Die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat mit Urteilen vom 29.04.2022 über drei Verfahren im Zusammenhang mit der Beseitigung von Betonabfällen aus dem Rückbau kerntechnischer Anlagen entschieden (s. dazu bereits die Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts vom 03.05.2022). Die Urteile sind den Beteiligten zwischenzeitlich zugestellt worden. Aus deren nun vorliegenden Begründungen ergibt sich Folgendes:
Im Zuge des Rückbaus der Kernkraftwerke Philippsburg 1 und 2 sowie kerntechnischer Anlagen in Eggenstein-Leopoldshafen fallen Betonabfälle an, die nach Durchlaufen eines strahlenschutzrechtlichen Freigabeverfahrens zur Entsorgung auf einer Deponie freigegeben werden können. Im Fall der Kernkraftwerke Philippsburg 1 und 2 handelt es sich voraussichtlich um 16.000 t, die über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren anfallen, im Fall der kerntechnischen Anlagen in Eggenstein-Leopoldshafen voraussichtlich um 38.450 t innerhalb von ca. 25 Jahren.
Die für den Rückbau der Anlagen verantwortlichen Unternehmen begehren vom Enzkreis die Erklärung, diese Abfälle auf der im Enzkreis gelegenen Deponie Hamberg zu beseitigen. Sie begründen ihr Begehren damit, dass der Enzkreis in einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung die Pflicht zur Beseitigung von im Landkreis Karlsruhe anfallenden, thermisch nicht behandelbaren Abfällen von diesem übernommen habe. Hierzu gehörten die hier in Rede stehenden Abfälle nach Durchlaufen des strahlenschutzrechtlichen Freigabeverfahrens. Der Enzkreis verweigerte diese Erklärung mit der Begründung, die Deponie Hamberg sei für die Annahme der genannten Abfälle nicht zugelassen, weil der maßgebliche Abfallschlüssel nicht im Abfallartenkatalog, der für die Deponie gelte, genannt sei. Daraufhin erteilte das Regierungspräsidium Karlsruhe dem Enzkreis eine von diesem nicht beantragte Ausnahmezulassung für den fehlenden Abfallschlüssel, um die Beseitigung der Abfälle zu ermöglichen.
Im Verfahren 9 K 4660/20 hat sich der klagende Enzkreis gegen die von ihm nicht beantragte Ausnahmezulassung gewandt. Dieser Klage hat die 9. Kammer stattgegeben. Ausweislich der Urteilsgründe könne die Ausnahmezulassung nach der vom Regierungspräsidium herangezogenen Rechtsgrundlage nicht antragslos und gegen den Willen des Betroffenen, also aufgedrängt, ergehen. Die vorliegende Konstellation, in der durch eine Ausnahmezulassung ohne Antrag des Adressaten faktisch eine Zuweisung bestimmter Abfälle zur Beseitigung in einer konkreten Abfallbeseitigungsanlage vorgenommen worden sei, habe der Gesetzgeber vielmehr an strengere Anforderungen geknüpft, die vorliegend umgangen worden seien. Auch sei die Ausnahmezulassung nicht deshalb rechtlich unbedenklich, weil sie lediglich der Klarstellung der vom Landkreis Karlsruhe auf den Enzkreis übergegangenen Beseitigungspflichten diene. Die Auslegung der entsprechenden Vereinbarung ergebe vielmehr, dass der Enzkreis die Aufgabe zur Beseitigung von im Landkreis Karlsruhe anfallenden, thermisch nicht behandelbaren Abfällen nur insofern übernommen habe, als die Abfälle von der Zulassung der Deponie Hamberg umfasst seien. Maßgeblich sei insoweit auf den Abfallartenkatalog der Deponie Hamberg abzustellen. Dieser enthalte den für die Annahme der in Rede stehenden Abfälle maßgeblichen Abfallschlüssel aber gerade nicht. Insbesondere könne aus der Zulassung gemischter Abfallfraktionen, die auch entsprechende Betonabfälle enthielten, nicht die streitige Zulassung sortenreiner Fraktionen abgeleitet werden.
In den Verfahren 9 K 4536/20 und 9 K 4542/20 verfolgen die Unternehmen ihre Begehren auf Abgabe einer Erklärung zur Annahme der fraglichen Abfälle weiter. Diese Klagen hat die 9. Kammer abgewiesen, weil der beklagte Enzkreis weder aufgrund gesetzlicher Bestimmung noch aufgrund vertraglicher Verpflichtung zur Annahme der genannten Abfälle verpflichtet sei. Da die Abfälle im Landkreis Karlsruhe – und damit außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Enzkreises anfielen – sei der beklagte Enzkreis nicht von Gesetzes wegen zur Annahme verpflichtet. Auch aus der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung mit dem Landkreis Karlsruhe folge keine solche Verpflichtung, weil diese auf Abfälle beschränkt sei, die von der Deponiezulassung umfasst seien. Schließlich folge auch aus der Ausnahmezulassung des Regierungspräsidiums Karlsruhe keine Annahmepflicht, weil diese rechtswidrig sei. Ungeachtet dessen könne die Ausnahmezulassung den Vertragsumfang der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung nicht ausdehnen
Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten haben die Möglichkeit, hiergegen binnen eines Monat nach Zustellung die vom Verwaltungsgericht jeweils zugelassene Berufung zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim einzulegen. (RW)
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