Sehr geehrter Her Bremer,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Die zitierte BGH-Entscheidung (BGH II ZR 444/13) ist aus meiner Sicht brisant. Sie eröffnet dem Anleger eines geschlossenen Fonds in Rechtsform der GmbH & Co. KG die Möglichkeit, sofort seine Beteiligung zu kündigen, wenn er nicht richtig aufgeklärt wurde bei seinem Beitritt.
Dafür kann einerseits ein fehlerhafter Prospekt kausal sein, andererseits eine Pflichtverletzung durch den Vermittler. Früher war ein außerordentliches Kündigungsrecht des Anlegers bzw. Gesellschafters anerkannt bei arglistiger Täuschung (BGH XI ZR 376/09, U. v. 19. Oktober 2010, Rn. 17 m.w.N.). Ferner ist nach wie vor nicht möglich, Schadenersatz bzw. eine Rückabwicklung von der Fondsgesellschaft selbst zu verlangen. Deshalb war bislang nicht immer klar, ob ein fehlerhaft aufgeklärter Anleger aus seiner Beteiligung „heraus kommt“, also die fehlerhafte Aufklärung der Fondsgesellschaft dafür zugerechnet werden kann. Nun hat dies der BGH in dem Leitsatz zur neuerlichen Entscheidung ausdrücklich klargestellt. Bereits im November 2013 führte der BGH aus, dass gleiches bei einer stillen Gesellschaft gilt.
Bei nahezu allen geschlossenen Fonds am deutschen Markt kann dies dazu führen, falls tatsächlich eine fehlerhaften Aufklärung vorliegt, dass sich die Anleger scharenweise von der Beteiligung lösen und die Auszahlung eines etwaigen Auseinandersetzungsguthabens verlangen (Stichtag ist derjenige des Zugangs der wirksamen bzw. berechtigten Kündigung).
Neben einem vielleicht noch möglichen Widerruf ist dieser Ausstieg theoretisch relativ leicht zu behaupten. Denn ursächlich für fehlerhafte Aufklärungen können sowohl die Verkaufsprospekte sein (sogar als vom Anleger nicht gelesene Arbeitsgrundlage; BGH II ZR 21/06, U. v. 3. Dezember 2007), als auch das Verhalten des jeweiligen Vermittlers oder Beraters. Fehler des Prospekts oder des Vermittlers zu behaupten, ist auch und gerade bei älteren Fondsbeteiligungen üblich. Bei einigen Produkten wurde die Fehlerhaftigkeit von Prospekten zudem bereits gerichtlich festgestellt.
Neben komplexen und teilweise recht einschneidenden Konsequenzen auf Ebene der Emittenten und Anleger (man denke an hunderte, stichtagsbezogene Auseinandersetzungen und entsprechenden Liquiditätsbedarf, etwaigen Rückforderungen sowie die künftige Involvierung der Fondsgesellschaften in Falschberatungsprozesse) bedeutet dies für die Vermittler, dass ein erhöhtes Aufkommen der Vertretung der Anlegerinteressen durch Anlegeranwälte zu analog erhöhten Inanspruchnahmen auch der Finanzdienstleister führen wird. Dies ist bereits dadurch bedingt, dass Falschberatungsvorwürfe die Grundlage für die sofortigen Kündigungen sind sowie diese auch auf fehlerhaften Prospekten beruhen können. Das besondere Risiko ist hier – wie stets -, dass Vermittler und Berater grundsätzlich auf vollen Schadensausgleich haften (ggf. reduziert um etwaige Abfindungsguthaben, wobei die wirtschaftliche Realisierung häufig fraglich ist).
Es bleibt nun abzuwarten, ob und welche Dynamik diese BGH-Entscheidung entwickelt.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Blazek
Rechtsanwalt
Fachanwalt f. Handels- u. Gesellschaftsrecht
BEMK Rechtsanwälte
Niederwall 28
33602 Bielefeld
Tel.: +49 (0)521 977 940-0
Fax: +49 (0)521 977 940-10
Kommentar hinterlassen