Bundesministerium für Gesundheit
Bekanntmachung
eines Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses
über eine Richtlinie zur Erprobung gemäß § 137e
des Fünften Buches Sozialgesetzbuch:
Koronare Lithoplastie bei koronarer Herzkrankheit
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat in seiner Sitzung am 3. Februar 2022 folgende Richtlinie zur Erprobung der koronaren Lithoplastie bei koronarer Herzkrankheit beschlossen.
Die Richtlinie wird wie folgt gefasst:
„Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Erprobung der koronaren Lithoplastie bei koronarer Herzkrankheit
Zielsetzung
1Um den G-BA in die Lage zu versetzen, eine abschließende Bewertung des Nutzens der koronaren Lithoplastie bei koronarer Herzkrankheit durchzuführen, sollen im Wege der Erprobung die hierfür nach den §§ 135 und 137c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit den Vorgaben der Verfahrensordnung des G-BA (VerfO) notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode gewonnen werden. 2Die für die Beantwortung dieser Frage in ihrer Konkretisierung nach § 2 notwendige Studie soll durch eine unabhängige wissenschaftliche Institution (UWI) nach Maßgabe dieser Richtlinie entworfen, durchgeführt und ausgewertet werden. 3Die Ausgestaltung des Studiendesigns ist – soweit nicht im Folgenden näher bestimmt – von der UWI auf der Basis des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse vorzunehmen und zu begründen. 4Bei der Erstellung des Studienprotokolls ist das Wirtschaftlichkeitsprinzip zu beachten.
Fragestellung und Studientyp
Die Erprobung soll der Beantwortung der Frage dienen, ob bei Patientinnen und Patienten mit kalzifizierten, nicht vorbehandelten Koronarstenosen die koronare Lithoplastie im Rahmen einer perkutanen Koronarintervention mit einem Niederdruck-Ballon und anschließender Stentimplantation im Vergleich zu alternativen perkutanen Verfahren zur Präparation kalzifizierter Koronarläsionen hinsichtlich der Häufigkeit schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse nach 12 Monaten überlegen ist.
Population
1In die Erprobungsstudie einzuschließen sind Patientinnen und Patienten
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mit kalzifizierten, nicht vorbehandelten Koronarstenosen im Rahmen einer chronischen koronaren Herzkrankheit,
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bei denen die Indikation für eine perkutane Koronarintervention besteht und
- –
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bei denen der koronarangiografische Befund erwarten lässt oder ein erster Behandlungsversuch zeigt, dass eine Standard-Ballonangioplastie zu keiner ausreichenden Dilatation oder einer asymmetrischen oder nur unvollständigen Stentexpansion führt.
2Die weiteren Ein- und Ausschlusskriterien (z. B. Alter, Komorbiditäten) sind so festzulegen, dass eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Zielpopulation gemäß Satz 1 ermöglicht wird.
Intervention und Vergleichsintervention
(1) Die Prüfintervention besteht in einer koronaren Lithoplastie im Rahmen einer perkutanen Koronarintervention mit einem Niederdruck-Ballon und anschließender Stentimplantation.
(2) Zum Zwecke der Läsionspräparation vor einer Stentimplantation darf die koronare Lithoplastie lediglich mit einer Standard-Ballonangioplastie, aber nicht mit alternativen Präparationsverfahren kombiniert werden.
(3) Als angemessene Vergleichsintervention kommen alternative Verfahren zur Präparation kalzifizierter Koronarläsionen im Rahmen einer perkutanen Koronarintervention mit Stentimplantation infrage. Hierzu zählen insbesondere die schneidende Ballonangioplastie mit Cutting-/Scoring-Ballon und die Rotablation.
(4) Im Rahmen der Studie können verschiedene Komparatoren im Kontroll-Studienarm zur Anwendung kommen, sofern die Verfahren ein ähnliches Nutzen- und Risikoprofil aufweisen.
(5) Sofern zum Zeitpunkt der konkreten Studienplanung in der gegenständlichen Indikation ein spezifisches Verfahren als Standardverfahren gesehen wird, sollte dieses angewendet werden.
(6) Die alleinige Standard-Ballonangioplastie, eine rein medikamentöse Behandlung oder eine Bypassoperation sind nicht als Vergleichsintervention geeignet.
Endpunkte
(1) Der primäre Endpunkt ist ein kombinierter Endpunkt aus Mortalität, nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall und klinisch indizierte Zielgefäßrevaskularisierungen (TVR) nach 12 Monaten.
(2) 1Die genaue Definition und Operationalisierung des Endpunkts soll im Rahmen der konkreten Studienplanung durch eine unabhängige wissenschaftliche Institution erfolgen und ist zu begründen. 2Die TVR soll jedoch nur Revaskularisierungen umfassen, die aufgrund einer vorangegangenen klinischen Symptomatik indiziert sind und durchgeführt werden.
(3) Neben der kombinierten Ergebnisdarstellung sollen auch die Ergebnisse der Komponenten einzeln dargestellt werden.
(4) 1Als sekundäre Endpunkte sollen insbesondere berücksichtigt werden:
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Mortalität,
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nicht tödlicher Myokardinfarkt,
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nicht tödlicher Schlaganfall,
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TVR,
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klinisch indizierte Revaskularisierungen außerhalb des Zielgefäßes,
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periprozedurale Komplikationen,
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Symptome der KHK,
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Hospitalisierungen aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse,
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gesundheitsbezogene Lebensqualität,
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-
körperlicher Funktionsstatus, wie die Bewältigung von Alltagsaktivitäten,
- –
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weitere (schwerwiegende) unerwünschte (vor allem kardiovaskuläre) Ereignisse.
2Die Operationalisierung der Endpunkte sowie die Erhebung und die Operationalisierung weiterer Endpunkte sind jeweils zu begründen.
(5) Sofern vorhanden, sind für alle Endpunkte validierte Erhebungsinstrumente zu verwenden.
Studientyp und Beobachtungszeitraum
(1) 1Die Erprobungsstudie ist als randomisierte, kontrollierte Studie (RCT) zu konzipieren und durchzuführen. 2Die Studie soll multizentrisch durchgeführt werden.
(2) Die Nachbeobachtungszeit beginnend ab Intervention soll mindestens 12 Monate umfassen.
(3) Die Studienteilnehmenden und die weiterbehandelnden Personen sowie die Endpunkterhebenden sollen verblindet sein.
(4) Zur unabhängigen Bewertung der unerwünschten Ereignisse ist ein Event-Komitee einzusetzen.
(5) Die Art und Anzahl weiterer therapeutischer Interventionen mit Bezug zur Grunderkrankung oder mit möglichem Einfluss auf die zu erfassenden Endpunkte sollen dokumentiert werden.
Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringer im Rahmen der Erprobung
Es ist in jedem Studienzentrum sicherzustellen, dass die Behandlung gemäß dem Studienprotokoll unter Berücksichtigung aller erforderlichen, anerkannten, nach ethischen und wissenschaftlichen Gesichtspunkten aufgestellten Regeln für die Durchführung von klinischen Studien erfolgt.
Anforderungen an die Durchführung, die wissenschaftliche Begleitung
und die Auswertung der Erprobung
(1) Im Auftrag an die UWI ist diese – unabhängig davon, ob die Erprobung durch den G-BA oder Hersteller oder Unternehmen durchgeführt wird – insbesondere zu verpflichten,
- a)
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ein Studienprotokoll zu erstellen und dieses sowie gegebenenfalls die Amendments unverzüglich nach Fertigstellung an den G-BA zur weitergehenden Information zu übersenden,
- b)
-
die Konformität des Studienprotokolls mit den Vorgaben der Erprobungs-Richtlinie und bei Abweichungen gegenüber diesen Vorgaben eine Begründung bei Übersendung des Studienprotokolls darzulegen,
- c)
-
die Studie in einem einschlägigen, von der World Health Organization akkreditierten Register klinischer Studien zu registrieren und den Eintrag regelmäßig zu aktualisieren und den G-BA hierüber zu informieren,
- d)
-
zur Durchführung der Erprobung nach den Anforderungen der Richtlinie und nach Maßgabe des Auftrags, einschließlich der datenschutzkonformen Erhebung, Speicherung und Nutzung der Daten und der Einholung von erforderlichen Genehmigungen,
- e)
-
Bericht zu erstatten an den G-BA bei Abweichungen von den Vorgaben in der Erprobungs-Richtlinie,
- f)
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zur Auswahl der Leistungserbringer, Festsetzung und Auszahlung der angemessenen Aufwandsentschädigung an diese,
- g)
-
zur Auswertung der Studie,
- h)
-
unverzüglich nach Abschluss der Studie den Studienbericht, der entsprechend der International Council for Harmonisation (ICH)-E3-Richtlinie zu erstellen ist, zusammen mit dem statistischen Analyseplan an den G-BA zu übermitteln,
- i)
-
dem G-BA das Recht einzuräumen, ihm auf seine Kosten eine nachträgliche Datenauswertung zur Verfügung zu stellen und
- j)
-
dem G-BA das Recht zur Veröffentlichung zumindest der Synopse des Studienberichts sowie weitergehender für seine Entscheidung relevanter Informationen aus dem Studienbericht und aus den nachträglichen Datenauswertungen einzuräumen.
(2) 1Wird die Studie vom G-BA durchgeführt, ist die UWI in diesem Fall zu verpflichten, an den G-BA zu festgelegten Meilensteinen Bericht zu erstatten. 2Außerdem ist die UWI in Ergänzung der Verpflichtung nach Absatz 1 Buchstabe j zu beauftragen, dass sie die Studienergebnisse spätestens 3 Monate nach Abnahme des Studienberichts durch den G-BA zur Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift mit wissenschaftlichem Begutachtungsprozess einreicht und dem G-BA das Recht einräumt, im Anschluss an deren Veröffentlichung oder nach Ablauf eines Jahres nach Einreichung der Studienergebnisse den Studienbericht zu veröffentlichen. 3Die wissenschaftliche Institution arbeitet vertrauensvoll mit der mit dem Projektmanagement beauftragten Stelle zusammen und hat dieser die zur Ausübung ihrer Aufgabe erforderlichen Informationen und Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
(3) 1Wird die Studie durch Medizinproduktehersteller oder Unternehmen durchgeführt, sind diese verpflichtet, die Anforderungen dieser Richtlinie an die Durchführung und Auswertung der Erprobung zu beachten. 2Um sicherzustellen, dass eine durchgeführte Studie den Anforderungen dieser Richtlinie entspricht und geeignet ist, die notwendigen Erkenntnisse des Nutzens der Methode zu gewinnen, haben die durchführenden Medizinproduktehersteller und Unternehmen dem G-BA das Studienkonzept zur Prüfung vorzulegen und zu erklären, dass der Vertrag mit der UWI den Anforderungen nach Absatz 1 entspricht und eine Einflussnahme durch den Sponsor auf das Ergebnis der Studie vertraglich ausgeschlossen ist. 3Bei positivem Ergebnis der Überprüfung bescheinigt der G-BA die Konformität des vorgelegten Studienkonzepts mit den Anforderungen dieser Richtlinie und dass damit die im Rahmen der Erprobung erbrachten Leistungen von der Gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden; andernfalls teilt er die bestehenden Defizite mit.“
Die Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Die Tragenden Gründe zu diesem Beschluss werden auf den Internetseiten des G-BA unter www.g-ba.de veröffentlicht.
Berlin, den 3. Februar 2022
Gemeinsamer Bundesausschuss
gemäß § 91 SGB V
Der Vorsitzende
Prof. Hecken
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