Das Zweite Gesetz zur Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG), veröffentlicht im Bundesgesetzblatt am 19. Juli 2024, bringt wesentliche Änderungen und Anpassungen in der rechtlichen Behandlung von Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten. Dieses Gesetz zielt darauf ab, die Effizienz und Wirksamkeit von Musterverfahren zu steigern und gleichzeitig den Schutz der Rechte von Kapitalanlegern zu verbessern. Hier sind die zentralen Punkte des Gesetzes:
- Anwendungsbereich und Bezug zum Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (§ 1):
- Das Gesetz findet Anwendung auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die Schadensersatzansprüche aufgrund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen betreffen. Es gilt auch für Erfüllungsansprüche aus Verträgen, die auf dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz beruhen, sowie für Ansprüche im Zusammenhang mit Kryptowerte-Verordnungen der EU.
- Es wird klargestellt, dass das KapMuG nicht auf Verbandsklagen nach dem Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz (VRDG) anwendbar ist. Allerdings steht die Existenz eines Musterverfahrens nach KapMuG der Zulässigkeit einer Verbandsklage nach dem VRDG nicht entgegen.
- Einführung und Ablauf des Musterverfahrens:
- Ein Musterverfahrensantrag kann von beiden Parteien (Kläger oder Beklagter) im ersten Rechtszug gestellt werden, um bestimmte Feststellungsziele zu klären.
- Das Prozessgericht entscheidet über die Zulässigkeit des Antrags und gibt diesen, wenn er als zulässig erachtet wird, im Musterverfahrensregister bekannt.
- Wird innerhalb von sechs Monaten nach der ersten Bekanntmachung mindestens neun weitere gleichgerichtete Musterverfahrensanträge eingereicht, ist ein Vorlagebeschluss an das Oberlandesgericht erforderlich, das über die Feststellungsziele entscheidet.
- Durchführung des Musterverfahrens (§§ 9-24):
- Das Oberlandesgericht eröffnet das Musterverfahren durch Beschluss und bestimmt einen Musterkläger, der das Verfahren im Interesse aller Kläger führt.
- Es wird festgelegt, dass das Musterverfahren erweitert werden kann, wenn neue, relevante Feststellungsziele hinzukommen.
- Ein Musterentscheid, der durch das Oberlandesgericht getroffen wird, ist für alle betroffenen Kläger und Beklagten bindend. Das Musterverfahren endet entweder durch einen Musterentscheid oder durch einen Vergleich, der gerichtlich genehmigt werden muss.
- Kostenregelungen und Auswirkungen auf nachfolgende Verfahren:
- Die Kosten des Musterverfahrens werden als Teil der Kosten des jeweiligen Ausgangsverfahrens behandelt. Dies gilt sowohl für den Musterkläger als auch für die Musterbeklagten.
- Der Musterentscheid bindet die Prozessgerichte in allen nachfolgend ausgesetzten Ausgangsverfahren.
- Technische und organisatorische Anpassungen (§ 15 und Musterverfahrensregisterverordnung):
- Ab dem 1. Januar 2025 werden die Prozessakten des erstinstanzlichen Musterverfahrens elektronisch geführt, um die Effizienz und Transparenz des Verfahrens zu erhöhen.
- Die Verordnung zur Führung des Musterverfahrensregisters wurde angepasst, um eine einheitliche und rechtssichere Verwaltung und Einsichtnahme in die Registereinträge zu gewährleisten.
- Übergangs- und Schlussvorschriften (§§ 30-31):
- Übergangsvorschriften regeln die Anwendung des alten KapMuG für Verfahren, die vor dem 20. Juli 2024 eingeleitet wurden.
- Eine Evaluierung des neuen Gesetzes ist fünf Jahre nach dessen Inkrafttreten vorgesehen, um die Effektivität der Reform zu überprüfen.
Zusammenfassend bringt die Reform des KapMuG wesentliche Verbesserungen für die Durchführung von Musterverfahren. Sie schafft klare Regeln für den Ablauf solcher Verfahren und stärkt den Schutz der Anlegerrechte, insbesondere im Kontext kapitalmarktrechtlicher Streitigkeiten. Die Einführung elektronischer Aktenführung und die Anpassungen im Musterverfahrensregister tragen zur Effizienzsteigerung und Rechtssicherheit bei.
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