Landgericht Bremen
2 O 1525/14 | Bremen, 05.07.2017 |
Beschluss
In dem Rechtsstreit
des Herrn Norbert Funk, Prinz-Eugen-Str. 10, 64347 Griesheim,
Kläger |
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. Schirp Schmidt-Morsbach Neusel, Leipziger Platz 9, 10117 Berlin, Geschäftszeichen: 00671-14
gegen
HCI Real Estate Asset Management GmbH vertr. d. d. Geschäftsführer Marcus Strotkötter,
Herdentorsteinweg 7, 28195 Bremen,
Beklagte |
Prozessbevollmächtigte: nbs partners, Valentinskamp 70, 20355 Hamburg,
Geschäftszeichen: 00284-14
Susat GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vertr.d.d.GF Dr. Jost Wiechmann u.Michael Schärtl, Domstr. 15, 20095 Hamburg,
Nebenintervenientin |
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. Luther, Rothenbaumchaussee 20, 20148 Hamburg,
Geschäftszeichen: KW/JK 15/93753
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Bremen am 05.07.2017 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Pellegrino, die Präsidentin des Landgerichts Goldmann und die Richterin Reip beschlossen:
I. |
Es wird gemäß § 3 Abs. 2 KapMuG folgender Musterverfahrensantrag im Bundesanzeiger unter der Rubrik „Klageregister nach dem Kapitalanleger- Musterverfahrensgesetz“ öffentlich bekanntgemacht:
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II. |
Hinsichtlich der Feststellungsziele 4. und 5. des Musterverfahrensantrags wird dieser als unzulässig verworfen.
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Gründe:
I.
In dem bei dem Landgericht Bremen anhängigen Rechtsstreit 2 O 1525/14, für dessen Gegenstand auf den unter I. 6. dargestellten Lebenssacherhalt verwiesen wird, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10.03.2017 einen Musterverfahrensantrag nach § 2 KapMuG gestellt. Die Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten.
Der Antrag hat folgenden Inhalt:
1. Der am 29. Juli 2005 herausgegebene Prospekt zum Immobilienfonds „Hanseatische Immobilienfonds USA II GmbH & Co. KG“ ist in wesentlichen Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend:
1.1. Es ist nicht dargestellt worden, dass von Anfang an ein konkretes Totalverlustrisiko aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des Mietvertrages mit dem Hauptmieter und des Hypothekendarlehensvertrages bestand. Die diesbezüglichen Darstellungen im Prospekt sind in mehrfacher Hinsicht unzureichend, falsch und unvollständig,
a) weil der Fondsprospekt nicht ausreichend darüber aufklärt, dass die fehlende Anschlussvermietung der an den Hauptmieter vermieteten Flächen zur Versagung einer Anschlussfinanzierung des Fonds führt.
b) weil der Fondsprospekt nicht darüber aufklärt, dass die Realisierung dieses Risikos selbst bei prospektgemäßem Verlauf genauso wahrscheinlich war wie der prospektierte Verlauf.
1.2. Die Darstellung der konsolidierten Mittelverwendung auf Ebene der Beteiligungsgesellschaft ist im Fondsprospekt unschlüssig und mit den Investitionsplänen der US-Immobiliengesellschaft und der Beteiligungsgesellschaft nicht in Einklang zu bringen.
1.3. Der Fondsprospekt ist fehlerhaft, da er die Anleger nicht zutreffend über diejenigen tatsächlichen Kosten der Kapitalanlage aufklärt, welche keinen wertbildenden Charakter haben.
1.4. Die Darstellungen zu den Mietverträgen sind unschlüssig und widersprüchlich, weil
a) die Angaben im Prospekt zur Miethöhe des Hauptmieters rechnerisch nicht nachvollziehbar sind,
b) die in der Liquiditäts- und Ertragsprognose angegebenen Nettomieten mit den Angaben zu den Einzelmietverträgen nicht in Einklang zu bringen sind,
c) die Prognoserechnung mit einer deutlich zu geringen Leerstandsquote rechnet,
d) die Prognoserechnung nicht mit den auf die leerstehenden Mietflächen entfallenden Betriebskosten kalkuliert,
e) der Prospekt mit einem unvertretbar hohen Ansatz der Inflationsrate kalkuliert.
1.5. Der Prospekt vermittelt kein schlüssiges Bild über die vermieteten und die vermietbaren Flächen.
1.6. Die im Prospekt dargestellte Erfahrung des Initiators auf dem US-Markt ist irreführend.
1.7. Der Prospekt vermittelt ein zu positives Bild über die durchschnittliche Restlaufzeit der Mietverträge und erweckt damit den unzutreffenden Eindruck eines begrenzten wirtschaftlichen Risikos.
1.8. Der Prospekt klärt nicht über das Risiko der Innenhaftung nach §§ 30, 31 GmbHG analog auf.
2. Die Beklagte ist im Hinblick auf die Beteiligungen an dem Fonds „Hanseatische Immobilienfonds USA II GmbH & Co. KG“ gegenüber den Anlegern Haftungsschuldnerin aus Prospekthaftung im weiteren Sinne.
3. Die Beklagte hat schuldhaft nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne gehandelt.
4. Die Klägerin ist so zu stellen, wie sie stünde, wenn sie die Beteiligung nicht gezeichnet hätte.
5. Der Schadensersatz wird ermittelt, indem man zum eingesetzten Eigenkapital das Agio addiert, die aus der Beteiligung erhaltenen Ausschüttungen in Abzug bringt und einen entgangenen Gewinn aus Alternativanlage addiert, der 2 % auf das jeweils noch in der Beteiligung gebundene Kapital von Einzahlung des Eigenkapitals bis Rechtshängigkeit beträgt.
Der Antragsteller macht geltend, er sei auf Basis des Emissionsprospektes für den Fonds eingeworben worden.
Die Antragsgegnerin hält den Musterverfahrensantrag für unzulässig. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass der Antrag gemäß § 3 Abs.1 Nr. 4 KapMuG unzulässig sei, weil er der Prozessverschleppung diene. Der Rechtsstreit sei bereits entscheidungsreif. In diesem Stadium könne das Musterverfahren nicht mehr initiiert werden. In dem Parallelverfahren vor dem Landgericht Bremen zu den Az.: 4 O 1315/14 sei durch die zuständige Kammer mitgeteilt worden, dass sie keine Beweisbedürftigkeit sehe und die Klage keine Aussicht auf Erfolg habe, da die klägerseits gerügten Prospektfehler nicht vorlägen und es an schlüssigem Klagvortrag fehle. Erst im Anschluss an diese Verhandlung seien die Musterverfahrensanträge in jenem und den weiteren 12 Parallelverfahren vor den zuständigen Kammern des Landgerichts Bremen gestellt worden. Zudem hänge das Ausgangsverfahren nicht von den Feststellungszielen ab. Dass der Emissionsprospekt bei dem konkreten Vertragsschluss Verwendung gefunden habe, sei nicht schlüssig dargetan. Zudem seien Ansprüche aus erweiterter Prospekthaftung nach §§ 195, 199 BGB verjährt. Auch die Feststellungsziele der Anträge zu Ziff. 4. und 5. seien unzulässig. Es handele sich um individuelle Fragen, nicht um anspruchsbegründende oder anspruchsausschließende Umstände, die kollektivierbar seien.
II.
Der Musterverfahrensantrag ist mit den Feststellungszielen Ziff. 1. bis 3. zulässig und deshalb gemäß § 3 Abs. 2 KapMuG im Klagregister öffentlich bekannt zu geben. Im Übrigen war der Antrag hinsichtlich der Feststellungsziele zu Ziff. 4. und 5. als unzulässig zurückzuweisen.
1. Der Anwendungsbereich des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes ist eröffnet, weil es sich bei dem Emissionsprospekt zu dem Hanseatischen Immobilienfonds USA II GmbH & Co. KG um eine öffentliche Kapitalmarktinformation gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 KapMuG handelt und mit der Klage Schadensersatzansprüche wegen der Verwendung dieser angeblich falschen oder irreführenden Kapitalmarktinformation geltend gemacht werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG).
2. Die formellen Voraussetzungen für einen Musterverfahrensantrag gemäß § 2 Abs. 2 und 3 KapMuG sind erfüllt.
3. Der Antrag ist auch nicht gemäß § 3 Abs. 1 KapMuG unzulässig, weil die Entscheidung des zu Grunde liegenden Rechtsstreits nicht im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt.
Der Kläger hat vorgetragen, dass der Prospekt Grundlage der Beitrittsentscheidung der Klägerseite gewesen sei. Er sei auf Basis des Emissionsprospektes für den Fonds eingeworben worden.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist derjenige, der nach dem Beteiligungskonzept Vertragspartner der Anleger werden soll, dem Anleger nach Grundsätzen vorvertraglicher Haftung schadensersatzpflichtig, wenn und soweit er seiner Verpflichtung zur Aufklärung der Anleger als seinem zukünftigen Vertragspartner über alle für einen Beitritt wesentlichen Punkte, insbesondere regelwidrige Auffälligkeiten der Anlage, die ihm bekannt sind oder bei gehöriger Prüfung bekannt sein müssen und die für die von den Anlegern zu übernehmenden mittelbaren Beteiligungen von Bedeutung sind, schuldhaft nicht genügte (BGH, Urt. v. 16.03.2017 – III ZR 489/16, Rn. 18, zitiert nach juris). Vollzieht sich der Beitritt des Anlegers – wie im vorliegenden Fall – in der Weise, dass er mit dem Treuhandkommanditisten einen Treuhandvertrag schließt und diesen bereits in der Beitrittserklärung bevollmächtigt, alle zur Durchführung des rechtswirksamen Erwerbs der mittelbaren Kommanditbeteiligung erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, trifft den Treuhänder im Rahmen der Anbahnung dieses Treuhandverhältnisses – unabhängig von der Einschaltung Dritter für den Vertrieb der Anlage – eine eigene Pflicht, unrichtige Prospektangaben von sich aus richtig zu stellen (BGH, Urt. v. 16.03.2017 – III ZR 489/16, Rn. 19, zitiert nach juris). Eine solche Verpflichtung trifft den Treuhänder auch dann, wenn er mit den Anlegern nicht in einen persönlichen Kontakt trat (BGH, Urt. v. 16.03.2017 – III ZR 489/16, Rn. 20, juris). Anknüpfungspunkt für die Haftung ist nicht ein typisiertes Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit des Emissionsprospekts, sondern bei den Vertragsverhandlungen vom zukünftigen Vertragspartner konkret in Anspruch genommenes Vertrauen (Palandt/Grüneberg BGB, 76. Aufl., § 311 Rn. 71; LG Hamburg, Urteil vom 07. März 2016 – 318 O 374/15, Rn. 27, juris). Diese Anspruchsvoraussetzung hat der Antragsteller dargetan. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist es nicht erforderlich, dass sämtliche übrigen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfragen geklärt sind und es nur noch auf die Klärung der Feststellungsziele ankommt. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs zur Reform des KapMuG (Deutscher Bundestag, Drucksache 17/8799) ist die Abhängigkeit von den Feststellungszielen abstrakt zu beurteilen. Die übrigen individuellen Anspruchsvoraussetzungen sind erst nach der Durchführung eines Musterverfahrens zu klären. Es reicht daher aus, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Klärung der Feststellungsziele für den Ausgang des Verfahrens erheblich sein kann.
Vorliegend kommt für den Fall der Feststellung der Fehlerhaftigkeit des Prospekts grundsätzlich die Haftung der Antragsgegnerin in Frage. Es entspricht nach der Rechtsprechung des BGH der Lebenserfahrung, dass ein Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist (vgl. u.a. BGH, Urt. v. 13.12.2012, III ZR 70/12- juris, Rn. 11 m.w.N.). Insbesondere kommt es dabei nicht darauf an, ob der Prospekt dem Anlageinteressenten übergeben worden ist oder ob er den Prospekt in allen Einzelheiten zur Kenntnis genommen hat (BGH, Urt. v. 16.03.2017 – III ZR 489/16, Rn. 32, juris).
Der Anspruch des Antragstellers ist auch nicht offensichtlich verjährt. Ob sich der Beginn der Frist des § 199 Abs. 1 BGB bereits aus Kenntnis bzw. fahrlässiger Unkenntnis des Klägers aufgrund der in dem Prospekt enthaltenen Risikohinweise ergibt oder aus dem Ausbleiben der prognostizierten Ausschüttungen beginnend im Jahr 2009 erscheint der Kammer zweifelhaft, braucht jedenfalls nach Vorstehendem vor Entscheidung über den Musterverfahrensantrag auch nicht abschließend geklärt zu werden.
Der Antrag ist auch nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 KapMuG unzulässig, da nicht festgestellt werden kann, dass dieser zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt wurde. Unter welchen Voraussetzungen eine Prozessverschleppung vorliegt, ist weder gesetzlich definiert, noch in Rechtsprechung oder Literatur erklärt. In den Erwägungsgründen heißt es, es solle vermieden werden, dass die eine oder andere Seite das Verfahren durch die Stellung von Musterverfahrensanträgen unzumutbar in die Länge ziehen könnte. Die Annahme einer Prozessverschleppungsabsicht ist nur unter engen Voraussetzungen möglich (KK, KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 19 und 21, § 3 Rn. 74 ff.). Der Musterverfahrensantrag wurde vorliegend gestellt, bevor ein Beweisbeschluss erlassen wurde oder der Rechtsstreit Entscheidungsreife erlangt hat.
4. Die Klägerseite beantragt die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens anspruchsbegründender Voraussetzungen im Sinne des § 2 KapMuG. Die von der Klägerseite aufgeworfenen rechtlichen (Zif.1.1: unzureichende, falsche und unvollständige Darstellung des Totalverlustrisikos aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des Mietvertrages mit dem Hauptmieter und des Hypothekendarlehensvertrages; Ziff.1.3: fehlende Aufklärung über die tatsächlichen Kosten der Anlage, die keinen wertbildenden Charakter haben; Ziff.1.8: Aufklärung über Risiko der Innenhaftung nach §§ 30, 31 GmbHG, Ziff.2: Beklagte ist gegenüber den Anlegern Haftungsschuldnerin aus Prospekthaftung im weiteren Sinne; Ziff.3: schuldhaftes Handeln der Beklagten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung) und tatsächlichen Fragen (Ziff.1.2: Darstellung der konsolidierten Mittelverwendung; Ziff.1.4: Darstellung zu den Mietverträgen; Ziff.1.5: kein schlüssiges Bild über die vermieteten und vermietbaren Flächen; Ziff.1.6: irreführende Darstellung des Initiators auf dem US-Markt; Ziff.1.7: zu positives Bild über die durchschnittliche Restlaufzeit der Mietverträge) sind zulässige Feststellungsziele.
5. Der Kläger hat zum Beweis der Feststellungsziele geeignete Beweismittel angeboten (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 KapMuG). Dass die angebotenen Beweise möglicherweise nicht ausreichen und deshalb weitere Beweisantritte erforderlich werden könnten, steht der Zulässigkeit des Musterverfahrensantrags nicht entgegen.
6. Die Feststellungsanträge zu Ziff. 4 und 5 werden dagegen als unzulässig zurückgewiesen.
a) Der Antrag zu Ziff. 4 war als unzulässig zurückzuweisen, weil ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger so zu stellen wäre, wie er stünde, wenn er die Beteiligung nicht gezeichnet hätte, so denn die anspruchsbegründenden Voraussetzungen rechtskräftig gerichtlich festgestellt würden. Als abstrakte Feststellung ergibt sich dies auch bereits zwanglos aus dem Gesetz (§§ 249 ff. BGB).
b) Der Antrag zu Ziff. 5 ist ebenfalls unzulässig. Bei der begehrten Feststellung handelt es sich um eine die Person des Musterklägers betreffende individuelle Frage. Die Höhe des dem Kläger entstandenen Schadens kann nicht Gegenstand einer Feststellung im Kapitalanlagemusterverfahren sein (BGH, Beschl. v. 10.06.2008 – XI B 26/07). Feststellungsziele können sich lediglich auf anspruchsbegründende oder anspruchsausschließende Umstände beziehen, die kollektivierbar sind, nicht auf individuelle Fragen zur Höhe des Schadens. Generelle Feststellungen zu Art und Weise der Schadensberechnung sind zwar nicht ausgeschlossen (vgl. Fullenkamp in Vorwerk/Wolf, KapMuG, § 4 Rn. 19). Der Kläger begehrt vorliegend aber eine konkrete Feststellung zu der Höhe des entgangenen Gewinns, so dass es sich nicht um eine zu verallgemeinernde Vorfrage handelt.
VRLG Dr. Pellegrino PrLG Goldmann Ri Reip
Ausgefertigt
Bremen, 11.7.2017
_________________Hofstadler____ , Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts
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