Die Commerzbank empfahl Kunden seit Juni 2008 massiv den allein von ihr vertriebenen offenen Immobilien-Dachfonds Premium Management Immobilien-Anlagen (ISIN DE000A0ND6C8, Herausgeber Allianz Global Investors).
Zielgruppe unter den Kunden waren sicherheitsorientierte, oftmals ältere Anleger, denen in der Beratung die Überzeugung vermittelt wurde, eine sachwerthinterlegte, täglich verfügbare Anlage zu erwerben.
Vielen der Kunden wurde eine Umschichtung aus anderen Immobilienfonds, etwa dem Commerzbank Hausinvest Europa, in den PMIA mit dem Argument empfohlen, dieser Fonds sei vielversprechender als der bisherige und unterliege bei Erwerb vor dem 1.´Januar 2009 nicht der Abgeltungssteuer. Was die Commerzbank keinem der uns berichtenden Kunden sagte, war, dass, nachdem Ende 2005 die Schließung eines offenen Immobilienfonds auf große öffentliche Resonanz stieß, in der Branche die Möglichkeit bekannt war, dass offene Immobilienfonds geschlossen werden, wenn die Liquidität des Fonds nicht ausreicht, um allen aktuellen Rückgabeverlangen von Anlegern gerecht zu werden. Die angeblich selbstverständliche tägliche Verfügbarkeit bei offenen Immobilienfonds und damit auch des PMIA hätte also mit einem entsprechenden einschränkenden Hinweis versehen werden müssen. Sie wies laut den Berichten der Kunden auch nicht darauf hin, dass dieser Dachfonds auch in ihre offenen Immobilienfonds Hausinvest Europa und Hausinvest Global investiert.
Bis August 2010 hielt die Commerzbank an ihrer Empfehlung, den PMIA als flexible Anlagemöglichkeit zu kaufen, fest. Aus heiterem Himmel setzte die Commerzbank Ende September 2010 die interne Einschätzung des Fonds auf „unattraktiv“. Gleichzeitig hielt sie ihre Kundenberater an, Anleger über den Schwenk in der Bewertung des PMIA zu informieren und ihnen zum sofortigen Verkauf zu raten. Als schlechten Witz mussten die Kunden die zusätzliche Empfehlung, in den Hausinvest Europa gegen verringerten Ausgabeaufschlag zu investieren, empfinden. Die Verkaufsempfehlungen zum PMIA ab 23.09.2010 setzten eine Welle von Anteilsrückgaben in Gang, die in der Schließung des Fonds am 24.09.2010, 14.00 Uhr, kulminierte. Denn innerhalb kürzester Zeit war klar, dass der Fonds nicht alle Anleger auszahlen konnte.
Alle Kunden, die nicht mehr rechtzeitig von der Verkaufsempfehlung in Kenntnis gesetzt sowie viele Kunden, deren Verkaufsorders nicht mehr rechtzeitig ausgeführt wurden, sind jetzt von der Schließung betroffen. Sie können ihre Fonds-Anteile, die häufig ihre Altersvorsorge darstellen, zurzeit nicht an die Gesellschaft zurückgeben. Es ist weder bekannt, wie lange die Schließung andauern soll – wobei zwei Jahre jedoch nicht überschritten werden dürfen – , noch ob der Fonds anschließend möglicherweise abgewickelt wird. Bei einem Verkauf ihrer Anteile über die Börse haben sie derzeit erhebliche Verluste hinzunehmen.
Schadensersatzansprüche gegen die Commerzbank?
Aus dem Vorgehen der Commerzbank könnten sich Schadensersatzansprüche der Anleger gegen die Bank ergeben. Zum einen kommen Schadensersatzansprüche gegen die Commerzbank als beratende Bank in Betracht, wenn sie ihre Pflichten zur anleger- und objektgerechten Beratung verletzt hat, z.B. dadurch,
dass sie Anlegern, die besonderen Wert auf eine jederzeitige Verfügbarkeit ihres Geldes legen, diese Anlage quasi wie Tagesgeld verkauft hat und nicht auf die Risiken einer zeitweiligen Schließung des Fonds hingewiesen hat,
dass sie zur häufigen Umschichtung geraten hat, um Ausgabeaufschläge zu verdienen.
Zum anderen kommen noch Schadensersatzansprüche gegen die Commerzbank als Depotbank in Betracht. Nach dem Investmentgesetz (InvG) ist die Depotbank verpflichtet, unabhängig von der Kapitalanlagegesellschaft und ausschließlich im Interesse der Anleger die Ausgabe und Rücknahme der Investmentfondsanteile vorzunehmen bzw. zu kontrollieren. Hierunter fällt auch die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Aussetzung der Rücknahme, sprich der Fondsschließung. Interessenkonflikte sind gemäß § 22 InvG zu vermeiden. Hier können Zweifel an der vom Gesetzgeber geforderten Neutralität der Commerzbank aufkommen. Immerhin vertrieb sie den Dachfonds exklusiv. Mit den Verkaufsempfehlungen an ihre Kunden dürfte sie die Schließung herbeigeführt haben.
Merkwürdige Beratungsprotokolle
Im Zuge der Verkaufsempfehlung von Anteilen des PMIA kam es zu Merkwürdigkeiten bei der Verwendung der gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsprotokolle:
Frau S. aus Hamburg berichtet, dass sie am 27.09.2010 von ihrer Beraterin der Commerzbank angerufen worden sei, die ihr empfohlen habe, den PMIA umgehend zu verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt war ein Verkauf schon gar nicht mehr möglich (s.o.). Das Telefonat dauerte 1 bis 2 Minuten. Kurz darauf erhielt Frau S. ein Protokoll über ein „Beratungsgespräch vom 27.09.2010“ zugeschickt, das mehrere Fehler aufweist: In dem Protokoll heißt es, es hätte ein persönliches Beratungsgespräch zwischen Frau S. und der Beraterin in der Filiale gegeben, Dauer zwischen 15 und 30 Minuten. Weiter hält das Protokoll fest, dass Frau S. bestätigt habe, einen mittelfristigen Anlagehorizont zu verfolgen. Tatsächlich hatte Frau S. in früheren Gesprächen darauf hingewiesen, dass sie kurzfristig und jederzeit über ihr Geld verfügen möchte, in dem hier protokollierten kurzen Gespräch wurde über den Anlagehorizont gar nicht gesprochen. Schließlich wird in dem Protokoll gesagt, Frau S. seien die gesetzlichen Verkaufsunterlagen zu ihrem Fonds angeboten worden und sie habe darauf verzichtet, was laut Frau S. nicht stimmt. Ebenfalls sei sie über den anfallenden Ausgabeaufschlag, die Verwaltungsvergütung und die laufende Vertriebsprovision informiert worden, was laut Frau S. ebenfalls falsch ist.
Frau A. aus Hamburg erhielt am 01.10.2010 von der Commerzbank einen „Verkaufsauftrag“ über ihre Anteile am PMIA, „Auftragsdatum 24.09.2010“ mit dem Hinweis „haben wir weisungsgemäß gestrichen“. Frau A. hatte nie einen Auftrag erteilt, ihre Anteile zu verkaufen! Die Commerzbank hat hier offenbar eigenmächtig entschieden, den Verkauf durchzuführen. Erst auf mehrfache Nachfrage durch Frau A. erhielt sie von ihrer Beraterin in der Filiale die kurze telefonische Auskunft, der Fonds sei geschlossen, ein Verkauf sei nicht mehr möglich. Zu diesem Telefonat erhielt Frau A. ein Protokoll, dessen Inhalt laut Frau A. falsch ist. In dem Protokoll wird dokumentiert, dass die Initiative zu dem Gespräch von der Bank ausging und dass das Gespräch 5 bis 15 Minuten gedauert habe. Außerdem wird festgehalten, dass Frau A. bestätigt habe, dass sie einen langfristigen Anlagehorizont verfolge, über dieses Thema wurde gar nicht gesprochen. Es wird festgehalten, dass Frau A. die gesetzlichen Verkaufsunterlagen angeboten worden seien und dass sie darauf verzichtet habe und dass sie über Ausgabeaufschläge, Verwaltungsvergütung und Vertriebsprovision aufgeklärt worden sei. Frau A. widersprach diesem Protokoll in einem persönlichen Gespräch, in dem sie auch darauf hinwies, dass man ihr noch Ende Juli 2010 versichert habe, der Fonds PMIA sei eine sichere Anlage und ein Verkauf sei nicht sinnvoll. Sie erhielt ein korrigiertes Protokoll, das die von ihr formulierten Kritikpunkte nicht enthielt.
Herrn O. aus Hamburg wurde noch im April 2010 empfohlen, aus dem offenen Immobilienfonds Hausinvest Europa in den PMIA zu wechseln. Er folgte diesem Rat und zahlte für den Erwerb einen Ausgabeaufschlag von 5 %. Im September 2010 war er für mehrere Wochen verreist, fragte deshalb vor der Abreise nach, ob er sich um die Sicherheit seiner Anlage Sorgen machen und verkaufen müsse, die Antwort war negativ, der PMIA sei absolut sicher. Als er Anfang Oktober wieder zu Hause war, fand er eine Verkaufsabrechnung über seine Fondsanteile vor mit dem Hinweis „haben wir weisungsgemäß gestrichen“ sowie ein Protokoll zu einem Beratungsgespräch vom 24.09.2010. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Herr O. im Urlaub, dieses Gespräch hat nie stattgefunden. Der Berater rechtfertigt sein Vorgehen auf Nachfrage damit, er sei verpflichtet gewesen zu verkaufen, um das Geld zu retten, er habe den Verkauf aber nicht mehr bei allen Kunden geschafft.
Hier werden nach unserem Eindruck mehrfach Beratungsprotokolle missbräuchlich eingesetzt. Es besteht der Verdacht, dass die Vorgehensweise auf entsprechenden Vorgaben der Geschäftsleitung beruht.
Nahe liegende Fragen
Welche Vorstellung hat die Commerzbank von einer anleger- und anlagegerechten Beratung und von einer Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Protokollierung von Beratungsgesprächen? Meint die Commerzbank, die Protokolle dienen allein Beweissicherungszwecken zu ihren Gunsten?Müsste nicht für eine Bank, die vom Staat mit Milliardenbeträgen gestützt wird, die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften eine Selbstverständlichkeit darstellen?
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Stand vom Dienstag, 11. Januar 2011
Quelle: VBZ Hamburg
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