In der Sache
des vom Hanseatischen Oberlandesgericht nach § 92 KapMuG zu bestimmenden Musterklägers
– Antragsteller –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hahn, Marcusallee 38, 28359 Bremen, Gz.: 15162-13/sj
gegen
HGA Capital Grundbesitz u. Anlage GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Jörg-Karsten Hagen, Altstädter Straße 6, 20095 Hamburg
– Antragsgegnerin –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte CMS Hasche Sigle, Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuerberatern, Stadthausbrücke 1-3, 20355 Hamburg, Gz.: sj-af-2014/12279
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beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 26 – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Dr. Klaassen, die Richterin am Landgericht Schreiber und die Richterin am Landgericht Blömer am 14.06.2017:
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Dem Hanseatischen Oberlandesgericht werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids folgende Feststellungsziele vorgelegt:
1. Es wird festgestellt, dass der offizielle Fondsprospekt vom 24.03.2006, mit dem Interessenten für den Beitritt zur Fondsgesellschaft HGA Mitteleuropa V GmbH & Co. KG (im Folgenden nur noch als „Fonds“, Fondsgesellschaft oder HGA Mitteleuropa V bezeichnet) geworben worden sind, erhebliche Fehler im Rechtssinne aufweist, weil er für den durchschnittlichen Beitrittsinteressenten wesentliche Informationen unrichtig, unvollständig und irreführend darstellt. Insbesondere wird festgestellt: |
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a) dass der Prospekt HGA Mitteleuropa V die im März 2006 prognostizierte Lage auf dem Budapester Büroimmobilienmarkt unvollständig, jedenfalls nach dem Empfängerhorizont für den durchschnittlichen Beitrittsinteressenten irreführend schildert, indem er über wesentliche Risiken nicht aufklärt, insbesondere über die Tatsache, dass während eines Zeitraums, in dem ein wesentlicher Teil der über die Fondsimmobilien abgeschlossenen Mietverträge ausläuft, aufgrund bestehender Bauvorhaben mit einem im Vergleich zu den Vorjahren sehr hohen Zugang an Büroflächen aus spekulativen Projektentwicklungen zu rechnen ist und daraus das erhöhte Risiko einer allgemein ansteigenden Leerstandsquote für Büroimmobilien in Budapest folgt; |
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b) dass der Prospekt HGA Mitteleuropa V die konkreten Vermietungsrisiken der im sogenannten „Infopark“ vermieteten Fondsimmobilien unvollständig, jedenfalls nach dem Empfängerhorizont irreführend schildert, insbesondere weil er nicht ausdrücklich auf die folgenden Tatsachen und die daraus folgenden Risiken in einem für den durchschnittlichen Beitrittsinteressenten verständlichen Gesamtzusammenhang hinweist: |
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aa) dass sich der Wettbewerb um Mieter am Standort Infopark innerhalb von 2 bis 3 Jahren nach Fondsauflage im besonderen Maße verstärken wird, bedingt durch die Tatsache, dass während dieses Zeitraums zum einen ein wesentlicher Teil der über die Fondsimmobilien abgeschlossenen Mietverträge im Infopark ausläuft, und zum anderen in demselben Zeitraum die Verkäuferin der Fondsimmobilien, eine Tochter der IVG Immobilien AG, gleichartige Bürogebäude in unmittelbarer Nachbarschaft fertigstellen und zur Vermietung anbieten wird und |
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bb) deshalb das Risiko besteht, dass der Fonds HGA Mitteleuropa V in unmittelbarer Konkurrenz zur IVG Immobilien AG als Anbieter von benachbarten Büroflächen im Infopark stehen und um dieselben Mieter werben muss; |
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cc) dass die IVG Immobilien AG in dieser Situation erhebliche Wettbewerbsvorteile haben könnte, weil sie |
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(1) die moderneren, weil neueren Gebäude als die HGA Mitteleuropa V anbieten kann, die insbesondere den erheblichen Wettbewerbsvorteil des besseren Energieeffizienzstandards haben werden, und |
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c) dass der Prospekt HGA Mitteleuropa V unvollständige Hinweise auf die abstrakte Gefahr von Interessenkonflikten enthält, weil er folgende kapitalmäßige und personelle Verflechtungen verschweigt: |
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aa) kapitalmäßige Verflechtungen aufgrund der Tatsache, dass die HSH Nordbank AG Muttergesellschaft der Fondsinitiatorin und späteren geschäftsführenden Kommanditistin, der HGA Capital Grundbesitz und Anlage GmbH, ist, gleichzeitig aber kapitalmäßig auch an der Verkäuferin der Fondsimmobilien und zukünftigen Wettbewerberin, der IVG Immobilien AG beteiligt war; |
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bb) personelle Verflechtungen aufgrund der Tatsache, dass das damalige Vorstandsmitglied der HSH Nordbank AG, Herr Peter Rieck, im Jahr 2006 gleichzeitig im Aufsichtsrat der IVG Immobilien AG saß; |
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d) dass der Prospekt HGA Mitteleuropa V eine unvollständige, jedenfalls nach dem Empfängerhorizont irreführende Darstellung der Weichkosten des Fonds enthält, da die Kosten für die von der HSH Nordbank AG ausgereichte Zwischenfinanzierung des Eigenkapitals in Höhe von 1.534.834,00 € nicht als Kosten der Investitionsphase in der Weichkostenübersicht auf Seite 53 des Prospekts dargestellt werden und der Prospektleser dem Prospekt somit nicht ohne Weiteres entnehmen kann, in welchem Umfang die von ihm eingezahlten Einlagemittel nicht in das Anlageobjekt fließen, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet werden. |
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2. Es wird festgestellt, dass die Angaben des Prospekts HGA Mitteleuropa V zur erwartbaren wirtschaftlichen Entwicklung des Fonds fehlerhaft sind, da die die Erwartungen rechtfertigenden Tatsachen (Marktumfeld, Mietausfallswagnis, Revitalisierungskosten, erzielbare Mieten) nicht sorgfältig ermittelt wurden und die darauf gestützte Prognose der künftigen Entwicklung deshalb insbesondere angesichts der hohen Weichkosten aus damaliger Sicht kaufmännisch nicht vertretbar waren. |
II.
Dieser Vorlagebeschluss ist gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister öffentlich bekannt zu machen.
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Gründe:
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I.
Die Antragsteller der diesem Vorlagebeschluss zugrunde liegenden Musterverfahrensanträge nehmen die Antragsgegnerin auf Schadensersatz insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch.
Die Antragsteller beteiligten sich an der „HGA Mitteleuropa V GmbH & Co. KG“. Zur Information der Anlageinteressenten wurde ein Verkaufsprospekt herausgegeben. Wegen dessen Inhalt wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen, welche jeweils mit den Klageschriften zu den jeweiligen Akten der Ausgangsverfahren gereicht wurde.
Die Antragsgegnerin wird als Prospektverantwortliche und Gründungskommanditistin von den Antragstellern in Anspruch genommen.
Die Antragsteller haben beantragt, durch das Hanseatische Oberlandesgericht wie folgt feststellen zu lassen:
1. Es wird festgestellt, dass der offizielle Fondsprospekt, mit dem Interessenten für den Beitritt zur Fondsgesellschaft HGA Mitteleuropa V GmbH & Co. KG (im Folgenden nur noch als „Fonds“, Fondsgesellschaft oder HGA Mitteleuropa V bezeichnet) geworben worden sind, erhebliche Fehler im Rechtssinne aufweist, weil er für den durchschnittlichen Beitrittsinteressenten wesentliche Informationen unrichtig, unvollständig und irreführend darstellt. Insbesondere wird festgestellt:
a) dass der Prospekt HGA Mitteleuropa V die im März 2006 prognostizierte Lage auf dem Budapester Büroimmobilienmarkt zum Zeitpunkt der Prospektemission unvollständig, jedenfalls nach dem Empfängerhorizont für den durchschnittlichen Beitrittsinteressenten irreführend schildert, indem er über wesentliche Risiken nicht aufklärt, insbesondere über die Tatsache, dass während eines Zeitraums, in dem ein wesentlicher Teil der über die Fondsimmobilien abgeschlossenen Mietverträge ausläuft, aufgrund bestehender Bauvorhaben mit einem im Vergleich zu den Vorjahren sehr hohen Zugang an Büroflächen aus spekulativen Projektentwicklungen zu rechnen ist und daraus das erhöhte Risiko einer allgemein ansteigenden Leerstandsquote für Büroimmobilien in Budapest folgt;
b) dass der Prospekt HGA Mitteleuropa V die konkreten Vermietungsrisiken der im sogenannten „Infopark“ vermieteten Fondsimmobilien unvollständig, jedenfalls nach dem Empfängerhorizont irreführend schildert, insbesondere weil er nicht ausdrücklich auf die folgenden Tatsachen und die daraus folgenden Risiken in einem für den durchschnittlichen Beitrittsinteressenten verständlichen Gesamtzusammenhang hinweist:
aa) dass sich der Wettbewerb um Mieter am Standort Infopark innerhalb von 2 bis 3 Jahren nach Fondsauflage im besonderen Maße verstärken wird bedingt durch die Tatsache, dass während dieses Zeitraums zum Einen ein wesentlicher Teil der über die Fondsimmobilien abgeschlossenen Mietverträge im Infopark ausläuft und zum Anderen in demselben Zeitraum die Verkäuferin der Fondsimmobilien, eine Tochter der IVG Immobilien AG, gleichartige Bürogebäude in unmittelbarer Nachbarschaft fertigstellen und zur Vermietung anbieten wird und
bb) deshalb das Risiko besteht, dass der Fonds HGA Mitteleuropa V in unmittelbarer Konkurrenz zur IVG Immobilien AG als Anbieter von benachbarten Büroflächen im Infopark stehen und um dieselben Mieter werben muss und
cc) die IVG Immobilien AG in dieser Situation erhebliche Wettbewerbsvorteile haben könnte, weil sie
(1) die moderneren, weil neueren Gebäude als die HGA Mitteleuropa V anbieten kann, die insbesondere den erheblichen Wettbewerbsvorteil des besseren Energieeffizienzstandards haben werden und
(2) weil die IVG Immobilien AG den Infopark ursprünglich mit dem Telekom Konzern entwickelt hat, dessen Töchter Hauptmieter der Fondsimmobilien sind und die IVG Immobilien AG die daraus folgenden besonderen Kenntnisse/Kontakte für ihren Vorteil nutzen könnte
c) dass der Prospekt HGA Mitteleuropa V unvollständige Hinweise auf die abstrakte Gefahr von Interessenkonflikten enthält, weil er folgende kapitalmäßige und personelle Verflechtungen verschweigt:
aa) kapitalmäßige Verflechtungen, aufgrund der Tatsache, dass die HSH Nordbank AG gleichzeitig Muttergesellschaft der Fondsinitiatorin und späteren Geschäftsführenden Kommanditistin, der HGA Capital Grundbesitz und Anlage GmbH, ist, gleichzeitig aber kapitalmäßig auch an der Verkäuferin der Fondsimmobilien und zukünftigen Wettbewerberin, der IVG Immobilien AG beteiligt war;
bb) personelle Verflechtungen aufgrund der Tatsache, dass das damalige Vorstandsmitglied der HSH Nordbank AG Herr Peter Rieck im Jahr 2006 gleichzeitig im Aufsichtsrat der IVG Immobilien AG saß;
d) dass der Prospekt HGA Mitteleuropa V eine unvollständige, jedenfalls nach dem Empfängerhorizont irreführende Darstellung der Weichkosten des Fonds enthält, da die Kosten für die von der HSH Nordbank AG ausgereichte Zwischenfinanzierung des Eigenkapitals in Höhe von 1.534.834,00 € nicht als Kosten der Investitionsphase in der Weichkostenübersicht auf Seite 53 des Prospekts dargestellt werden und der Prospektleser dem Prospekt somit nicht ohne Weiteres entnehmen kann, in welchem Umfang die von ihm eingezahlten Einlagemittel nicht in das Anlageobjekt fließen, sondern für Aufwendungen außerhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten verwendet werden.
e) dass der Prospekt HGA Mitteleuropa V bestehende rechtliche Risiken bei Bau-Investitionen in Ungarn durch die ungenügenden Regelungen des Nachbarschaftsrechts in der ungarischen Baurechtsprechung verschweigt.
2. Es wird festgestellt, dass die Angaben des Prospekts HGA Mitteleuropa V zur erwartbaren wirtschaftlichen Entwicklung des Fonds fehlerhaft sind, da die die Erwartungen rechtfertigenden Tatsachen nicht sorgfältig ermittelt wurden und die darauf gestützte Prognose der künftigen Entwicklung deshalb insbesondere angesichts der hohen Weichkosten aus damaliger Sicht kaufmännisch nicht vertretbar waren.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne gem. §§ 280 I, 311 II BGB bezüglich der in Ziffer 1) genannten Kapitalanlage verpflichtet war, über die unrichtigen, unvollständigen und irreführenden Punkte der unter Ziffer 1 a) – d) und Ziffer 2 genannten Feststellungsziele im streitgegenständlichen Prospekt aufzuklären.
Das vorlegende Gericht hat die Musterfeststellungsanträge unter Berücksichtigung seiner Begründung sachgerecht ausgelegt und wie unter Ziffer I dargestellt veröffentlicht. Die Musterfeststellungsanträge zu 1e und 3 hat es als unzulässig abgewiesen, den Antrag zu 3) mit der Begründung, dass ihm das Rechtschutzbedürfnis fehlt, weil die Beklagte sich unstreitig grundsätzlich für Prospektverantwortlich hält, den Antrag zu 1e), weil er auch unter Heranziehung der Einzelheiten seiner Begründung nicht ausreichend schlüssig und substantiiert begründet wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Bekanntmachungsbeschlüsse Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Musterfeststellungsantrags insgesamt als unzulässig zurückzuweisen. |
Sie ist hinsichtlich aller Feststellungsziele aus den nachfolgenden Gründen der Ansicht, dass die gestellten Musterfeststellungsanträge unzulässig seien:
Die Anträge würden sich auf nicht einschlägige Rechtsbegriffe stützen (zB: „erhebliche Fehler im Rechtssinne“ statt „unrichtige und unvollständige Informationen“). Sie würden ferner zu unbestimmte (Rechts-)Begriffe (zB: „während eines Zeitraums“, ein „wesentlicher Teil der Mietverträge“, „sehr hoher Zugang“, „erhöhtes Risiko“, in „besonderem Maße“, „modernere“ Gebäude, „erheblicher“ Wettbewerbsvorteil, „höhere“ Energieeffizienz, „Nachbarschaftsrecht der ungarischen Baurechtsprechung“) ohne konkreten Tatsachenvortrag benutzen. Die Anträge seien daher – nicht nur mangels konkreten Inhaltes – rein spekulativ, könnten nicht zum Gegenstand einer sachverständigen Begutachtung gemacht werden und seien darüber hinaus auch unerheblich. Das angebotene Beweismittel eines Sachverständigengutachtens zu den einzelnen Feststellungszielen sei daher mangels konkreten Tatsachenvortrages unzulässig und ungeeignet.
Die des Weiteren von der Klägerseite als Beweismittel vorgelegte PowerPoint-Präsentation der IVG Immobilen vom 31.03.06, vorgestellt auf einem Bauforum in Budapest, werde von der Klägerseite offensichtlich missinterpretiert und stelle ferner lediglich eine subjektive Einzelmeinung und Prognose zur damaligen Marktbewertung dar. Die dortige Einschätzung könne nicht als allgemein anerkannt und objektiv zutreffend bewertet werden und habe damit keinerlei Beweiswert. Sie habe im Übrigen ohnehin nur die Entwicklung 2006 und 2007 betroffen, die sich auch nicht wie prognostiziert verwirklicht habe, d.h. falsch gewesen sei.
Die Klägerseite verkenne, dass der Prospekt zu den Risiken der Verflechtung und der Marktentwicklung (zB Büroflächenzuwachs bzgl. Infopark-Fertigstellung durch die konkurrierende Verkäuferin usw.) Angaben enthalte, die inhaltlich ausreichend seien. Sie beachte nicht, dass die Prognosen des Prospekts nur auf vertretbaren Daten aus ex-ante Sicht beruhen müssten, was sie täten, und was die Klägerseite auch nicht substantiiert widerlege.
Die Parteien streiten im Wesentlichen über folgende rechtliche bzw. tatsächliche Fragen:
Ist die kapitalmäßige Verflechtung über die HSH Nordbank, die zum Zeitpunkt des Immobilienankaufes rund 5% der Anteile an der Verkäuferin hielt und gleichzeitig Muttergesellschaft der geschäftsführenden Komplementärin des Fonds war, so wesentlich, dass diese 5%ige Beteiligung im Prospekt ausdrücklich hätte erwähnt werden müssen?
Ist diese kapitalmäßige Verflechtung und die personelle Verflechtung über das HSH-Nordbank Vorstandsmitglied Herrn Peter Rieck gleichzeitig als Aufsichtsrat der Verkäuferin vergleichbar mit der inzwischen wohl anerkannten abstrakten Gefahr von Interessenkonflikten bei Verflechtungen zwischen einer Fondskomplementärin und deren Organen auf der einen Seite und der Beteiligungsgesellschaft, die die Geschicke des durchzuführenden Vorhabens wesentlich in den Händen hält, auf der anderen Seite?
Sind Kosten für die Eigenkapitalzwischenfinanzierung auch dann (nicht nur in der Mittelherkunft, sondern auch) in der Mittelverwendung als Weichkosten darzustellen, falls sie nicht aus den Anlegergeldern, sondern aus bereits vorhandenen Überschüssen der erworbenen, bereits operativ arbeitenden Objektgesellschaft finanziert werden?
Ist die Berücksichtigung eines Mietausfallwagnisses von zunächst 10% dann 5% ausreichend und vertretbar, auch wenn die Immobilien nicht dem deutschen Markt zuzuordnen sind, sondern – wie hier – dem ungarischen und wenn absehbar ist, dass das Angebot an Büroimmobilien in Zukunft steigen wird?
Ist es bei der Prognoseberechnung vertretbar, Revitalisierungskosten für die Fondsimmobilie lediglich im Veräußerungsjahr für die Fondsimmobilie zu berücksichtigen, während der Laufzeit des Fonds aber lediglich geringe „sonstige, nicht umlegbare Betriebskosten“, obwohl die Mietverträge erfahrungsgemäß lediglich eine Laufzeit von max. 7 bis 8 Jahren haben und das Mietobjekt dann an die Wünsche neuer Mieter angepasst werden müssten?
Ist die Renditeprognose im vorliegenden Fall wegen der Investitionsquote nach Abzug der Weichkosten, wegen der Fremdkapitalquote, der erst gegen Ende der Laufzeit beginnenden Rückführung des Fremdkapitals, der Revitalisierungskostenplanung und des Mietausfallwagnisses am Mikrostandort Budapest unvertretbar gewesen?
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Ausgangsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist nach sachdienlicher Auslegung wie veröffentlicht zulässig.
1.
Das Landgericht Hamburg ist für die Entscheidung über die Musterverfahrensanträge zuständig, weil die Zuständigkeit eines anderen Gerichts nach § 6 Abs. 2 KapMuG nicht gegeben ist. Ausweislich des Klageregisters zum KapMuG sind bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung keine gleichgerichteten Anträge bekannt gemacht worden.
Die Zivilkammer 26 ist innerhalb des Landgerichts Hamburg für den Vorlagebeschluss zuständig. § 2 Abs. 2 KapMuG sieht vor, dass für den Vorlagebeschluss das Prozessgericht zuständig ist, bei dem der erste bekannt gemachte Musterverfahrensantrag gestellt wurde. Diese Vorschrift bestimmt lediglich die Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg. Welcher Spruchkörper innerhalb des Landgerichts Hamburg zuständig ist, ist § 6 Abs. 2 KapMuG nicht zu entnehmen und bestimmt sich nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Hamburg. Aus dessen Randnummer 265 ergibt sich die Zuständigkeit der Zivilkammer 26 für alle Streitigkeiten um den Fonds HGA Mitteleuropa V, in denen keine Bank Beklagte ist, weil die insoweit erste Klage und auch der erste Musterverfahrensantrag bei der Zivilkammer 26 eingegangen ist.
Hinsichtlich der Besetzung der Kammer ist auf § 75 GVG zu verweisen. Die §§ 348, 348a ZPO gelten nur für das Erkenntnisverfahren und finden auf das Vorlageverfahren keine (entsprechende) Anwendung, vgl. dazu Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Auflage 2014, § 6 Rn. 48.
2.
Der Musterverfahrensantrag ist statthaft, denn die von den jeweiligen Antragstellern geltend gemachten Anträge fallen in den Anwendungsbereich des § 1 KapMuG. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 KapMuG sind insbesondere Ansprüche musterverfahrensfähig, welche sich auf falsche oder irreführender Kapitalmarktinformationen stützen. Um solche Ansprüche handelt es sich vorliegend, da die Antragsteller ihre Klagen u.a. auf die Rechtsprechungsgrundsätze zur Prospekthaftung im weiteren Sinne (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB) stützen und die geltend gemachten Pflichtverletzungen der Antragsgegnerin gerade damit begründen, dass der Emissionsprospekt falsch, unvollständig und irreführend sei. Die insoweit in Bezug genommene vorvertragliche Aufklärungspflicht wird in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich als geeigneter Anwendungsfall von § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG genannt, vgl. BT-Drucks. 17/8799, S. 16.
3.
Die Kammer hat gem. § 3 Abs. 2 KapMuG insgesamt 12 Musterverfahrensanträge nach § 3 Abs. 4 KapMuG veröffentlicht. Das nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG erforderliche Quorum ist erreicht. Es sind insgesamt zwölf gleichgerichtete Musterverfahrensanträge in den folgenden Ausgangsverfahren anhängig, wobei der insoweit erste Musterverfahrensantrag mit Eingangsstempel vom 09.11.2016 eingegangen ist:
326 O 190/15 (Musterverfahrensantrag Eingang 10.11.16),
326 O 237/15 (Musterverfahrensantrag Eingang 10.11.16),
326 O 274/15 (Musterverfahrensantrag Eingang 09.11.16),
326 O 282/15 (Musterverfahrensantrag Eingang 10.11.16),
326 O 113/16 (Musterverfahrensantrag Eingang 10.11.16),
326 O 120/16 (Musterverfahrensantrag Eingang 10.11.16),
326 O 141/16 (Musterverfahrensantrag Eingang 09.11.16),
326 O 144/16 (Musterverfahrensantrag Eingang 10.11.16),
326 O 145/16 (Musterverfahrensantrag Eingang 10.11.16),
326 O 172/16 (Musterverfahrensantrag Eingang 10.11.16),
326 O 173/16 (Musterverfahrensantrag Eingang 10.11.16),
326 O 217/16 (Musterverfahrensantrag Eingang 10.11.16).
4.
Die Voraussetzungen des § 2 KapMuG sind gewahrt. Insbesondere besteht auch eine Bedeutung über den vorliegenden Rechtsstreit hinaus im Sinne von § 2 Abs. 3 S. 2 KapMuG. Bei der Kammer sind derzeit 14 Verfahren betreffend die streitgegenständliche Beteiligung und dieselben Prozessbevollmächtigten anhängig. Darüber hinaus sind weitere Verfahren betreffend die streitgegenständliche Beteiligung mit anderen Klägervertretern anhängig.
Hinsichtlich der Feststellungsziele liegen auch die Anforderungen des § 2 Abs. 3 S. 1 KapMuG an den Musterfeststellungsantrag vor. Gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 KapMuG muss der Musterfeststellungsantrag die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. An die Erfüllung dieser formalen Voraussetzungen dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Die Unzulässigkeit des Antrags wegen Missachtung von § 2 Abs. 3 KapMuG ist daher nur dann zu bejahen, wenn der Antrag entweder hierzu überhaupt keine Angaben enthält oder auch durch Auslegung nicht erkennbar ist, welche tatsächlichen Umstände und/oder Beweismittel nach Ansicht des Antragstellers für welches Feststellungsziel von Relevanz sein sollen, vgl. Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Auflage 2014, § 2 Rn. 84. Hinsichtlich der Feststellungsziele enthält der Antrag zumindest in seiner Begründung ausreichende Angaben zu den maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umständen, außerdem werden die Beweismittel bezeichnet, derer sich der Antragsteller zum Nachweis seiner Behauptungen bedienen will. Durch die Vorlage des Prospektes ist auch zweifelsfrei klar, auf welchen Prospekt sich die Antragsteller beziehen.
5. Die Voraussetzungen einer Verwerfung des Antrags als unzulässig nach § 3 Abs. 1 KapMuG liegen hingegen nicht vor. Das Prozessgericht verwirft den Musterverfahrensantrag durch unanfechtbaren Beschluss lediglich dann gem. § 3 Abs. 1 KapMuG als unzulässig, soweit die Entscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits nicht von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt, die angegebenen Beweismittel zum Beweis der geltend gemachten Feststellungsziele ungeeignet sind, nicht dargelegt ist, dass eine Bedeutung für andere Rechtsstreitigkeiten gegeben ist oder der Musterverfahrensantrag zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt ist.
a)
Ob die Entscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG von den Feststellungszielen abhängt, ist abstrakt zu beurteilen. Für die Zulässigkeit des Musterverfahrensantrags genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Entscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits von den Feststellungszielen abhängen kann. Die für den Erfolg der Klage darüber hinaus maßgeblichen tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfragen müssen nicht abschließend geklärt sein. Entscheidungsreife im Übrigen ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung des Musterverfahrens. Die Prüfung der individuellen Anspruchsvoraussetzungen kann nach Abschluss des Musterverfahrens erfolgen, vgl. LG Frankfurt, Beschluss vom 27.09.2013, 2-12 OH 4/13, zitiert nach juris, Rn. 32 f.; Kruis in: Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Auflage, 2014, § 3 Rn. 40. Gemessen an diesem weiten Maßstab hängt die Entscheidung vorliegend von den Feststellungszielen ab.
Ob die in den Feststellungszielen benannten (Nicht-)Darstellungen im Prospekt jeweils einen erheblichen Prospektfehler darstellen oder nicht, ist nach Auffassung der Kammer – nach sachdienlicher Auslegung des Antrages anhand seiner Begründung – in zulässiger Weise zu Feststellungszielen erhoben worden. Die Fragen selbst sind hingegen gerade nicht im Wege der Zulässigkeitsentscheidung durch das Vorlagegericht zu entscheiden, sondern erst im Rahmen des Musterverfahrens durch das Hanseatische Oberlandesgericht.
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Rechtsbehelfsbelehrung:
Dieser Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, §§ 3 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG.
Dr. Klaassen Vorsitzende Richterin am Landgericht |
Schreiber Richterin am Landgericht |
Blömer Richterin am Landgericht |
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