Bundeskriminalamt
Bekanntmachung
eines Feststellungsbescheides
nach § 2 Absatz 5 in Verbindung mit § 48 Absatz 3 des Waffengesetzes (WaffG)
zur waffenrechtlichen Beurteilung
des Abschussgeräts „BolaWrap“
Auf Grund des § 2 Absatz 5 WaffG vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957) erging am 10. November 2023 der folgende
Feststellungsbescheid
Gegenstand dieser Entscheidung ist die Einstufung nach § 2 Absatz 5 WaffG des hier vorgestellten Abschussgeräts „BolaWrap“
Abbildung 1: Abschussgerät „BolaWrap“, Ansicht Oberseite
Beschreibung:
Bei dem „BolaWrap“ handelt es sich um ein tragbares Gerät zum Auswerfen/Verschießen einer Schnur, an deren jeweiligen Enden sogenannte Anker mit Widerhaken angebracht sind.
Das „Bola Wrap“ ist zum Einsatz gegen Menschen bestimmt, um diese an der Flucht oder an einem Angriff zu hindern.
Das „Bola Wrap“ besteht aus zwei Teilen, dem „Abschussgerät“ und einer wechselbaren „Kassette“.
Das „Abschussgerät“ beinhaltet die elektronischen Komponenten zur Feststellung der Einsatzbereitschaft, zur „Beleuchtung“ und zum „Anvisieren“ des Ziels sowie zum Abschuss beziehungsweise der Auslösung eines pyrotechnischen Satzes.
Die „Kassette“ ist als Wechselkassette und nur zur einmaligen Verwendung konzipiert. Sie beinhaltet eine circa 2,5 m lange aramidverstärkte Schnur, an deren Enden jeweils ein mit Widerhaken versehener Anker befestigt ist. Darin untergebracht ist auch ein pyrotechnischer Satz, welcher nach Anzündung die Schnur mit den beiden Ankern auswirft.
Nach dem Auswerfen/Abschießen der Schnur wickelt sich diese mehrfach um die Beine oder den Körper der Zielperson. Die Anker verhaken sich abschließend in der Kleidung, so dass eine Art von „Fesselung“ erfolgt, die von der getroffenen Person nicht einfach gelöst oder abgeschüttelt werden kann.
Wickelt sich die Schnur um die Beine wird ein Laufen erheblich erschwert oder je nach Lage gar verhindert. Eine Flucht wird dadurch erschwert oder temporär ausgeschlossen. Wickelt sich die Schnur um den Oberkörper wird die Angriffs- oder allgemeine Bewegungsfreiheit erheblich einschränkt, da die Arme dann ebenfalls von der Wicklung umfasst werden.
Das Gehäuse besteht aus gelbem Kunststoff. An der Oberseite befinden sich ein Schiebeschalter zum Einschalten des Geräts und der Auslöseknopf. Der Schiebeschalter muss entgegen der Schussrichtung betätigt werden, um das Gerät einzuschalten.
Nach dem Einschalten leuchtet vor dem Auslöseknopf eine LED-Kontrollleuchte zunächst rot, dann gelb und anschließend grün. Das Gerät überprüft dabei seine Einsatzbereitschaft und ob sich darin eine einsatzbereite Kassette befindet. Befindet sich keine oder eine bereits abgefeuerte Kassette in dem Gerät, leuchtet die LED rot auf.
Abbildung 2: Ansicht Abschussgerät „BolaWrap“ und Kassette mit Beschriftung
An der Vorderseite sind in das Gerät zwei LED-Leuchten und ein grüner Mehrpunktlaser eingesetzt. Der Mehrpunktlaser dient hierbei zum Anvisieren des Ziels.
Abbildung 3: Ansicht Abschussgerät „BolaWrap“ mit eingesetzter Kassette, Vorderansicht
Links und rechts am Gehäuse befindet sich jeweils eine Taste zum Entriegeln der Kassette.
Abbildung 4: Ansicht Abschussgerät „BolaWrap“ mit eingesetzter Kassette, Seitenansicht
Die Kassette enthält eine circa 2,5 m lange Schnur aus aramidverstärkter Faser, an deren jeweiligen Enden ein sogenannter Anker mit Widerhaken angebracht ist. Die Anker befinden sich jeweils in einem circa 3,7 cm langen röhrenförmigen Gegenstand innerhalb der Kassette und werden in einem Winkel von circa 40 Grad zueinander ausgeworfen/verschossen. Diese Röhren bestimmen den „Abschusswinkel“ der Anker. Sie verleihen den Ankern ein gewisses Maß an Führung. Die Anker sollen nach ihrem Austritt aus den Röhren die sie verbindende Schnur straffen, damit sich diese auf „breiter Front“ in Richtung des beschossenen Ziels bewegen kann. Die Anker sind etwa 4,1 cm lang und weisen einen flachen Kopf mit vier scharfen Widerhaken auf. In der Kassette füllt die Schnur den Raum zwischen den beiden Röhren, in denen sich wiederum die Anker befinden.
Die Kassette ist durch eine Kunststoffabdeckung verschlossen.
Abbildung 5: Frontalansicht Kassette für Abschussgerät „BolaWrap“, oben unbenutzte Kassette, unten verschossene Kassette
Abbildung 6: Schnittdarstellung einer befüllten Kassette
Abbildung 7: Detailbild sogenannter Anker an einem Schnurende
Als Treibsatz dient laut Hersteller ein pyrotechnischer Satz bestehend aus Kaliumperchlorat und Zirkonium (ZPP), welcher elektrisch gezündet wird. Dieser Treibsatz ist fest in der Kassette verbaut und hat eine P1-Zulassung.
Ein Funktionstest mit eventuellen Schussenergiemessungen wurde im Bundeskriminalamt nicht vorgenommen.
Abbildung 8: Ansicht Beschriftung Kassette CE-P1-Kennzeichnung
Funktionsbeschuss:
Bei dem hier durchgeführten Funktions- und Vergleichsbeschuss funktionierte das Gerät einwandfrei.
Zum Laden muss eine unverfeuerte Kassette in das Abschussgerät gesteckt werden und das Gerät eingeschaltet werden.
Über den Mehrpunktlaser kann das Ziel anvisiert werden. Im Zentrum sind sieben der Laserpunkte etwas heller, dadurch kann die Richtung der Schnur besser bestimmt werden.
Laut Hersteller beträgt die Einsatzreichweite circa 3 bis 8 Meter. Die zulässigen Zielzonen liegen im Bereich der Knie und etwa auf Hüfthöhe bis Ellenbogenhöhe.
Wird der Auslöseknopf betätigt, schießen die beiden Anker aus der Kassette und ziehen die Schnur mit. Auf Grund der Ausgestaltung der Kassette fliegen die beiden Anker sich voneinander entfernend weg. Trifft die Schnur auf ein Ziel, wickelt sie sich mehrfach um das Ziel und die Anker verfangen sich in der Kleidung. Dadurch wir die Bewegungsfreiheit eines beweglichen Ziels erheblich eingeschränkt.
Angaben zum Antrag:
Das antragsgegenständliche Abschussgerät „BolaWrap“ soll in den Geltungsbereich des WaffG eingeführt und im Behördensektor vertrieben werden.
Beurteilung:
Es ist zu prüfen und zu beurteilen, ob es sich bei dem antragsgegenständlichen Abschussgerät „BolaWrap“ um eine Waffe im Sinne der Definitionen des § 1 Absatz 2 Nummer 1 oder 2 WaffG handelt. Zudem ist zu prüfen, ob das Abschussgerät „BolaWrap“ einem waffenrechtlichen Verbot der Anlage 2 Abschnitt 1 unterliegt.
Ergebnis der waffenrechtlichen Prüfung:
- 1.
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Das Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante war noch nicht Gegenstand eines Antrages nach § 2 Absatz 5 WaffG.
- 2.
-
Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 2 Absatz 5 Nummer 1 WaffG wird für den Antrag anerkannt.
- 3.
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Bei dem Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante handelt es sich um eine einschüssige Einzellader-Feuerwaffe im Sinne der Anlage 1 (zu § 1 Absatz 4 WaffG) Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nummer 2.1 und 2.4.
- 4.
-
Bei den beiden in der Kassette fest eingebauten Röhren, die die Anker aufnehmen, handelt es sich jeweils um ein wesentliches Waffenteil im Sinne der Anlage 1 (zu § 1 Absatz 4 WaffG) Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nummer 1.3.1.1 (Lauf).
- 5.
-
Bei der oben genannten Kassette handelt es sich um ein wesentliches Waffenteil im Sinne der Anlage 1 (zu § 1 Absatz 4 WaffG) Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nummer 1.3.1.6 (Gehäuse).
- 6.
-
Bei dem Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante handelt es sich um eine Kurzwaffe im Sinne der Anlage 1 (zu § 1 Absatz 4 WaffG) Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nummer 2.5.
- 7.
-
Bei dem Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante handelt es sich um eine verbotene Schusswaffe im Sinne der Anlage 2 (zu § 2 Absatz 2 bis 4 WaffG) Abschnitt 1 Nummer 1.2.4.1.
- 8.
-
Für den Umgang mit dem Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante ist eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 40 Absatz 4 WaffG erforderlich.
- 9.
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Bei beiden mittels einer Schnur verbundenen Ankern handelt es sich jeweils um ein Geschoss im Sinne der Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nummer 3.1.
Begründung:
- 1.
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Es wurden keine weiteren Anträge nach § 2 Absatz 5 WaffG für das oben genannte Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante gestellt.
- 2.
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Die Firma Wrap Technologies Inc. beabsichtigt, das oben genannte Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante zu importieren und direkt sowie über den Waffenfachhandel zu vertreiben. Das berechtigte Interesse an der Entscheidung nach § 2 Absatz 5 Nummer 1 WaffG wurde damit glaubhaft gemacht.
- 3.
-
Bei dem oben genannten Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante kann mit einer Kassette jeweils nur ein Schuss abgegeben werden. Die Schussabgabe erfolgt mittels heißer Gase durch Auslösen des in der Kassette fest verbauten pyrotechnischen Satzes. Auf Grund dieser technischen Gegebenheiten handelt es sich bei dem oben genannten Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante um eine Einzellader-Feuerwaffe im Sinne der Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nummer 2.1 und 2.4.
- 4.
-
Die beiden in der Kassette fest eingebauten Röhren, die die Anker aufnehmen, geben den beiden Ankern die Flugrichtung vor und somit ein gewisses Maß an Führung. Bezogen auf das Heck der Pfeile und dem dortigen Durchmesser von circa 7 mm sind die beiden Röhren mit einer Länge von jeweils circa 3,7 cm mehr als doppelt so lang. Deshalb ist davon auszugehen, dass den beiden Ankern ein gewisses Maß an Führung gegeben wird. Auf Grund dieser Eigenschaften handelt es sich bei jeder der beiden Röhren um einen Lauf als wesentliches Waffenteil im Sinne der Anlage 1 (zu § 1 Absatz 4 WaffG) Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nummer 1.3.1.1.
- 5.
-
Die Kassette des Abschussgeräts „BolaWrap“ in der oben genannten Variante beinhaltet die beiden Läufe zur Aufnahme der Anker und den pyrotechnischen Satz. Somit handelt es sich bei der Kassette um ein wesentliches Waffenteil im Sinne der Anlage 1 (zu § 1 Absatz 4 WaffG) Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nummer 1.3.1.6 (Gehäuse).
- 6.
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Das Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante hat eine Gesamtlänge von 13,9 cm. Die Läufe haben eine Gesamtlänge von circa 3,7 cm. Beide Maße unterschreiten deutlich die Mindestmaße zur Einstufung als Langwaffe. Somit handelt es sich bei dem Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante um eine Kurzwaffe im Sinne der Anlage 1 (zu § 1 Absatz 4 WaffG) Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nummer 2.5.
- 7.
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Das Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante besitzt zwei fest eingebaute LED zum Anleuchten des Zielbereichs und einen fest eingebauten Mehrpunktziellaser zum Markieren des Zielbereichs. Auf Grund der Einstufung als Schusswaffe und der fest eingebauten Zielmarkierungshilfsmittel handelt es sich um eine für Schusswaffen bestimmte verbotene Vorrichtung, die das Ziel beleuchtet oder markiert im Sinne der Anlage 2 (zu § 2 Absatz 2 bis 4 WaffG) Abschnitt 1 Nummer 1.2.4.1.
- 8.
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Auf Grund der Einstufung als verbotene Waffe (siehe Nummer 7) ist für den Umgang mit dem Abschussgerät „BolaWrap“ in der oben genannten Variante eine Ausnahmegenehmigung gemäß § 40 Absatz 4 WaffG erforderlich.
- 9.
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Die beiden mittels einer Schnur verbundenen Anker werden aus den Läufen des Abschussgeräts „BolaWrap“ in der oben genannten Variante verschossen. Deshalb handelt es sich bei den beiden Ankern jeweils um ein Geschoss im Sinne der Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nummer 3.1.
Hinweise:
- –
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Nach § 2 Absatz 5 Nummer 2 Satz 2 WaffG wurden die zuständigen Bundes- und Landesbehörden zu dem obigen Antrag angehört.
- –
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Dieser Feststellungsbescheid bezieht sich ausschließlich auf das oben beschriebene Abschussgerät in der vorgelegten Variante.
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Durch diesen Bescheid bleibt die eventuelle Notwendigkeit waffenrechtlicher Erlaubnisse unberührt.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist beim Bundeskriminalamt, 65173 Wiesbaden, schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen.
Wiesbaden, den 28. März 2024
SO 13–5164.01-Z-5531
Bundeskriminalamt
Im Auftrag
Mittelstädt
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