeln für die Durchführung von klinischen Studien erfolgt.
§ 8
Anforderungen an die Durchführung,
die wissenschaftliche Begleitung und die Auswertung der Erprobung
(1) Im Auftrag an die UWI ist diese – unabhängig davon, ob die Erprobung durch den G-BA oder Hersteller oder Unternehmen durchgeführt wird – insbesondere zu verpflichten,
a)
ein Studienprotokoll zu erstellen und dieses sowie gegebenenfalls die Amendments unverzüglich nach Fertigstellung an den G-BA zur weitergehenden Information zu übersenden,
b)
die Konformität des Studienprotokolls mit den Vorgaben der Erprobungs-Richtlinie und bei Abweichungen gegenüber diesen Vorgaben eine Begründung bei Übersendung des Studienprotokolls darzulegen,
c)
die Studie in einem einschlägigen, von der World Health Organization akkreditierten Register klinischer Studien zu registrieren und den Eintrag regelmäßig zu aktualisieren und den G-BA hierüber zu informieren,
d)
zur Durchführung der Erprobung nach den Anforderungen der Richtlinie und nach Maßgabe des Auftrags, einschließlich der datenschutzkonformen Erhebung, Speicherung und Nutzung der Daten und der Einholung von erforderlichen Genehmigungen,
e)
Bericht zu erstatten an den G-BA bei Abweichungen von den Vorgaben in der Erprobungs-Richtlinie,
f)
zur Auswahl der Leistungserbringer, Festsetzung und Auszahlung der angemessenen Aufwandsentschädigung an diese,
g)
zur Auswertung der Studie,
h)
unverzüglich nach Abschluss der Studie den Studienbericht, der entsprechend der International Council for Harmonisation (ICH)-E3-Richtlinie zu erstellen ist, zusammen mit dem statistischen Analyseplan an den G-BA zu übermitteln,
i)
dem G-BA das Recht einzuräumen, ihm auf seine Kosten eine nachträgliche Datenauswertung zur Verfügung zu stellen und
j)
dem G-BA das Recht zur Veröffentlichung zumindest der Synopse des Studienberichts sowie weitergehender für seine Entscheidung relevanter Informationen aus dem Studienbericht und aus den nachträglichen Datenauswertungen einzuräumen.
(2) 1Wird die Studie vom G-BA durchgeführt, ist die UWI in diesem Fall zu verpflichten, an den G-BA zu festgelegten Meilensteinen Bericht zu erstatten. 2Außerdem ist die UWI in Ergänzung der Verpflichtung nach Absatz 1 Buchstabe j zu beauftragen, dass sie die Studienergebnisse spätestens drei Monate nach Abnahme des Studienberichts durch den G-BA zur Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift mit wissenschaftlichem Begutachtungsprozess einreicht und dem G-BA das Recht einräumt, im Anschluss an deren Veröffentlichung oder nach Ablauf eines Jahres nach Einreichung der Studienergebnisse den Studienbericht zu veröffentlichen. 3Die UWI arbeitet vertrauensvoll mit der mit dem Projektmanagement beauftragten Stelle zusammen und hat dieser die zur Ausübung ihrer Aufgabe erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
(3) 1Wird die Studie durch Medizinproduktehersteller oder Unternehmen durchgeführt, sind diese verpflichtet, die Anforderungen dieser Richtlinie an die Durchführung und Auswertung der Erprobung zu beachten. 2Um sicherzustellen, dass eine durchgeführte Studie den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht und geeignet ist, die notwendigen Erkenntnisse des Nutzens der Methode zu gewinnen, haben die durchführenden Medizinproduktehersteller und Unternehmen dem G-BA das Studienkonzept zur Prüfung vorzulegen und zu erklären, dass der Vertrag mit der UWI den Anforderungen nach Absatz 1 entspricht und eine Einflussnahme durch den Sponsor auf das Ergebnis der Studie vertraglich ausgeschlossen ist. 3Bei positivem Ergebnis der Überprüfung bescheinigt der G-BA die Konformität des vorgelegten Studienkonzepts mit den Anforderungen dieser Richtlinie und dass damit die im Rahmen der Erprobung erbrachten Leistungen von der Gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden; andernfalls teilt er die bestehenden Defizite mit.“
II.
Die Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.
Berlin, den 17. Februar 2022
Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V
Der Vorsitzende
Prof. Hecken
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