KapMug § 1 Abs. 2 Satz 1
Der Verkaufsprospekt ist kein Unternehmensdatum;
die Art und Weise seiner Darstellung ist nicht feststellungsfähig.
BGH, Beschluss vom 21.09.2021 – XI ZB 30/19 – OLG Hamburg
LG Hamburg
BESCHLUSS
XI ZB 30/19
vom
21. September 2021
in dem Rechtsstreit
Brit Hartmann, Ernst-August-Straße 25, Hamburg, |
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Musterklägerin, | |
– Prozessbevollmächtigte I. Instanz: | Rechtsanwälte Schirp u.a., Berlin – |
Achim von Kutzschenbach, Philosophenweg 31, Murnau, |
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Beigeladener und Musterrechtsbeschwerdeführer, | |
– Prozessbevollmächtigte: | Rechtsanwälte Scheuch und Lindner – |
Theo Gilb, Süderfeld 26, Winsen, |
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Beigetretener auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdeführers, | |
– Prozessbevollmächtigte: | Rechtsanwälte Scheuch und Lindner – |
gegen
Hansische Treuhand GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer, Palmaille 33, Hamburg, |
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Musterbeklagte zu 2 und Musterrechtsbeschwerdegegnerin, | |
– Prozessbevollmächtigter: | Rechtsanwalt Dr. Wessels – |
Sandtor Abwicklungsgesellschaft GmbH & Co. KG i.L., |
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Musterbeklagte zu 1 und Beigetretene auf Seiten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin, |
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– Prozessbevollmächtigte: | Rechtsanwälte Dr. Baukelmann und Tretter – |
3. – 7. …
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. September 2021 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, den Richter Dr. Grüneberg sowie die Richterinnen Dr. Menges, Dr. Derstadt und Ettl
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Musterrechtsbeschwerdeführers gegen den Musterentscheid des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 30. Juli 2019 wird mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass das Feststellungsziel 1.4 als unzulässig zurückgewiesen ist. |
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Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Musterbeklagten zu 1 und zu 2 tragen der Musterrechtsbeschwerdeführer zu 57% und der auf seiner Seite Beigetretene zu 43%. Ihre außergerichtlichen Kosten tragen der Musterrechtsbeschwerdeführer und der auf seiner Seite Beigetretene selbst. |
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Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird hinsichtlich der Gerichtskosten auf bis 600.000 € festgesetzt. |
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Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird für den Prozessbevollmächtigten des Musterrechtsbeschwerdeführers und des auf seiner Seite Beigetretenen auf 53.000 €, für den Prozessbevollmächtigten der Musterbeklagten zu 2 auf bis 170.000 € und für den Prozessbevollmächtigten der Musterbeklagten zu 1 auf bis 260.000 € festgesetzt. |
Gründe:
A.
1 |
Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz über die Unrichtigkeit des Prospekts der „Zweiundfünfzigste IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co. KG“ (künftig: Fondsgesellschaft). |
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2 |
Zweck der Fondsgesellschaft, an der sich Anleger im Jahr 2004 mit einer Mindestzeichnungssumme in Höhe von 15.000 € zuzüglich eines Agios von 5% beteiligen konnten, war die „Verwaltung und Verwertung“ eines Bürogebäudes in Amsterdam Zuidoost, Paasheuvelweg, das mittels von Anlegern eingeworbenem Eigenkapital und aus Darlehensmitteln finanziert werden sollte. Die Musterbeklagte zu 1 war Herausgeberin des Prospekts, der Grundlage des Vertriebs der Beteiligung an der Fondsgesellschaft an Anleger sein sollte, die Musterbeklagte zu 2 war Treuhand- und Gründungskommanditistin der Fondsgesellschaft. Weitere Musterbeklagte sind Banken und waren mit dem Vertrieb der Anteile an der Fondsgesellschaft befasst. |
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3 |
Der im April 2004 herausgegebene Prospekt enthielt zur zeitlichen Verknüpfung der Vermietung des Bürogebäudes und der Darlehensfinanzierung (Feststellungsziel 1.1) unter anderem folgende Angaben:
[…] „Vermietungssituation […]
[…] „Mietvertragsinhalte […]
[…] Fremdfinanzierung […]
[…] „Verschiedene Risiken sind von der Entwicklung des Marktes abhängig und können insofern nur eingeschränkt in der Planung berücksichtigt werden. Eine Kumulation einzelner Risiken kann dazu führen, dass der Anleger die eingesetzte Einlage nicht oder nicht vollständig zurückerhält“ [S. 12] […]
[…] „Fremdfinanzierung […]
[…]
[…] „Chancen und Risiken […] Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds sind unternehmerisch geprägte Investitionen, bei denen der Chance auf eine überdurchschnittliche Vermögensmehrung im günstigsten Fall […] auch das Risiko eines Verlustes der eingesetzten Einlage im ungünstigsten Fall […] gegenüber steht“ [S. 56]. |
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4 |
Zu der Beschaffung der Mittel für eine eventuell erforderliche Revitalisierung des Bürogebäudes vor einer Neuvermietung (Feststellungsziel 1.2) machte der Prospekt folgende Angaben:
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5 |
Zu den mit der Investition in die Fondsgesellschaft verbundenen Risiken (Feststellungsziel 1.3) teilte der Prospekt neben den bereits zitierten Angaben auf den Seiten 12 und 56 unter anderem folgendes mit:
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6 |
Im Zusammenhang mit der Einhaltung des IDW S4-Standards bei Erstellung des Prospekts (Feststellungsziel 1.4) machte der Prospekt unter anderem folgende Angaben:
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7 |
Unter der Überschrift „Sensitivitätsanalyse“ hieß es in dem Prospekt auf Seite 37:
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8 |
Darüber, dass zwischen dem Veräußerer des Bürogebäudes und dem Mieter der Fondsgesellschaft „gesellschaftsrechtliche Verflechtungen“ bestanden (Feststellungsziel 1.5), machte der Prospekt keine Angaben. |
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9 |
Die Entwicklung der Fondsgesellschaft blieb erheblich hinter den prognostizierten Ergebnissen zurück. |
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10 |
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 21. November 2016 dem Oberlandesgericht Feststellungsziele des Inhalts vorgelegt, der Prospekt sei unrichtig und unvollständig, soweit er nicht darstelle, dass durch das zeitgleiche Auslaufen des Mietvertrags und des Darlehensvertrags ein Insolvenzrisiko für die Fondsgesellschaft bestanden habe (Feststellungsziel 1.1), wobei er nicht ausreichend darüber aufkläre, dass eine fehlende Anschlussvermietung oder das Fehlen eines Käufers zur Versagung einer Anschlussfinanzierung und damit zur Insolvenz der Fondsgesellschaft führe (Buchst. a) und die Realisierung dieses Risikos selbst bei prospektgemäßem Verlauf genauso wahrscheinlich gewesen sei wie der prospektierte Verlauf (Buchst. b); der Prospekt weiter unrichtig und unvollständig sei, soweit er nicht darstelle, dass auch bei prospektgemäßem Verlauf der Beteiligung die Fondsgesellschaft nicht über genügend Liquidität verfügt habe, um Revitalisierungskosten zu tragen (Feststellungsziel 1.2); der Prospekt fehlerhaft den „Gesamteindruck“ erwecke, es handele sich bei der Beteiligung um eine sichere und risikoarme Kapitalanlage, ohne über das Risiko eines teilweisen Kapitalverlusts bzw. der Insolvenz der Fondsgesellschaft aufzuklären (Feststellungsziel 1.3); der Prospekt fälschlich zusichere, bei der Prospekterstellung sei der IDW S4-Standard eingehalten worden (Feststellungsziel 1.4); und der Prospekt nicht darstelle, dass zwischen dem Veräußerer und dem Mieter der Fondsimmobilie zum Zeitpunkt der Prospektherausgabe eine gesellschaftsrechtliche Verflechtung bestanden habe (Feststellungsziel 1.5). Weiter hat das Landgericht Feststellungsziele des Inhalts vorgelegt, die Musterbeklagte (gemäß dem Vorlagebeschluss: zu 2) sei „gegenüber den Anlegern Haftungsschuldnerin aus Prospekthaftung im weiteren Sinne“ (Feststellungsziel 2) und die Musterbeklagte (wiederum gemäß dem Vorlagebeschluss: zu 2) habe durch die Verwendung des Prospekts „schuldhaft nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne gehandelt“ (Feststellungsziel 3). |
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11 |
Mit Musterentscheid vom 30. Juli 2019 hat das Oberlandesgericht die Feststellungsziele zu 1.1 bis 1.5 zurückgewiesen und den Vorlagebeschluss betreffend die Feststellungsziele zu 2 und 3 für gegenstandslos erklärt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des zum Musterrechtsbeschwerdeführer bestellten Beigeladenen, mit der er sämtliche Feststellungsziele weiterverfolgt und der ein weiterer Beigeladener im Rechtsbeschwerdeverfahren fristgerecht beigetreten ist. Die Musterbeklagte zu 2 ist durch Beschluss vom 19. November 2019 zur Musterrechtsbeschwerdegegnerin bestimmt worden. Die Musterbeklagte zu 1 ist dem Rechtsbeschwerdeverfahren fristgerecht auf ihrer Seite beigetreten. |
B.
12 |
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. |
I.
13 |
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung – ausgeführt: |
14 |
Das Feststellungsziel 1.1 sei unbegründet. Der Prospekt habe nicht gesondert darauf hinweisen müssen, dass eine fehlende Anschlussvermietung oder das Fehlen eines Käufers im Ergebnis zu einer Insolvenz der Fondsgesellschaft führen werde. Es sei „jedermann klar“, dass eine Fondsgesellschaft insolvent werde, wenn sie einerseits ein Darlehen zu bedienen und andererseits keine Einkünfte aus einer Vermietung oder Veräußerung der Fondsimmobilie habe. Darauf habe nicht gesondert hingewiesen werden müssen, weil „durch die Miet- und Veräußerungseinnahmen das aufgenommene Fremdkapital“ habe zurückgeführt „und den Anlegern ihre Einlage einschließlich eines Gewinns“ habe zurückerstattet werden sollen. Darin habe „das ganz offensichtliche Fondskonzept“ bestanden. Das zeitliche Zusammenfallen der Beendigung des Miet- und des Darlehensvertrags habe das allgemein bestehende Insolvenzrisiko nicht erhöht. Eine zeitliche Verknüpfung von Miet- und Darlehensvertrag sei im Übrigen sachlich geboten gewesen. Die „favorisierte Verwertungsvariante“ sei die Veräußerung nach zehn Jahren gewesen. Wären beide Verträge nicht zeitlich aufeinander abgestimmt worden, wäre entweder bei länger laufendem Darlehensvertrag eine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen gewesen oder bei länger laufendem Mietvertrag der Kreis der potentiellen Erwerber erheblich eingeschränkt gewesen. „Die zeitliche Verknüpfung von Miet- und Darlehensvertrag“ sei „eine logische Folge des sich aus dem Prospekt ohne weiteres ergebenden Fondskonzepts“ gewesen. Der Prospekt habe das Insolvenzrisiko auch nicht verharmlost. Er habe auf den Seiten 12 und 56 in allgemeiner Form darauf hingewiesen, bestehende Risiken könnten dazu führen, dass der Anleger die eingesetzte Einlage nicht oder nicht vollständig zurückerhalte. Auf Seite 56 befasse sich der Prospekt speziell mit dem Risiko, dass neu nur zu einem niedrigeren Mietzins vermietet werden könne und dies zu einer Reduzierung des Bewirtschaftungsergebnisses der Fondsgesellschaft, also zu Einnahmeverlusten, führe. Mit dieser Aussage werde das Risiko, dass völlig unzureichende oder ganz ausbleibende Mieteinnahmen zu einer Insolvenz des Fonds führen könnten, weder verharmlost noch ausgeschlossen. Diesen „naheliegenden Schluss“ werde „ein verständiger Anleger im Sinne eines Erstrecht-Schlusses ohne weiteres selbst ziehen“. Auf Seite 58 werde unter der Überschrift „Wertentwicklung“ das Risiko dargestellt, dass der Verkaufspreis nicht ausreiche, „um das valutierende Fremdkapital“ der Fondsgesellschaft vollständig zurückzuführen, „so dass das Eigenkapital nicht oder nicht vollständig zurückgeführt werden könne“. Der Anleger wisse somit, dass niedrigere Mieteinnahmen als prognostiziert oder ein niedrigerer Veräußerungserlös einen negativen Einfluss auf die Höhe der Einlagenrückzahlung haben könnten. Damit werde das bestehende Insolvenzrisiko nicht verharmlost, sondern zusätzlich deutlich gemacht. |
15 |
Die als weiterer Unterpunkt des Feststellungsziels 1.1 begehrte Feststellung, die Realisierung des Insolvenzrisikos sei nach Auslaufen des Miet- und des Darlehensvertrags selbst bei prospektgemäßem Verlauf genauso wahrscheinlich wie der prospektierte Verlauf, sei ebenfalls nicht zu treffen. Es sei nicht entscheidungserheblich, ob die gleiche Wahrscheinlichkeit für eine Insolvenz des Fonds oder für sein Gelingen gesprochen habe. Vielmehr komme es darauf an, dass die Prognose des Gelingens auf zutreffende Tatsachen gegründet worden und vertretbar gewesen sei. Das sei hier der Fall gewesen. Die Prognose habe an den langjährigen beständigen Wertzuwachs gleichartiger Immobilien, den Bedarf an Büroraum und den Umstand angeknüpft, dass sich der bisherige Mieter eine ausdrückliche Verlängerungsoption über die fest vereinbarten zehn Jahre hinaus habe einräumen lassen. Bei dieser (unstreitigen) Ausgangslage sei die Annahme nicht unvertretbar, zum Laufzeitende des Miet- und des Darlehensvertrags werde sich entweder ein solventer Mieter finden lassen oder das Objekt „zu ausreichenden Bedingungen veräußert werden können“. Für das Gegenteil habe die Musterklägerin keine Anhaltspunkte vorgetragen, sondern lediglich spekuliert, mit welcher Wahrscheinlichkeit möglicherweise kein Nachmieter gefunden werde. |
16 |
Weiter sei das Feststellungsziel 1.2 unbegründet. Es sei nicht so gewesen, dass „Liquiditätsprobleme“ notwendig hätten entstehen müssen, die eine Neuvermietung oder einen Verkauf zu angemessenen Bedingungen erschwert oder gar unmöglich gemacht hätten, und dass das Konzept des Fonds nur habe aufgehen können, wenn der Mieter den Mietvertrag über die ersten zehn Jahre hinaus verlängere. Die erforderliche Liquidität für einen Revitalisierungsaufwand habe, soweit er überhaupt von der Fondsgesellschaft habe vorfinanziert werden müssen, den vorhandenen Mitteln, nämlich der Liquiditätsreserve und dem Jahresüberschuss für das laufende Wirtschaftsjahr, entnommen und gegebenenfalls auch über ein Darlehen finanziert werden können. Die Relevanz von Revitalisierungskosten für das wirtschaftliche Ergebnis der Fondsgesellschaft ergebe sich deutlich aus den Seiten 34 f. (Veräußerung des Objekts) und Seite 56 (Neuvermietung) des Prospekts, liege aber auch ohne diese Hinweise auf der Hand. |
17 |
Auch die mit dem Feststellungsziel 1.3 begehrte Feststellung sei nicht zu treffen. Der Prospekt beschreibe das Verlust- und Teilverlustrisiko auf den Seiten 12, 56 und 58 hinreichend. Dieses Risiko sei für jeden Anleger im Übrigen schon ohne jede nähere Darstellung offenbar gewesen. Soweit der Prospekt auf Seite 56 auf eine mögliche Minderung des Bewirtschaftungsergebnisses durch niedrigere Folgemieten bei einer Neuvermietung hinweise, ohne dort zugleich auch das Insolvenzrisiko zu erwähnen, liege darin keine irreführende Verharmlosung. Zum einen umfasse der Hinweis auf eine mögliche Minderung des Bewirtschaftungsergebnisses auch ein Bewirtschaftungsergebnis, das nicht mehr kostendeckend sei und auf absehbare Zeit in die Insolvenz führe. Zum anderen sei es „ausgesprochen fernliegend“ gewesen, dass nach dem Auslaufen des ursprünglichen Miet- und Darlehensvertrags ein neuer Mietvertrag abgeschlossen worden wäre, aus dem nicht einmal mehr die Kosten und das Darlehen hätten bestritten werden können. In einem solchen Fall verwirkliche sich das offen ersichtliche „Grundrisiko“, dass die Bank den zeitgleich ablaufenden Darlehensvertrag nicht neu abschließe und das Objekt veräußert werden müsse. Der Prospekt gewichte die bestehenden Verkaufsrisiken zutreffend, ohne das bestehende Restrisiko eines teilweisen oder gänzlichen Verlusts der Einlage in Abrede zu stellen. Dass es sich bei der Berechnung des prognostizierten Liquidationserlöses oder der Sensitivitätsanalyse lediglich um nicht als abschließend zu verstehende Beispielsrechnungen gehandelt habe, sei ebenfalls offensichtlich. Schließlich ergebe sich aus dem Hinweis auf die unstreitige Kompetenz eines Bankhauses bei der Auflegung und Durchführung von Immobilienfonds keine unzulässige Verharmlosung des von den Anlegern eingegangenen Grundrisikos. Denn Erfahrung und Kompetenz des Initiators minderten die Gefahr eines Scheiterns eines Fonds nicht unwesentlich. |
18 |
Nicht zu treffen sei die mit dem Feststellungsziel 1.4 begehrte Feststellung. Unstreitig sei, dass „die Kapitalanlage materiell“ einer Prüfung anhand des IDW S4-Standards unterzogen worden sei. Die Musterklägerin mache dagegen geltend, die Darstellung im Prospekt entspreche nicht diesem Standard. Eine allein auf die Darstellung bezogene Feststellung, die auf die Art und Weise der Gestaltung des Prospekts und nicht auf unrichtige oder fehlerhafte Angaben über die Kapitalanlage selbst bezogen sei, könne im Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz nicht getroffen werden. Behaupte ein Prospekt fälschlicherweise, entsprechend dem IDW S4-Standard aufgestellt worden zu sein, liege möglicherweise eine falsche oder irreführende Information über den Prospekt selbst und die Kriterien vor, nach denen er erstellt worden sei. Eine Aussage über die Anlage selbst, insbesondere über die mit ihr verbundenen Chancen und Risiken, werde damit allerdings nicht getroffen. Die Fehlinformation beziehe sich dann nicht auf „sonstige Unternehmensdaten“ im Sinne des § 1 Abs. 2 KapMuG. |
19 |
Feststellungsfähig sei es, wenn der Prospekt zu Unrecht einzelne, von der Musterklägerin benannte aufklärungspflichtige Angaben unzutreffend oder gar nicht darstelle. Außerdem sei feststellungsfähig, dass „die Kapitalanlage nicht die IDW S4-Standards“ erfülle, obwohl der Prospekt dies behaupte. Solche Mängel habe die Musterklägerin indessen nicht dargelegt. |
20 |
Im Übrigen entspreche der Prospekt dem IDW S4-Standard. Der Prognosezeitraum von zehn Jahren sei zutreffend gewählt, „weil die gesamte Kapitalanlage primär auf diesen Zeitraum ausgerichtet“ und „bei normalem Verlauf der Dinge eine Veräußerung des Grundstücks als primäre Lösung ins Auge gefasst“ gewesen sei. „Prognosen für den Anschlusszeitraum“ seien „weder erforderlich noch seriös erstellbar“ gewesen. Die von der Musterklägerin gerügte Ungenauigkeit des prognostizierten Betriebsergebnisses hinsichtlich der letzten zwei Monate des zehnten Wirtschaftsjahres stelle eine Bagatelle dar, aus der sich für den Anleger ein wesentliches und damit mitteilungspflichtiges Risiko nicht habe ergeben können. Die Risiken seien gemäß dem IDW S4-Standard dargestellt worden. Eine nach dem IDW S4-Standard ohnehin fakultative Sensitivitätsanalyse habe der Prospekt ebenfalls enthalten. Er habe auf Seite 37 „einzelne Parameter, nämlich die Inflationsrate, die Instandhaltungskosten und die Bewirtschaftungskosten“ aufgeführt, gewichtet und sich mit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit befasst. Die Ergebnisrelevanz einer Veränderung des Verkaufspreises werde auf den Seiten 34 f. des Prospekts ausführlich dargelegt. Auf Seite 58 werde dieser Aspekt noch einmal aufgegriffen. Als „worst case“ weise der Prospekt unter der Rubrik „Chancen und Risiken“ darauf hin, dass das Eigenkapital nicht oder nicht vollständig zurückgeführt werden könne, wenn der Verkaufspreis nicht ausreiche, um das valutierende Fremdkapital zurückzuführen. Das Vermietungsrisiko und der Einfluss auf das Bewirtschaftungsergebnis würden ebenfalls unter der Rubrik „Chancen und Risiken“ erläutert. Nähere Angaben zu den beiden zuletzt genannten Punkten seien weder erforderlich noch möglich gewesen, „weil die potentiellen Variationen einerseits kaum eingrenzbar“ gewesen seien und andererseits „die zentrale Relevanz der Vermietung und des Verkaufspreises“ ohnehin für jedermann auf der Hand gelegen habe. |
21 |
Auch eine Feststellung gemäß dem Feststellungsziel 1.5 sei nicht zu treffen. Der Prospekt habe nicht darüber aufklären müssen, „dass zwischen dem Veräußerer und dem Mieter der Immobilie gesellschaftsrechtliche Verflechtungen bestanden“. Eine Aufklärungspflicht sei nur gegeben, wenn die Gefahr bestehe, „dass die Fondsgesellschaft ihr gesellschaftsrechtlich nahestehenden Personen zu Lasten der Anleger Vorteile“ gewähre. Hier seien aber weder der Verkäufer noch der Mieter der Immobilie mit der Fondsgesellschaft verflochten gewesen. Sie hätten ihr vielmehr als Dritte mit offen gegenläufigen Interessen gegenübergestanden. |
22 |
Weil den Feststellungszielen 1.1 bis 1.5 nicht zu entsprechen sei, sei der Vorlagebeschluss zu den Feststellungszielen 2 und 3 gegenstandslos. |
II.
23 |
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand. |
24 |
1. Auf den im April 2004 herausgegebenen Prospekt finden gemäß Art. 6 des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) noch nicht die Regelung der §§ 8f, 8g VerkProspG in der Fassung vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2012 in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG und die Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung Anwendung (dazu BT-Drucks. 15/3493, S. 53 f.; Assmann in Assmann/Schlitt/Kopp-Colomb, Wertpapierprospektgesetz Verkaufsprospektgesetz, 2. Aufl., Einl. VerkProspG Rn. 6, 21; Groß, Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Vorbem. VerkProspG Rn. 2), weil der Vertrieb der Beteiligung an der Fondsgesellschaft nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts im Jahr 2004 stattfand (vgl. Bohlken/Lange, DB 2005, 1259, 1263; Moritz/Grimm, BB 2004, 1352, 1357). Vielmehr ergeben sich die Anforderungen an den freiwillig aufgelegten Prospekt aus den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Bohlken/Lange, aaO, S. 1259). |
25 |
Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der im allgemeinen die wesentliche Unterrichtungsmöglichkeit für einen Beitrittsinteressenten darstellt, ein zutreffendes und vollständiges Bild über sämtliche Umstände zu vermitteln, welche für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind (BGH, Urteile vom 6. Oktober 1980 – II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 344 f., vom 5. Juli 1993 – II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 109 f., vom 29. Mai 2000 – II ZR 280/98, WM 2000, 1503, 1504, vom 7. Dezember 2009 – II ZR 15/08, WM 2010, 262 Rn. 18, vom 22. März 2010 – II ZR 66/08, WM 2010, 972 Rn. 9 und vom 23. April 2012 – II ZR 211/09, WM 2012, 1184 Rn. 13). Die angesprochenen Interessenten dürfen sich daher auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in einem solchen Prospekt verlassen und davon ausgehen, dass die insoweit unmittelbar Verantwortlichen den Prospekt mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft haben und dass darin über alle Umstände aufgeklärt wird, die für den Entschluss, sich als Kommanditist zu beteiligen, von wesentlicher Bedeutung sind (BGH, Urteile vom 24. April 1978 – II ZR 172/76, BGHZ 71, 284, 287 f., vom 7. April 2003 – II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088 und vom 1. März 2004 – II ZR 88/02, WM 2004, 928, 930). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können (BGH, Urteile vom 6. Oktober 1980, aaO, vom 21. Oktober 1991 – II ZR 204/90, BGHZ 116, 7, 12, vom 10. Oktober 1994 – II ZR 95/93, WM 1994, 2192, 2193 und vom 7. April 2003, aaO). Beruht der wirtschaftliche Anlageerfolg eines geschlossenen Immobilienfonds allein auf der nachhaltigen Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung oder Verpachtung von Anlageobjekten, so ist in dem Anlageprospekt deutlich auf mögliche, der Erreichbarkeit dieser Einnahmen entgegenstehende Umstände und die sich hieraus für den Anleger ergebenden Risiken hinzuweisen (BGH, Urteil vom 1. März 2004, aaO). |
26 |
2. Gemessen daran ist das Oberlandesgericht entgegen den Einwänden der Rechtsbeschwerde rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, den Anträgen zu den Feststellungszielen 1.1 bis 1.5 sei – soweit anders als das Feststellungsziel 1.4 im Musterverfahren statthaft – in der Sache nicht zu entsprechen. |
27 |
a) Der Antrag zum Feststellungsziel 1.1 ist, wie das Oberlandesgericht zutreffend gesehen hat, unbegründet. Weder klärte der Prospekt unzureichend darüber auf, eine fehlende Anschlussvermietung oder das Fehlen eines Käufers werde zur Versagung einer Anschlussfinanzierung und damit zur Insolvenz der Fondsgesellschaft führen, noch darüber, die Realisierung dieses Risikos sei selbst bei prospektgemäßem Verlauf genauso wahrscheinlich wie der prospektierte Verlauf. |
28 |
Das Oberlandesgericht hat rechtsfehlerfrei darauf hingewiesen, aus der zeitlichen Verknüpfung von Miet- und Darlehensvertrag habe sich kein gegenüber einer Entkoppelung mitteilungspflichtiges größeres Risiko ergeben, weil es der „favorisierten Verwertungsvariante“ entsprochen habe, das Fondsobjekt nach Ablauf des Mietvertrags zu veräußern. Unter diesen Umständen musste der Prospekt nicht auch noch darauf hinweisen, das Risiko eines Ausfalls verringere sich, wenn die Dauer des Mietvertrags die des Darlehensvertrags überschreite und damit – die Solvenz und Zahlungswilligkeit des Mieters unterstellt – über das Ende des Darlehensvertrags hinaus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung generiert werden könnten. Eine solche Gestaltung hätte den Kreis potentieller Erwerber erheblich eingeschränkt und wäre damit dem Fondskonzept zuwidergelaufen. |
29 |
Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist die Annahme des Oberlandesgerichts, es komme aus Rechtsgründen nicht darauf an, ob die gleiche Eintrittswahrscheinlichkeit für das Gelingen des Fondskonzepts und die Insolvenz der Fondsgesellschaft bestanden habe, sondern allein darauf, ob die Prognose des Gelingens auf zutreffenden Tatsachen gegründet habe und vertretbar gewesen sei. Der Angriff der Rechtsbeschwerde gegen diese Annahme beschränkt sich in der Sache auf die Wiederholung des Einwands, der Prospekt habe über das aus der Verknüpfung der Mietvertrags- und der Darlehensvertragslaufzeit resultierende spezifische Risiko unterrichten müssen. Das trifft indessen – wie vom Oberlandesgericht erläutert – nicht zu. |
30 |
b) Einer rechtlichen Überprüfung stand hält weiter die Annahme des Oberlandesgerichts, eine Feststellung wie mit dem Feststellungsziel 1.2 beantragt sei nicht zu treffen. Gegenstand des Feststellungsziels ist der Vorwurf, der Prospekt habe nicht deutlich gemacht, dass im Falle einer Verzögerung des Verkaufs des Fondsobjekts die „Liquidität“ in Höhe von 1,195 Mio. € nicht ausreiche, um einen Revitalisierungsaufwand in Höhe von 5,553 Mio. € zu decken. Das von der Rechtsbeschwerde zum Beleg dieser Behauptung herangezogene Zahlenwerk ergibt sich indessen, was die Rechtsbeschwerde selbst anführt, deutlich aus der tabellarischen Aufstellung auf Seite 35 des Prospekts. Eine von der Rechtsbeschwerde behauptete Deckungslücke verschwiege der Prospekt mithin nicht, sondern legte sie offen. Er wäre damit weder unvollständig noch fehlerhaft, ohne dass das Oberlandesgericht Anlass gehabt hätte, das von der Rechtsbeschwerde als solches nicht in Zweifel gezogene Zahlenwerk von einem Sachverständigen überprüfen zu lassen. |
31 |
Davon abgesehen führt der Prospekt auf Seite 34 (wie auf Seite 56 in Bezug auf eine Reduktion des Bewirtschaftungsergebnisses) ausdrücklich aus, gegebenenfalls fänden auch die für Ausschüttungen vorgesehenen Beträge mit der Folge einer Reduzierung des Liquidationserlöses für die Revitalisierung Verwendung. Der Prospekt weist, worauf die Beschwerdeerwiderung zutreffend hinweist, auf Seite 31 für das Jahr 2014 einen zur Ausschüttung vorgesehenen Betrag in Höhe von 4,424 Mio. € aus. Dem Prospekt war damit eine solide Deckung etwaiger Revitalisierungskosten ohne weiteres zu entnehmen. |
32 |
c) Den Angriffen der Rechtsbeschwerde hält überdies die Auffassung des Oberlandesgerichts stand, eine Feststellung gemäß dem Feststellungsziel 1.3 sei nicht zu treffen. |
33 |
Der Prospekt informierte „über das Risiko eines teilweisen Kapitalverlusts bzw. der Insolvenz der Fondsgesellschaft“. Die Rechtsbeschwerde räumt selbst ein, der Prospekt weise auf den im Musterentscheid zitierten Seiten 12, 56 und 58 „dem Grunde nach auf ein Teil- und Totalverlustrisiko“ hin. Damit trifft aber die mit dem Feststellungsziel 1.3 formulierte Behauptung nicht zu. |
34 |
Darüber hinaus handelt es sich bei einem geschlossenen Immobilienfonds um eine Art der Unternehmensbeteiligung, bei der das Risiko eines hohen oder vollständigen Kapitalverlusts gering ist, weil selbst bei unzureichendem Mietertrag jedenfalls der Sachwert des Immobilienvermögens normalerweise erhalten bleibt (BGH, Urteile vom 8. Juli 2010 – III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 18 und vom 24. April 2014 – III ZR 389/12, BKR 2014, 504 Rn. 28). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus der Fremdkapitalquote eines Immobilienfonds kein strukturelles Risiko, das dem Anleger gegenüber gesondert aufklärungsbedürftig ist. Bei einem Immobilienfonds steht selbst bei unzureichendem Mietertrag den Verbindlichkeiten der Gesellschaft zunächst der Sachwert der Immobilie gegenüber. Zu einem Totalverlust des Anlagebetrages, den die Musterklägerin gegenüber dem Oberlandesgericht selbst als „praktisch unmöglich“ bezeichnet hat, kann es also erst dann kommen, wenn die Verbindlichkeiten der Fondsgesellschaft den Wert der Immobilie vollständig aufzehren. Auch wenn ein (teilweise) fremdfinanzierter Fonds zusätzlich Zins- und Tilgungsleistungen zu erbringen hat und im Fall der Verwertung der Fondsimmobilie das Risiko besteht, dass der Erlös hinter den Kreditverbindlichkeiten zurückbleibt, so ergibt sich daraus kein Risiko, auf das der Prospekt gesondert hinweisen musste. Solange der Anteil der Fremdfinanzierung des Fonds und die damit verbundenen Belastungen – wie hier – im Prospekt zutreffend dargestellt sind, sind die sich daraus ergebenden Risiken allgemeiner Natur und Anlegern regelmäßig bekannt und damit nicht aufklärungsbedürftig (Senatsurteile vom 27. Oktober 2009 – XI ZR 337/08, WM 2009, 2303 Rn. 25 und – XI ZR 338/08, ZIP 2009, 2380 Rn. 28). |
35 |
d) Rechtsfehlerfrei ist das Oberlandesgericht überdies – wie aus den Gründen des Musterentscheids ersichtlich – davon ausgegangen, das Feststellungsziel 1.4, der Prospekt sichere fälschlich zu, „dass bei der Prospekterstellung der IDW S4-Standard eingehalten“ worden sei, sei im Musterverfahren unstatthaft und damit als unzulässig zurückzuweisen. |
36 |
Das in den Vorlagebeschluss aufgenommene Feststellungsziel 1.4 ist vom Oberlandesgericht dahin ausgelegt worden, es sei darauf gerichtet festzustellen, dass der Prospekt über die Art und Weise der Darstellung des Fondskonzepts falsche Angaben mache. Diese Auslegung trifft, was der Senat uneingeschränkt überprüfen kann (Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2014 – XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1 Rn. 133 und vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 57), zu. |
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Ein Feststellungsziel dieses Inhalts ist im Musterverfahren nicht feststellungsfähig. Wie das Oberlandesgericht zutreffend erkannt hat, knüpft das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz die Feststellungsfähigkeit an eine falsche, irreführende oder unterlassene Kapitalmarktinformation. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG sind öffentliche Kapitalmarktinformationen Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt sind und einen Emittenten von Wertpapieren oder einen Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen (vgl. schon Senatsbeschluss vom 10. Juni 2008 – XI ZB 26/07, BGHZ 177, 88 Rn. 12). Gegenstand eines Schadensersatzanspruchs muss mithin ein Unternehmensdatum sein, das entweder falsch oder irreführend mitgeteilt oder – obwohl wesentlich – verschwiegen worden ist (vgl. auch Vorwerk/Wolf/Radtke-Rieger, KapMuG, 2. Aufl., § 1 Rn. 26 ff.). Der Prospekt ist kein Unternehmensdatum in diesem Sinne (KK-KapMuG/Kruis, 2. Aufl., § 1 Rn. 23; Mormann, Zuständigkeitsrechtlicher Schutz vor Kapitalanlegerklagen in den USA, 2010, S. 245; vgl. auch Lüdicke/Arndt/Götz, Geschlossene Fonds, 3. Aufl., S. 101), so dass die Art und Weise seiner Darstellung nicht feststellungsfähig ist. |
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e) Schließlich hat auch die Auffassung des Oberlandesgerichts im Rechtsbeschwerdeverfahren Bestand, das Feststellungsziel 1.5 sei unbegründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten. Dazu gehört auch eine Darstellung der wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen zwischen einerseits der Fondsgesellschaft, ihren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits den Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Emissionsprospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat, und der diesem Personenkreis gewährten Sonderzuwendungen oder Sondervorteile (vgl. nur Senatsurteil vom 21. September 2010 – XI ZR 232/09, WM 2010, 2069 Rn. 29 mwN). Diese Rechtsprechung betrifft, wie die Rechtsbeschwerde selbst zugesteht, gesellschaftsrechtliche Verflechtungen zwischen Dritten, mit denen die Fondsgesellschaft in geschäftlichem Kontakt steht, nicht. |
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In dem Umstand, dass Verkäufer und Mieter der Fondsimmobilie „demselben Konzern“ angehören, liegt entgegen der Rechtsmeinung der Rechtsbeschwerde auch keine „Sonderkonstellation“, die nach dem allgemeinen Grundsatz aufklärungspflichtig wäre, demzufolge der Prospekt über alle Umstände unterrichten muss, die für den Anleger „eher als nicht“ von Bedeutung sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 57, vom 6. Oktober 2020 – XI ZB 28/19, WM 2020, 2411 Rn. 25 und vom 12. Januar 2021 – XI ZB 18/17, WM 2021, 672 Rn. 43). Die Rechtsbeschwerde spekuliert in diesem Zusammenhang bloß darüber, ob der Verkäufer dem Mieter Sonderkonditionen eingeräumt haben oder bei der räumlichen Gestaltung des Fondsobjekts entgegengekommen sein könnte. Die von der Rechtsbeschwerde vorgetragenen Mutmaßungen sind weder von dem Feststellungsziel 1.5 umfasst noch zeigt die Rechtsbeschwerde auf, dass dem Oberlandesgericht vor Erlass des Musterentscheids entsprechendes vorgetragen worden ist. |
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3. Ohne Erfolg bleibt die Rechtsbeschwerde schließlich, soweit sie die Feststellungsziele 2 und 3 weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat im Tenor und in den Gründen zutreffend angenommen, dass der Vorlagebeschluss hinsichtlich dieser Feststellungsziele gegenstandslos geworden ist. Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss hinsichtlich eines Feststellungsziels, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses Feststellungsziels aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist (Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 106, vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 49, vom 23. Oktober 2018 – XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 61 und vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 30). Das ist hier schon deshalb der Fall, weil das Oberlandesgericht keinem der Feststellungsziele zu 1.1 bis 1.5 in der Sache entsprochen hat. |
III.
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Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens folgt aus § 26 Abs. 1 KapMuG. Danach haben der Musterrechtsbeschwerdeführer und der auf seiner Seite Beigetretene die gesamten Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach dem Grad ihrer Beteiligung zu tragen. Die Kosten der Rechtsbeschwerde im Sinne des § 26 Abs. 1 KapMuG umfassen auch die außergerichtlichen Kosten der Musterbeklagten zu 2 als Musterrechtsbeschwerdegegnerin und der Musterbeklagten zu 1. |
IV.
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Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten und die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG und § 23b RVG. |
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1. Gemäß § 51a Abs. 2 GKG ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz bei der Bestimmung des Streitwerts von der Summe der in sämtlichen Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche auszugehen, soweit diese von den Feststellungszielen des Musterverfahrens betroffen sind. Infolgedessen sind bei der Streitwertbemessung auch die in den Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche der Beigeladenen zu berücksichtigen, die zwar dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind, ihre Klage aber nicht innerhalb der Monatsfrist des § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 24 Abs. 2 KapMuG zurückgenommen haben (Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 117 und vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 74). Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend bis 600.000 €. |
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2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b RVG. Danach bestimmt sich der Gegenstandswert nach der Höhe des von dem Auftraggeber oder gegen diesen im Prozessverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist. Für die Prozessbevollmächtigten, die mehrere Beteiligte im Rechtsbeschwerdeverfahren vertreten, ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten gemäß § 22 Abs. 1 RVG in Höhe der Summe der nach § 23b RVG zu bestimmenden Streitwerte festzusetzen (Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 – XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 118, vom 19. September 2017 – XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 75 und vom 23. Oktober 2018 – XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 81). |
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Danach ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten des Musterrechtsbeschwerdeführers und des auf seiner Seite Beigetretenen auf 53.000 € festzusetzen. Für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten der Musterbeklagten zu 2 beläuft sich der Gegenstandswert auf bis 170.000 € und für den Prozessbevollmächtigten der Musterbeklagten zu 1 auf bis 260.000 €. |
Ellenberger Grüneberg Menges
Derstadt Ettl
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 21.11.2016 – 316 OH 3/16 –
OLG Hamburg, Entscheidung vom 30.07.2019 – 14 Kap 13/16 –
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