Ein Berliner Immobilienverkäufer wollte schnell viel Geld verdienen. Er arbeitete für die umstrittene Firma Grüezi. Der Berliner Zeitung erklärt er, wie dort Kunden über den Tisch gezogen wurden.
Ein altes Fachwerkhaus auf dem Land, im Wohnzimmer eine große Couch vor einem Fernseher, vier Katzen balgen sich auf dem Boden. Ein älterer Mittelklasse-Audi steht hinten auf dem Hof. In einem Dorf, ein paar hundert Kilometer von Berlin entfernt, wohnt Jörn Reitze*, Anfang 40. Er trägt Jeans und Pullover, hält eine Tasse Kaffee in der Hand und erzählt von seiner Zeit als Immobilienverkäufer. Damals war er in Anzug, Krawatte und in einem schwarzen Mercedes zu Kunden unterwegs, denen er Wohnungen verkaufte. Seriöses Auftreten sei das A und O gewesen, sagt er. Ein dreiviertel Jahr lang arbeitete Reitze für die Swisskontor, eine Tochterfirma des Berliner Immobilienhändlers Grüezi Real Estate. Er wollte schnell viel Geld verdienen. Es waren unseriöse Geschäfte, wie er heute sagt. „Viele Familien wurden in den Ruin getrieben.“
Über Grüezi, ein börsennotiertes Unternehmen mit Sitz am Kurfürstendamm, stolperte im Dezember der neue Justizsenator Michael Braun (CDU). Er hatte als Notar Kaufverträge der Firma beurkundet. Braun war nur zwölf Tage im Amt. Mit dem Namen Grüezi ist eine hoch fragwürdige Form des Immobilienverkaufs verbunden.Es geht um sogenannte Schrott-Immobilien, mit denen Grüezi jedes Jahr Millionenumsätze gemacht haben soll. Das Unternehmen kaufte Immobilien ein, oft ganze Häuserblöcke. Die Wohnungen wurden zum Teil saniert und überteuert wieder verkauft, laut Verbraucherschutzanwälten teilweise um rund 300 Prozent über dem Marktwert. Insider nennen Grüezi die „Spinne im Netz“: Für den Verkauf waren Tochterunternehmen wie die Swisskontor und externe Firmen zuständig – sie bildeten das „Netz“.
Intensiv geschult
Bei Jörn Reitze fing alles ebenfalls mit einem Wohnungskauf an. Bevor er Immobilienvermittler wurde, hatte er 2007 von der Swisskontor eine kreditfinanzierte Eigentumswohnung gekauft. Auch er sei dabei über den Tisch gezogen worden, sagt er heute. Die Ein-Zimmer-Wohnung in einer Stadt im Osten Deutschlands kostete rund 100.000 Euro. „Man hat mir versprochen, die Wohnung würde mich pro Monat weniger als 100 Euro Eigenaufwand unter anderem für die Kreditzinsen kosten. Tatsächlich zahle ich 746 Euro“, sagt er. Verwandte müssten ihn finanziell unterstützen.
Doch zunächst glaubte Reitze, ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Er war begeistert, als ein Mitarbeiter der Swisskontor ihn als Verkäufer anwarb. Sein Arbeitgeber, eine Behörde, hatte nichts gegen eine Nebentätigkeit. Reitze ist eigentlich Beamter. Dass er von Immobilien gar keine Ahnung hatte, interessierte bei der Swisskontor niemanden. Er wurde intensiv geschult – im Verkaufen: Wie schaffe ich es, dass der Kunde immer Ja sagt? Wie ist auf Einwände und Zögern zu reagieren?
„Zuerst sind wir auf die Straße gegangen, um wild Passanten anzusprechen“, sagt Reitze. So sollten die Neulinge Hemmungen abbauen. Die Masse der Erstkontakte ging laut Reitze aber über den mittlerweile verbotenen Coldcall, einen unerwünschten Werbeanruf. Telefoniert wurde im eigenen Callcenter der Swisskontor am Kudamm, meist in den frühen Abendstunden. „Wir haben uns auf einer Telekom-CD eine Straße etwa in Neukölln rausgesucht und abtelefoniert.“
Schulungsunterlagen der Swisskontor, die der Berliner Zeitung vorliegen belegen, dass die Mitarbeiter die Angerufenen schon am Telefon in die Irre führen sollten. Sie sollten sich als „Wirtschaftskanzlei“ oder „Partner der Allianz-Versicherung“ ausgeben und hohe Steuer-Rück-erstattungen in Aussicht stellen.
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http://www.berliner-zeitung.de/berlin/aufwaermphase–small-talk–kaufvertrag-so-dreist-gehen-verkaeufer-von-schrott-immobilien-in-berlin-vor-,10809148,11396558.html
Quelle:Berliner Zeitung
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